OGH 9Ob35/01i

OGH9Ob35/01i28.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wolfgang H*****, Wirtschaftstreuhänder, ***** vertreten durch Dr. Heinz Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dkfm. Hans S*****, Wirtschaftstreuhänder, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. Juni 2000, GZ 38 R 87/00a-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 15. Februar 2000, GZ 15 C 405/98h-31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

5.917 (darin S 986,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 7.115,20 (darin S 634,20 Umsatzsteuer und S 3.310 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte, den Beklagten für schuldig zu erkennen, das nördlich von dem zum gemieteten Haus B***** gehörenden Garten gelegene, in dem angeschlossenen Plan mit den Punkten A-B-C-D bezeichnete Grundstück geräumt von seinen Fahrnissen der klagenden Partei binnen 12 Wochen zu übergeben. Er brachte hiezu vor, dass er aufgrund des Kaufvertrages vom 4. 10. 1996 Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** P***** mit der Anschrift B***** sei. Der Beklagte sei aufgrund des Bestandvertrages vom 25. 11. 1958, in welchen der Kläger mit dem oben genannten Kaufvertrag eingetreten sei, Mieter des auf dieser Liegenschaft befindlichen Einfamilienhauses samt dazugehörigem Garten. Mit Kaufvertrag vom 19. 5. 1998 habe der Kläger von der Stadt Wien als Verkäuferin ein an dieses Grundstück angrenzendes Grundstück mit der Nr *****, inneliegend in EZ ***** KG P*****, im Ausmaß von 47 m2 gekauft, wobei die Übertragung "satz- und lastenfrei" erfolgt sei. Diesen von der Stadt Wien angekauften Grundstückteil benütze der Beklagte titellos. Er könne sich hinsichtlich dieses kleinen Grundstücksteils nicht auf den Mietvertrag berufen, weil sich dieser nur auf die im Eigentum der seinerzeitigen Vermieterin gestandene Liegenschaft bezogen habe. Dies hätte dem Beklagten auch auffallen müssen, welcher überdies ohne Baubewilligung darauf ein Schwimmbecken errichtet habe. Bei vorschriftsmäßigem Vorgehen wäre ihm die Benützung eines fremden Grundstückes jedenfalls aufgefallen. Im Übrigen habe der Beklagte später vom direkten Rechtsvorgänger des Klägers erfahren, dass ein Teil der von ihm benützten Grundfläche im Fremdeigentum der Gemeinde Wien gestanden sei. Diese habe mit dem Beklagten hinsichtlich dieser Fläche aber nie einen Bestandvertrag abgeschlossen. Sofern der Beklagte allenfalls prekaristisch benütze, werde eine solche Nutzung durch den Kläger ausdrücklich widerrufen. Sein Räumungsbegehren sei auch keineswegs schikanös, weil von der Schwimmbadpumpe ein störender und gesundheitsbeeinträchtigender Dauerton ausgehe.

Soferne man annehmen wolle, dass die Erstvermieterin verpflichtet gewesen sei, dem Beklagten das Mietrecht auch an einem fremden Grundstück zu verschaffen, sei eine solche Verpflichtung auf den Kläger, welcher davon nichts gewusst habe, nicht übergegangen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Auch das zunächst im Fremdeigentum der Stadt Wien gestandene Grundstück sei Gegenstand des Mietvertrages zwischen ihm und der seinerzeitigen Vermieterin gewesen. Er habe es daher auch mit Zustimmung der seinerzeitigen Vermieterin, insbesondere für die Errichtung eines Schwimmbeckens genützt. Diese Benützung hätte dem Beklagten auch im Zeitpunkt des Ankaufs der Liegenschaft auffallen müssen. Dem Beklagten selbst sei erst im Jahr 1996, als er vom Rechtsvorgänger des Klägers die Liegenschaft habe erwerben wollen, aufgefallen, dass ein Teil der von ihm benützten Fläche im Eigentum der Stadt Wien stehe. Diese habe ihm dann über sein Ersuchen auch die Benützung eingeräumt. Wohl berufe sich der Beklagte gegenüber dem Kläger nicht auf ein ihm durch die Stadt Wien eingeräumtes Benützungsrecht, doch sei der Kläger aus dem Mietvertrag, in welchen er eingetreten sei, zur mietweisen Überlassung an den Beklagten verbunden. Wenngleich die Vermieterin seinerzeit nicht Eigentümerin des strittigen Grundstücksteils gewesen sei, sei sie dennoch zur Verschaffung des Mietrechtes verpflichtet gewesen. Durch den Ankauf des Grundstücksteils seitens des Klägers habe dieser das Rechtsgeschäft saniert, das heisst, er sei nun zur Gänze Eigentümer und daher auch in der rechtlichen Lage, dem Beklagten die ihm zustehende Benützung zu ermöglichen. Überdies sei das Verhalten des Klägers schikanös:

Obwohl der Kläger nicht auf dem Nachbargrundstück wohne, erachte er sich dennoch durch den Betrieb des Schwimmbeckens gestört. Demgegenüber stehe das wesentlich schwerer wiegende Interesse des Beklagten an der Benützung des auf dem strittigen Grundstückteil errichteten Schwimmbeckens, zumal er an Schmerzen an der Wirbelsäule leide und sich einer Hüftgelenksoperation habe unterziehen müssen und daher auf die Benützung des Schwimmbeckens zu therapeutischen Zwecken angewiesen sei. Die dem Kläger gehörende Nachbarliegenschaft sei ca 4000 bis 5000 m2 groß, sodass der Kläger auf die Benützung einer weiteren Teilfläche von 47 m2 nicht angewiesen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Mit Mietvertrag vom 25. 11. 1958 mietete der Beklagte von Auguste H***** als damaliger Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** mit der Grundstücksadresse *****, das auf dieser Liegenschaft errichtete Haus samt dem zum Haus gehörigen Garten. Das auf unbestimmte Dauer abgeschlossene Mietverhältnis sah einen (wertgesicherten) jährlichen Mietzins in der Höhe von S 36.000 vor. Die damaligen Vertragsparteien waren von Rechtsanwälten beraten und besichtigten und begingen den Mietgegenstand vor Vertragsabschluss. Die Grundstücksfläche war damals im nördlichen (strittigen) Bereich von einem Maschendrahtzaun begrenzt. Sowohl die Vermieterin als auch der Mieter gingen davon aus, dass der gesamte Garten bis zu diesem Maschendrahtzaun im Eigentum der Vermieterin stand und deshalb zur Gänze vom Mietvertrag umfasst sein sollte. Tatsächlich war damals aber die Stadt Wien Eigentümerin eines am nördlichen Ende des Gartens gelegenen, 47 m2 messenden Teils. Im Frühjahr 1969 ließ der Beklagte ein 7,5 m x 4,0 m messendes Polyesterschwimmbecken (ohne Zu- und Abfluss) in Selbstbauweise ohne Einholung einer baubehördlichen Bewilligung bzw Bauanzeige errichten, nachdem er zuvor das mündliche Verständnis der Vermieterin eingeholt hatte. Da auch im Jahre 1969 die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse noch nicht hervorgekommen waren, kam es dazu, dass dieses Schwimmbecken derart situiert wurde, dass es sich zum überwiegenden Teil auf dem damals im Eigentum der Stadt Wien stehenden Grundstück befand. Insgesamt stellt sich die streitgegenständliche Örtlichkeit dar, wie sie auf dem einen Bestandteil des Ersturteils bildenden, diesem angeschlossenen Plan mit den Punkten A-B-C-D gekennzeichnet ist. Die Liegenschaft EZ ***** gelangte in der Folge im Erbwege in das Eigentum des Institutes für Tumorbiologie, ohne dass die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse bekannt geworden wären. Im Zuge eines Gerichtsverfahrens zwischen dem Institut und dem Beklagten zog dieser auch den Ankauf der gemieteten Liegenschaft ins Kalkül, weshalb er im Jahr 1995 Einsicht in die Grundbuchsmappe nahm. Erst jetzt bemerkte er, dass ein Teil des nach seinem bisherigen Dafürhalten zur Gänze angemieteten Gartens möglicherweise nicht im Eigentum der ursprünglichen Mieterin bzw des Instituts für Tumorbiologie stand. In der Folge ersuchte er seinen Schwiegersohn, den Bürgermeister der Stadt Wien, sich der Sache anzunehmen und wurde an den damaligen Präsidialchef Dr. B***** verwiesen, welcher dem Beklagten das Eigentum der Stadt Wien an diesem Teilgrundstück bestätigte. Dabei wurde erörtert, dass im Falle eines Umbaus zur Erlangung eines entsprechenden Bauplatzes das Teilgrundstück vom Eigentümer der EZ ***** dazugekauft werden müsste, wobei ein Kaufpreis von S 500.000 Erwähnung fand. Fazit der Gespräche war letztlich, dass der Beklagte das Teilgrundstück - so wie bisher ohne Gegenleistung - "weiterbenützen dürfe". Mangels Einigung über den Kaufpreis scheiterte letztlich der Ankauf der Liegenschaft vom Institut für Tumorbiologie. Mit Kaufvertrag vom 4. 10. 1996 erwarb der Kläger, welcher auch Eigentümer der Nachbarliegenschaften EZ ***** ist, die ihm bereits bekannte Liegenschaft EZ ***** vom Institut für Tumorbiologie. Nach dem Ankauf besichtigte er Haus und Garten, wobei es aus unbekannter Ursache zu Differenzen mit dem Beklagten kam, sodass sich das Verhältnis zwischen den Streitteilen nachhaltig trübte. Schon im Zuge der Verkaufsgespräche war der Kläger von der Finanzprokuratur darüber informiert worden, dass auch der Beklagte Kaufabsichten gehabt hätte und dass ein im Eigentum der Stadt Wien stehender Grundstücksteil ebenfalls erworben werden müsste. Nach Kaufgesprächen, welche im Mai 1997 ihren Ausgang genommen hatten, erwarb der Kläger am 19. 5. 1998 das der Stadt Wien gehörende Teilgrundstück zu einem Kaufpreis von S 399.500. Im Kaufvertrag heißt es unter anderem, dass "das Vertragsobjekt satz- und lastenfrei, mit Ausnahme der allenfalls im Grundbuch eingetragenen und der anlässlich der behördlichen Genehmigung der entsprechenden Grundabtretung, betreffend die Baureifgestaltung der Liegenschaft EZ *****, etwa neu begründeten baupolizeilichen Verpflichtungen", übertragen werde.

Unstrittig ist ferner, dass das Eigentum des Klägers an diesem Grundstück einverleibt wurde.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der im seinerzeitigen Eigentum der Stadt Wien gestandene Grundstücksteil nie zum Inhalt des Mietvertrages mit dem Beklagten geworden sei, weil niemand mehr Rechte übertragen könne, als er selbst habe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass dem Beklagten letztlich die Benützung des Grundstücksteils prekaristisch eingeräumt worden sei, sei ein Prekarium durch den Kläger widerrufen worden. Das Eigentum gebe dem Kläger das Recht, die Räumung des Grundstücksteils durch den diesbezüglichen titellos benützenden Beklagten zu begehren. Der Schikanevorwurf sei nicht berechtigt, weil Schikane nur dann anzunehmen sei, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bilde. Wenn demnach, wie hier, ein berechtigtes Interesse des Eigentümers mitbestimmend sein könne, liege keine Schikane vor. Dem Kläger könne als Eigentümer nicht verwehrt werden, auch diesen kleinen Grundstücksteil nützen zu wollen, wenngleich er eine wesentlich größere Nachbarliegenschaft zur Verfügung habe.

Das Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung des Beklagten das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass, wenngleich die seinerzeitigen Vertragsparteien vom teilweisen Fremdeigentum nichts gewusst hätten, diese übereinstimmend die Absicht gehabt hätten, neben dem Gebäude den gesamten darin anschließenden Garten in den Bestandvertrag aufzunehmen. Dass die seinerzeitige Vermieterin nicht Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücksteils gewesen sei, vermöge an ihrer Verpflichtung nichts zu ändern, weil die Erfüllung des Vertrages weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich gewesen sei. Ein Erfüllungsanspruch sei solange aufrecht, als nicht nach der Beurteilung des Verkehrs praktisch mit Sicherheit feststehe, dass die geschuldete Leistung auch in Zukunft nicht erbracht werden könne (MietSlg 48.076). Dieser Anspruch gehe erst dann unter, wenn ein Dritter, dessen Mitwirkung zur Erbringung der Leistung erforderlich sei, diese ernstlich und endgültig verweigere (MietSlg 36.085, 48.077; 1 Ob 23/00i). Der ursprünglichen Vermieterin sei stets möglich gewesen, dem Beklagten gegenüber die Bestandgeberpflichten zu erfüllen, weil sich die Gemeinde Wien nie ernstlich und endgültig geweigert habe, dem Beklagten den Grundstücksteil jedenfalls faktisch zu überlassen. Durch den grundbücherlichen Erwerb der Liegenschaft EZ ***** sei der Kläger gemäß § 1120 ABGB in das bestehende Mietverhältnis eingetreten, sodass eine kraft Gesetzes wirksam werdende Übernahme des Bestandvertrages vorliege. Des weiteren sei die Voraussetzung gegeben, dass der Bestandnehmer die Sache nach außen hin erkennbar in Besitz genommen habe, und zwar sowohl die "Stammliegenschaft" als auch den strittigen Grundstücksteil. Im Ergebnis sei der Kläger daher durch den Ankauf der Stammliegenschaft Vermieter einer Gesamtliegenschaft geworden und somit in die schuldrechtlichen Verpflichtungen seiner Rechtsvorgänger eingetreten. Durch den späteren grundbücherlichen Erwerb des verfahrensgegenständlichen Liegenschaftsteils sei der Kläger aber nunmehr auch sachenrechtlich über die gesamte Liegenschaft verfügungsberechtigt. Demgegenüber sei der Beklagte kein titelloser Benützer, weil er auf seine eigenen Hauptmietrechte verweisen könne. Da die Räumungsklage schon aus diesem Grunde abzuweisen sei, brauche auf die Frage einer allfälligen schikanösen Rechtsausübung nicht mehr eingegangen werden.

Das Berufungsgericht sprach überdies aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und erklärte die Revision für nicht zulässig. Der Entscheidungsgegenstand sei gemäß § 500 Abs 2 ZPO zu bewerten, weil kein Fall des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO vorliege: Der Kläger habe sein Räumungsbegehren ausdrücklich auf titellose Benützung durch den Beklagten gestützt. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liege nicht vor.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Ersturteil wieder hergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte, die außerordentliche Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die außerordentliche Revision des Klägers nicht schon nach § 502 Abs 3 ZPO unzulässig ist, sodass auch kein Anwendungsfall des § 508 ZPO vorliegt:

Gemäß § 502 Abs 2 ZPO in der hier maßgeblichen Fassung der WGN 1997 ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert wohl S 52.000, nicht aber insgesamt S 260.000 übersteigt. Diese Revisionsbeschränkung gilt gemäß Abs 5 Z 2 leg cit nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages entschieden wird. Diese gesetzliche Regelung bezweckt, wie bereits zu § 502 ZPO idF vor der WGN 1997 wiederholt ausgesprochen wurde, Entscheidungen über das Dauerschuldverhältnis selbst, unabhängig von jeder Bewertung, unter der weiteren Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO für revisibel zu erklären (RZ 1991/21 ua, Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu § 502). Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung Klagen auf Räumung von Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten, die auf eine - von Anfang an - behauptete titellose Benützung gestützt sind, nicht zu den Streitigkeiten, die ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstandes unter die Zuständigkeitsvorschriften des § 49 Abs 2 Z 5 JN fallen, gehören (Mietslg 47.667 mwN ua; RIS-Justiz RS0046865; Kodek aaO). Im Regelfall wird jedoch auch beim Streit über eine "Räumung", wenn auch nur als Vorfrage, über das Dauerschuldverhältnis selbst und seine wirksame Beendigung zu entscheiden sein (RZ 1991/21 ua). Auch im vorliegenden Fall ist die Frage zu beurteilen, ob das Dauerschuldverhältnis besteht oder entsprechend dem Prozessvorbringen des Klägers ein Bestandvertrag mangels Eintritts in das Mietverhältnis hinsichtlich des zunächst im Fremdeigentum gestandenen Grundstücksteils trotz einer möglichen Verschaffungspflicht des Vorvermieters nicht mehr aufrecht ist. Es ist daher das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrages im Rahmen des Räumungsstreites strittig, sodass die Zulässigkeit der Revision hier nicht vom Streitwert abhängt (10 Ob 11/00s; 1 Ob 242/98i; 7 Ob 522/95; MietSlg 47.669 uva). Vielmehr ist entscheidend, ob die Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO vorliegen, sodass der Streitwertausspruch des Berufungsgerichtes unbeachtlich ist.

Die Revision ist nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht die zu § 2 Abs 1 MRG - in Abgrenzung zu § 1120 ABGB - ergangene Rechtsprechung nicht berücksichtigt hat; sie ist auch berechtigt.

Die vom Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Verletzung des § 473a ZPO liegt nicht vor, weil sich die Rechtsrüge des Berufungswerbers ausschließlich auf die Feststellungen des Erstgerichtes stützte (RIS-Justiz RS0112020, insbes. 1 Ob 41/99g = JBl 1999, 661).

Zur Anwendung des MRG:

Ob es sich im vorliegenden Fall um ein unter den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 und/oder Z 2 MRG fallendes Objekt handelt, ist unerheblich, weil die in Rede stehende Bestimmung des § 2 Abs 1 MRG über die Bindung an Nebenabreden zwar unter den in § 1 Abs 4 MRG für solche Mietgegenstände anzuwendenden Bestimmungen nicht genannt ist, aber zum "allgemeinen Teil" dieses Gesetzes und nach richtiger Systematik vor den Ausnahmekatalog des § 1 Abs 4 MRG gehört (stRsp 5 Ob 488/97v = Immolex 1998, 228 = Mietslg 49.217; 4 Ob 556/90 = WoBl 1991/60 [Würth] mwN; Würth in Rummel ABGB II2 § 2 MRG Rz 1). Wohl sind vor dem Inkrafttreten des MRG endgültig und abschließend verwirklichte Sachverhalte nicht nach dem MRG zu beurteilen, sondern der früheren Rechtslage zu unterstellen. Nach dem Inkrafttreten des MRG verwirklichte Sachverhalte - darunter fällt auch der Eintritt des Klägers in den Mietvertrag mit dem Beklagten - sind aber nach den Vorschriften des Mietrechtsgesetzes zu beurteilen (stRsp RIS-Justiz RS0008695).

Mit § 2 Abs 1 MRG wurde gegenüber der Regelung des § 1120 ABGB die Bindung eines Rechtsnachfolgers auf nicht ungewöhnliche Bestimmungen des Mietvertrages eingeschränkt und andererseits ( - ohne Bezug auf den zu beurteilenden Fall -) mit dieser Beschränkung auch auf alle mit der Beendigung des Mietverhältnisses zusammenhängenden Vertragsbestimmungen, wie Kündigungsverzichte, erweitert und insofern dem § 1120 ABGB derogiert (Immolex 1998, 228; WoBl 1991/60; Würth aaO Rz 7).

Der Begriff der "Nebenabrede" im Sinn des § 2 Abs 1 MRG ist, um dieser Bestimmung überhaupt einen Anwendungsbereich zu lassen, nicht allzu eng zu sehen (WoBl 1995/57 mwN). Zieht man hier in Betracht, dass der ursprüngliche Vermieter - mangels rechtzeitiger Irrtumsanfechtung - verpflichtet sein konnte, dem Beklagten ein wirksames Bestandrecht am zunächst fremden Grund zu verschaffen ( - hier kann gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die diesbezüglich richtigen Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden - ), musste dem Kläger, der nach den Feststellungen über den genauen Inhalt des früheren Mietvertrages nicht Bescheid wusste, bei der Einverleibung seines Eigentums eine derart ungewöhnliche vertragliche Verpflichtung nicht bekannt sein. Damit kommt ihm aber die Einschränkung des § 2 Abs 1 vierter Satz MRG zugute, woraus folgt, dass er hinsichtlich des hier in Rede stehenden Grundstücksteils durch die Rechtsnachfolge allein nicht Vertragspartner des Beklagten wurde. Der spätere Erwerb des Eigentums am strittigen Grundstücksteil konnte somit per se auch keine Erfüllung einer ( - gar nicht übernommenen - ) Verpflichtung sein.

Soweit der Beklagte - gerade noch erkennbar - einen schlüssigen Vertragsschluss (§ 863 ABGB) durch Entgegennahme des Mietzinses seitens des Klägers behauptet, ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser pauschal für Haus und Garten vereinbart war und demzufolge auch ohne aufgegliederte Widmung entrichtet wurde. Der Entgegennahme durch den Kläger kann somit auch nicht ein Erklärungswert in dem Sinn beigemessen werden, dass er damit einer Ausdehnung des Bestandvertrages auf einen - ihm zunächst gar nicht gehörenden - Grundstücksteil zustimmen wollte. Damit kommt aber auch den diesbezüglich vom Beklagten in seiner Berufung vermissten Feststellungen keine Bedeutung zu.

Zum Schikaneeinwand:

Es ist dem Beklagten wohl dahin zu folgen, dass nach neuerer und nunmehr herrschender Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0026265; RdW 1994, 104; 9 Ob 334/97a uva) ein Rechtsmissbrauch nicht nur dann vorliegt, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn sich zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht, wenn also jemand unter formaler Berufung auf ein durch die Rechtsordnung ausdrücklich eingeräumtes Recht die Rechtsausübung unter augenscheinlich im Vordergrund stehenden unlauteren Motiven begehrt und daher andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten. Auch das Eigentumsrecht wird daher durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt (9 Ob 334/97a mwN). Dennoch kann von einem solchen krassen Missverhältnis hier nicht die Rede sein. Grundsätzlich kann der Liegenschaftseigentümer aufgrund seines Eigentumsrechts jederzeit die Räumung der Liegenschaft von jedem verlangen, der ihm gegenüber keinen Rechtstitel zu ihrer Benützung hat. Dieses Recht ist in der natürlichen Freiheit des Eigentums begründet. Seine Geltendmachung allein verstößt nicht gegen die guten Sitten (RIS-Justiz RS0026271, insbesondere 1 Ob 227/65 = MietSlg 18.034). Der Umstand, dass der Kläger - unstrittig - auch Eigentümer einer angrenzenden großen Liegenschaftsfläche ist, nimmt ihm nicht das Recht, auch sein Eigentum an dem relativ kleinen Grundstücksteil (47 m2) zu nützen, welcher vom Beklagten ohne Titel in Gebrauch genommen wird. Gerade das Eigentum am angrenzenden Grundstück ermöglicht ja dem Kläger die Benützung des strittigen Grundstücksteils, ohne die - zur Gänze an den Beklagten vermietete - Liegenschaft EZ ***** zum Zugang in Anspruch nehmen zu müssen. Selbst wenn ein Motiv des Klägers darin gelegen sein sollte, dass er sich durch den Betrieb des Schwimmbades gestört fühlt, tritt das Motiv, sein Eigentumsrecht gegenüber einem titellosen Benützer durchsetzen zu wollen, keineswegs soweit in den Hintergrund, dass von einem krassen Missverhältnis zwischen dem Interesse des Klägers als Eigentümer und demjenigen des Beklagten, der den Grundstücksteil weiter benützen will, die Rede sein kann. Die vom Berufungsgericht nicht behandelte "Mängelrüge" in der Berufung des Beklagten ist in Wahrheit der Versuch, angeblich fehlende Feststellungen infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes aufzuzeigen, weshalb auch das Revisionsgericht im Rahmen seiner durch eine zulässige Rechtsrüge veranlassten rechtlichen Beurteilung darauf eingehen kann. Dabei machte der Beklagte im Rahmen seines Schikaneeinwandes einerseits fehlende Feststellungen über das Motiv des Klägers geltend, welches aber aus vorgenannten Erwägungen nicht geeignet ist, als Rechtsmissbrauch beurteilt zu werden. Andererseits brachte der Beklagte erstmalig in der Berufung vor, dass schon der Ankauf des strittigen Grundstücksteils durch den Kläger ausschließlich in Schädigungsabsicht erfolgt sei, um dem Beklagten eine weitere Benützung unmöglich zu machen. Darauf braucht schon deshalb nicht eingegangen zu werden, weil es sich um eine unzulässige Neuerung handelt.

Zusammenfassend vermag daher der Beklagte dem im Eigentum des Klägers begründeten Räumungsanspruch keine rechtlich erheblichen Einwände entgegenzuhalten.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO begründet.

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