OGH 6Ob59/00w

OGH6Ob59/00w23.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen I. der klagenden Parteien 1. C*gesellschaft mbH, und 2. K* Aktiengesellschaft, * beide vertreten durch Dr. Brigitte Wieninger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Z*gesellschaft mbH, * vertreten durch Dr. Andreas Doschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Beendigung eines Bestandverhältnisses und Übernahme des Bestandobjektes (30 C 1562/97y des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) und II. der (wider‑)klagenden Partei Z*gesellschaft mbH, gegen die (wider‑)beklagte Partei C*gesellschaft mbH, wegen 1,262.961,10 S (30 C 1704/97f des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien), über die Revision der Z*gesellschaft mbH gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 8. Oktober 1999, GZ 41 R 414/99g‑18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. April 1999, GZ 30 C 1562/97y‑13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2000:E60164

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung der Begehren der Zweitklägerin im führenden Verfahren (insoweit Punkt I. 1. des Ersturteils), des Zuspruches von 91.105,40 S samt Zinsen (Punkt II. 1. des Berufungsurteils) und der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens (Punkt II. 2. des Ersturteiles und II. 2. des Berufungsurteiles) als unangefochten unberührt bleiben, werden im Übrigen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

 

Die Beklagte im führenden und (Wider‑)Klägerin im verbundenen Verfahren (in der Folge: Beklagte) ist Eigentümerin, Errichterin und Betreiberin des Einkaufszentrums M* in S*, das am 12. 9. 1991 eröffnet wurde. Mit Bestandverträgen vom 25. 9. und 6. 6. 1991 nahm die W* GmbH die im Untergeschoss des Gebäudes gelegenen Geschäftsräumlichkeiten top Nr GU/01, 02, 03, 05, 06 mit einer Gesamtfläche von 1106 m2 und ein Lager mit einer Nutzfläche von 72,50 m2 sowie die im Erdgeschoss gelegenen Vitrinen V1 und V2 für den Betrieb eines Fachunternehmens für Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik in Bestand. Zugleich wurde ein "Partnervertrag" geschlossen, der im Wesentlichen eine von der Beklagten koordinierte und von allen Bestandnehmern anteilig finanzierte gemeinsame Werbung vorsah und in dem sich auch die W* GmbH zur Zahlung von Werbekostenbeiträgen verpflichtete. Mit weiteren Verträgen vom 28. 8. 1991 und 1. 10. 1992 nahm die W* GmbH noch einen Abstellraum im zweiten Untergeschoss (U2‑20) und ein weiteres Lager (L7) in Bestand; diese beiden Bestandverträge wurden von der Bestandnehmerin per 30. 4. 1998 rechtskräftig aufgekündigt.

Die W* GmbH änderte ihren Firmenwortlaut in der Folge in K* GmbH und wurde schließlich in die K* Aktiengesellschaft (zweitklagende Partei im führenden Verfahren) umgewandelt. Diese brachte am 25. 7. 1994 einen Teilbetrieb, der auch den Standort im Einkaufszentrum M* umfasste, in die K* S*‑Gesellschaft mbH ein, deren Firmenwortlaut zunächst in K* Gesellschaft mbH und am 10. 9. 1998 schließlich in C*gesellschaft mbH (erstklagende Partei im führenden Verfahren) geändert wurde (in der Folge werden die C*gesellschaft mbH und all ihre Rechtsvorgängerinnen jeweils als "Klägerin" bezeichnet).

Das Einkaufszentrum liegt in einem mehrgeschossigen Gebäude, bestehend aus einer Tiefgarage mit Abstellplätzen für ca 175 PKWs, der sogenannten "M*‑Passage", die sich über das erste Untergeschoss und das Erdgeschoss erstreckt und etwa 15 Geschäftslokale unterschiedlicher Größe mit einer Gesamtnutzfläche von etwa 3800 m2 umfasst sowie weiteren Räumlichkeiten in darüberliegenden Geschossen. Der Aus‑ und Eingang der Tiefgarage ist im ersten Untergeschoss positioniert, sodass Personen, die ihren PKW dort abstellen, durch die Einkaufspassage gehen müssen, um das Gebäude zu verlassen. Die einzelnen Etagen werden durch Stiegen, Rolltreppen und einen Panoramalift miteinander verbunden.

Die Beklagte betraute die B* Gesellschaft mbH (in der Folge: B*) mit der Verwaltung der Einkaufspassage und beauftragte diese mit dem Abschluss von Bestandverträgen. B* verwendete hiebei jeweils einen "Standardmietvertrag", der einen Verzicht des Mieters auf sein Kündigungsrecht für die Dauer von 10 Jahren vorsah. Vom Mietvertrag abweichende Vereinbarungen wurden mit den Bestandnehmern durch schriftliche Ergänzungen oder schriftliche Abänderungen getroffen. Teilweise wurden abweichende Vereinbarungen auch in "Sideletters" festgehalten, die von beiden Vertragspartnern unterschrieben wurden, und zwar in jenen Fällen, in denen man sich dadurch gebühren‑ oder steuerrechtliche Vorteile erwartete.

Die Klägerin, die im Großraum Wien angesiedelt war, beabsichtigte, ihre Unternehmenstätigkeit auf ganz Österreich zu erweitern und suchte deshalb nach geeigneten Geschäftsräumlichkeiten. Sie war insbesondere an der Lage in Einkaufszentren interessiert, um an der Kundenfrequenz teilhaben zu können. Dies teilten die Vertreter der Klägerin ihrem Gesprächspartner bei B* bei den Vertragsverhandlungen auch mit. Dieser beschrieb die damals noch in Bau befindliche Einkaufspassage als eine funktionierende Einheit, in der es Geschäfte mit einem Branchenmix geben solle, die sich weitgehend ergänzten; dadurch werde versucht, eine entsprechende Kundenfrequenz zu erzeugen. Eine bestimmte Kundenfrequenz, einen Branchenmix und eine ständige Vermietung sämtlicher im Einkaufszentrum gelegenen Geschäftsräumlichkeiten wurde jedoch nicht (ausdrücklich) zugesagt. Punkt II.3. des "Mietvertrages" lautet diesbezüglich: "Dem Mieter ist bekannt, dass in dem Zentrum noch weitere Geschäfte verschiedener Sparten und Branchen untergebracht sind und untergebracht werden. Der Mieter wird seinen Geschäftsbetrieb während der Geschäftszeiten im Zentrum uneingeschränkt aufrecht halten. Der Mieter verpflichtet sich, zu den von der Hausverwaltung (Mietergemeinschaft) festgelegten Öffnungszeiten das Geschäft aktiv zu betreiben...".

Bei der Eröffnung der Einkaufspassage am 12. 9. 1991 waren alle Geschäftsräume vermietet.

Die Vertreter der Klägerin erklärten im Zuge der Gespräche auch, dass sie abweichend zum Standardmietvertragsentwurf einen Kündigungsverzicht lediglich für die Dauer von fünf Jahren abgeben wollten.

Im ersten Untergeschoss waren neben der Klägerin fünf bis sechs kleinere Unternehmen ansässig. Ihr gegenüber wurde eine "Gastronomiezeile" mit verschiedenen Lokalen, darunter auch ein Cafe und ein griechisches Lokal, betrieben. Die von der Klägerin im ersten Untergeschoss in Bestand genommenen Räumlichkeiten entsprachen knapp der Hälfte der dort gelegenen Geschäftsflächen. Im Erdgeschoss waren neben anderen Unternehmungen schon damals eine Trafik (ca 40 m2), ein Reisebüro (ca 100 m2) und ein Bekleidungsunternehmen (ca 150 m2) etabliert.

Ab Mitte 1992 begannen einzelne Unternehmen abzusiedeln, weil sie nicht den erhofften wirtschaftlichen Erfolg erzielen konnten. Dies führte dazu, dass zunehmend Geschäftsräume leer standen. Bis März 1993 hatten etwa die Hälfte der Mieter der im ersten Untergeschoss gelegenen kleineren Geschäftsräumlichkeiten das Einkaufszentrum verlassen. Ende 1993/Anfang 1994 räumten auch die im ersten Untergeschoss in der Gastronomiezeile tätigen Unternehmen sowie letztlich alle anderen Unternehmen ‑ mit Ausnahme der Klägerin ‑ die Bestandobjekte. Im Erdgeschoss waren Anfang 1994 noch 40 bis 50 % der Geschäftsräumlichkeiten vermietet. Im Verlauf des Jahres 1994 siedelten weitere Unternehmen ab. Im Mai 1995 wurden im Erdgeschoss nur mehr das Reisebüro, die Trafik und der Bekleidungshandel betrieben.

Somit war ab 1994 die Klägerin überwiegend alleinige Bestandnehmerin im ersten Untergeschoss; fallweise wurden allerdings einzelne Geschäftsräumlichkeiten kurzfristig für die Dauer von drei bis vier Wochen an verschiedene Unternehmen in Bestand gegeben. Von der Gesamtnutzfläche der Einkaufspassage von rund 3800 m2 waren daher letztlich nur rund 1200 m2 an die Klägerin und weitere etwa 290 m2 (Reisebüro, Trafik, Bekleidungshandel) ‑ mit Ausnahme kurzfristiger Vermietungen an ständig wechselnde Unternehmer ‑ in Bestand gegeben.

Bereits seit 1993 versuchte die Beklagte, ein Lebensmittelhandelunternehmen in den leer stehenden Geschäftsräumlichkeiten im ersten Untergeschoss anzusiedeln. B* erörterte in diesem Zusammenhang mit der Klägerin eine Abtretung oder einen Tausch von Teilen der an sie in Bestand gegebenen Flächen und die Gewährung einer Bestandzinsminderung für die Zeit der Umbauarbeiten. Eine Zusicherung, dass ein Lebensmittelgeschäft angesiedelt werde, wurde der Klägerin gegenüber jedoch nicht abgegeben.

B* bot zunächst der Firma Z*, die damals Gesellschafterin der Klägerin war, jene Räumlichkeiten zur Anmietung an, in denen zuvor die Restaurantzeile betrieben worden war. 1994 führte B* Vertragsverhandlungen mit der Firma B*, der auch Teile der von der Klägerin in Bestand genommenen Flächen angeboten wurden. Die Beklagte begann im ersten Untergeschoss mit Umbauarbeiten und stellte Rigipswände wegen der beabsichtigten Änderung der Geschäftsflächen auf. Mitte 1994 wurden diese Umbauarbeiten aber wieder eingestellt. Es scheiterten auch die mit der Firma B* geführten Vertragsverhandlungen, weil deren Mutterunternehmen in Deutschland den Abschluss des Mietvertrages ablehnte.

Die Klägerin konnte den Prognosen für die Umsatzentwicklung im Einkaufszentrum nur zu etwa 50 % entsprechen, weshalb sie an einer Reduzierung der Bestandzinshöhe interessiert war. Am 30. 6. 1994 vereinbarten die Parteien eine Minderung des Bestandzinses für die Zeit vom 1. 3. 1993 bis 28. 2. 1995 auf 100 S/m2. Als "Gegenleistung" verzichtete die Klägerin für weitere zwei Jahre auf ihr Kündigungsrecht. In der Folge kam es zu einer im Schreiben der B* vom 7. 4. 1995 festgehaltenen Vereinbarung, wonach der Bestandzins auf 80 S/m2 Verkaufsfläche ab 1. 1. 1994 herabgesetzt wurde.

Ab Mitte Mai 1996 versuchte B* abermals, die freistehenden Flächen zu vermieten. 1997 gelang es, acht Monate lang eine Nutzfläche von ca 40 m2 an eine Wohnberatungsfirma, eine Nutzfläche von ca 109 m2 sechs Monate lang an ein Textilunternehmen, eine Nutzfläche von ca 108 m2 zehn Monate lang an ein Wäschegeschäft und eine Nutzfläche von ca 100 m2 sechs Monate lang an ein Brautmodengeschäft zu vermieten. Seitens B* wurde auch erwogen, selbst eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründen, um einen Lebensmittelhandel im Untergeschoss zu betreiben; sie wollte deshalb einen Franchisevertrag mit S* abschließen, was jedoch von S* abgelehnt wurde.

Im Herbst 1996/Frühjahr 1997 trat B* nochmals an S* heran, um diese als Mieterin zu gewinnen. Es gelang, die Firma S*‑B* für eine Anmietung zu interessieren. Diese erstattete Vorschläge über die inhaltliche Ausgestaltung des abzuschließenden Vertrages. Sie forderte die Finanzierung der Einrichtung, der baulichen Investitionen und der Werbemaßnahmen durch B* sowie die Mietzinsfreiheit für die Dauer von zwei Jahren. Diese Forderungen wurden von B* insgesamt akzeptiert.

Im April 1997 informierte B* die Klägerin dahin, dass die Vertragsverhandlungen mit der Firma S* zur Etablierung eines Lebensmittelhandelsunternehmens in der Einkaufspassage ins Endstadium getreten seien.

Mit Schreiben vom 7. 11. 1997 teilte die Klägerin B* mit, dass ihr angesichts des Leerstehens des weitaus überwiegenden Teiles des Einkaufszentrums ein weiterer Verbleib nicht zumutbar sei. Das Bestandobjekt sei wegen der massiven Leerstehungen zum bedungenen Gebrauch untauglich. Unter einem erklärte die Klägerin den sofortigen Rücktritt gemäß § 1117 ABGB vom Bestandvertrag über die Geschäftsräume samt Lager und die Vitrinen im Erdgeschoss und gab bekannt, dass die Räumung der Objekte bis 27. 11. 1997 erfolgen werde.

B* trat mit Schreiben vom 14. 11. 1997 der vorzeitigen Auflösung entgegen und verwies auf die Betriebspflicht sowie darauf, dass auf Grund der Kündigungsverzichte die Aufkündigung des Geschäftslokals erst im Jahr 2003 möglich sei.

Die Klägerin räumte Ende November 1997 die Geschäftsräumlichkeiten. Sie hatte seit September 1997 Vertragsverhandlungen zur Anmietung eines anderen Geschäftslokals in S* geführt, in dem sie nun seit Ende 1997 ihr Fachunternehmen betreibt.

Der mit der Firma S*‑B* in Aussicht genommene Bestandvertrag kam nicht zustande. Im Einkaufszentrum ist nach wie vor kein Lebensmittelgeschäft vorhanden.

B* hatte zunächst auf Grund der "Partnerverträge" und mit Hilfe der vereinnahmten Werbebeitragskosten Werbemaßnahmen für die "M*" durchgeführt. Die erheblichen Leerstehungen bewirkten, dass die Werbung im August 1996 weitgehend eingestellt wurde. Im August 1996 wurde auch zwischen B* und der Klägerin vereinbart, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Werbekostenbeiträge bis zu einer "Neueröffnung" des Einkaufszentrums entfalle und der Klägerin aus dem auf dem Konto der Zentrumswerbung vorhandenen Guthaben von 264.377 S ein anteiliger Betrag von 240.000 S refundiert werde.

Die Tiefgarage wird nach wie vor von B* betrieben. In den Jahren 1993 bis 1996 parkten darin monatlich durchschnittlich 13.000, 1997 8000 und 1998 3000 Fahrzeuge.

Die Beklagte schrieb der Klägerin für Dezember 1997 einen Mietzins von 106.243,30 S incl 20 % USt sowie ein Betriebskostenakonto von 71.040 S incl USt, für den Abstellraum U02 bis 20 einen Mietzins von 1.055,18 S incl USt und für das Lager L7 einen Mietzins von 3.524,41 S samt 20 % USt und Betriebskosten von 348 S incl USt zur Zahlung vor.

Für die Monate Jänner 1998 bis einschließlich Oktober 1998 stellte die Beklagte der Klägerin für das Geschäftslokal samt Lager einen Mietzins von 106.243,20 S incl USt, für das Lager L7 von Jänner 1998 bis einschließlich April 1998 einen Mietzins von 3.424,41 S incl USt und für das Lager U02‑20 ebenfalls für letzteren Zeitraum einen Mietzins von 1.055,18 S incl USt in Rechnung. Sämtliche Vorschreibungen entsprechen rechnerisch den getroffenen Bestandzinsvereinbarungen. Die Klägerin leistet seit Dezember 1997 keine Zahlungen mehr.

Die Klägerinnen (die Zweitklägerin ist die unmittelbare Rechtsvorgängerin der Erstklägerin) begehrten die Feststellung, dass das Bestandverhältnis über die Geschäftsräumlichkeiten samt Lager und Vitrinen mit dem Tag der Klagezustellung (9. 12. 1997) beendet und die Beklagte schuldig sei, die Bestandgegenstände geräumt von den Fahrnissen der Klägerinnen zu übernehmen.

Die Beklagte begehrte ihrerseits von der (Erst‑)Klägerin den seit Dezember 1997 rückständigen Bestandzins für den Zeitraum Dezember 1997 bis einschließlich Oktober 1998 von zuletzt insgesamt 1,262.961,10 S samt 8 % gestaffelten Zinsen.

In ihrer Klage brachten die Klägerinnen vor, dass die vorzeitige Auflösung gemäß § 1117 ABGB erklärt werde und somit das Bestandverhältnis, das als Pacht zu qualifizieren sei, beendet sei. Das Geschäftsobjekt sei als Teil eines lebenden Unternehmens mit entsprechendem good will und Kundenpotential in Bestand genommen worden. Infolge der massiven Leerstehungen und der mangelnden Aussicht, dass wieder Bestandnehmer ansiedeln, sei das Bestandobjekt zum bedungenen Gebrauch untauglich. Nach dem Inhalt des Bestandvertrages habe die Auflösungserklärung gerichtlich zu erfolgen. Mit der vorangehenden außergerichtlichen Auflösungserklärung sei die Beklagte nicht einverstanden gewesen. Hilfsweise werde das Klagebegehren auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt und der Rücktritt vom Bestandvertrag gemäß § 918 ABGB erklärt. Für den Fall, dass die Aktivlegitimation der Erstklägerin bestritten werden sollte, mache vorsichtshalber auch die Zweitklägerin den Anspruch auf vorzeitige Auflösung geltend.

Das Bestandzinsbegehren der Beklagten werde auf Grund der Auflösungserklärung nach § 1117 ABGB bestritten. Hilfsweise werde ein Zinsminderungsanspruch gemäß § 1096 ABGB geltend gemacht. Für Dezember 1997 werde das Begehren auf Zahlung von Betriebskosten auch deshalb bestritten, weil die Klägerin bereits Ende November 1997 ausgezogen sei.

Die Beklagte bestritt die Aktivlegitimation der Zweitklägerin und führte im Übrigen aus, dass die Auslastung des Einkaufszentrums mit anderen Mietern weder zugesichert noch zur Bedingung gemacht worden sei. Die Klägerin habe das bei der Gründung eines Einkaufszentrums typische Risiko des Kundenschwundes selbst zu tragen. Bei einem Irrtum über die wirtschaftliche Entwicklung handle es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Es bestehe kein Grund zur vorzeitigen Vertragsauflösung. Die bisherigen Mietzinsreduktionen seien nicht wegen des Auszuges anderer Mieter erfolgt, sondern im Zusammenhang mit einer Verlängerung des ursprünglich vereinbarten Kündigungsverzichtes um zwei Jahre und wegen der mit den Umbauarbeiten zusammenhängenden Beeinträchtigungen. Tatsächlicher Grund für die Aufgabe des Geschäftslokales durch die Klägerin sei ihr Bestreben gewesen, sich in der Nähe des neu eröffneten M*‑Marktes anzusiedeln. Im Übrigen habe es die Klägerin selbst verschuldet, dass kein Lebensmittelmarkt im Einkaufszentrum etabliert worden sei, weil sie während der bereits bis zum Vorliegen eines Mietvertragsentwurfes gediehenen Gespräche mit der Firma S*‑B* angekündigt habe, sie werde das Geschäftslokal im Einkaufszentrum aufgeben und habe bereits ein anderes Lokal angemietet.

Ein weiterer, nicht primär entscheidungswesentlicher Streitpunkt der Parteien bestand über die ursprünglich vereinbarte Dauer des Kündigungsverzichtes der Klägerin, die nach ihren Behauptungen fünf Jahre, nach den Behauptungen der Beklagten zehn Jahre betrug.

Das Erstgericht wies das Begehren beider Klägerinnen auf Feststellung und Übernahme des Bestandobjektes durch die Beklagte ab. Dem Begehren der Beklagten als (Wider‑)Klägerin im verbundenen Verfahren auf Bestandzinszahlung gab es in der Hauptsache zur Gänze statt und wies lediglich ein Zinsenmehrbegehren (Staffelung ab 6. und nicht bereits ab 2. eines jeden Monats) ab.

Das Bestandverhältnis sei trotz der Bezeichnung der Verträge als Mietverträge als Pacht zu qualifizieren. Die Dauer des Kündigungsverzichtes sei nicht entscheidend, weil das Begehren nicht auf Kündigung gestützt worden sei. Das Begehren der Zweitklägerin sei schon deshalb abzuweisen gewesen, weil diese nicht Bestandnehmerin und somit nicht aktiv legitimiert sei. Im übrigen liege kein Grund für eine vorzeitige Auflösung vor. Beide Parteien hätten sich schlichtweg verkalkuliert. Es entspreche der allgemeinen Erfahrung, dass die Gründung eines Einkaufszentrums ein Risiko darstelle und nicht abschätzbar sei, wie sich die Kundenfrequenz entwickeln werde. Die Klägerin habe daher mit der Möglichkeit des Ausbleibens von Kunden und der Absiedlung von Unternehmen rechnen müssen, sodass diese Sachlage keinen Grund für die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses darstelle. Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage könne sich der Bestandnehmer schon auf Grund der spezielleren Bestimmung des § 1117 ABGB nicht berufen. Auch ein Rücktritt nach § 918 ABGB sei bei Dauerschuldverhältnissen, die bereits ins Abwicklungsstadium getreten seien, nicht möglich. Ein Irrtum über die zu erwartende Kundenfrequenz sei ein unbeachtlicher Motivirrtum. Ein Zinsminderungsanspruch stehe aus diesen Gründen ebenfalls nicht zu. Die Betriebskosten für Dezember 1997 seien ungeachtet der Nichtbenützung des Bestandobjektes zu zahlen. Die Erstklägerin im führenden und Beklagte im verbundenen Verfahren schulde daher den zuerkannten, sich aus den jeweiligen Zinsperioden ergebenden Betrag. Im Hinblick auf die Fälligkeit des Bestandzinses jeweils am 5. eines jeden Monats seien die Zinsen nicht ab 2., sondern ab dem 6. des jeweiligen Monats zuzuerkennen.

Der das Zinsenmehrbegehren abweisende Teil des Ersturteiles blieb unangefochten.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des von der Zweitklägerin im führenden Verfahren erhobenen Begehrens. Dieser Teil der Entscheidung wurde rechtskräftig.

Im Übrigen gab das Berufungsgericht jedoch der Berufung der Erstklägerin teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Feststellungsbegehren der Erstklägerin und deren Übernahmebegehren stattgab und im verbundenen Verfahren die Erstklägerin und dortige Beklagte (lediglich) zur Zahlung von 91.105,40 S samt 8 % Zinsen seit 6. 12. 1997 verpflichtete und das Mehrbegehren von insgesamt 1,171.855,70 S samt stufenweisen Zinsen abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der dem Zahlungsbegehren stattgebende Teil erwuchs ebenfalls in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht führte zur Beweisrüge der Erstklägerin aus, dass es die vom Erstgericht zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt getroffene (negative) Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass abweichend vom Bestandvertrag ein bloß 5‑jähriger Kündigungsverzicht vereinbart und die Aufnahme dieser Vereinbarung in einem Sideletter beschlossen worden sei, nicht übernehme.

In rechtlicher Hinsicht billigte das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichtes, dass ein Pachtvertrag vorliege. Gerade die in einem Einkaufszentrum erwartete höhere Kundenfrequenz sei eine der Geschäftsgrundlagen bei der Inbestandnahme der Räumlichkeiten gewesen. Die Klägerin habe nicht damit rechnen müssen, dass die Beklagte über Jahre hindurch nur einen "Bruchteil" der Geschäftsräumlichkeiten ‑ ab 1995 nur 10 % ‑ in Bestand geben werde. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass es den Betreibern des Einkaufszentrums gelingen werde, dass ein Großteil von verschiedenen Unternehmungen genützt werde. Da die Beklagte diese berechtigten Erwartungen nicht erfüllt habe, liege ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Aufhebung des Bestandverhältnisses vor. Die Zweitklägerin sei jedoch nicht mehr Bestandnehmerin gewesen, sodass ihr Klagebegehren zu Recht abgewiesen worden sei.

Beim Zahlungsbegehren im verbundenen Verfahren sei festzuhalten, dass der Bestandvertrag erst mit Klagezustellung am 9. 12. 1997 aufgelöst worden sei. Denn im Bestandvertrag sei vereinbart worden, dass die vorzeitige Auflösung gerichtlich erklärt werden müsse. In diesem Zeitpunkt sei der Bestandzins für Dezember aber bereits fällig gewesen. Für diesen Monat sei er allerdings wegen der Leerstehungen und der damit einhergehenden niedrigen Kundenfrequenz sowie wegen des Sinkens des good wills und der Attraktivität des Einkaufszentrums gemäß § 1096 ABGB zu mindern. Der Grad der Unbrauchbarkeit werde gemäß § 273 ZPO mit 50 % eingeschätzt. In diesem Ausmaß sei der gesamte Bestandzins inclusive der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben zu mindern. Die (Wider‑)Beklagte schulde daher für Dezember 1997 nur die Hälfte des vorgeschriebenen Bestandzinses.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der vorzeitigen Bestandvertragsauflösung und der Zinsminderung bei jahrelangem Leerstehen eines Großteils der Geschäftsräumlichkeiten in einem Einkaufszentrum fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen, soweit diese noch nicht in Rechtskraft erwuchsen, berechtigt.

Ein Einkaufszentrum ist dadurch gekennzeichnet, dass den Kunden die Waren und Leistungen einer großen Zahl von Branchen "unter einem Dach" angeboten werden, gemeinsame Anlagen, wie vor allem ein Parkplatz oder eine Parkgarage, zur Verfügung stehen und den Kunden die Möglichkeit geboten wird, in einem Zug ihre verschiedensten wirtschaftlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Das wirtschaftliche Interesse des Betreibers eines Einkaufszentrums liegt nicht nur in der Erzielung eines Bestandzinses für die bereitgestellten Räume. Vielmehr besteht ein besonderes eigenes Interesse am Betrieb der einzelnen Unternehmen in den für den erwünschten "Branchenmix" erforderlichen Geschäftszweigen. Der Bestandnehmer bezieht seinerseits die Vorteile nicht nur aus den bereitgestellten Räumen, sondern aus der Existenz des Einkaufszentrums insgesamt und dessen good will, kommen doch viele Kunden nur deshalb, weil sie im Zuge ihres Einkaufes bei einem bestimmten Bestandnehmer auch andere Besorgungen erledigen können. Dem Bestandnehmer steht in der Regel die gesamte Infrastruktur des Einkaufszentrums mit attraktiver Ausgestaltung der Gemeinschaftsflächen zur Verfügung. Zieht ein Betrieb aus, dann wird der Betreiber eines Einkaufszentrums im Interesse des angestrebten Branchenmixes darum bemüht sein, mit einem anderen Unternehmer möglichst der gleichen Branche einen Vertrag zu schließen (4 Ob 249/97i = SZ 70/184).

Diese Erwägungen wurden in der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Begründung dafür herangezogen, dass ‑ insbesondere wenn Betriebspflicht vereinbart wurde ‑ nicht bloße Geschäftsraummiete, sondern Unternehmenspacht vorliegt (in diesem Sinne auch 6 Ob 588/91 = MietSlg 43.074). Die dargestellten Aspekte sind aber ebenso bei der Frage, ob ungeplante Leerstehungen in einem Einkaufszentrum für den Bestandnehmer ein Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung bilden können, zu berücksichtigen.

Dauerschuldverhältnisse können aus einem wichtigen Grund vorzeitig aufgelöst werden, wobei die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile entscheidend ist. § 1117 ABGB nennt für Bestandverträge derartige Gründe für die Vertragsauflösungserklärung des Bestandnehmers. Allgemein wird daraus abgeleitet, dass der Bestandnehmer zur Vertragsauflösung berechtigt ist, wenn er aus Gründen, die nicht in seiner Sphäre und Verantwortung liegen, vom Bestandobjekt nicht den bedungenen Gebrauch machen kann, gleichgültig ob aus Verschulden des Bestandgebers oder durch Zufall (4 Ob 2142/96w = MietSlg 48.143 ua; RIS‑Justiz RS0102015). Dabei ist auf eine umfassende Abwägung des Bestandinteresses der einen Seite und des Auflösungsinteresses der anderen Seite vorzunehmen (8 Ob 648/88 = SZ 61/281). Ganz allgemein ist die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen deshalb zu ermöglichen, weil auf Dauer angelegte Rechtsverhältnisse für eine Veränderung der für den Vertrag maßgebenden Verhältnisse in besonderem Maß empfindlich sind und es auch den sorgfältigsten Parteien nicht möglich ist, für alle zukünftigen Wechselfälle vertraglich vorzusorgen (4 Ob 532/91 = JBl 1992, 187; 1 Ob 176/98h = immolex 1998, 341 = RdW 1999, 22 = ZfRV 1999, 23 = MietSlg 50.176 = MietSlg 50.241/36 = 1 Ob 340/98a = RdW 1999, 589 = immolex 1999, 328 mwN). Wichtige Gründe für eine solche Vertragsaufhebung hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der die Auflösung erklärt (1 Ob 176/98h). Gründe, mit denen schon beim Eingehen des Dauerschuldverhältnisses gerechnet werden musste oder Veränderungen, die von den Vertragspartnern offensichtlich in Kauf genommen wurden, rechtfertigen die vorzeitige Auflösung nicht. Je besser bei Vertragsabschluss der für die Auflösung geltend gemachte Umstand vorhersehbar war, umso größere Anforderungen sind an die Gewichtigkeit des Auflösungsgrundes zu stellen (6 Ob 661/95 = EvBl 1997/20; 1 Ob 340/98a mwN).

Im Hinblick auf diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ist aus dem hier zu beurteilenden Sachverhalt hervorzuheben, dass der Beklagten bei den Vertragsgesprächen anlässlich des Abschlusses des Bestandvertrages von der Klägerin mitgeteilt wurde, ihr sei gerade an der Etablierung einer Filiale in einem Einkaufszentrum gelegen, um an dessen Kundenfrequenz teilhaben zu können, und dass ihr in Aussicht gestellt wurde, ein entsprechender Branchenmix mit einander ergänzenden Geschäften werde für die gewünschte Kundenfrequenz sorgen. Auch wenn es zu keiner ausdrücklichen Zusage in diese Richtung kam, lag doch für die Vertragspartner klar auf der Hand, dass die naheliegenden Vorteile eines Einkaufszentrums, die in der Entscheidung 4 Ob 249/97i dargelegt wurden, für die klagende Partei ausschlaggebend für die Standortwahl und den Abschluss des Bestandvertrages mit der Beklagten waren. Nicht zuletzt kommt dies auch in dem zugleich geschlossenen "Partnerschaftsvertrag" zum Ausdruck.

Nicht voll abschätzbare Auswirkungen des am freien Markt üblichen Konkurrenzkampfes und die enttäuschte Erwartung einer erfreulichen Geschäftsentwicklung können eine vorzeitige Vertragsauflösung nicht rechtfertigen. Die Beteiligung am Geschäftsleben bei freier Marktwirtschaft schließt ein spekulatives Element mit ein, dessen Folgen nicht auf den Vertragspartner überwälzt werden können (1 Ob 340/98a). Demgemäß wurde in der Entscheidung SZ 59/17 die Möglichkeit der vorzeitigen Auflösung einer Geschäftsraummiete in einem Einkaufszentrum aus dem Grund der enttäuschten Erwartung der Entwicklung des Einkaufszentrums verneint. In dieser Entscheidung, deren Argumente auch das Erstgericht herangezogen hat, wurde weiters ausgeführt, dass ein "Irrtum über Zukünftiges" einen unbeachtlichen Motivirrtum darstelle. Die Parteien hätten sich aber gar nicht über Zukünftiges geirrt, sondern sich einfach verkalkuliert. Sie hätten gewusst, dass jede Gründung eines neuen, noch nicht eingeführten Einkaufszentrums ein Risiko darstelle, bei dem man im Vorhinein auf ein Gelingen hoffen, aber nicht mit ganz bestimmten Entwicklungen rechnen könne.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch wesentlich vom dort zu beurteilenden Sachverhalt. Einerseits liegt hier Unternehmenspacht und nicht bloße Geschäftsraummiete vor. Andererseits war in dem in SZ 59/17 zu beurteilenden Fall immer noch mehr als die Hälfte der Geschäftslokale vermietet, während hier nahezu alle wesentlichen Elemente, die den Charakter eines Einkaufszentrums ausmachen, überhaupt weggefallen sind. Die kleineren Handelsunternehmungen, die noch im Erdgeschoss verblieben waren, ergaben keinen kundenträchtigen Branchenmix. Das Untergeschoss stand überhaupt ‑ mit Ausnahme der dort noch angesiedelten Klägerin und fallweise vorübergehend untergebrachter Geschäfte ‑ zur Gänze leer. Ein besonderer "Kundenmagnet" war ‑ außer der Klägerin selbst ‑ nicht vorhanden. Es gab auch keine ein Einkaufszentrum belebende Attraktion wie etwa ein Cafehaus oder einen sonstigen gastronomischen Betrieb mehr. Umfangreiche Leerstehungen in einem Objekt, das an sich für Betriebsamkeit vorgesehen ist, machen erfahrungsgemäß auf potentielle Kunden einen trostlosen und abweisenden Eindruck. Von einer attraktiven Ausgestaltung des Einkaufszentrums konnte keine Rede mehr sein. Allein der Umstand, dass sich der einzige Zu‑ und Ausgang von der zugehörigen Tiefgarage im Untergeschoss befindet, bewirkt keinen besonderen Kaufreiz und keine Anregung, gerade dieses Einkaufszentrum auszusuchen. Im Übrigen ergibt sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen ein starker Rückgang der Benützerzahl der Parkgarage in den letzten Jahren. Es fehlte für das Publikum jeglicher Anreiz, sich in das Untergeschoss des Gebäudes zu begeben, sofern nicht die Absicht bestand, gezielt einen von der Klägerin geführten Artikel zu erwerben oder überhaupt nur die Parkgarage zu benützen. Schließlich wurden auch die Werbemaßnahmen, die ebenfalls Vertragsgegenstand waren, eingestellt. Somit fielen letztendlich ‑ abgesehen von der Betriebspflicht ‑ nahezu alle in derartigen Fällen die Annahme einer Unternehmenspacht bildenden Elemente fort. Das Einkaufszentrum hatte sich nicht nur wirtschaftlich enttäuschend entwickelt, sondern überhaupt als solches im engeren Sinn zu bestehen aufgehört. Damit musste die Klägerin aber nach menschlichem Ermessen bei Abschluss des Bestandvertrages nicht rechnen. Sie durfte damals vielmehr ungeachtet der Risken bei Neugründung eines Einkaufszentrums entsprechend dem Inhalt der Vertragsgespräche und des Bestandvertrages samt seinen Nebenvereinbarungen doch von einer gewissen Kundenfrequenz und vom Fortbestand des Einkaufszentrums als halbwegs funktionierende Einheit zumindest bis zum Ende der vereinbarten Bestandzeit ausgehen.

Genereller Maßstab für die analoge Anwendung der §§ 1117, 1118 ABGB sind neben Vertragsverletzungen, die bei Zielschuldverhältnissen zum Rücktritt berechtigten und Verhaltensweisen, die für bestimmte Dauerschuldverhältnisse eine fristlose Auflösung gestatten, auch Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zuließen (1 Ob 340/98a mwN). Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass jene Elemente, die im Wesentlichen die Attraktion eines Einkaufszentrums ausmachen, als Geschäftsgrundlage bei Abschluss des vorliegenden Bestandvertrages zu werten sind und die Klägerin nicht damit rechnen musste, dass über Jahre hindurch nur ein Bruchteil der Geschäftsräumlichkeiten (rund 10 % von den nicht von ihr selbst in Bestand genommenen Flächen) ausgelastet sein würden und dass darin ein Grund für die vorzeitige Auflösung des Dauerschuldverhältnisses erblickt werden kann.

All diese Erwägungen gelten auch für die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte, nach der insoweit unbestrittenen Ansicht der Vorinstanzen für Dezember 1997 in Erwägung zu ziehende Frage der Mietzinsminderung gemäß § 1096 ABGB. Bei nicht gehöriger Erfüllung (Verschaffung und Erhaltung des bedungenen oder nach den Umständen üblichen Gebrauches) kann der Bestandnehmer nach seiner Wahl entweder auf Zuhaltung des Vertrages bestehen oder gemäß § 1117 ABGB vom Vertrag zurücktreten oder sich ‑ zunächst ‑ mit der ex lege eintretenden Zinsbefreiung bzw Zinsminderung begnügen (8 Ob 610, 679/90 = SZ 63/220). Der Umstand, dass das Berufungsgericht den Mietzins für Dezember 1997 zur Hälfte reduziert hat, kann eine unrichtige Anwendung des § 273 ZPO zum Nachteil der Beklagten nicht begründen, wäre doch die Rechtswirksamkeit der Auflösungserklärung der Klägerin, die das Bestandobjekt im Dezember 1997 bereits geräumt hatte, bei Vorliegen eines Auflösungsgrundes für Dezember 1997 nur deshalb zu verneinen, weil sie zunächst nicht gerichtlich erklärt worden war. Ungeachtet dessen bleibt aber fraglich, ob der gesetzliche Zinsminderungsanspruch nicht durch zulässige und wirksame Vertragsvereinbarungen modifiziert worden war, wie noch ausgeführt wird.

Obwohl also den grundsätzlichen Erwägungen des Berufungsgerichtes dahin zuzustimmen ist, dass umfangreiche Leerstehungen in einem Einkaufszentrum Anlass für eine Mietzinsreduktion und sogar für eine vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses darstellen können, ist der vorliegende Sachverhalt aber weiters dadurch gekennzeichnet, dass im Untergeschoss bereits Anfang 1994 alle Räume mit Ausnahme jener, die die Klägerin selbst gemietet hatte, leer standen, auch im Obergeschoss nur mehr 40 bis 50 % der Geschäftsflächen in Bestand gegeben waren und seit Mai 1995 noch umfangreichere Leerstehungen eingetreten waren, die Vertragsauflösung aber erst Ende 1997 erklärt wurde. Zudem wurde der Kündigungsverzicht der Klägerin einvernehmlich verlängert, und es wurden ohnehin bereits zweimal Mietzinsreduktionen gewährt.

Das Recht, die Vertragsauflösung nach §§ 1117, 1118 ABGB geltend zu machen, kann durch grundlose Nichtausübung während längerer Zeit verloren gehen, weil dieses Verhalten als Verzicht gedeutet werden kann (Würth in Rummel2 I, Rz 8 zu § 1118 ABGB; 4 Ob 2050/96s; 1 Ob 210/97g = immolex 1998, 24). Allerdings sind an die Annahme eines solchen Verzichtes besonders strenge Maßstäbe anzulegen (4 Ob 2050/96s). Für einen solchen Verzicht spricht im vorliegenden Fall aber nicht nur der ‑ bisher mit den Parteien nicht erörterte ‑ Umstand, dass die Klägerin trotz Fortbestehens der Leerstehungen, die sie nun als Grund für die vorzeitige Auflösung und für die Zinsminderung geltend macht, vier weitere Jahre im selben Objekt verblieb und sich erst zu einem Zeitpunkt auf die vorzeitige Vertragsauflösung berief, als sie ein anderes Objekt zur Anmietung gefunden hatte, in das sie auch umgehend übersiedelte. Ein Verzicht sowohl auf die vorzeitige Vertragsauflösung als auch auf eine (weitergehende) Mietzinsreduktion wegen der Leerstehungen könnte vor allem daraus abgeleitet werden, dass die Klägerin am 30. 6. 1994 einen Kündigungsverzicht für weitere zwei Jahre abgab und zugleich eine Mietzinsreduktion rückwirkend (!) mit 1. 3. 1993 erwirkte sowie dass im Frühjahr 1995 nochmals eine (weitere) Mietzinsherabsetzung, (ebenfalls) rückwirkend mit 1. 1. 1994 vereinbart wurde. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen standen diese Mietzinsreduktionen im Zusammenhang mit Umbauarbeiten wegen der beabsichtigten Vermietung von Geschäftsflächen im Untergeschoss an ein Lebensmittelhandelsunternehmen, aber auch mit den enttäuschten Umsatzerwartungen der Klägerin. Unklar ist, warum sich die Beklagte mit einer Mietzinsreduktion "für die Dauer der Umbauarbeiten" einverstanden erklärt haben soll, wenn diese nach den Feststellungen der Vorinstanzen bereits Mitte 1994 ‑ also zu einem Zeitpunkt, als erstmals die Reduktion der Mietzinse vereinbart wurde ‑ wieder eingestellt wurden. Unklar ist weiters, warum der Klägerin am 30. 6. 1994 eine Verlängerung ihres Kündigungsverzichtes im Hinblick auf die Bemühungen der Beklagten zur Etablierung eines Lebensmittelgeschäftes gerechtfertigt erschien (so die Feststellungen des Erstgerichtes), wenn gerade zu jener Zeit die deshalb vorgenommenen Umbauarbeiten schon wieder eingestellt wurden und bis dahin die schon 1993 begonnenen Bemühungen, dort ein Lebensmittelgeschäft anzusiedeln, ohne Erfolg geblieben waren.

Der Umfang der Benützung des Bestandobjektes und die Pflicht zu deren Gewährung unterliegen der Parteiendisposition (4 Ob 591/95). In den §§ 1096 und 1117 ABGB können der Gewährleistung vergleichbare Bestimmungen, angepasst an die Besonderheiten der Dauerschuldverhältnisse, insbesondere der Bestandverhältnisse, erblickt werden (zu § 1117 ABGB: 8 Ob 171/98z = WoBl 2000/168; Würth in Rummel2 I, Rz 2 zu § 1117 ABGB; zu § 1096 ABGB: 1 Ob 685/83 ua; RIS‑Justiz RS0021326; 8 Ob 679/90 = WoBl 1992, 54). Die Zinsminderung oder Zinsebefreiung ist ausgeschlossen, wenn der Bestandnehmer in Kenntnis der Mängel vorbehaltlos den Vertrag abschließt, das Bestandobjekt übernimmt bzw trotz Kenntnis der Befreiungsgründe vorbehaltlos einen bestimmten Mietzins vereinbart und bezahlt (10 Ob 204/97s = MietSlg 50.148). Dies gilt ‑ wie sich schon aus den einleitenden Ausführungen zur vorzeitigen Auflösung von Bestandverhältnissen ergibt ‑ ebenso für die Gründe für die vorzeitige Auflösung, die nicht in Betracht kommt, wenn die betreffenden Umstände schon bei Abschluss des Bestandvertrages in Kauf genommen oder sogar schon bekannt waren und denen noch dazu durch eine entsprechende Vertragsgestaltung (hier: allenfalls Zinsminderung) Rechnung getragen wurde.

Hat daher die Klägerin einer Verlängerung der Unkündbarkeit der Bestanddauer zu einem Zeitpunkt zugestimmt, als das Scheitern des Vorhabens, ein "lebendes" Einkaufszentrum zu führen, bereits offenkundig war und die Leerstehungen etwa das Ausmaß wie im Zeitpunkt der Auflösungserklärung Ende 1997 erreicht hatten, kann sie sich nicht erfolgreich auf Auflösungsgründe im Sinn des § 1117 ABGB berufen. Sollte durch die Mietzinsreduktionen (zumindest auch) diesem Zustand Rechnung getragen werden, besteht auch kein Anlass für eine (weitere) Mietzinsreduktion nach § 1096 ABGB. Der Auflösungsverzicht für weitere zwei Jahre fiele hiebei umso mehr ins Gewicht, wenn schon die ursprüngliche Unkündbarkeit 10 Jahre betragen haben sollte. Ob die Parteien ursprünglich die Dauer der Unkündbarkeit mit 10 Jahren oder mit fünf Jahren festsetzten, blieb jedoch bislang ungeklärt, weil das Berufungsgericht die entsprechende (Negativ‑)Feststellung des Erstgerichtes nicht übernommen hat.

Die bisherigen Feststellungen des Erstgerichtes über die Bemühungen der Beklagten, im Untergeschoss einen Lebensmittelmarkt zu etablieren und über die diesbezüglichen Gespräche zwischen den Streitteilen legen nahe, dass die Klägerin nicht so sehr die Leerstehungen der übrigen Geschäftslokale als störend empfand, sondern dass ihr in erster Linie daran lag, dass in ihrer Nachbarschaft tatsächlich ein Lebensmittelmarkt eröffnet werde. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen geht aber nicht hervor, inwieweit sich die Klägerin insoweit berechtigte Hoffnungen machen durfte. War das Scheitern derartiger Versuche einzukalkulieren, schlösse eine dennoch vereinbarte Verlängerung der Unkündbarkeit die vorzeitige Vertragsauflösung aus dem Grunde des endgültigen Scheiterns der diesbezüglichen Bemühungen der Beklagten aus. Es könnte aber sein, dass die Beklagte den Abschluss eines entsprechenden Bestandvertrages mit einem Lebensmittelhändler immer wieder als mehr oder weniger fix darstellte und die Klägerin mit diesen Hoffnungen und im Übrigen mit Mietzinsreduktionen zum Verbleib veranlasste.

Mangels entsprechend konkreter Feststellungen insbesondere über die zwischen den Parteien im Zusammenhang mit der Verlängerung des Kündigungsverzichts und den Mietzinssenkungen geführten Gesprächen, dem nach dem Willen der Parteien zu unterstellenden Sinn und Zweck dieser Vereinbarungen und weiters wegen der Widersprüchlichkeiten, dass die Mietzinsreduktion wegen der Bauarbeiten erfolgen sollten, die aber schon wieder eingestellt worden waren, ist eine abschließende rechtliche Beurteilung noch nicht möglich. Das Erstgericht wird die aufgezeigten Fragen mit den Parteien zu erörtern und konkrete Feststellungen insbesondere darüber zu treffen haben, welche Umstände die Klägerin zur Zustimmung zur Verlängerung des Kündigungsverzichtes und die Beklagte zur zweimaligen Reduktion der Mietzinse bewogen haben. Erst dann wird beurteilt werden können, ob sich die Klägerin trotz ihres Einverständnisses zur Verlängerung des Kündigungsverzichts und trotz ihres jahrelangen Verbleibens im strittigen Objekt ungeachtet der massiven Leerstehungen auf eine analoge Anwendung des § 117 ABGB sowie weiters auf eine Zinsminderung gemäß § 1096 ABGB berufen kann, obwohl es ohnedies bereits zweimal zu einer vertraglichen Reduktion des Mietzinses gekommen ist.

Im fortgesetzten Verfahren wird weiters auch das bisher von den Vorinstanzen nicht beachtete Vorbringen der Beklagten zu prüfen sein, dass die Klägerin das Zustandekommen eines Bestandvertrages mit einem Lebensmittelhändler selbst vereitelt habe, indem sie unmittelbar vor der Perfektionierung des Vertrages angekündigt habe, dass sie ihr Geschäftslokal im Einkaufszentrum jedenfalls aufgeben und in ein anderes Lokal übersiedeln werde. Es widerspräche Treu und Glauben, einen "sicheren" Interessenten von der jahrelang erhofften Ansiedelung im Einkaufszentrum, die allenfalls sogar ausschlaggebend für eine Verlängerung des Kündigungsverzichtes war, abzuhalten und sich sodann dennoch auf das abermalige Scheitern der Bemühungen, einen Lebensmittelhandel im Einkaufszentrum zu etablieren, als Auflösungsgrund zu berufen. Die von der Rechtsprechung zur Bedingungsvereitelung entwickelten Grundsätze, nämlich dass die Bedingung als eingetreten gilt, wenn der Vereitelnde ein Interesse am Nichteintritt hat (Rummel in Rummel2 I, Rz 7 zu § 897 ABGB mwN), wären auch auf ein solches Verhalten der Klägerin sinngemäß übertragbar. Die abschreckende Wirkung der Ankündigung der Klägerin, demnächst das Einkaufszentrum zu verlassen, auf potentielle Mieter oder Pächter von Geschäftslokalen im Untergeschoss des Einkaufszentrums kann nicht zweifelhaft sein.

Durch zu dieser Frage noch nachzutragenden Feststellungen wird auch der von der Beklagten unter dem Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO gerügte sekundäre Feststellungsmangel, der dort als Verfahrensmangel bezeichnet wird, zu beheben sein. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Verletzung des § 473a ZPO liegt aber nicht vor, weil sich die Rechtsrüge der Berufungswerberin ausschließlich auf die Feststellungen des Erstgerichtes stützte (vgl 1 Ob 41/99g = JBl 1999, 661).

Die Fortsetzung des Verfahrens wird auch Gelegenheit bieten, im Sinne der vorzunehmenden Interessenabwägung bei der vorzeitigen Auflösung von Dauerschuldverhältnissen ergänzend zu prüfen, ob und inwieweit der Klägerin durch die negative Entwicklung des Einkaufszentrums und die immer umfangreicher werdenden Leerstehungen letztendlich tatsächlich Umsatzeinbußen erwuchsen, die über das übliche Ausmaß von Umsatzschwankungen, die infolge der Eröffnung neuer Betriebe oder Filialen üblich sind, hinausgehen. Hiebei wird auch der nach wie vor zwischen den Parteien strittige und zum Gegenstand ihrer jeweiligen Revisionsausführungen erhobenen Frage, ob sich die Kundenfrequenz im Untergeschoss durch die Leerstehungen tatsächlich konkret verringert hat, nachzugehen sein.

Auf Grund der aufgezeigten, noch offenen Fragen waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen im bekämpften Umfang aufzuheben und dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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