OGH 1Ob294/99p

OGH1Ob294/99p25.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sylvia H*****, vertreten durch Dr. Albin Walchshofer, Rechtsanwalt in Linz als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Ing. Karl H*****, vertreten durch Dr. Manfred Piso, Rechtsanwalt in Mondsee als Verfahrenshelfer, wegen 62.157,44 S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgerichts vom 26. Mai 1999, GZ 21 R 189/99i-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Mondsee vom 17. Dezember 1998, GZ 3 C 507/98z-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass der Revision werden die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben; die Rechtssache wird an das Bezirksgericht Mondsee zu AZ 3 F 66/99z als das für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse der Streitteile zuständige Außerstreitgericht überwiesen.

Die bisherigen Verfahrenskosten einschließlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Mit Urteil des zuständigen Bezirksgerichts vom 7. Jänner 1998 wurde die 1985 geschlossene Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des dort klagenden und hier beklagten Mannes geschieden. Das über Berufung beider Parteien bestätigende und von der Frau nicht angefochtene Berufungsurteil wurde den Streitteilen am 9. September 1998 zugestellt. Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision des Mannes, der sich nur gegen die Verschuldensaufteilung gewendet hatte, mit Beschluss vom 11. November 1998, AZ 7 Ob 304/98b, mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Der Beklagte verließ am 22. Juni 1997 die Ehewohnung (ein 1991 fertiggestelltes Haus einer im Hälfteeigentum beider Streitteile befindlichen Liegenschaft), leistete jedoch im Zeitraum von Juni bis Oktober 1997 noch alle darauf entfallenden Rückzahlungen auf die während aufrechter Ehe- und Hausgemeinschaft von beiden Streitteilen gemeinsam aufgenommenen Bausparkredite zur Finanzierung ihres Hauses, für die beide rückzahlungspflichtig sind, in der Gesamthöhe von 37.431 S an näher bezeichnete Banken, erbrachte aber danach keine weiteren Zahlungen mehr. Eine vertragliche Einigung der Streitteile dahin, dass der Beklagte alle Kreditrückzahlungen für Juni bis Oktober 1997 zur Gänze, also auch für den auf die Klägerin entfallenden Anteil zu leisten habe, gab es nicht. Am 26. Jänner 1998 schlossen die Parteien in der gleichen Parteirollenverteilung wie hier vor dem zuständigen Bezirksgericht auf Grund einer Unterhaltsklage folgenden Vergleich:

"1.) Der Beklagte ... verpflichtet sich, an die Klägerin ... ab 1. 1. 1998 einen monatlichen Unterhalt von 6.850 S bis zum 5. eines jeden Monats im vorhinein bei Exekution zu bezahlen.

2) Der Beklagte verpflichtet sich weiters, den für 1997 mit 19.420 S verglichenen Unterhaltsrückstand bis 31. 12. 1998 bei Exekution zu bezahlen. ..."

Noch während aufrechter Ehe (am 16. Juni 1998) begehrte die Klägerin vom Beklagten die Erstattung der Hälfte der von ihr vom November 1997 bis 30. Juni 1998 bezahlten Kreditraten und dehnte dieses Begehren in der Verhandlungstagsatzung vom 12. November 1998 auf 62.157,44 S sA als die Hälfte der von ihr getätigte Kreditrückzahlungen von insgesamt 124.314,88 S (an die Raiffeisenbausparkasse vom November 1997 bis Juni 1998 46.050 S und vom Juli bis November 1998 26.305 S; an die Hypo-Landesbank 1998 49.229,88 S; an die Wüstenrot-Bausparkasse vom September bis November 1998 2.730 S) aus. Der Beklagte wendete - neben der Unzulässigkeit des Rechtswegs - eine die Klageforderung übersteigende Gegenforderung ein, weil er von Juni bis Oktober 1997 sämtliche Kreditrückzahlungen übernommen habe.

Das Erstgericht sprach - ohne über die Prozesseinrede des Beklagten zu entscheiden - aus, dass die Klageforderung zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestünden und verhielt den Beklagten zur Zahlung des Klagebetrags. Beim Klageanspruch handle es sich um einen Unterhaltsergänzungsanspruch nach § 94 ABGB. Da die Streitteile bis einschließlich Dezember 1997 von einem Unterhaltsrückstand von 19.420 S ausgegangen seien, seien die vom Beklagten anteilig für die Klägerin entrichteten Kreditrückzahlungsraten als Naturalunterhalt zu beurteilen und mit der vergleichsweisen Regelung vom 26. Jänner 1998 rechtswirksam erledigt. Da die Klägerin die von ihr behaupteten und auch unter Beweis gestellten Rückzahlungen auf die gemeinsamen Kredite ab Dezember 1997 bis einschließlich November 1998 geleistet habe, habe ihr der Beklagte 50% hievon zu erstatten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil aus anderen rechtlichen Erwägungen und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage, ob der sich aus § 97 ABGB ergebende Anspruch als "besonderes Verhältnis" iSd § 896 ABGB zu qualifizieren sei, "also nicht dadurch verloren" gehe, "dass der berechtigte Ehegatte die vom verfügungsberechtigten anderen Ehegatten einem Dritten zu erbringenden Leistungen in Vorlage" bringe, "habe aktuell keine Rspr aufgefunden werden" können.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der Revision des Beklagten ist anzuordnen, dass dieses Verfahren wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs in das vom Beklagten am 24. August 1999 beim Bezirksgericht Mondsee zu AZ 3 F 66/99z anhängig gemachte und noch anhängige Aufteilungsverfahren, dessen Gegenstand auch die gemeinsame Liegenschaft mit dem darauf errichteten Haus ist, einzubeziehen ist.

§ 235 Abs 1 AußStrG normiert - nach dem Vorbild des § 18 der 6. DVEheG - eine Erweiterung des Aufteilungsverfahrens: Macht ein Ehegatte ua binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung der Ehe Ansprüche an den anderen Ehegatten auf das eheliche Gebrauchsvermögen oder auf eheliche Ersparnisse, soweit diese der Aufteilung unterliegen, im streitigen Verfahren geltend, so hat das Prozessgericht mit Beschluss die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszusprechen und die Rechtssache dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen. Die aus § 235 AußStrG abzuleitende Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs für derartige Ansprüche setzt nach dem Wortlaut der Bestimmung voraus, dass diese Gegenstände der Aufteilung unterliegen; dann erfasst sie nicht nur Leistungs-, sondern selbst Feststellungs- und Rechtsgestaltungsklagen (SZ 54/126 = JBl 1983, 435 = EvBl 1982/184; 4 Ob 565/94 = NZ 1996, 65; 7 Ob 2199/96 = SZ 69/174; 7 Ob 25/99y).

Nach diesen Grundsätzen der Rspr besteht also ein Vorrang des Aufteilungsverfahrens. Soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen ist, soll somit zuerst dessen Rechtszuständigkeit im Außerstreitverfahren geklärt werden; erst nach dort erfolgter Klärung, dass einzelne Gegenstände, Ersparnisse oder Rechte nicht der Aufteilung unterliegen können, haben sich die Ehegatten untereinander im Streitweg hierüber auseinanderzusetzen. Damit soll verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde (NZ 1996, 65; SZ 69/174; 7 Ob 25/99y).

Das Wesen der nachehelichen Aufteilung liegt in einer rechtsgestaltenden Änderung der Rechtszuständigkeit an Bestandteilen der gesetzlich umschriebenen Aufteilungsmasse aus Gründen der durch die vormalige eheliche Lebensgemeinschaft begründeten Gemeinschaftlichkeit an diesen Vermögensteilen, aber auch an gemeinsam eingegangenen, mit der gemeinsamen Lebensführung zusammenhängenden Schulden. Auch wenn das Aufteilungsverfahren vom Grundsatz, dass das Gericht in seiner Entscheidung über die Aufteilungsmasse an die Parteienanträge gebunden ist, ist doch zu prüfen, ob der oder die Anträge auf rechtsgestaltende Entscheidung bei billiger Berücksichtigung des gesamten, nach den beiderseitigen Behauptungen im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft vorhandenen ehelichen Vermögens berechtigt ist bzw sind. Bei dieser Prüfung sind auch Schulden und die Tatsache zu berücksichtigen, dass ein vormaliger Eheteil nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft Schulden bezahlt hat, für die beide Eheleute eine gemeinsame Verpflichtung eingegangen sind (6 Ob 216/97a). Der hier geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Rückzahlungen auf die für die Errichtung des gemeinsamen Hauses eingegangenen Kredite ist demnach im nachehelichen Aufteilungsverfahren zu verfolgen.

Es war Absicht des Gesetzgebers, alle gerichtlichen Verfahren zwischen Eheleuten, die sich auf Gegenstände des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse beziehen, in das besondere außerstreitige Verfahren gemäß den §§ 229 ff AußStrG überzuleiten. Nach dem Größenschluss muss das aber auch für Klagen, die solche Gegenstände betreffen, gelten, die - wie hier - noch vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs abhängig gemacht wurden. § 235 Abs 1 AußStrG bildet daher eine Ausnahme von der perpetuatio fori (SZ 57/14; 2 Ob 593/94 = EFSlg 76.644 ua; zuletzt 1 Ob 2117/96x = ZfRV 1996, 198; RIS-Justiz RS0008565). Bringt daher ein Ehegatte gegen den anderen noch während aufrechter Ehe eine Klage ein, deren Gegenstand Ansprüche gemäß den §§ 81 ff EheG sind, so ist dieses Begehren nach Eintritt der Rechtskraft der Ehescheidung auch von Amts wegen gemäß § 235 AußStrG in das außerstreitige Verfahren zu überweisen (EFSlg 76.644; ZfRV 1996, 198, zuletzt 4 Ob 251/99m; RIS-Justiz RS0112737). Eine derartige Überweisung einer streitigen Rechtssache an das Außerstreitgericht ist bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Aufteilungsverfahrens zulässig (4 Ob 517/88 = EFSlg 58.645; 4 Ob 251/99m; RIS-Justiz RS0008531).

Die Überweisungsvorschrift des § 235 Abs 1 AußStrG enthält Anordnungen über die Abgrenzung zwischen streitiger und außerstreitiger Gerichtsbarkeit, deren Verletzung Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 6 ZPO bewirkt und die daher iSd § 240 Abs 3 ZPO jederzeit auch von Amts wegen zu berücksichtigen sind (EvBl 1988/101; NZ 1996, 65 ua; RIS-Justiz RS0008545).

Die von der zweiten Instanz als erheblich erachteten Rechtsfragen stellen sich demnach nicht.

Die Kostenentscheidung fußt auf dem § 235 Abs 2 AußStrG.

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