OGH 7Ob239/00y

OGH7Ob239/00y8.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr.Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Josef R*****, vertreten durch DDr. Gunter Peyrl, Rechtsanwalt in Freistadt, gegen den Antragsgegner Land Oberösterreich, 4020 Linz, Klosterstraße 7, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung gemäß § 36 f OÖ Straßengesetz 1991, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 10. August 2000, GZ 15 R 97/00s-43, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Freistadt vom 18. Mai 2000, GZ 3 Nc 47/98m-38, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht setzte die Entschädigung für die Enteignung diverser Grundstücksteile des Antragstellers mit insgesamt S 90.938 fest, wobei es davon ausging, dass die enteigneten, als Grünland gewidmeten Grundstücksflächen landwirtschaftlich genutzt seien und mit einer Umwidmung in naher Zukunft nicht zu rechnen sei.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Entgegen der Meinung des Antragstellers handle es sich bei den enteigneten Grundstücksflächen nicht um Bauerwartungsland. Unter Hinweis darauf, dass das Rekursinteresse S 264.562 betrage, sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos als nichtig aufzuheben. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil der betreffende Enteignungsbescheid der oö Landesregierung mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. 8. 2000, Zl 2000/05/0075-6, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben worden sei. Damit sei dem gegenständlichen Verfahren wegen Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung gemäß § 36 f oö Straßengesetz 1991 die Grundlage entzogen; es liege der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO vor.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Antragsteller weist zutreffend darauf hin, dass mit dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes dem Verfahren zur Entschädigungsfestsetzung die Basis entzogen wurde. Die dadurch geschaffene nachträgliche Tatbestandsänderung ist insofern von entscheidender Bedeutung, als durch sie dargetan ist (vgl 5 Ob 16/73), dass es an einem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers im gegenständlichen Verfahren, also an einer Beschwer, nunmehr fehlt:

Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus; es ist nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die Beschwer muss als Voraussetzung für eine meritorische Entscheidung zur Zeit der Erhebung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen. Kommt es noch vor der Rechtsmittelentscheidung zu einem Wegfall der Beschwer, ist auch ein (allenfalls) ursprünglich zulässig erhobenes Rechtsmittel zurückzuweisen (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 9 Vor § 461 mwN). Diese Grundsätzen gelten auch in Verfahren außer Streitsachen (1 Ob 602/95; Klicka/Oberhammer aaO Rz 57).

Wie der Oberste Gerichtshof in dem zu 5 Ob 16/73 entschiedenen, dem vorliegenden ganz vergleichbaren Fall ausgesprochen hat, ist durch die Entscheidung des VwGH (dort durch die den Entscheidungsbescheid aufhebende Entscheidung des VfGH) eine "prozessuale Überholung" der Ergebnisse des gegenständlichen Entschädigungsverfahrens eingetreten, weil diesem Verfahren die (meritorische) Grundlage entzogen worden ist und ein Entschädigungsverfahren erst dann neu in Gang gesetzt werden kann, wenn das verwaltungsbehördliche Enteignungsverfahren, das nunmehr in den Stand vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides zurückversetzt wurde, abgeschlossen sein wird. Daher fehlt dem Antragsteller nun die Beschwer, sodass selbst bei einer seinem außerordentlichen Revisionsrekurs stattgebenden Entscheidung für ihn im vorliegenden Verfahren nichts gewonnen wäre, weil die zufolge des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes geänderte Sachlage die materielle Rechtskraft der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung beeinflusst. Da keine Enteignung mehr vorliegt, steht dem Antragsteller kein Entschädigungsanspruch zu. Es fehlt ihm daher auch ein Rechtsschutzanspruch auf Entscheidung über seinen ao Revisionsrekurs gegen die Bemessung der Enteignungsentschädigung durch die Vorinstanzen (deren Entscheidungen wirkungslos sind). Erst nach einer allfälligen neuerlichen Enteignung wird der Antragsteller auf der neuen Grundlage wieder einen Entschädigungsanspruch geltend machen können (vgl SZ 22/167; SZ 40/120; SZ 41/179; vgl neuerlich 5 Ob 16/73).

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen. Diese Zurückweisung umfasst auch den im Revisionsrekurs gestellten Kostenantrag.

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