OGH 15Os10/99

OGH15Os10/9911.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ludwig L***** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 17. November 1998, GZ 36 Vr 2770/97-194, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die vom Verteidiger und vom Angeklagten (gesondert) ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die vom Verteidiger und vom Angeklagten ausgeführten Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ludwig L***** des Verbrechens des "gewerbsmäßig schweren" (richtig: schweren und gewerbsmäßigen) Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (A I. und II.) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er (zusammengefaßt wiedergegeben) in Salzburg und anderen Orten zu den im Urteil angeführten Zeiten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (A) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Betrugsbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, unter der Vorspiegelung, ein zahlungswilliger und -fähiger Hotelgast bzw Kunde zu sein, im Urteil detailliert bezeichnete Personen durch Täuschung über Tatsachen zur Verfügungstellung von Kost und Quartier (A.I., Schaden 29.015 S und 1.892 DM) bzw zur Herausgabe von Gegenständen und Flugtickets (A.II., Schaden ca 18.200 S) verleitet; sowie (B) am 28. September 1997 in Uttendorf und am 23. Oktober 1997 in Bischelsdorf der Sigried R***** jeweils durch Abhebung mit deren Bankomatkarte Bargeld von insgesamt 10.000 S weggenommen.

Dagegen richtet sich eine vom Verteidiger (fristgerecht) aus Z 4, 5, 5a und 8 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde (ON 205).

Bereits einen Tag vorher hatte der Angeklagte beim Erstgericht eine "Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung" mit dem Antrag zu Protokoll gegeben, "den von mir verfaßten und hiemit zum Akt gegebenen Schriftsatz als integrierenden Bestandteil diesem Protokoll anzuschließen" (ON 204). Diesem Protokoll ist eine 34seitige, als "Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung" bezeichnete, auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5, 5a, 8, 9 lit a und 9 lit b StPO bezogene Eingabe des Angeklagten beigelegt, in der auch eine Berufung ausgeführt wird.

Die vom Angeklagten verfaßte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde war indes als unzulässig zurückzuweisen, weil das Gesetz nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorsieht und jener des Verteidigers der Vorzug zu geben ist (Mayerhofer StPO4 § 285 E 36 mwN; 15 Os 88,89/96, 15 Os 167/97 uam).

Rechtliche Beurteilung

Die vom Verteidiger ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde hinwieder ist nicht im Recht.

Die Verfahrensrüge (Z 4), die sich gegen das in der fortgesetzten Hauptverhandlung vom 17. November 1997 gefällte (allerdings dem unmißverständlichen Gebot des § 238 Abs 2 StPO zuwider nicht sogleich, sondern erst im Urteil - US 20 ff - begründete) Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes richtet (S 227/V), mit dem die vom Angeklagten handschriftlich verfaßten Beweisanträge ON 134, 142, 154, 164 und 165 sowie die vom Verteidiger gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen Hannes Z***** und Daniel L***** über behauptete Alibis zu den Fakten B und zur vorgeblichen Zahlungsfähigkeit des Angeklagten zu den Schuldsprüchen A (S 116/V) abgewiesen wurden, ist verfehlt.

Dieser Nichtigkeitsgrund kann nicht auf einen Antrag gestützt werden, der vor der Hauptverhandlung überreicht, in der Hauptverhandlung nach Inhalt der Verhandlungsschrift jedoch nicht wiederholt wurde, wobei selbst die amtswegig vorgenommene Verlesung dieser Anträge (S 230/V) die versäumte Wiederholung nicht ersetzt (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 1, 29 mit zahlreichen Judikaturhinweisen). Der Angeklagte gab, nachdem er in der Hauptverhandlung vom 13. Oktober 1998 vom Vorsitzenden zum Antrag ON 132 befragt worden war, bloß pauschal an, er "bestehe auf diese Beweise" und "halte diese(n) vollinhaltlich aufrecht" (S 102 f/V). Zum Antrag ON 142 erklärte er, "auch diesen Antrag halte ich aufrecht" (S 103/V). Der Verteidiger ergänzte, daß (ua) "die Beweisanträge ON 142, 154 und 164 aufrecht erhalten werden" (S 123/V). In der am 17. November 1998 fortgesetzten Hauptverhandlung gab der Verteidiger zu Protokoll, er "stelle somit die bisherigen Beweisanträge wie in der letzten Hauptverhandlung am 13. 10. 1998 ..." (S 227/V). Ein derartiger Vorgang kann aber ohne konkretes Vorbringen, welche Beweisaufnahmen aus welchen Gründen noch erforderlich sein sollen, den nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO notwendigen substantiierten Antrag nicht ersetzen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 1, 29; zum wesentlichen auch E 30 bis 33).

Zum anderen wäre der Beschwerdeführer angesichts der seiner wiederholt wechselnden Verantwortung entgegenstehenden Beweisergebnisse (vgl. insbes. BV S 35 ff/I, ON 4; ZV Sigried R***** (ON 51/III, S 174 ff/IV, S 87 f/V; ZV Peter B***** ON 54/III; ZV Daniel L***** S 115 ff/III; sicherheitsbehördliche Erhebungsberichte ON 98 a, 112, 115, 123, 128; Urkunden S 195/I, 373, 375, 387, 393 jeweils Band II und ON 186; ferner die den Hauptverhandlungsprotokollen ON 99, 169 und 192 angeschlossenen Beilagen) verpflichtet gewesen (um die in jedem Fall von den Erkenntnisrichtern vorzunehmende Relevanz prüfen zu können und den Beweisanträgen den Charakter von unzulässigen Erkundungsbeweisen zu nehmen), bei jedem Antrag auch konkret darzulegen, aus welchen realistischen Gründen die genannten Beweismittel zu den angeführten Beweisthemen das erwartete Ergebnis erbringen werden.

Eine eingehende und substantiierte Begründung wäre hier notwendig gewesen, weil die Brauchbarkeit der geforderten Verfahrensschritte schon im Licht der bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse fraglich war und der Angeklagte erst in einem relativ späten Verfahrensstadium immer neue Behauptungen aufgestellt hat, ohne daß für den Zeitpunkt des Vorbringens ein anderer Grund ersichtlich war als der einer Anpassung der Verantwortung an die gescheiterten Entlastungsversuche (Mayerhofer aaO E 19, 19bb, 19c, 19cc, 19d, 19; vgl auch 19ee).

Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer keinesfalls gehalten gewesen wäre, ihn belastende Beweismittel (Urkunden) herauszugeben. Im aktuellen Fall wäre es ihm aber durchaus möglich und zumutbar gewesen - schon um den (nach der Sachlage begründbaren) Vorwurf der Verfahrensverschleppung durch von ihm provozierte zeitraubende Rechtshilfeersuchen zu entgehen - die in seinem Besitz befindlichen, ihm wichtig scheinenden entlastenden Schriftstücke rechtzeitig und freiwillig vorzulegen (vgl hiezu insbes. S 138/IV, 86 f, 101 ff, 101a, 115, 119, 228/V).

Aus all diesen Gründen wurde der Beschwerdeführer daher durch das angefochtene Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.

Entgegen einem pauschalen Einwand in der Mängelrüge (Z 5) begnügt sich das Erstgericht bei seinen Schlußfolgerungen, warum es der Verantwortung des Angeklagten nicht gefolgt ist, keineswegs allein mit der in der Beschwerde nur isoliert und bruchstückhaft aus dem Zusammenhang gelösten (in Wahrheit aus dem Urteil des Vorstrafaktes des Landesgerichtes für Strafsachen Graz GZ 12 Vr 8/93-239 entnommenen) Charakterisierung des Angeklagten (vgl US 4 f). Vielmehr hat es in einer ausführlichen und kritischen Gesamtbetrachtung aller vorhandener Beweisergebnisse einschließlich der vielfach geänderten Verantwortungsvarianten und des von seiner Person gewonnenen Eindrucks (§ 258 Abs 2 StPO) zu jedem einzelnen Schuldvorwurf Stellung genommen und mit denkmöglicher, formal einwandfreier Begründung dargelegt, warum es von der Tatschuld überzeugt war (US 9 ff).

Dem weiteren Beschwerdevorbringen ist zu erwidern, daß das Gericht gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO zwar verpflichtet ist, im Urteil in gedrängter Form die als erwiesen angenommenen entscheidenden (also für die Schuld und den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden) Tatsachen zu begründen. Es ist aber nicht verpflichtet, unterschiedslos jedes Vorbringen zu behandeln und sich schon im voraus mit allenfalls erst in der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwänden auseinanderzusetzen (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 7 f uva).

So gesehen waren die Tatrichter daher nicht gehalten, über die getroffenen Urteilskonstatierungen (US 7 erster Absatz) in Verbindung mit den beweiswürdigenden Erwägungen (US 11 unten bis 12 oben, 13 unten bis 13 oben) hinaus zu hinterfragen, weshalb der Angeklagte bei sämtlichen Hotels "unter seinem Namen" (in dieser Form nicht aktenkonform) und unter Angabe der richtigen Adresse abgestiegen ist, er unmittelbar vor seiner Festnahme einen PKW gemietet, die (offenen) Hotelrechnungen von seiner Mutter abgeholt und sie bei sich getragen hat.

Der Vorwurf, das Urteil lasse zum Betrug an Dr. Hannes J. O***** (A II.2.) "jede Feststellung und Begründung vermissen", ist durch die bezüglichen Erörterungen (US 8 f und 11) widerlegt, welche in objektiver Hinsicht mit dem maßgebenden Inhalt der Zeugenaussage Dris. O***** weitgehend korrespondieren (S 88 ff/V). Die zur (vermeintlichen) Entlastung des Angeklagten ins Treffen geführten, von der Beschwerde isoliert und demnach sinnentstellend betrachteten Aussagepassagen dieses Zeugen sind nicht entscheidend. Von einer unvollständigen Begründung der Schuldsprüche A I. und A II. und 3. ist daher keine Rede.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verweist bloß allgemein auf das Vorbringen zu § 281 Abs 1 Z 5 StPO und behauptet lapidar, daß "gegen die unvertretbare Würdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise erhebliche Bedenken bestehen".

Solcherart verkennt der Beschwerdeführer jedoch nicht nur den eigenständigen Charakter des relevierten Nichtigkeitsgrundes, sondern auch die Tatsache, daß dessen Erfolg stets einen konkreten, deutlich und bestimmt bezeichneten (vgl § 285a Z 2 StPO) aktenmäßigen Nachweis voraussetzt, aus welchen Gründen gravierende Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung bestehen (Mayerhofer aaO § 281 Z 5a E 1 ff, 22 f; 15 Os 108/98 uam). Diesem Gebot wird die vorliegende Rüge nicht gerecht.

Der auf Z 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Vorwurf einer Anklageüberschreitung im Faktum A I.8. (= Urteilsfaktum A I.5.) versagt. Der Beschwerde zuwider hat die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vom 17. November 1998 bloß das Ende des Tatzeitraumes auf den 20. August 1997 eingeschränkt, nicht aber auch den Schadensbetrag (S 220/V). Die exakte Bezeichnung der Tatzeit gehört indes nicht zu den Identitätsmerkmalen der Straftat, soferne - wie vorliegend - Anklage und Urteil, gemessen an dem sonst übereinstimmenden individualisierenden Geschehen, dasselbe Verhalten in unverwechselbarer Weise erfassen (Mayerhofer aaO § 281 Z 8 E 10a).

Sonach war die vom Verteidiger ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die vom Verteidiger und vom Angeklagten ausgeführten Berufungen das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

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