OGH 9ObA357/98k

OGH9ObA357/98k17.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Krajcsir und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Volker K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Paul C*****, Baumeister, *****, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 144.987,-- brutto zuzüglich S 20.165,-- netto sA (Revisionsinteresse S 99.083,37 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 1998, GZ 9 Ra 206/98z-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. April 1998, GZ 3 Cga 104/97v-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung des Berufungsgerichtes, mit der es die im Revisionsverfahren ausschließlich strittige Frage der Vorrückung des Klägers innerhalb der Verwendungsgruppe beurteilte, ist zutreffend, sodaß es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

§ 11 Abs 4 Z 1 des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe und Bauindustrie sieht eine Zeitvorrückung der Arbeitnehmer innerhalb der Verwendungsgruppe auf der Grundlage von Biennal-Sprüngen vor und regelt die Höhe der hieraus resultierenden Gehaltsänderung. § 11 Abs 4 Z 2 des Kollektivvertrages räumt dem Arbeitgeber das Recht ein, eine bestimmte Anzahl von Angestellten (hier: in Betrieben bis zu fünf Angestellten in zwei Kalenderjahren einen Angestellten) von der Zeitvorrückung auszunehmen. Weiters wird bestimmt, daß anstelle des ein- oder zweijährigen Ermittlungszeitraumes innerbetrieblich auch andere Zeiträume vereinbart werden können, und daß jeweils ab Beginn des Ermittlungszeitraumes die Zahl der möglichen Ausnahmen festzulegen ist.

Der gegenständliche Kollektivvertrag knüpft das dem Arbeitgeber eingeräumte Gestaltungsrecht bezüglich des Ausschlusses einzelner Angestellter von der Zeitvorrückung an keine näher umschriebenen Voraussetzungen. Überlegungen zur Sittenwidrigkeit der Kollektivvertragsbestimmung, insoweit diese dem Arbeitgeber ein einseitiges, nicht näher determiniertes Gestaltungsrecht zu Lasten der Arbeitnehmer einräumt, bzw zur Ausübung des Gestaltungsrechtes nach billigem Ermessen oder Belieben (vgl Mayer-Maly in FS Melichar 441, [448]; Krejci in ZAS 1983, 203 [206]; Tomandl in ZAS 1989, 98 [100f];Runggaldier in Runggaldier/Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung 167 f; Runggaldier in FS Schwarz, 145 [151 ff]; Runggaldier, Grenzen der Kollektivvertragsautonomie bei der Regelung des Entgelts 94 ff, 148 f; ZAS 1989/15; DRdA 1990/8 ua) können hier auf sich beruhen, weil dieses Gestaltungsrecht nach den Verfahrensergebnissen gar nicht wirksam ausgeübt wurde.

Gestaltungsrechte verleihen dem Berechtigten die Rechtsmacht, durch einseitige Erklärung - ohne Mitwirkung eines anderen - eine Änderung der bestehenden Verhältnisse herbeizuführen (Koziol/Welser I10 41 mwN). Ein bloß innerer Wille ist für die Rechtsordnung, die auf äußere Erscheinungen angewiesen ist, als alleiniger Anknüpfungspunkt unbrauchbar. Der Wille muß, um erheblich zu sein, in die Außenwelt treten; er muß "erklärt" werden. Diese Äußerung kann ausdrücklich oder konkludent sein. Von einer konkludenten Willenserklärung kann man dann sprechen, wenn der Erklärungswert weniger aus bestimmten Worten oder einem bestimmten Verhalten, sondern mehr aus den Begleitumständen erschlossen wird. Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist aber größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, daß dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn sind. Deshalb bestimmt das Gesetz, daß eine konkludente Erklärung nur angenommen werden darf, wenn eine Handlung nach der Verkehrssitte, nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt (§ 863 ABGB; Koziol/Welser aaO 87 f; Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 13 f zu § 863, jeweils mwN).

Erklärungen haben grundsätzlich die Funktion, einem anderen etwas bekanntzugeben. Soll dieser Zweck erreicht werden, so muß der Adressat Gelegenheit erhalten, sie zur Kenntnis zu nehmen. § 862a ABGB bestimmt daher, daß Willenserklärungen nur dann rechtliche Wirkungen erzeugen, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugekommen sind. Die Wirksamkeit der Erklärung setzt im Zugangszeitpunkt ein (Koziol/Welser aaO 95; Rummel in Rummel aaO Rz 1 ff zu § 862a, jeweils mwN). Dies gilt auch für die Ausübung von Gestaltungsrechten (RIS-Justiz RS0013923, RS0014105, RS0018271).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat der Beklagte weder dem etwa viereinhalb Jahre bei ihm beschäftigten Kläger noch den beiden anderen, während dieser Zeit bei ihm beschäftigten, gleichfalls überkollektivvertraglich entlohnten Angestellten jemals das höhere Gehalt zufolge einer Zeitvorrückung ausbezahlt, ohne daß dies jemals Gegenstand besonderer Erklärungen des Beklagten oder konkreter Erörterungen der Beteiligten gewesen wäre. Auf den Gehaltszetteln der betroffenen Angestellten waren nie Biennal-Sprünge ausgewiesen.

Wendet man auf diesen Sachverhalt die vorstehenden Überlegungen zur konkludenten Aussage von Willenserklärungen und dem Zugang an den Erklärungsempfänger an, so zeigt sich, daß der Beklagte seinen (allfälligen) Willen, das ihm im Kollektivvertrag eingeräumte Gestaltungsrecht auszuüben, dem Kläger gegenüber nie in ausdrücklicher oder konkludenter Weise ausübte, und dem Kläger daher auch nie eine derartige Erklärung zuging. Dies verkennt der Revisionswerber, soweit er ausschließlich dahin argumentiert, der Kollektivvertrag sehe für die Festlegung der Ausnahme von der Vorrückung kein bestimmtes "förmliches" Verfahren oder eine "Aufzeichnungspflicht" vor. Der Einwand ist zwar grundsätzlich richtig, läßt aber unbeachtet, daß der Wille - ungeachtet irgendwelcher "Förmlichkeiten" - zumindest konkludent erklärt werden muß, um gegenüber dem Erklärungsempfänger wirksam zu sein. Dies bedarf entgegen der Ansicht des Revisionswerbers keiner besonderen Anordnung einer "Verständigungspflicht" im Kollektivvertrag, sondern folgt schon aus den allgemeingültigen Grundsätzen zur Wirksamkeit einer Willenserklärung.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers wurde vom Berufungsgericht auch nicht die Bestimmung des § 11 ArbVG "mißachtet". Es geht hier nicht um die unmittelbare (allerdings problematische) Rechtsverbindlichkeit (Normwirkung) des gegenständlichen Kollektivvertrages als solchen, sondern allein um die Frage, ob der Arbeitgeber von einer darin enthaltenen Kann-Bestimmung, einer Ausnahme von der Regel, Gebrauch gemacht hat.

Verfehlt ist auch das Argument des Revisionswerbers, der Kläger hätte ohnehin aus den Gehaltszetteln und den ihm tatsächlich ausbezahlten Entgeltbeträgen entnehmen können, daß der Arbeitgeber seine Pflicht zur Gehaltserhöhung zum Zeitpunkt der Vorrückung verneine und damit "denknotwendig zwingend" das Vorliegen einer Ausnahme erkläre. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Annahme einer konkludenten Erklärung in einer bestimmten Richtung dann ausscheidet, wenn das Verhalten des Arbeitgebers verschiedene Deutungen zuläßt (vgl RIS-Justiz RS0013958, RS0014490). Dies ist hier nicht nur deshalb der Fall, weil der Beklagte - in Verletzung des Kollektivvertrages - keinem der in Frage kommenden Angestellten eine Vorrückung gewährte, ohne daß besondere Gründe hervorgekommen wären, ob und weshalb gerade gegenüber dem Kläger ein im Kollektivvertrag vorgesehenes Gestaltungsrecht ausgeübt wird, und zum anderen das faktische Vorenthalten von Entgeltsteilen verschiedene Gründe haben kann (vgl Schwarz in DRdA 1987, 300 [305]), jedoch in den seltensten Fällen seine Grundlage im Kollektivvertrag findet.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

Die vom Kläger eingebrachte Revisionsbeantwortung ist gemäß § 507a Abs 1 und 2 Z 1 ZPO verspätet. Die Revision wurde ihm am 10. 11. 1998 zugestellt, die Revisionsbeantwortung jedoch nicht innerhalb der Notfrist von vier Wochen beim zuständigen Prozeßgericht erster Instanz (§ 507a Abs 3 Z 3 ZPO), sondern bei einem anderen Gericht eingebracht. Dem zuständigen Prozeßgericht erster Instanz wurde die Revisionsbeantwortung erst am 22. 12. 1998, sohin nach Fristablauf übermittelt (AV vom 24. 2. 1999). Eine Frist ist nur dann gewahrt, wenn ungeachtet der unrichtigen Adressierung der Schriftsatz noch innerhalb der offenen Frist beim zuständigen Gericht einlangt (RIS-Justiz RS0041608).

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