OGH 6Ob15/99w (6Fs502/99)

OGH6Ob15/99w (6Fs502/99)25.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter, über den Fristsetzungsantrag ohne die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und Dr. Fellinger (§ 91 Abs 3 GOG), in der Rechtssache der klagenden Partei (Wiederaufnahmsklage zu 2 R 58/97g des Oberlandesgerichtes Wien) KR Hans A*****, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R***** regGenmbH (nunmehr R***** regGenmbH), ***** vertreten durch Fiebinger & Polak, Rechtsanwälte in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 7 Abs 3 EO über die Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des gegen die klagende Partei erlassenen Versäumungsurteils des Handelsgerichtes Wien vom 24. Mai 1995 (15 Cg 52/95d), Streitwert 727.226,06 S, 1. infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 12. Jänner 1999, GZ 2 R 58/97g-8, sowie 2. infolge Fristsetzungsantrages des Wiederaufnahmsklägers vom 7. Dezember 1998 in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

2. Der Fristsetzungsantrag wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die wiederaufnahmsbeklagte Bank erwirkte im Vorprozeß gegen drei gemeinsam Beklagte Versäumungsurteile, deren Rechtskraft und Vollstreckbarkeit in der Folge bestätigt wurde. Der Wiederaufnahmskläger ist der seinerzeitige Drittbeklagte. Er beantragte die Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des gegen ihn gerichteten Versäumungsurteils wegen gesetzwidriger Vorgänge bei der Zustellung des Versäumungsurteils. Das Prozeßgericht gab dem auf § 7 Abs 3 EO gestützten Antrag statt (15 Cg 52/95d-47 des Handelsgerichtes Wien). Das Rekursgericht vernahm durch einen beauftragten Richter mehrere Zeugen und stellte aufgrund der Aussage eines Dienstnehmers fest, daß die auf dem Rückschein des Versäumungsurteils aufscheinende Unterschrift von diesem stamme und daß der Dienstnehmer das Gerichtsstück dem Drittbeklagten (jetzigen Wiederaufnahmskläger) übergeben habe. Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes hinsichtlich des Drittbeklagten dahin ab, daß dessen Antrag auf Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils abgewiesen wurde (2 R 58/97g des Oberlandesgerichtes Wien). Dem Revisionsrekurs des Drittbeklagten wurde nicht Folge gegeben (6 Ob 358/97h).

Mit der am 16. 9. 1998 beim Rekursgericht eingelangten Wiederaufnahmsklage beantragt der Wiederaufnahmskläger die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 7 Abs 3 EO, die Aufhebung des Beschlusses des Rekursgerichtes und die Abweisung des Rekurses der klagenden Partei des Hauptprozesses (= Antragsgegner im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO) gegen den stattgebenden Beschluß 15 Cg 52/95d-47. Er brachte dazu nur vor, daß der im Vorverfahren vom Rekursgericht vernommene Zeuge (Dienstnehmer) ihn am 31. 8. 1998 darüber informiert habe, daß er das Versäumungsurteil dem damaligen Verkaufsleiter übergeben habe oder daß es möglich sei, daß das Schriftstück im Schreibtisch des Zeugen verblieben sei. Nach dem Klagevorbringen scheint die Aussage des Zeugen im Vorverfahren "lediglich eine Vermutung gewesen zu sein". Der Wiederaufnahmskläger legte seiner Klage eine "eidesstattliche Erklärung" des Zeugen vom 31. 8. 1998 bei.

Das angerufene Oberlandesgericht wies die Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren zurück. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Wiederaufnahmsklägers mit dem Antrag auf ersatzlose Behebung. Dem Oberlandesgericht möge die neuerliche Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen werden.

Mit seinem beim Oberlandesgericht am 7. 12. 1998 eingelangten Fristsetzungsantrag gemäß § 91 GOG rügt der Wiederaufnahmskläger die noch nicht erfolgte Ausschreibung einer mündlichen Streitverhandlung über die Wiederaufnahmsklage und beantragt die Setzung einer angemessenen Frist für die Ausschreibung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig.

Der Fristsetzungsantrag ist unbegründet.

Der Wiederaufnahmskläger steht auf dem Standpunkt, daß die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 1 ZPO hier nicht zum Tragen käme, weil die Wiederaufnahmsklage (im Vorprüfungsverfahren nach § 538 ZPO) a limine zurückgewiesen worden sei und deshalb gemäß § 517 ZPO ein Rechtsmittel auf jeden Fall zustünde. Dieser Ansicht kann im Hinblick auf § 535 ZPO und die dazu ergangene oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht gefolgt werden:

Mit der Wiederaufnahmsklage wird hier ein Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz in einem Verfahren über die Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung bekämpft. Dieses Gericht ist zur Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage zuständig. § 535 ZPO normiert, daß für die Anfechtbarkeit der Entscheidung diejenigen Bestimmungen maßgebend sind, welche für das höhere Gericht als Rechtsmittelinstanz maßgebend wären. Es gelten daher die Rekursbestimmungen der §§ 519 und 528 ZPO. Die Rechtsmittelbeschränkungen gelten kraft Größenschlusses auch für Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren. Streitgegenstand des Wiederaufnahmsprozesses ist denknotwendigerweise derselbe wie im Hauptprozeß (d.i. hier das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO). Dieses unterliegt - wie schon in 6 Ob 358/97h ausgeführt wurde - den Vorschriften des Titelverfahrens, also der ZPO. Die Anfechtungszulässigkeit richtet sich hier nach den Rekursvorschriften. Anfechtungsausschlüsse und Anfechtungsbeschränkungen gelten auch dann, wenn das Gericht zweiter Instanz funktionell erstinstanzlich tätig wird (SZ 67/5 uva). Der vorliegende Rekurs unterliegt daher § 528 ZPO.

Der Rekurswerber wendet sich gegen den vom Wiederaufnahmegericht primär herangezogenen Zurückweisungsgrund, daß der Wiederaufnahmskläger seiner Diligenzpflicht nicht ausreichend nachgekommen sei, weil er nicht unmittelbar nach der Zustellung der Äußerung der Gegenseite im Vorverfahren mit dem dort vernommenen Zeugen Kontakt aufgenommen habe (um eine Änderung der Zeugenaussage zu erreichen?), woraus ein Verschulden abzuleiten sei. Er behauptet eine Verletzung von Verfahrensgrundsätzen nach § 6 MRK, ohne dies aber näher zu erläutern. Damit wird in der Zulassungsbeschwerde nicht ausreichend dargelegt, worin die behauptete erhebliche Rechtsfrage liegen sollte. Ob allenfalls die prozessuale Diligenzpflicht überspannt wurde (vgl dazu EvBl 1998/149), braucht daher mangels entsprechender Rechtsmittelausführungen nicht weiter geprüft werden.

Bei der Vorprüfung nach § 538 Abs 1 ZPO ist nur zu prüfen, ob die Wiederaufnahmsklage auf gesetzliche Anfechtungsgründe gestützt und fristgerecht erhoben wurde. Entscheidend sind nur die Klageangaben. Der Kläger macht erkennbar nur den Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend, nicht aber denjenigen nach der Z 2 leg cit. Er behauptet nicht eine vorsätzlich falsche Aussage des Zeugen im Vorverfahren. In der Klage wird nur auf die mit der vorgelegten "eidesstattlichen Erklärung" belegte Änderung der Meinung des Zeugen über den historischen Sachverhalt bei der Zustellung des Versäumungsurteils Bezug genommen und ausgeführt, daß die Aussage der Auskunftsperson im Vorverfahren "lediglich eine Vermutung zu sein" scheine. Die Rechtsansicht, daß damit ein tauglicher Wiederaufnahmsgrund nicht geltend gemacht wurde, sodaß die Klage schon im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen ist, steht im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung:

Wohl können neue Beweismittel, die sich auf die Beweiswürdigung auswirken könnten, ein Wiederaufnahmsbegehren stützen. Der Einfluß auf die Entscheidung in der Hauptsache ist nur abstrakt zu prüfen (2 Ob 249/98a uva). Von früheren Aussagen abweichende spätere Aussagen eines Zeugen könnten einen Wiederaufnahmsgrund bilden, nicht aber die bloße Vermutung der Unrichtigkeit der ursprünglichen Aussage. Der bloße Verdacht reicht nicht aus (9 Ob 359/97b). Wenn der Wiederaufnahmskläger selbst nur von einer Vermutung der Unrichtigkeit der ersten Aussage im Vorprozeß ausgeht und das neue Beweismittel im Ergebnis nur in der späteren Bekundung desselben Zeugen besteht, daß die Sache schon so lange her ist, daß er nicht mehr wisse, ob und an wen er das Zustellstück gegeben habe, ist schon die abstrakte Eignung des geltend gemachten neuen Beweismittels für eine Änderung in der Hauptsache zu verneinen. Deshalb mußte nicht mehr geprüft werden, ob die im § 530 Abs 1 Satz 1 ZPO genannte allgemeine Voraussetzung der Wiederaufnahmsklage vorliegt.

Durch die Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren ist dem Fristsetzungsantrag der Boden entzogen. Die Anberaumung einer Verhandlung ist infolge Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr möglich.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte