OGH 10ObS343/99k

OGH10ObS343/99k11.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Walter Schrammel (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Raimund H*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. September 1999, GZ 11 Rs 202/99a-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Mai 1999, GZ 18 Cgs 164/98w-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat die Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers zutreffend verneint. Es kann daher auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Den Revisionsausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Hat ein Versicherter Versicherungsmonate in mehreren Zweigen der Pensionsversicherung erworben, so kommen für ihn gemäß § 245 Abs 1 ASVG die Leistungen des Zweiges der Pensionsversicherung in Betracht, dem er leistungszugehörig ist. Im vorliegenden Fall steht die Leistungszugehörigkeit des Klägers zur Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten unbestritten fest. Aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ist aus der Pensionsversichung der Angestellten die Berufsunfähigkeitspension zu leisten. Die besonderen Leistungsvoraussetzungen für die Berufsunfähigkeitspension finden ihre Regelung im § 273 ASVG. Danach gilt der Versicherte als berufsunfähig, dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei ist von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat. Begründet wurde diese Auffassung damit, dass es nicht gerechtfertigt wäre, einem Angestellten den Berufsschutz einer Berufsgruppe zuzubilligen, der er nur während einer nach den Umständen des Einzelfalles nicht nennenswerten Zeit angehört hat. Die Prüfung der Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit vorliegen, ist nach den Verhältnissen am Stichtag vorzunehmen, der durch den dem Eintritt des Versicherungsfalles nachfolgenden Pensionsantrag ausgelöst wird (SSV-NF 11/113; 7/51 uva; RIS-Justiz RS0084867; RS0084943). Wie der Kläger selbst ausführt, konnte er seine Tätigkeit als Zahlkellner bzw Oberkellner in den Jahren 1996 und 1997 auf Grund gesundheitlicher Probleme jeweils nur für einen kurzen Zeitraum ausüben (vgl dazu auch den Auszug aus den Versicherungsdatei - OZ 24 im Anstaltsakt, wonach der Kläger in der Zeit von 1. 8. bis 23. 10. 1996 und von 1. 5. bis 8. 5. 1997 in der Pensionsversicherung der Arbeiter pflichtversichert war). Der Kläger hat diese Tätigkeiten - abgesehen von der Frage, ob es sich dabei überhaupt um Angestelltentätigkeiten gehandelt hat (vgl Arb 11.364 ua) - somit bloß vorübergehend ausgeübt.

Der Angestelltenberuf, den der Kläger zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat, war daher die Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter bei zwei Versicherungsunternehmen in den Jahren 1992 bis 1995. Nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichtes hat der Kläger diese Tätigkeit doch über einen so langen Zeitraum (37 Versicherungsmonate) ausgeübt, dass nicht mehr von einer bloß vorübergehenden Tätigkeit gesprochen werden kann (vgl SSV-NF 6/153; 10 ObS 309/92). Dem Kläger kommt im Hinblick auf diese Tätigkeit auch Berufsschutz als kaufmännischer Angestellter zu. Es ist daher die Tätigkeit des Klägers als Außendienstmitarbeiter zur Beurteilung des Verweisungsfeldes und der Berufsunfähigkeit im Sinne des § 273 Abs 1 ASVG heranzuziehen.

Es erübrigt sich somit ein Eingehen auf die Frage, ob es sich bei der vom Kläger im Zeitraum 1985 bis 1991 im K ***** F***** Restaurant Salzburg ausgeübten Tätigkeit um eine Tätigkeit als Kellner oder kaufmännischer Angestellter gehandelt hat. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist auch mit dem der Entscheidung 10 ObS 186/97v (= SSV-NF 11/113) zugrundeliegenden Sachverhalt, nach der bei einer nach einer kaufmännischen Ausbildung jahrelang als kaufmännische Angestellte und zuletzt durch drei Jahre hindurch nur halbtägig mit relativ geringer Entlohnung als Betreuerin im Rahmen der Lernhilfe tätig gewesenen Versicherten bei der Prüfung der Verweisbarkeit im Sinn des § 273 Abs 1 ASVG von der zuletzt ausgeübten kaufmännischen Angestelltentätigkeit auszugehen ist, nicht vergleichbar.

Bei Anwendung des § 273 Abs 1 ASVG liegt somit Berufsunfähigkeit des Klägers nicht vor, weil er die zuletzt - nicht bloß vorübergehend - ausgeübte Angestelltentätigkeit eines Außendienstmitarbeiters nach den zutreffenden und insoweit auch gar nicht bekämpften Ausführungen des Berufungsgerichtes weiterhin verrichten kann und damit seine Arbeitsfähigkeit nicht auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Es erübrigt sich damit eine Prüfung und Verweisbarkeit des Klägers auf andere Angestelltentätigkeiten (SSV-NF 4/143 uva).

Auf die Rechtsansicht des Klägers, er sei in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend als Kellner tätig gewesen, sodass auf seinen Anspruch auf Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit die Bestimmung des § 255 Abs 1 ASVG analog anzuwenden sei, könnte keine für ihn günstigere Entscheidung herbeiführen.

Nach dieser Gesetzesstelle gilt ein Versicherter, der überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig war, als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, gilt der Versicherte nur dann als invalid, wenn er nicht nur in dem zuletzt ausgeübten, sondern in jedem der in den letzten 15 Jahren ausgeübten erlernten (angelernten) Berufe nicht mehr die Hälfte des Normalverdienstes gesunder Personen erreichen könnte. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung SSV-NF 4/143 dargelegt hat, würde es einen unüberbrückbaren Wertungswiderspruch bedeuten, bei einer Gesamtschau der in den letzten 15 Jahren zurückgelegten Tätigkeiten eine ausgeübte und Berufsschutz begründende Angestelltentätigkeit - hier die eines Außendienstmitarbeiters - anders zu beurteilen als einen ausgeübten, ebenfalls Berufsschutz begründenden erlernten oder angelernten Beruf im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG, auf den der Kläger selbst dann verwiesen werden könnte, wenn er einen anderen in den letzten 15 Jahren ebenfalls ausgeübten erlernten oder angelernten Beruf nicht mehr ausüben könnte. War daher ein Versicherter in den letzten 15 Jahren sowohl in erlernten (angelernten) Berufen im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG als auch in Angestelltenberufen (§ 273 ASVG) tätig, so könnten dann, wenn die Voraussetzungen des Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit analog § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen wären, jedenfalls die als Angestellter erworbenen Versicherungszeiten nicht anders behandelt werden als diejenigen aus einem erlernten oder angelernten Beruf. Dieser Grundsatz muss zumindest in dem Fall Geltung haben, in dem die Angestelltentätigkeit weiter verrichtet werden kann (SSV-NF 4/143).

Diese Rechtsansicht wurde vom Obersten Gerichtshof, worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, in der Entscheidung SSV-NF 6/153 ausdrücklich bestätigt. Es wurde damals in einem durchaus vergleichbaren Fall entschieden, dass der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit beim damaligen Kläger, der zwar seinen im maßgebenden Zeitraum überwiegend ausgeübten Beruf als gelernter Maurer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, jedoch den während der letzten drei Jahre und daher nicht nur vorübergehend ausgeübten Beruf des kaufmännischen Angstellten weiterhin ausüben konnte, nicht vorliegt. Es ist nämlich auch eine gesundheitsbedingte Aufgabe eines qualifzierten Berufes bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit dann nicht mehr zu berücksichtigen, wenn der später ausgeübte Beruf zeitmäßig erheblich überwiegt oder doch - wie hier - schon mehrere Jahre ausgeübt wurde (SSV-NF 8/45; 10 ObS 239/98i uva; RIS-Justiz RS0084965). Die vom Kläger in diesem Zusammenhang gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der geltend gemachte Feststellungsmangel liegen daher ebenfalls nicht vor.

Der Revision musste somit ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger nach Billigkeit sind nicht ersichtlich.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte