OGH 7Ob262/99a

OGH7Ob262/99a23.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Verena S*****, und 2. Daniel S*****, beide vertreten durch Mag. Erich Frenner, Rechtsanwalt in Saalfelden, gegen die beklagte Partei B***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 2,071.665,20 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Juni 1999, GZ 4 R 95/99y-38, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 6 Abs 3 VersVG idF des BGBl 1994/509 wird dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis auch bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung eröffnet und ist nur dann ausgeschlossen, wenn er die Obliegenheit mit Schädigungs- oder Verschleierungsvorsatz bzw Täuschungsvorsatz verletzt, also mit dem Vorsatz, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam sind (7 Ob 43/95; 7 Ob 158/97d ua). Jener Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sog. "dolus coloratus"), hat daher den Anspruch verwirkt. § 6 Abs 3 VersVG in der novellierten Fassung begnügt sich für den Ausschluss des Kausalitätsgegenbeweises also nicht mit dem schlichten Vorsatz in dem Sinn, dass der Versicherungsnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kennt und die Obliegenheitsverletzung bewusst und gewollt begeht; es muss vielmehr hinzukommen, dass der Vorsatz sich auf die Verschlechterung der Beweislage zum Nachteil des Versicherers erstreckt. Nicht erforderlich ist es, dass der Versicherungsnehmer dabei geradezu und ausschließlich mit dem Ziel handelt, den Versicherer zu täuschen (Betrugsabsicht); es genügt, wenn der Versicherungsnehmer die Möglichkeit erkennt, dass die von ihm dargelegten oder unvollständig angegebenen Umstände, die für die Beurteilung der Leistungspflicht des Versicherers maßgeblich sind, letzteren beeinträchtigen oder fehlleiten kann und er sich damit abfindet. Täuschung liegt nicht nur dann vor, wenn der Versicherungsnehmer einen Vermögensvorteil anstrebt, sondern auch dann, wenn er durch die Angaben unrichtiger Tatsachen einen für berechtigt gehaltenen Anspruch durchsetzen oder einfach "Schwierigkeiten" bei der Schadensfeststellung verhindern will (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 260 ff mwN). Aber auch eine derartige "Manipulation" ist nur dann als Täuschung im Sinne der zitierten Bestimmung zu qualifizieren, wenn feststeht, dass damit der Versicherer in die Irre geführt werden sollte. "Manipulationen" die sich schon von vornherein oder nach ihrer Richtigstellung (Aufklärung) als gar nicht "täuschungsgeeignet" herausstellen, sollen von der Sanktion des Ausschlusses des Kausalitätsgegenbeweises ausgenommen sein (7 Ob 43/98v).

Zur Begründung ihrer Ansicht, dass die ordentliche Revision entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig sei (§ 506 Abs 1 Z 5 ZPO) führt die beklagte Partei aus, das Berufungsurteil vermittle den Eindruck, dass Täuschungsvorsatz nur vorläge, wenn Absichtlichkeit nachgewiesen sei; damit werde betreffend § 6 Abs 3 VersVG eine Rechtsunsicherheit heraufbeschworen.

Es trifft zwar zu, dass das Berufungsgericht davon spricht, dass dem Versicherungsnehmer bzw dem Klagevertreter eine Verschleierungsabsicht, auf die § 6 Abs 3 VersVG idF Nov 1994 abstelle, nicht unterstellt werden könne. Aus den weiteren Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes geht aber klar hervor (vgl "Täuschungsvorsatz", "Vorsatz...., die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren"), dass das Berufungsgericht die Rechtslage im Sinne der vom Obersten Gerichtshofes entwickelten, einleitend wiedergegebenen Grundsätze beurteilt und die Bestimmung des § 6 Abs 3 zweiter Satz VersVG nicht in dem von der ao Revision unterstellten Sinn verkannt hat. Unzweifelhaft hat das Berufungsgericht auch bedingten Täuschungs- bzw Verschleierungsvorsatz auf Seiten der Genannten ausgeschlossen. Dies umso mehr, als nach dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt keinerlei Anlass für den Versicherungsnehmer bestand, den Versicherer in irgendeiner Weise in die Irre zu führen oder zu täuschen. Der behauptete Revisionsgrund liegt demnach nicht vor.

Für die Zulässigkeit der Revision wird weiters noch ins Treffen geführt, dass keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob der Versicherungsnehmer durch das Vorenthalten bzw Nichtübersenden von urgierten Krankenunterlagen gegen seine Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten dahingehend verstoße, dass von einem Täuschungsvorsatz im Sinne des § 6 Abs 3 VersVG ausgegangen werden könne. Wann das Vorgehen eines Versicherungsnehmers als einen Täuschungsvorsatz indizierend angesehen werden kann bzw werden muss, hängt allerdings von der Kasuistik des Einzelfalles ab, was in der Regel - und so auch hier - eine beispielgebende Entscheidung ausschließt (ZVR 1989/131; VR 1989, 188; RIS-Justiz RS0042405 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen).

Da die Revisionswerberin demnach das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzuzeigen vermag, war spruchgemäß zu entscheiden.

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