Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Rekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit Urteil vom 20. März 1998, GZ 9 C *****, erkannte das Bezirksgericht Fünfhaus seine Aufkündigung vom 26. August 1997, GZ 9 C *****, für wirksam und verpflichtete den dort Beklagten und nunmehrigen Kläger zur geräumten Rückgabe der Wohnung Nr 12 im Hause 1140 Wien, *****.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestätigte mit Urteil vom 7. Juli 1998, GZ 41 R *****, diese Entscheidung; eine aus dem Grund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO erhobene Nichtigkeitsberufung wurde verworfen. Die Berufungsentscheidung wurde dem damaligen Beklagtenvertreter am 15. September 1998 zugestellt. Dem Beklagten wurde sie am 4. November 1998 durch Hinterlegung zugestellt.
Am 9. Oktober 1998 hatte der damalige Beklagte beim Bezirksgericht Fünfhaus einen Antrag auf Bestellung eines Sachwalters für alle Rechts- und Behördenangelegenheiten gestellt.
Mit Beschluss vom 5. Jänner 1999 wurde Dr. Wolfgang B***** zum Einstweiligen Sachwalter zur Vertretung des nunmehrigen Klägers bestellt und mit der Besorgung aller dringenden Angelegenheiten des Betroffenen betraut. Dr. B***** beantragte am 27. Jänner 1999 die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer Wiederaufnahmsklage im Räumungsverfahren. Diese Genehmigung wurde nicht erteilt. Auch dem am 10. Februar 1999 gestellten Antrag auf Genehmigung einer Nichtigkeitsklage wurde nicht entsprochen. Mit Beschluss vom 14. Mai 1999, 23 P ***** des Bezirksgerichtes Meidling wurde Rechtsanwalt Dr. Wolfgang B***** zum Sachwalter bestellt und insbesondere mit der Vertretung im Verfahren 9 C ***** und 9 E ***** des Bezirksgerichtes Fünfhaus betraut.
Mit der vorliegenden (vom Pflegschaftsgericht am 10. Juni 1999 genehmigten), am 24. Juni 1999 beim Rekursgericht eingelangten Nichtigkeitsklage macht der Kläger geltend, bereits vor Zustellung der Aufkündigung im Verfahren 9 C ***** prozessunfähig gewesen zu sein. Die Aufkündigung und die in diesem Verfahren ergangenen Entscheidungen seien dem Sachwalter noch nicht zugestellt worden.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Klage zurück. Nach Einvernahme des Sachwalters sei erwiesen, dass ihm die Ausfertigungen der Urteile des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 20. März 1998 und des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 7. Juli 1998 am 8. Jänner 1999 zugestellt worden seien. Das Gutachten der im Pflegschaftsverfahren bestellten Sachverständigen, das eine mehr als zehn Jahre lang andauernde Geschäftsunfähigkeit des Klägers indiziere, sei ihm am 17. März 1999 zugestellt worden. Durch das tatsächliche Zukommen der Urteile sei eine allenfalls nichtige Zustellung geheilt. Auf das Fehlen einer Verfügung der Zustellung an den Sachwalter komme es infolge des tatsächlichen Zukommens des Zustellstückes nicht an. Da die vierwöchige Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage (24. Juni 1999) bereits abgelaufen gewesen sei, sei die Klage zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den Beschluss zu beheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Die im Zurückweisungsbeschluss enthaltene Feststellung, dem Sachwalter seien am 8. Jänner 1999 die Entscheidungen des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 20. März 1998 bzw des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 7. Juli 1998 "zugestellt" worden, ist durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Aus dem Pflegschaftsakt 23 P ***** des Bezirksgerichtes Meidling (AS 17 verso) ergibt sich, dass dem damaligen Sachwalter am 8. Jänner 1999 der Beschluss über seine Bestellung zum Einstweiligen Sachwalter und eine Aktenkopie des Aktes 9 C ***** des Bezirksgerichtes Fünfhaus zugestellt wurde. Dass dem Sachwalter mittlerweile eine Ausfertigung der Entscheidungen zugestellt wurde ist nicht aktenkundig.
Gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO kann eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, durch Nichtigkeitsklage angefochten werden, wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht, oder falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen vertreten war, sofern die Prozessführung nicht nachträglich ordnungsgemäß genehmigt wurde. War die Partei bereits während des Verfahrens prozessunfähig, aber nicht gesetzlich oder bereits seit dem Eintritt der Prozessunfähigkeit durch einen vorher bestellten Prozessbevollmächtigten vertreten, dann liegt Nichtigkeit vor (SZ 51/93; 6 Ob 1/99m mwN). Gleiches gilt, wenn nach Eintritt der Prozessunfähigkeit einem gewillkürten Vertreter Prozessvollmacht erteilt und dieser den Rechtsstreit namens des Prozessunfähigen geführt hat (SZ 51/93; Kodek in Rechberger2 § 529 ZPO Rz 4).
Im vorliegenden Fall ist die Nichtigkeitsklage darauf gestützt, dass der Kläger bereits vor Zustellung der Aufkündigung im Räumungsverfahren prozessunfähig gewesen sei.
Die Nichtigkeitsklage ist nach § 534 Abs 1 ZPO binnen der Notfrist von vier Wochen zu erheben. Nach Abs 2 Z 2 leg cit ist die Frist im Fall des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO von dem Tage zu berechnen, an welchem die Entscheidung der Partei, und wenn diese nicht prozessfähig ist, dem gesetzlichen Vertreter derselben zugestellt wurde, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung. Die Frist zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs 1 Z 2 ZPO beginnt - ohne Rücksicht auf eine allfällige frühere Kenntnis des Nichtigkeitsklägers (RIS-Justiz RS0044594; Kodek aaO § 534 ZPO Rz 2; Fasching IV 529) - erst mit der wirksamen Zustellung im Sinn des § 416 ZPO. Die erforderliche Zustellung hat in Fällen fehlender Prozessfähigkeit entweder an die nach Verfahrensende "prozessfähig" gewordene Partei selbst oder an einen ordnungsgemäß bestellten gesetzlichen Vertreter zu erfolgen (6 Ob 1/99m; RIS-Justiz RS0044594; Fasching IV, 529). Jedenfalls bedarf es bei behaupteter und verbleibender Prozessunfähigkeit der Zustellung an den gesetzlichen Vertreter vor Erhebung der auf § 529 Abs 1 Z 2 ZPO gestützten Nichtigkeitsklage, weil sonst beim Fristbeginn unter dem Gesichtspunkt des § 534 Abs 2 Z 2 ZPO nicht mehr auf die Zustellung abzustellen wäre, sondern notwendigerweise auf andere Kriterien, allenfalls auf die Kenntnis der Parteien. Auf diese kommt es aber, wie bereits ausgeführt, im Fall der Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs 1 Z 2 ZPO nicht an. Keinesfalls kann aber die Zustellung einer Aktenkopie durch das Pflegschaftsgericht an den vorläufigen Sachwalter die Notfrist des § 534 Abs 2 Z 2 ZPO auslösen, weil eine vom Prozessgericht ausgehende Anordnung zur Zustellung von Urteilsausfertigungen an den Sachwalter nicht vorliegt.
Eine vor Beginn der im § 534 ZPO normierten Frist eingebrachte Nichtigkeitsklage ist aber als verfrüht zurückzuweisen (SZ 46/13 mwN; RIS-Justiz RS0044373).
Damit erweist sich die Nichtigkeitsklage nicht als verspätet, sondern in Wahrheit als verfrüht. Der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien ist, wenngleich aus anderen Erwägungen, zu bestätigen.
Um die Frist des § 534 ZPO auszulösen bedarf es bei Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO daher entweder eines Antrages auf gesetzliche Zustellung (an den Sachwalter), der bereits die Pflicht zur Auflösung des Nichtigkeitsgrundes auslöst (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 529; 6 Ob 1/99m).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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