Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragsgegnerin ist Alleineigentümerin der EZ *****, bestehend aus den Grundstücken Nr. ***** und *****, GB *****. Auf der Liegenschaft, nämlich dem Grundstück ***** ist das U***** Einkaufszentrum mit einer derzeitigen Gesamtnutzfläche von 39.245,30 m2, mit der Adresse *****, errichtet. Das durch die K*****straße ***** abgeteilte, unbebaute Grundstück ***** stellt die Straßenböschung dar. Der Gebäudekomplex besteht aus einer Vielzahl von Verkaufsflächen, welche von den allgemeinen Teilen (Mall) zum Teil durch Mauern, zum Teil durch Glaswände vom Fussboden bis zur Decke, zum Teil durch Rollgitter oder Schiebetore baulich getrennt und abgeschlossen sind.
Die Antragstellerin klagte zu 6 Cg 413/93 des Landesgerichtes Linz die Antragsgegnerin auf Einwilligung in die Einverleibung ihres Eigentumsrechts am Mindestanteil und ihres Wohnungseigentums an dem näher bezeichneten, 2294,76 m2 großen Verkaufsobjekt in dem Einkaufzentrum. Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 13. 12. 1994, 13 R 27/94 wurde das Verfahren gemäß § 25 Abs 2 WEG unterbrochen und beiden Parteien die Einleitung eines Nutzwertfestsetzungsverfahrens aufgetragen. Dem dagegen erhobenen Rekurs gab der Oberste Gerichtshof mit seiner Entscheidung vom 27. 6. 1995, 5 Ob 79/95, mit der Begründung nicht Folge, dass ein den materiellen Voraussetzungen für eine Klage nach § 25 WEG genügender Titel schon jene Vereinbarung sei, die eine bindende Verpflichtung der Parteien vorsehe, Wohnungseigentum in einer hiefür geeigneten Prozedur zu verschaffen bzw zu übernehmen. Die zwischen den Parteien abgeschlossene Punktation erfülle diese Voraussetzungen. Die Parteien seien sich in den Hauptpunkten (hier: Wohnungseigentumsobjekt, Preis und Verschaffungs- bzw Übernahmspflicht), einig gewesen und haben den Willen geäußert, sich schon mit der Unterfertigung des "Aufsatzes" zu binden.
Die Antragstellerin beantragt nun im Sine des Unterbrechungsbeschluss die Nutzwertfestsetzung.
Die Antragsgegnerin spricht sich gegen die Nutzwertfestsetzung mit der Begründung aus, dass aufgrund der tatsächlichen baulichen Ausbildung des Einkaufszentrums die Begründung von Wohnungseigentum nicht möglich sei. Es lägen keine selbständigen Räumlichkeiten im Sinne des WEG vor, die einzelnen Räumlichkeiten stünden zueinander in unteilbarer Abhängigkeit, seien nicht abgetrennt und nicht selbständig nutzbar.
Das Erstgericht setzte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Nutzwerte für die einzelnen Objekte fest und führte - soweit dies für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung ist - in rechtlicher Hinsicht aus, dass für die Verkaufsflächen, die durch Glaswände, Rollgitter oder Schiebetore von der Mall abgetrennt seien, die ausschließliche Nutzbarkeit zu bejahen sei, sodass eine Nutzwertfestsetzung erfolgen könne. Die Mall, die Lokalflächen im Aufgangsbereich zur Diskothek, der Parkplatzbereich, die Zu- und Abfahrtsstraßen hingegen seien bei der Nutzwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen, da hier das Erfordernis der ausschließlichen Nutzbarkeit fehle. Die Kaffeehausflächen und Marktstände im Bereich der Mall weisen keine baulichen Trennungen gegenüber den allgemeinen Teilen auf. Sonstige selbständige Räumlichkeiten müssten nicht über Wasserentnahmestelle und Klosett verfügen, damit die Begründung von Wohnungseigentum zulässig sei.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objektes anlässlich der Nutzwertfestsetzung als Vorfrage zu prüfen sei. Wohnungseigentum könne an sonstigen selbständigen Räumlichkeiten, insbesondere selbständigen Geschäftsräumen begründet werden. Teile eines Objektes, auf deren Mitbenützung Dritte angewiesen seien, seien allgemeine Teile der Liegenschaft, an denen Wohnungseigentum nicht begründet werden könne. Die Mall sei in diesem Sinne ein notwendiger allgemeiner Teil und mit einem Stiegenhaus vergleichbar. Soweit die Mall Dimensionen aufweise, die für den unmittelbaren Zugang nicht erforderlich seien, liegen zwar keine notwendigen allgemeinen Teile vor, allerdings seien diese Teile mangels Abgrenzung im Sinne von selbständigen Baulichkeiten auch nicht wohnungseigentumsfähig. Solche Teile könnten - allenfalls auch konkludent - als allgemeine Teile zur allgemeinen Benützung gewidmet werden oder sie könnten als Zubehör mit selbständigen Räumlichkeiten verbunden werden, wobei die Eignung als Zubehör voraussetze, das diese Liegenschaftsteile im Sinne des § 1 Abs 2 WEG von den allgemeinen Teilen der Liegenschaft aus zugänglich und abgegrenzt seien. Unabhängig von der Frage der ausreichenden Abgrenzung, sei jedenfalls eine Widmung als Zubehör für die in der Mall situierten Kaffeehaus- und Lokalflächen bzw Marktstände nicht erfolgt, sodass diese Flächen ebenfalls bei der Nutzwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen gewesen seien. Die Wohnungseigentumstauglichkeit des Objektes erfordere die bauliche Abgeschlossenheit nach allen Seiten und sei ansonsten nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Es mache keinen Unterschied, ob der jeweilige Eingangsbereich des Geschäftslokales durch Glaswände oder Rollgitter verschlossen sei. Die Geschäftslokale seien nach Art und Größe von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und zum anderen seien sie als Geschäftsraum vermietet und auch baulich abgeschlossen. Rollbalken seien aus Gründen des Einbruchsschutzes stabil und etwa über Führungsschienen von oben bis unten fix und dauerhaft verankert, sodass sie weder ohne größeren Aufwand versetzbar seien noch überwunden werden könnten. Auch wenn sie beweglich seien, stellen sie eine eindeutige bauliche Abgrenzung dar. Gleiches gelte für Schiebetore und Glaswände. An sonstigen Räumlichkeiten könne Wohnungseigentum begründet werden, auch wenn sie im Inneren über keine sanitären Einrichtungen verfügen. Es seien nur solche Vorfragen zu prüfen, die für das Nutzwertfestsetzungsverfahren relevant seien. Die Teilung der einen Grundbuchskörper bildenden Grundstücke durch die K*****straße ***** dergestalt, dass das unbebaute Grundstück ***** nur die Straßenböschung darstelle, während sich das gesamte Einkaufszentrum auf dem Grundstück ***** befinde, sei irrelevant, da die Abschreibung des Grundstückes ***** von der EZ ***** jederzeit möglich sei und keinen Einfluss auf die Nutzwerte habe.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung insbesondere zur Vorfrage, inwieweit auch Rollläden, Rollbalken bzw Glaswände zur Begründung selbständiger Räumlichkeiten im Sinne des § 1 Abs 1 WEG ausreichen, fehle.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den Nutzwertfestsetzungs- antrag abzuweisen, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beantragt, dem Revisions- rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Die Revisionsrekurswerberin macht die fehlende Wohnungseigentumstauglichkeit der Objekte geltend, da die Abtrennung zur Mall nicht gegeben sei. Rollbalken und Glaswände entsprechen nicht dem Erfordernis der baulichen Abgeschlossenheiten nach allen Seiten. Weiters fehle eine Wasserentnahmestelle und ein Klosett in vielen Objekten. Die Mall sei kein allgemeiner Teil des Hauses, durch den die einzelnen Objekte erreicht werden können. Sie sei vielmehr eine besondere Fläche des Einkaufszentrums, die besondere Betriebe beherberge. Sie stehe daher nicht der Allgemeinheit zur Verfügung. Der Begründung von Wohnungseigentum stehe die öffentliche Straße, die die Liegenschaft in zwei Teile trenne, entgegen, da Wohnungseigentum voraussetze, dass Miteigentum an der gesamten Liegenschaft begründet werde. Der abgetrennte Teil der Liegenschaft sei den einzelnen Objekten nicht zuzuordnen und auch bei der Nutzwertermittlung nicht zu berücksichtigen, sodass damit nicht auf der gesamten Liegenschaft Wohnungseigentum begründet werde.
Die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objektes ist anlässlich der
Nutzwertfestsetzung als Vorfrage zu prüfen (5 Ob 2220/96y = WoBl
1997, 105/24 = NZ 1997, 259/393, RIS-Justiz RS008352, RS0082872 [T2
und 3], 5 Ob 298/98d = NZ 2000/249).
Das Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, eine selbständige Wohnung oder sonstige selbständige Räumlichkeit ausschließlich zu nutzen und hierüber allein zu verfügen (§ 1 Abs 1 WEG). An Teilen der Liegenschaft, die der allgemeinen Benützung dienen oder deren Zweckbe- stimmung einer ausschließlichen Benützung entgegenstehen, kann Wohnungseigentum nicht bestehen (§ 1 Abs 4 WEG). Wohnungseigentum an einem Objekt, durch das andere Hausbewohner gehen müssen, um die ihnen zur (Mit-)Nutzung zugewiesenen Teile der Liegenschaft zu erreichen, kann daher nur dann geschaffen werden, wenn die betroffenen Teile (Räume, durch die durchgegangen werden muss) aus dem Verband des Objektes des künftigen Wohnungseigentümers ausgenommen werden. Teile des Hauses, auf deren Mitbenützung auch Dritte angewiesen sind, um ihre individuellen oder gemeinschaftlichen Nutzungsrechte ausüben zu können, sind als allgemeine Teile der Liegenschaft zu qualifizieren,
an denen Wohnungseigentum nicht begründet werden kann (5 Ob 113/95 =
SZ 69/68 = MietSlg 48.465). Der in § 1 WEG verwendete Begriff der
wohnungseigentumstauglichen "sonstigen selbständigen Räumlichkeit" ist zwar nicht gesetzlich definiert, doch gibt die Wortwahl "Raum" gewisse Anhaltspunkte für das richtige Begriffsverständnis, und auch mit dem Wort "sonstige" (Räumlichkeiten neben den Wohnungen) ist angedeutet, dass die wohnungseigentumstaugliche selbständige Räumlichkeit einen Vergleich mit den für eine Wohnung typischen "vier Wänden" standhalten soll. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber durch seinen Verzicht auf eine spezielle Definition zur "selbständigen Räumlichkeit" offenbar auf ein in der allgemeinen Meinung bereits vorgeformtes Begriffsver- ständnis verweisen (5 Ob 287/98m). Daraus hat die Judikatur den Schluss gezogen, dass die Wohnungseigentumstaug- lichkeit eines Objektes die bauliche Abgeschlossenheit nach allen Seiten erfordert und ansonsten nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen ist (WoBl 1997, 105/24 mit tw krit Anm von Call = NZ 1997, 259/393 mit zust Anm von Hoyer, 5 Ob 287/98m, 5 Ob 47/00y je mwN). Den "sonstigen selbständigen Räumlichkeiten" muss auch eine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zuerkannt werden, damit sie wohnungseigentumstauglich sind (5 Ob 47/00y, WoBl 1997, 105/24 = NZ 1997, 259/393, 5 Ob 326/99y).
Dem Erfordernis der baulichen Abgeschlossenheit nach allen Seiten kann aber nicht nur durch Mauern Rechnung getragen werden. Insbesondere bei Geschäftslokalen können die Abgrenzungsfunktion auch sonstige, im allgemeinen Verkehr übliche Einrichtungen übernehmen, die insoferne Wänden gleichzuhalten sind, als sie baulich fix installiert sind und nicht ohne erheblichen Aufwand entfernt oder versetzt werden können. Es bedarf wohl keiner besonderen Begründung, dass Schiebegitter/-tor und Rollbalken, die auch zur Verhinderung von Einbrüchen verwendet werden, mit einem jederzeit leicht entfernbaren Maschengitterzaun, der nicht einmal bis zur Decke reicht, nicht vergleichbar ist. Sowohl Rollbalken als auch Schiebegitter sind in den Baulichkeiten fix montiert und ihre Lage ist durch Führungsschienen und Verriegelung in den Wänden bzw. Boden dauerhaft festgelegt. Sie können nicht ohne erheblichen bautechnischen Aufwand entfernt oder versetzt werden. Es hat dann keinen Einfluss auf die Abgrenzungsfunktion dieser Einrichtungen, wenn sie innerhalb der baulich vorgegebenen Position geöffnet werden können, um den Zugang zum Geschäftslokal zu vergrößern. Die bauliche Abgeschlossenheit des Objektes nach allen Seiten wird also auch durch im allgemeinen Verkehr übliche Rollläden und Schiebegitter/-tore, die vom Boden bis zur Decke reichen, erfüllt.
Glaswände stehen den herkömmlichen Mauern noch viel näher, unterscheiden sie sich doch von ihnen primär nur durch das Material, das die Durchsicht ermöglicht. Auch Glaswände schließen baulich fixiert das Objekt gegenüber den anschließenden Flächen ab.
In § 1 Abs 1 WEG ist ausdrücklich zwischen selbständigen Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten unterschieden. Da im § 1 Abs 3 WEG nur für selbständige Wohnungen die Wohnungseigentumstauglichkeit davon abhängig gemacht wird, dass im Inneren eine Wasserentnahmestelle und ein Klosett vorhanden ist, gilt diese Voraussetzung für sonstige selbständige Räumlichkeiten nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht (so auch Palten, Wohnungseigentumsrecht2, Rz 13, Tades/Stabenthei- ner in ÖJZ 1994, 27, Illeditz, Das Wohnungseigentum, S 4).
Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Benützungsrechte außenstehender Personen an Teilen der Liegenschaft für die rechtliche Qualifikation der Wohnungseigentumsfähigkeit keine Rolle spielt (5 Ob 188/97a = immolex 1998, 14/10). Unstrittig ist, dass über die Mall erst die einzelnen Bereiche betretbar sind. Die von der Antragsgegnerin eingeräumten Rechte an außenstehende Personen ändern nichts daran, dass die Mall im Verhältnis zwischen den Miteigentümern ein allgemeiner Teil des Hauses ist, da sie zur Benützung der einzelnen Wohnungseigentumsobjekte (Zugang) verwendet werden muss (§ 1 Abs 4 WEG).
Wohnungseigentum kann nur am ganzen Grundbuchskörper begründet werden (§ 3 GBG, vgl. MietSlg 33.450/9; Palten aaO, Rz 5). An der EZ *****, die aus dem bebauten Grundstück ***** und dem unbebauten Grundstück ***** besteht, soll das Wohnungseigentum begründet werden, sohin an einem Grundbuchskörper. Es ist nicht erforderlich, dass alle Grundstücke eines Grundstückskörpers bebaut sind. Die Nutzwertfestsetzung bezieht sich nur auf Räumlichkeiten (§ 3 WEG). Der öffentlichen Straße ist die Grundstücksnummer ***** zugeordnet, betrifft also einen anderen Grundbuchskörper.
Das Rekursgericht hat die Rechtssache zutreffend beurteilt. Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.
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