OGH 2Ob344/98x

OGH2Ob344/98x29.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H*****, vertreten durch Dr. Johann Poulakos, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Peter H*****,

2. Anna H*****, beide vertreten durch den Sachwalter Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 2 Cg 434/87 des Landesgerichtes Linz (Streitwert S 1 Mio), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 21. Oktober 1998, GZ 2 R 241/98v-4, mit dem sich das Oberlandesgericht Linz für unzuständig erklärte und die Wiederaufnahmsklage an das Landesgericht Linz überwies, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Wiederaufnahmsbeklagten haben als Kläger im Verfahren zu 2 Cg 434/87 des Landesgerichtes Linz ein Feststellungsbegehren dahin erhoben, daß ein am 10. 7. 1984 zwischen ihnen und dem nunmehrigen Wiederaufnahmskläger (dort Beklagten) abgeschlossener Kaufvertrag ungültig und unwirksam sei. Weiters wurde begehrt, daß die betreffende Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten für unwirksam erklärt und gelöscht und der zuvor bestehende Grundbuchsstand wiederhergestellt werde. Die das Klagebegehren abweisende Entscheidung des Landesgerichtes Linz vom 17. 10. 1988 wurde vom Oberlandesgericht Linz in teilweiser Stattgebung der Berufung der Kläger mit Urteil vom 5. 4. 1989 zu 2 R 347/88 dahin abgeändert, daß dem Feststellungsbegehren sowie dem Begehren auf Unwirksamerklärung der Einverleibung des Eigentumsrechts des Beklagten und nunmehrigen Widerklägers stattgegeben wurde. Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung zu 2 Ob 585/89.

In der am 14. 10. 1998 beim Oberlandesgericht Linz eingebrachten Wiederaufnahmsklage vertritt der Wiederaufnahmskläger, der den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Z 7 ZPO geltend macht, die Ansicht, das Oberlandesgericht Linz sei im Hinblick darauf, daß es als Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil in nichtöffentlicher Sitzung abgeändert habe, für die Wiederaufnahmsklage zuständig.

Das Oberlandesgericht Linz sprach seine Unzuständigkeit aus und überwies die Wiederaufnahmsklage an das Landesgericht Linz. Es führte folgendes aus:

Gemäß § 532 Abs 2 ZPO müsse eine auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage, wie sie hier erhoben worden sei, beim Prozeßgericht erster Instanz, wenn aber nur ein in höherer Instanz erlassenes Urteil von dem geltend gemachten Anfechtungsgrund betroffen werde, bei diesem Gericht höherer Instanz angebracht werden. Nach nunmehr ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl zuletzt 9 Ob 169/98p) sei für die Zuständigkeit maßgebend, welches Gericht diejenigen Tatsachenfeststellungen getroffen habe, die jetzt durch neue Tatsachen oder Beweismittel entkräftet werden sollen. Die individuelle (funktionelle) Zuständigkeit des Berufungsgerichtes nach § 532 Abs 2 ZPO sei nur dann gegeben, wenn die maßgebenden Feststellungen im Vorprozeß ausschließlich ("nur") von diesem Gericht getroffen worden seien, wobei es darauf ankomme, bei welchem Gericht die streitentscheidenden Feststellungen getroffen worden seien. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte und nunmehrige Wiederaufnahmskläger die erstgerichtlichen Feststellungen im Verfahren 2 Cg 434/87 nicht bekämpft, sondern sie vielmehr - wie das Berufungsgericht auf S 19 dritter Absatz seines Urteils betont habe - in seiner Berufungsbeantwortung ausdrücklich als richtig und vollständig bezeichnet. Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht habe die erstinstanzliche Entscheidung demnach auf Basis der Feststellungen des Erstgerichts abgeändert. Da die streitentscheidenden Feststellungen also vom Erstgericht stammten, sei die in der Wiederaufnahmsklage behauptete Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz nicht gegeben. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt in ausdrücklicher Abkehr von SZ 44/145 ausgesprochen habe (SZ 66/10; RIS-Justiz RS0041882), gelte auch für Wiederaufnahmsklagen der allgemeine Grundsatz, daß das angerufene unzuständige Gericht "das in Form einer Klage zu führende Rechtsmittel im weiteren Sinn (= Wiederaufnahmsklage)" nicht zurückweisen dürfe, sondern an das zuständige Gericht amtswegig überweisen müsse.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Oberlandesgericht Linz für die Wiederaufnahmsklage zuständig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

Wird eine Wiederaufnahmsklage nicht bei dem Gericht erhoben, welches in dem früheren Verfahren in erster Instanz erkannt hat, sondern bei einem höheren Gericht - hier beim Berufungsgericht des Vorprozesses -, so sind in Ansehung der Anfechtbarkeit der Entscheidung diejenigen Bestimmungen maßgebend, welche für das höhere Gericht als Rechtsmittelgericht maßgebend wären (§ 535 ZPO). Diese Vorschrift ist zwar ihrem Wortlaut nach auf die Anfechtung von Urteilen beschränkt; der hier normierte Grundsatz wird nach herrschender Auffassung aber auch für Rechtsmittel gegen Beschlüsse des "höheren" Gerichtes angewendet. Es gelten daher die Rekursbeschränkungen der §§ 519 und 528 ZPO. Die Anfechtung ist nach den gleichen Grundsätzen wie im Hauptverfahren zu beurteilen (SZ 67/234 mwN; vgl RIS-Justiz RS0043965; Fasching, Lehrbuch2 Rz 2087).

Es ist also zu differenzieren: Wendet sich die Wiederaufnahmsklage gegen ein Urteil des Berufungsgerichtes des Hauptprozesses, dann richtet sich die Anfechtung von im Wiederaufnahmeverfahren gefaßten Beschlüssen des gemäß § 532 Abs 2 ZPO angerufenen Berufungsgerichts nach § 519 ZPO und nicht nach § 528 ZPO (SZ 64/234; anders aber EvBl 1985/30; EFSlg 76.114; RIS-Justiz RS0044316). Letztere Vorschrift wäre anzuwenden, wenn die Wiederaufnahmsklage einen Beschluß des Rekursgerichts des Hauptprozesses beträfe (vgl SZ 22/8; RZ 1993/66; SZ 67/5; 6 Ob 15/99w).

Die Anwendung der Rechtsmittelbeschränkungen des § 519 ZPO im vorliegenden Fall erfolgt kraft der Verweisung des § 535 ZPO, weshalb dem Umstand, daß außerhalb des Berufungsverfahrens gefaßte Beschlüsse des Berufungsgerichts im allgemeinen jedenfalls anfechtbar sind, keine Bedeutung zukommen kann, will man nicht diese Verweisung ihres Sinnes berauben (anders Kodek in Rechberger § 519 ZPO Rz 3; 2 Ob 91/95; unrichtig auch 9 ObA 184/87).

Einer der in § 519 Abs 1 ZPO aufgezählten Beschlüsse liegt hier nicht vor: Die Wiederaufnahmsklage wurde vom Berufungsgericht des Hauptprozesses nicht iSd Z 1 zurückgewiesen, sondern an ein anderes Gericht überwiesen, dem Verfahren also kein Ende gesetzt (vgl 6 Ob 316/98h). Um einen Fall der Z 2 handelt es sich schon deshalb nicht, weil nicht ausgesprochen wurde, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Der vom Rechtsmittelwerber bekämpfte Beschluß kann somit überhaupt nicht angefochten werden, weshalb der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen war.

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