OGH 8ObS268/98i

OGH8ObS268/98i8.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Stefan Schöller und Dr. Peter Bukovec als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Inge N*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bundessozialamt *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 110.966,80 sA (Revisionsinteresse der klagenden Partei S 46.006,90 sA, der beklagten Partei S 59.199,90 sA), infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungs- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juli 1998, GZ 25 Rs 71/98x-12, mit dem infolge Berufung (und darin enthaltenem Rekurs) das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 31. März 1998, GZ 47 Cgs 23/98f-7, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert, dem Rekurs nicht Folge gegeben und der Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof zurückgewiesen wurde,

I. den

Beschluß

gefaßt:

Der Rekurs gegen den Beschluß, mit dem der Antrag der klagenden Partei auf Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof zurückgewiesen wurde, wird zurückgewiesen;

II. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im übrigen wird der Revision der klagenden Partei nicht Folge gegeben; hingegen wird der Revision der beklagten Partei Folge gegeben und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt.

Die klagende Partei hat die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 1. 6. 1979 bis 30. 6. 1996 als Angestellte bei ihrem Gatten zur Sozialversicherung gemeldet, wobei in dieser Zeit Unterbrechungen durch Karenzurlaub sowie eine Vielzahl von saisonbedingten Arbeitslosengeldbezügen vorlagen. Seit 1. 7. 1996 war sie als Angestellte der Verlassenschaft nach ihrem Gatten gemeldet.

Der Gatte der Klägerin verstarb am 11. 6. 1996; die Klägerin wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 26. 7. 1996 (Verfahren 1 A 200/96m) gemäß § 128 AußStrG zum Verlassenschaftskurator bestellt. Das Verlassenschaftsgericht begründete dies damit, daß in den Nachlaß insbesondere ein Gastbetrieb falle; es sei jemand notwendig, der die für den laufenden Betrieb erforderlichen Tätigkeiten vornehme. Da die Erbserklärungen bisher nicht abgegeben worden seien - der Nachlaß sei mit erheblichen, noch verbindlich festzustellenden Schulden belastet -, sei zur Vertretung der Verlassenschaft ein Kurator zu bestellen, wobei im Hinblick darauf, daß die Klägerin als erblasserische Witwe mit dem Betrieb des Verstorbenen entsprechend vertraut sei, zweckmäßigerweise sie zum Kurator zu bestellen sei.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. 6. 1997 wurde über das Vermögen der Verlassenschaft zu 19 S 178/97t das Konkursverfahren eröffnet. In diesem Verfahren machte die Klägerin Ansprüche in Höhe von S 110.312,80 geltend. Mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 25. 6. 1997 wurde die Schließung des gemeinschuldnerischen Unternehmens gemäß § 114 Abs 3 KO bewilligt, worauf der Masseverwalter die Klägerin mit Schreiben vom 1. 7. 1997 "gemäß § 25 KO mit 1. 7. 1997, allerdings unter Einhaltung der 6-wöchentlichen Kündigungsfrist" aufkündigte. Der Masseverwalter wies die Klägerin an, innerhalb der Kündigungsfrist den noch ihr zustehenden Urlaub zu konsumieren und teilte in diesem Schreiben weiter mit, daß das Dienstverhältnis drei Monate nach Zustellung der Kündigung ende. Mit Schreiben vom 11. 7. 1996 stellte der Masseverwalter gegenüber der Klägerin klar, daß das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die 6-wöchentliche Kündigungsfrist am 12. 8. 1997 ende.

Mit dem am 21. 7. 1997 bei der beklagten Partei eingelangten Antrag machte die Klägerin Ansprüche auf Insolvenzausfallgeld für behaupete gesicherte Ansprüche aus ihrem in der Zeit vom 12. 5. 1996 bis 13. 8. 1997 zur vorgenannten Verlassenschaft behaupteten Arbeitsverhältnis als Rezeptionistin in der Gesamthöhe von S 110.966,80 geltend, die sie in der Folge, nach Erklärung des Masseverwalters diesen Betragsteil nicht anzuerkennen, um S 5.760,-- (Teil der Urlaubsentschädigung) auf S 105.206,80 einschränkte. Im übrigen anerkannte der Masseverwalter in seiner Stellungnahme gemäß § 6 Abs 3 und 5 IESG die von der Klägerin behaupteten Ansprüche.

Die beklagte Partei lehnte den geltend gemachten Anspruch zur Gänze ab.

Hierauf klagte die Klägerin den ursprünglich geltend gemachten Betrag von S 110.966,80 sa mit der Behauptung ein, sie sei bis zur Kündigung durch den Masseverwalter als Angestellte tätig gewesen.

Die beklagte Partei wendete hinsichtlich S 5.760,-- Unzulässigkeit des Rechtsweges ein. Im übrigen bestehe der Anspruch nicht zu Recht, weil die Beklagte als Verlassenschaftskuratorin bestellt worden sei. Aufgrund der von ihr somit zwangsläufig auszuübenden Unternehmerfunktion würden die Merkmale der Arbeitgeberfunktion, die die Klägerin habe ausüben müssen, jedenfalls überwiegen, sodaß die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin anzusehen sei; die Frage, ob die Klägerin als vertretungsbefugtes Organ der Verlassenschaft gemäß § 1 Abs 6 Z 2 IESG vom Bezug von Insolvenzausfallgeld ausgeschlossen sei, stelle sich daher gar nicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von S 5.760,-- als unzulässig zurück und gab im übrigen dem Klagebegehren keine Folge. Die Klägerin sei nach Bestellung zum Verlassenschaftskurator nicht mehr als Arbeitnehmerin im Sinn des § 1 Abs 1 IESG iVm § 1151 ABGB anzusehen, weil sie die Gesamtorganisation des Betriebes innegehabt habe. Wer Arbeitnehmer sei, sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Rechtssache C-334/92 -Teodoro Wagner Miret, EuGHSlg 1993, 6911) zur Insolvenzrichtlinie (80/987/EWG) nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen.

Das Berufungsgericht gab mit Beschluß der als Rekurs aufzufassenden Berufung der klagenden Partei bezüglich der Zurückweisung eines Betrages von S 5.760,-- nicht Folge und wies den Antrag der Klägerin auf Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof zurück. Im übrigen gab es der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahingehend ab, daß es der Klägerin S 59.199,90 sA (Ansprüche ab Konkurseröffnung an Lohn und Sonderzahlungen bis 31. 8. 1997, Schadenersatz und Sonderzahlungen ab 14. 8. bis 30. 9. 1997, sowie die halbe Urlaubsentschädigung) zusprach und das Mehrbegehren von S 46.006,90 sA (Ansprüche der Klägerin bis Konkurseröffnung, Jubiläumsgeld und Zinsen) abwies. Den ordentlichen Revisionsrekurs gegen seinen Beschluß ließ es nicht zu; im übrigen erklärte es die ordentliche Revision für zulässig, weil es sich bei der hier gegebenen Fallkonstellation, nämlich die Auslegung des Unternehmerbegriffes iSd § 1 Abs 1 IESG um eine erhebliche Rechtsfrage handle.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Rechtsmittel beider Teile wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Die Klägerin läßt die Bestätigung der Zurückweisung der Klage hinsichtlich S 5.760,-- unbekämpft, bekämpft "vorsichtshalber" die Zurückweisung ihres Antrages auf Einholung einer Vorabentscheidung und beantragt im übrigen den abweisenden Teil des angefochtenen Urteils dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde.

Die beklagte Partei beantragt den klagsstattgebenden Teil des Berufungsurteils dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Beide Teile beantragen jeweils, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben, die beklagte Partei überdies, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Der Rekurs der Klägerin ist unzulässig, ihre Revision ist nicht berechtigt, die Revision der beklagten Partei hingegen ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Rechtsmittel der Klägerin:

Vorweg ist zu bemerken, daß ein Rekurs gegen die Zurückweisung eines Antrages auf Einholung einer Vorabentscheidung unzulässig ist, sodaß dieser zurückzuweisen ist: Wie die Klägerin ohnedies selbst richtig erkennt, hat gemäß Art 177 EGV jedes Gericht, so auch der Oberste Gerichtshof selbständig zu prüfen hat, ob ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten ist oder nicht. Es besteht kein subjektives Recht der Parteien auf Vorlage; sie können eine solche nur anregen, haben aber keinen Erledigungsanspruch und daher gegen die Nichtvorlage auch kein Rekursrecht. Im Revisionsverfahren hat die Klägerin die Einleitung eines solchen Vorabentscheidungsverfahrens nur angeregt, daher ist hierüber auch nicht beschlußmäßig zu entscheiden; ein Anlaß, den Europäischen Gerichtshof zur Einholung einer Vorabentscheidung anzurufen, besteht - wie im folgenden noch auszuführen ist - nicht.

Die Klägerin wiederholt in ihren weitwendigen Revisionsausführungen im wesentlichen ihr Vorbringen im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren, das die Vorinstanzen jedenfalls hinsichtlich der Ansprüche bis zur Konkurseröffnung mangels Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin als nicht gerechtfertigt erkannt haben; auf die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts wird verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Vorweg ist festzuhalten, daß im vorliegenden Fall gemäß § 7 Abs 1 IESG keine Bindung an die Erklärungen des Masseverwalters gemäß § 6 Abs 3 dritter Satz IESG gegeben ist, und daher die Frage, ob überhaupt Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, selbständig vom Bundessozialamt zu prüfen ist (Liebeg, Insolvenzentgeltsicherungsgesetz2 238 ff).

Zusammenfassend ist den Argumenten der Klägerin entgegenzuhalten, daß sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Art 2 Abs 2 der Richtlinie des Rates 80/987/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (Insolvenzrichtlinie) ergibt, daß der in der Richtlinie verwendete Arbeitnehmerbegriff ausschließlich nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist und sich hiemit nach österreichischen Recht richtet; insofern erübrigt sich schon deshalb im Sinn der "acte clair"-Theorie eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofes (8 ObS 199/97s = ZIK 1998, 71 ua). Im übrigen hat sich der Europäische Gerichtshof mit dieser Frage und dem Verhältnis zu den Ausnahmebestimmungen bereits in der Entscheidung vom 16. 12. 1993, C-334/92 -Teodoro Wagner Miret, EuGHSlg 1993, 6911, befaßt und diese Ansicht ausdrücklich bestätigt: Danach können leitende Angestellte nur dann nicht vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden, wenn sie vom nationalen Recht als Arbeitnehmer qualifiziert werden und nicht in Abschnitt I des Anhangs der Richtlinie genannt sind. Aus der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ergibt sich, daß vorerst nach rein innerstaatlichem Recht zu prüfen ist, ob die Klägerin Arbeitnehmerin ist oder nicht. Wird dies verneint, ergibt sich kein europarechtlicher Aspekt. Ein solcher könnte sich nur dann ergeben, und ein Vorabentscheidungsverfahren wäre mangels "acte clair" nur dann einzuleiten, wenn die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin zu bejahen und sodann zu prüfen wäre, ob die Tätigkeit als Verlassenschaftskuratorin vom Anspruchsausschluß des § 1 Abs 6 Z 2 IESG mitumfaßt wäre, weil sie den Mitgliedern des Organs einer juristischen Person, das zur dessen Vertretung befugt ist, gleichzustellen wäre.

Die Klägerin war - wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben - aber seit Bestellung zur Verlassenschaftskuratorin jedenfalls bis zur Konkurseröffnung und Bestellung des Masseverwalters eindeutig nicht mehr als Arbeitnehmerin anzusehen, weil mit dieser Stellung zwangsläufig Unternehmerfunktionen verbunden waren.

Der - wie ausgeführt - ausschließlich nach innerstaatlichen Recht zu prüfende Arbeitnehmerbegriff des § 1 Abs 1 IESG richtet sich nach

jenem des Arbeitsvertragsrechts (8 ObS 15/94 = ZIK 1995, 58; 8 ObS

44/95 = ZIK 1997, 32; 8 ObS 2049/96y = ZIK 1997, 230 uva; Liebeg aaO

47; Ehrenreich IESG 53 f; Schwarz/Reissner/Holler3 39). Ein Arbeitsvertrag ist vor allem durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, sohin durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers gekennzeichnet, die sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle - nicht notwendig auch in Weisungen über die Art der Tätigkeit - äußert. Wesentlich für den Arbeitsvertrag ist eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers, der im Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist, wenn dieses Verhalten schon im Arbeitsvertrag vorausbestimmt oder unter Heranziehung anderer Regeln bestimmbar ist, zumindest dessen laufender Kontrolle unterliegt. Die Bestimmungselemente der persönlichen Abhängigkeiten müssen nicht alle gemeinsam vorliegen und können auch in unterschiedlich starker Ausprägung auftreten. Entscheidend ist, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (Krejci in Rummel ABGB2 Rz 32 ff zu § 1151; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht6 135 ff; Liebeg aaO 47 f uva jeweils mwN).

Keine Arbeitnehmereigenschaft liegt vor bei unternehmertypischen Handlungen wie zB die Befugnis in allen Geschäftsbereichen selbständig entscheiden zu können und damit auch in unmittelbar unternehmerischen Bereichen tätig zu werden (8 ObS 44/95 = ZIK 1997, 32 ua; Liebeg aaO 48 mwN).

Die Frage, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, hängt von der besonderen Gestaltung der Rechtsbeziehung ab. Hatte jemand wie die Klägerin das Unternehmen nach Ableben des Ehegatten als Verlassenschaftskuratorin fortzuführen, hatte sie die Gesamtorganisation inne und war jedenfalls im ordentlichen Wirtschaftsbereich keiner weiteren Weisung oder Einschränkung durch das Verlassenschaftsgericht unterworfen. Sie war für die Unternehmensentscheidungen verantwortlich und hatte deshalb Unternehmerfunktion. Durch die Identität von Verlassenschaftskuratorin und "Arbeitnehmerin" war eine persönliche Abhängigkeit ausgeschlossen. Die Klägerin konnte sich zB selbst keine Weisungen erteilen, ein Grund, der gegen die Arbeitnehmereigenschaft spricht. Damit überwiegt die Ausübung der Arbeitgeberfunktionen derart, daß ihre Arbeitnehmereigenschaft auch nicht daraus abgeleitet werden kann, daß sie (sich selbst) weiterhin ihr "Gehalt" auszahlte, zur Sozialversicherung gemeldet blieb und ihr "Dienstverhältnis" in der Folge formell durch den Masseverwalter infolge Kündigung nach § 25 KO beendet wurde. Die Klägerin war daher nicht mehr Arbeitnehmerin im Sinn des § 1 Abs 1 IESG, weshalb ihr kein Insolvenzausfallgeld, jedenfalls bis zur Zeit der Konkurseröffnung zusteht (in diesem Sinn 9 ObS 26/93 = ARD 4543/27/94, betreffend die faktische Übernahme der unternehmerischen Tätigkeit durch den Lebensgefährten der das Unternehmen formal fortführenden Witwe des früheren Unternehmers).

Ähnlich wie die Personengruppe der Organmitglieder (§ 1 Abs 6 Z 2 IESG) vom Insolvenzausfallgeld pauschal ausgenommen ist und es nicht auf ihre faktische und rechtliche Einflußmöglichkeit und die Gründe, warum sie bestellt worden sind, ankommt (8 ObS 199/97s = ZIK 1998, 71), kommt es bei der Klägerin, die mit der Unternehmerfunktion betraut wurde, nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sie hievon Gebrauch machte und insbesondere, ob sie mehr Weisungen als früher gab; zur Zeit, als ihr Gatte das Unternehmen führte, konnte sie jedenfalls nur im Rahmen seiner Leitungsbefugnis tätig werden Erhebungen darüber, welche Tätigkeiten die Klägerin vor und nach der Kuratorbestellung im einzelnen ausgeübt hat, erübrigen sich daher. Die behaupteten sekundären Verfahrensmängel, daß ihre Tätigkeit nicht genau erhoben und festgestellt worden sei, liegen daher nicht vor.

Wenn die Revision das Unterstellen des Arbeitnehmerbegriffes des IESG unter jenen des Arbeitsvertragsrechtes des ABGB bemängelt und das Anknüpfen an einen sozialversicherungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff bzw einen solchen nach AlVG befürwortet, ist ihr entgegenzuhalten, daß sich nach herrschender Ansicht der Begriff des Beschäftigen im Sinne des Sozialversicherungsrecht bzw des AlVG mit jenen des Arbeitsvertragsrechts im wesentlichen deckt. Zwischen der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG und den Kriterien des Arbeitsverhältnisses im Sinn des Arbeitsvertragsrechtes des ABGB gibt es keine gesetzlichen Unterschiede; Unterschiede ergeben sich höchstens aus der verschiedenen Interpretation durch den Obersten Gerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof (Krejci/Marhold in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrecht 45; Liebeg aaO 49).

Zur Revision der beklagten Partei:

Das Berufungsgericht meinte, der Klägerin gebühre als Verlassenschaftskuratorin für die Zeit ab Konkurseröffnung Insolvenzausfallgeld, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Tod ihres Ehegatten nicht aufgelöst wurde, sondern zur Verlassenschaft fortbestand, ihr als zugleich bestellte Verlassenschaftskuratorin keine Arbeitnehmereigenschaft mehr zustehe, diese aber durch die Bestellung des Masseverwalters wiederauflebe, weil seine Funktion jene des Verlassenschaftskurators "verdränge". Sie sei deshalb ab Konkurseröffnung wieder als weisungsgebundene Arbeitnehmerin anzusehen und es gebühre ihr deshalb ab diesem Zeitpunkt Insolvenzausfallgeld.

Die beklagte Partei verneint dies mit der Begründung, die Bestellung zur Verlassenschaftskuratorin wirke über das Konkursverfahren hinaus, weshalb ihr auch in diesem Zeitpunkt keine Arbeitnehmereigenschaft im Sinn des Arbeitsvertragsrechts und damit im Sinn des § 1 Abs 1 IESG zukomme. Die Verwaltung des konkursunterworfenen Vermögens gehe zwar mit der Konkurseröffnung auf den Masseverwalter über. Jedoch habe der Gemeinschuldner eine Beteiligtenstellung im Konkursverfahren, die bei einem unvertretenen (bzw nur vom Masseverwalter vertretenen) Nachlaß von niemanden wahrgenommen werden könnte. Dem Erben bzw dem Verlassenschaftskurator stünden im Konkursverfahren namens der Verlassenschaft des Gemeinschuldners ein Antrags-, Beschwerde- und Bestreitungsrecht sowie der Anspruch auf Gehör zu; ihn treffe als Vertreter des Gemeinschuldners gegebenenfalls eine Äußerungspflicht und ihm obliege die Verfügung über bestimmte, dem Gemeinschuldner vorbehaltene Rechte (7 Ob 2155/96d = ZIK 1997, 228). Dadurch unterscheide sich seine Stellung grundsätzlich von jener eines Arbeitnehmers, weil er weiterhin unternehmerische Entscheidungen zu treffen habe.

Es kann dahinstehen, ob dies für sich allein für die Verneinung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld für die Zeit nach Konkurseröffnung ausreichend wäre.

Die Revisionswerberin verweist zu Recht darauf, die Klägerin bereits ca ein Jahr vor Konkurseröffnung zur Verlassenschaftskuratorin bestellt und damit eine maßgebende Einflußmöglichkeit auf die Unternehmensführung hatte. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem des erst nach Konkurseröffnung bestellten

Notgeschäftsführers einer GmbH (9 ObS 14/91 = WBl 1991, 297 = ecolex

1992, 171 = DRdA 1991, 394). Wäre die Klägerin erst nach

Konkurseröffnung zur Verlassenschaftskuratorin bestellt worden, hätte sie nie eine echte Unternehmerfunktion ausüben können und wäre ihr wohl wie im zitierten Fall Insolvenz-Ausfallgeld zu erkennen gewesen. So hatte sie aber mehr als ein Jahr Unternehmerfunktion und konnte daher auf die Geschicke des Unternehmens wie der Eigentümer oder die Organe juristischer Personen Einfluß nehmen.

Wenn es hier auch nicht um die Beurteilung des Anspruchsausschlusses des § 1 Abs 6 Z 2 IESG geht, so können doch die Gründe, die hiefür ausschlaggebend waren, auch hier herangezogen werden. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens können nämlich die in dieser Bestimmung genannten Personen auf die wirtschaftliche Lage typischerweise verstärkt und unmittelbar Einfluß nehmen und sich auch rechtzeitig persönlich einen umfassenden Einblick über die maßgebenden Verhältnisse verschaffen. Dies trifft auch auf die Klägerin als Verlassenschaftskuratorin zu. Einem vor Konkurseröffnung als mit Unternehmerfunktion bestellten Verlassenschaftskurator steht daher aus diesem Grund auch für die Zeit nach Konkurseröffnung kein Insolvenzausfallgeld zu (vgl auch 8 ObS 199/97f = ZIK 1998, 71, wonach selbst eine vor Konkurseröffnung erfolgte Abberufung eines zum Geschäftsführer bestellten Angestellten, und die hierauf folgende kurze Tätigkeit als "gewöhnlicher Angestellter" den gesetzlichen Ausschlußtatbestand nach § 1 Abs 6 Z 2 IESG nicht mehr beseitigen kann und den Arbeitnehmer daher auch für die Zeit nach Beendigung seiner Geschäftsführungstätigkeit kein Insolvenzausfallgeld zusteht).

Hiezu kommt im vorliegenden Fall ein weiterer, bisher nicht beachteter rechtlicher Aspekt, der aber im Rahmen der umfassenden rechtlichen Beurteilung mitzuberücksichtigen ist.

Das weisungsgebundene Arbeitsverhältnis der Klägerin, das durch die Bestellung als Verlassenschaftskuratorin überlagert wurde, sodaß ihre infolge ihrer Arbeitgeberfunktion ausgeübte Tätigkeit nicht als Arbeitnehmertätigkeit anzusehen war, ist auch, wenn man von der grundsätzlichen Möglichkeit des "Wiederauflebens" eines weisungsgebundenen Arbeitsverhältnisses nach Konkurseröffnung und Bestellung eines Masseverwalters ausgeht, weil es durch die Kuratorenbestellung nicht endgültig beendet war, sondern nur ruhte (insofern unterscheidet sich dieser Sachverhalt von den der Entscheidung 9 ObS 26/93 = ARD 4543/27/94, zugrundeliegenden, indem von einem endgültigen Erlöschen auszugehen war), im konkreten Fall nicht wiederaufgelebt.

Die Klägerin wurde nämlich nach Konkurseröffnung nicht vom Masseverwalter als gewöhnliche Arbeitnehmerin weiterbeschäftigt. Der Masseverwalter kündigte vielmehr das "Arbeitsverhältnis nach § 25 KO" innerhalb der nach § 25 Abs 1 KO in der hier noch maßgeblichen Fassung des IRÄG 1994 vorgesehenen Frist auf. Die Klägerin wurde also wegen der Konkurseröffnung gekündigt. Bis zur Konkurseröffnung "ruhte" jedenfalls infolge ihrer Unternehmerfunktion ihr Arbeitsverhältnis und gebührt ihr - wie ausgeführt - kein Insolvenzausfallgeld. Aus dem Umstand allein, daß dem Masseverwalter 14 Tage nach Konkurseröffnung die Schließung des Unternehmens bewilligt wurde und er die Klägerin unmittelbar darauf "formell" kündigte, kann nicht abgeleitet werden, daß sie in dieser Zeit vom Masseverwalter wieder in ein normales Arbeitsverhältnis übernommen wurde (und daher Beendigungsansprüche nach § 46 Abs 1 Z 5 KO hätte); hiezu wäre erforderlich gewesen, daß der Masseverwalter Handlungen gesetzt hätte, aus denen man schließen hätte müssen, daß er das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fortsetzen wollte. Solches ist aber nicht geschehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Stellung der Klägerin im gemeinschuldnerischen Unternehmen ist daher der Zeitpunkt der Konkurseröffnung, in dem ihr mangels Arbeitnehmereigenschaft kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zusteht. Da ihr normales früheres, Anspruch auf Insovlenz-Ausfallgeld gewährendes Arbeitsverhältnis entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nach Konkurseröffnung nicht mehr auflebte, gebühren ihr für die Zeit nach Konkurseröffnung auch keine Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld, die ihr als "gewöhnliche Arbeitnehmerin" zustehen würden.

Die Entscheidung des Erstgerichtes ist daher wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; für einen Billigkeitszuspruch besteht kein Anlaß.

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