Normen
ZPO §460
ZPO §477 Abs1 Z4
ZPO §477 Abs1 Z5
ZPO §528
ZPO §529
ZPO §532
ZPO §534
ZPO §535
ZPO §538
ZPO §460
ZPO §477 Abs1 Z4
ZPO §477 Abs1 Z5
ZPO §528
ZPO §529
ZPO §532
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ZPO §535
ZPO §538
Spruch:
Zur Entscheidung über den Rekurs gegen die Zurückweisung einer Nichtigkeitsklage gemäß § 538 Abs. 1 ZPO. durch ein Gericht zweiter Instanz, das gemäß § 532 Abs. 1 ZPO. über die Nichtigkeitsklage in erster Instanz entschieden hat, ist der Oberste Gerichtshof zuständig.
Weist ein Gericht zweiter Instanz eine bei diesem gemäß § 532 Abs. 1 ZPO. eingebrachte Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung im Besitzstörungsverfahren gemäß § 538 ZPO. zurück, so ist gegen letztere Entscheidung ein Rekurs nicht zulässig.
Entscheidung vom 12. Jänner 1949, 3 Ob 12/49.
I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Der Kläger brachte durch den Rechtsanwalt Dr. H. H., dem er nur für diese Sache Prozeßvollmacht erteilt hatte, gegen St. B. und F. F. zu C 48/47 des Bezirksgerichtes Scheibbs am 27. Juni 1947 eine Besitzstörungsklage ein. Am 18. Juli 1947 überreichte der Kläger eine mit der vorerwähnten Klage im Zusammenhang stehende, von ihm selbst verfaßte Besitzstörungsklage gegen J. E. zu C 51/47 des Bezirksgerichtes Scheibbs. In letzterer Rechtssache fand am 7. August 1947 eine Streitverhandlung statt, zu der auf Seite des Klägers nur dieser erschienen war. Bei der Streitverhandlung am 29. August 1947, bei der sowohl der Kläger als auch dessen Anwalt Dr. H. H. zugegen war, wurde der Beschluß gefaßt, beide Besitzstörungssachen zur gemeinsamen Verhandlung zu verbinden; bei dieser Streitverhandlung wurde in Gegenwart des Klägers der Endbeschluß verkundet, mit welchem dem Klagebegehren in beiden Rechtssachen stattgegeben wurde. Nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles begehrte nur der Beklagtenvertreter und der Beklagte F. F. eine Beschlußausfertigung. Eine Ausfertigung des Endbeschlusses wurde dem Rechtsanwalt Dr. H. H. zugestellt, an den Kläger selbst erfolgte keine Zustellung des Endbeschlusses. Dem Rekurse der beklagten Partei gab das Kreisgericht St. Pölten als Rekursgericht Folge und wies beide Klagebegehren ab. Die Rekursentscheidung wurde nur den beiden Parteienvertretern zugestellt. Die Zustellung an Dr. H. H. erfolgte am 13. Dezember 1947. In der am 16. Jänner 1948 an das Bezirksgericht Scheibbs gerichteten und von diesem gemäß § 532 ZPO. dem Kreisgericht St. Pölten abgetretenen und dort am 20. Jänner 1948 eingelangten Nichtigkeitsklage, in der unter Bezugnahme auf den Nichtigkeitsgrund des § 529 Abs. 1 Z. 2 ZPO. das Begehren gestellt wird, durch Urteil zu erkennen, daß der Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes für nichtig erklärt werde, wird nachstehendes ausgeführt:
Es werde nicht nur der Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes, sondern auch der Endbeschluß des Bezirksgerichtes Scheibbs und auch der Beschluß des letzteren Gerichtes, mit welchem dem Rekurse der Beklagten die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, angefochten, weil dem Kläger, der in der Sache gegen J. E. den Dr. H. H. nicht bevollmächtigt habe, weder der Endbeschluß, noch der Beschluß, mit welchem dem Rekurse die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, und auch nicht die Entscheidung des Rekursgerichtes zugestellt worden sei. Der Kläger habe von der Entscheidung des Rekursgerichtes erst am 19. Dezember 1947 erfahren.
Das Kreisgericht St. Pölten wies die Klage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück, weil sich aus den Fragen des Dr. H. H. bei der Streitverhandlung vom 29. August 1947 ergebe, daß dieser auch als Vertreter des Klägers in der Sache gegen J. E. eingeschritten sei, der Kläger durch seine Anwesenheit diese Vertretung genehmigte und durch die Unterfertigung des Verhandlungsprotokolles zum Ausdruck gebracht habe, daß er dem Dr. H. H. Prozeßvollmacht auch zur Vertretung in der Rechtssache gegen E. erteilte. Da somit Dr. H. H. als Bevollmächtigter des Klägers auch in letzterer Sache anzusehen sei und die Entscheidung des Rekursgerichtes am 13. Dezember 1947 zugestellt wurde, habe die Frist des § 534 ZPO. mit diesem Tage zu laufen begonnen; die erst am 16. Jänner 1948 beim unzuständigen Bezirksgerichte und am 20. Jänner 1948 beim zuständigen Kreisgerichte St. Pölten eingelangte Nichtigkeitsklage sei daher verspätet überreicht.
Der Oberste Gerichtshof wies den Rekurs des Klägers zurück.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Der Rekurs des Klägers macht geltend, er habe dem Dr. H. H. in der Sache gegen J. E. niemals Vollmacht erteilt, es sei auch eine Bevollmächtigung zu Protokoll nicht erfolgt und eine Zustellung der angefochtenen Entscheidungen an ihn selbst bisher noch nicht vorgenommen worden, weshalb die Frist des § 534 ZPO. noch gar nicht zu laufen begonnen habe.
Der Oberste Gerichtshof hatte sich zunächst mit der Frage zu befassen, ob seine Zuständigkeit zur Entscheidung über den gegen den Beschluß des Kreisgerichtes gerichteten Rekurs gegeben ist. Diese Frage ist zu bejahen, da gemäß § 535 ZPO. dann, wenn die Klage nicht bei dem Gerichte, das im früheren Verfahren in erster Instanz entschieden hat, sondern bei einem höheren Gerichte, welches nach den für das Verfahren vor demselben geltenden Bestimmungen die Sache spruchreif zu machen hätte, erhoben wurde, für das Verfahren und die Anfechtbarkeit der Entscheidung die Bestimmungen maßgebend sind, die für das höhere Gericht als Rechtsmittelinstanz anzuwenden wären. Da das Kreisgericht St. Pölten die mit der Nichtigkeitsklage angefochtene Entscheidung als Rekursgericht erlassen hat, hat, über den gegen die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage erhobenen Rekurs der Oberste Gerichtshof zu entscheiden.
Aus der angeführten Bestimmung ergibt sich aber auch gleichzeitig, daß ein Rekurs gegen die Entscheidung des Kreisgerichtes, für das bezüglich der Anfechtbarkeit seiner Entscheidung die Bestimmungen gelten, die für dieses Gericht als Rechtsmittelgericht maßgebend wären, unzulässig ist, da gemäß § 528 ZPO. gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz in Besitzstörungssachen ein weiteres Rechtsmittel nicht erhoben werden kann.
Der Rekurs ist aber auch unbegrundet. Gemäß § 529 Abs. 1 Z. 2 ZPO., auf welche Bestimmung sich die Nichtigkeitsklage ausdrücklich stützt, kann eine rechtskräftige Endentscheidung (ein Beschluß, mit dem einem Rekurse die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, ist keine solche und kann daher gar nicht mit Nichtigkeitsklage angefochten werden) nur dann mit Nichtigkeitsklage bekämpft werden, wenn eine Partei im Verfahren nicht vertreten war. Daß diese Voraussetzung gegeben sei, behauptet der Kläger gar nicht. Er stellt sich zur Begründung seiner Klage lediglich auf den Standpunkt, es seien ihm die Entscheidungen des Bezirksgerichtes und des Rekursgerichtes nicht zugestellt worden. Eine Nichtigkeitsklage ist aber dann unzulässig, wenn lediglich die Zustellung nichtig ist (siehe Pollak, S. 619, und die dort angeführte Rechtsprechung und Literatur). Die Bestimmung des § 529 Abs. 1 Z. 2 ZPO. entspricht dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Z. 5 ZPO.; der vom Kläger geltend gemachte Sachverhalt könnte aber nur den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Z. 4 ZPO. darstellen; letzterer Nichtigkeitsgrund ist aber kein Klagegrund nach § 529 ZPO.
Im Hinblick auf diese Rechtslage war eine Prüfung der Frage, ob Dr. H. H. als Bevollmächtigter des Klägers im Verfahren gegen den Beklagten anzusehen war, entbehrlich. Da die Klage nicht auf einen gesetzlichen Anfechtungsgrund gestützt ist, war das Erstgericht im Recht, wenn es die Nichtigkeitsklage gemäß § 538 Abs. 1 ZPO. als zur Bestimmung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung ungeeignet zurückgewiesen hat.
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