OGH 7Ob242/99k

OGH7Ob242/99k26.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Albert K*****,

2.) Dkfm. Manfred F*****, 3.) Dr. Franz B*****, 4.) Dkfm. Dr. Rudolf G*****, 5.) Dkfm. Christian S*****, 6.) Dr. Helmut S***** und 7.) Dr. Silvia S*****, 8.) Helga W*****, und 9.) Dr. Martin K*****, alle vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, und des Nebenintervenienten auf Seiten der Kläger DI Fritz G*****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Amhof & Dr. Damian, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Weidisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 374.177,18 sA, über die außerordentliche Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 31. Mai 1999, GZ 3 R 87/99f-37, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. Februar 1999, GZ 4 Cg 214/97b-30, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger sind (anteilige) Eigentümer des Hauses S*****, das im Jahr 1987 von der beklagten Baugesellschaft als Generalunternehmerin saniert wurde. Die Planung führte der auf Seiten der Kläger dem Prozess als Nebenintervenient beigetretene Architekt durch. Die Holz-Türen und -Fenster zu einem im zweiten Obergeschoß befindlichen Atrium lieferte und montierte die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten.

Spätestens 1993 wurden die Abdichtungen der Tür- und Fensterkonstruktion zwischen Atrium und einer damals an Gertraude H***** vermieteten Wohnung im zweiten Obergeschoß schadhaft. Im Juni 1994 stellte die Wohnungsmieterin fest, dass nach starkem Regen Wasser aus dem Atriumsbereich in ihre Wohnung eindrang. Dies teilte sie der Hausverwaltung der Kläger in einem - in erster Linie die Mietzins- und Betriebskostenabrechnung betreffenden - Schreiben vom 29. 6. 1994 mit und bat, sich dies gelegentlich anzusehen. Die Hausverwaltung reagierte auf dieses schriftliche und mehrere mündliche Hinweise vorerst nicht. Ende Juli 1995 wies die Mieterin anlässlich der (Rück-)Übergabe der Wohnung an die Hausverwaltung auf den Wassereintritt neuerlich hin. Anfang September 1995 beauftragte die Hausverwaltung daraufhin einen Baumeister mit der Sanierung des Schadens und holte zur Beweissicherung das Gutachten eines (Bau-)Sachverständigen ein. Bei einem von diesem am 9. 10. 1995 in Anwesenheit zweier Vertreter der Beklagten durchgeführten Lokalaugenschein wurde festgestellt, dass vor allem die der Wetterseite ausgesetzten fixen Fensterelemente im unteren Bereich stark vermorscht waren. In seinem Gutachten vom 27. 10. 1995 kam der Sachverständige zum Ergebnis, dass der Vermorschungsschaden einerseits auf Spritzwasser von den Granit-(boden-)platten und andererseits auf eine nicht plangemäße Ausführung des Blechabhangstreifens und einer damit verbundenen Hinterwanderung des Isolierungshochzuges zurückzuführen sei.

Mit der am 9. 12. 1997 eingebrachten Klage begehren die Kläger von der Beklagten insgesamt S 374.177,18 (sA) an Sanierungskosten und Mietausfall aus dem Titel des Schadenersatzes.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wendete unter anderem Verjährung ein.

Die Kläger erwiderten zum Verjährungseinwand, die Schäden seien ihnen erst im September 1995 bekannt geworden. Früher seien sie auf Grund der Verbauung im Tür/Fenster- und Sockelbereich nicht feststellbar gewesen. Erst auf Grund des damals eingeholten Gutachtens hätten Schadensursache und Verschulden der beklagten Partei (als Generalunternehmerin) bzw ihrer Erfüllungsgehilfen festgestellt werden können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Weil die Hausverwaltung, deren Wissen den Klägern anzurechnen sei, spätestens Anfang Juli 1994 Kenntnis von den Wassereintritten gehabt habe und danach zwei bis drei Monate ausgereicht hätten, die Schadensursache und damit auch den Schädiger festzustellen, sei die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB bei Klagseinbringung bereits abgelaufen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts über die Verjährung der Klagsforderung. Wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen könne, erfolge die Kenntnisnahme von Schäden schon in dem Zeitpunkt, in welchem sie dem Berechtigten bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Der Geschädigte dürfe sich nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erhält und müsse sich das Wissen der Hausverwaltung zurechnen lassen. Daraus folge, dass der Hausverwalter das Schreiben der Mieterin vom 29. 6. 1994 und ihre nachfolgenden mündlichen Hinweise nicht hätte ignorieren dürfen. Für die Überlegung, dass bei Wassereintritten im Bereich von Fenstern und Türen als Schadensursache mit hoher Wahrscheinlichkeit Baumängel in Betracht kämen, seien besondere technische Fachkenntnisse nicht erforderlich. Wäre der Hausverwalter dem Hinweisen der Mieterin nachgegangen, dann hätte er, allenfalls mit Hilfe des mehr als ein Jahr später beigezogenen Sachverständigen, Schaden- und Schadensursache ohne Mühe und ohne Überspannung der Erkundigungspflicht mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung am 9. 12. 1997 in Erfahrung bringen können. Dass für allfällige Schäden durch mangelhafte Bauausführung die Beklagte als Generalunternehmer hafte, sei von Anfang an klar und offenkundig auch für die Kläger nie zweifelhaft gewesen.

Die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision lägen nicht vor, weil das Berufungsgericht lediglich die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Beginn der Verjährungsfrist auf den Einzelfall angewendet habe.

Entgegen diesem Ausspruch ist die außerordentliche Revision des Klägers zulässig, weil das Berufungsgericht die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Beginn der Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB unrichtig angewendet hat. Sie ist deshalb auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass im Werkvertragsrecht Gewährleistungsansprüche und Schadenersatzansprüche in voller Konkurrenz nebeneinander bestehen. Damit kann der Besteller wegen Mängel des Werks auch noch, nachdem - wie hier - die Gewährungsleistungsfrist abgelaufen ist, innerhalb der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB vom Unternehmer das Erfüllungsinteresse fordern, sofern die Mängel auf dessen rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zurückzuführen sind (stRsp RIS-Justiz RS0021755 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen).

Gemäß § 1489 ABGB verjähren Schadenersatzansprüche in drei Jahren ab dem Zeitpunkt, zu welchem der Eintritt des Schadens - und damit auch der Ursachenzusammenhang - sowie die Person des Ersatzpflichtigen dem Geschädigten soweit bekannt wurden, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestellt werden kann. Der Geschädigte muss Kenntnis vom Kausalzusammenhang zwischen seinem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten haben und auch jene Umstände kennen, die ein Verschulden des Schädigers begründen (stRsp RIS-Justiz RS0034951). Der Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Schadenersatzanspruches erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (JBl 1987, 450; JBl 1988, 321; ecolex 1991, 454; ecolex 1994, 537; SZ 68/238; RIS-Justiz RS0034524 und RS0034366; Schubert in Rummel ABGB2 Rz 4 zu § 1489; Mader in Schwimann ABGB2 VII Rz 9 und 11 zu § 1489). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen hingegen nicht (JBl 1987, 450 [451] ua). Hat der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Umstände, so beginnt die Verjährungszeit nicht zu laufen (WBl 1987, 66; JBl 1991, 654; RIS-Justiz RS0034603). Nach hM darf sich der Geschädigte allerdings nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erhält. Dabei hat auch eine Wissenszurechnung der Hausverwaltung, die nicht "Dritter" iSd § 875 ABGB ist, zu erfolgen (SZ 68/179 ua). Wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Dabei ist auf die Umstände des konkreten Falles abzustellen (SZ 63/53 = ecolex 1990, 345 = JBl 1990, 653). Die Erkundigungspflicht des Geschädigten darf aber nicht überspannt werden (SZ 63/53; JBl 1991, 654 = AnwBl 1991, 123; 6 Ob 42/98e ua). Eine Überspannung der Erkundigungspflicht des Geschädigten bedeutet es jedenfalls, von ihm die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Voraussetzungen erfolgversprechender Anspruchsverfolgung zu fordern (6 Ob 273/98k).

Das Berufungsgericht vertritt unter teilweiser Zitierung der angeführten Grundsätze die Auffassung, die auf Grund des Schreibens der Mieterin Gertraude H***** an die Hausverwaltung, deren Kenntnisse ihr zuzurechnen seien, über einen Wassereintritt informierte Klägerin hätte Schaden- und Schadensursache "ohne Mühe" in Erfahrung bringen können, zumal eine Haftung der Beklagten als Generalunternehmerin für mangelhafte Bauausführung "von Anfang an klar und offenkundig" gewesen sei. Dabei wird übersehen, dass zwar die Vermutung, es könnte der Wassereintritt durch einen Baumangel verursacht worden sein, durchaus naheliegend war, aber auch ein Planungsmangel vorliegen konnte und insbesondere für Laien, wie die Kläger, die Erkennbarkeit der Schadensursache und damit eines Verschuldens der Beklagten bzw ihrer Erfüllungsgehilfen nicht ohne weiteres möglich war. Das Berufungsgericht räumt ja selbst die Notwendigkeit ein, Schaden und Schadensursache allenfalls erst mit Hilfe eines Sachverständigen in Erfahrung zu bringen. Die Erforderung einer Erkundigung durch Beiziehung eines Sachverständigen widerspricht aber dem Grundsatz, dass die Erkundigungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden darf. Es sind nur ohne nennenswerte Mühen und Kosten einholbare Erkundigungen zu fordern (SZ 63/53 uva). Tatsächlich konnten die Kläger als Laien erst durch das von ihnen eingeholte Sachverständigengutachten jene Gewissheit gewinnen, die sie in die Lage versetzte, das zur Begründung ihres gegenständlichen Schadenersatzanspruches erforderliche Sachvorbringen entsprechend konkret zu erstatten. Ob eine Erkundigungspflicht, wie der Oberste Gerichtshof in RdW 1995, 13 ausgeführt hat, für die Fragen nach dem Ursachenzusammenhang und dem Verschulden des Schädigers nicht anzunehmen ist, oder - wie Mader aaO, Rz 21 zu § 1489 ABGB meint - grundsätzlich besteht, kann hier dahingestellt bleiben. Auch Mader betont nämlich, dass die Erkundigungspflicht jedenfalls nicht überspannt werden darf, was aber, wollte man die Einholung eines Gutachtens von den Klägern fordern, hier aber, wie oben ausgeführt, der Fall wäre.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen begann die Verjährungsfrist daher erst nachdem die Kläger durch das Gutachten vom 27. 10. 1995 Einblick in die für das Verschulden der Beklagten maßgeblichen Zusammenhänge erhalten haben (vgl RdW 1995, 13). Ihr Schadenersatzanspruch ist daher nicht verjährt.

Das Erstgericht wird daher das Verfahren zu Anspruchsgrund und -höhe durchzuführen haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den § 52 ZPO.

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