OGH 15Os108/98

OGH15Os108/9827.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kolarz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wojciech P***** wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. März 1998, GZ 11a Vr 10.222/96-128, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, des Vertreters des Hauptzollamtes Wien, Dr. Teibinger, und des Verteidigers Dr. Szabo, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wojciech P***** des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er am 25. September 1996 im Bereich des Zollamtes Wien eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich Edel- und Halbedelsteine im Wert von 17,568.038,80 S, der zollamtlichen Überwachung vorsätzlich dadurch entzogen, daß er sie mit dem Zug von Ungarn nach Wien brachte, ohne sie zu deklarieren (US 2 und 9).

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) ist vorweg zu erwidern, daß bei Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung eines Antrages und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist, weshalb erst in der Beschwerdeschrift - somit prozessual verspätet - nachgetragene Gründe unbeachtlich bleiben müssen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 41 mwN).

In der Hauptverhandlung beantragte der Beschwerdeführer die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen ausschließlich deswegen, weil der vom Sachverständigen G***** ermittelte Wert "in der Höhe von S 21 Mio wahrscheinlich um 300 % überhöht ist" (S 51/V iVm S 499/IV).

In formeller Hinsicht hätte es zur erfolgreichen Geltendmachung des relevierten Nichtigkeitsgrundes aber der Anführung jener konkreten Gründe bedurft, worin vorliegend eine besondere Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung gelegen (§ 118 Abs 2 StPO) oder warum dem im Verfahren beigezogenen Sachverständigen eine nicht behebbare Mangelhaftigkeit des Befundes und/oder der des Gutachtens unterlaufen sein sollte (§§ 125, 126 StPO; Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 133a), was jeweils Voraussetzung für die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen ist. Dieses Versäumnis kann durch (verspätete) Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht mehr saniert werden (15 Os 91/98).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) wird die Negativfeststellung betreffend die Herkunft der Edelsteine, nämlich die Unmöglichkeit, das Herkunftsland zu ermitteln, mit Bezugnahme auf die divergierenden Angaben des Nichtigkeitswerbers und die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen (insbesondere S 49 f/V) zureichend begründet (US 11 bis 14). Im übrigen fehlt es an der erforderlichen Beschwer, weil dadurch die Herkunft aus dem EU-Raum ohnehin nicht ausgeschlossen wird.

Dem weiteren Beschwerdeeinwand zuwider konnte das Schöffengericht die Feststellungen zum Zollwert der eingeführten Edel- und Halbedelsteine auf das für schlüssig und einwandfrei befundene Gutachten des Sachverständigen G***** stützen (US 15). Die Ablehnung des Großhandelspreises hinwieder haben die Tatricher mit dem aus der mangelnden Gewerbeberechtigung gezogenen logischen Schluß mängelfrei begründet (US 17).

Mit den spekulativen Überlegungen zu einem inaktuellen Geschehensablauf sucht die Tatsachenrüge (Z 5a) auf eine günstigere Lösung der Schuldfrage hinzuwirken. Damit kritisiert sie jedoch bloß prozeßordnungswidrig, nämlich nach Art einer unzulässigen Schuldberufung, die vom Erstgericht ausführlich, logisch und empirisch einwandfrei vorgenommene Beweiswürdigung, vermag aber damit keine aktenkundigen Umstände aufzuzeigen, die geeignet sind, die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen in Frage zu stellen.

Ebenfalls ins Leere geht die auf Art 185 ZK und verwaltungsgerichtliche Judikatur zum früheren § 42 Abs 1 ZollG gestützte Argumentation der Rechtsrüge (Z 9a), "Gemeinschaftswaren stellten - unabhängig von einer rechtzeitigen Antragstellung - keine eingangsabgabe- pflichtigen Waren im Sinn des § 35 FinStrG dar":

Seit 1. Jänner 1995 wurde das Zollrecht der Europäischen Gemeinschaft durch den Zollkodex und die Zollkodexdurchführungsverordnung festgelegt (§ 1 Abs 2 ZollR-DG BGBl 1994/659; Leitner, Grundzüge des österr. Finanzstrafrechts S 185 f); gleichzeitig trat aber das bisherige Zollgesetz außer Kraft (§ 120 Abs 2 Z 1 leg.cit.).

Richtig ist zwar, daß nach Art 185 Abs 1 ZK Gemeinschaftswaren, die aus dem Zollgebiet aus der Gemeinschaft ausgeführt worden sind und innerhalb von drei Jahren wieder in dieses Zollgebiet eingeführt und dort in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, von den Einfuhrabgaben befreit werden (Rückwaren); dies jedoch nur auf Antrag des Beteiligten, soferne keiner der dort genannten Ausschlußgründe vorliegt. Als Rückwaren werden - was der Beschwerdeführer übergeht - gemäß Art 848 Abs 1 ZK-DVO, die gemäß § 1 Abs 2 Z 2 ZollR-DG gleichermaßen wie der Zollkodex verbindlicher Rechtsakt des Zollrechtes der Europäischen Gemeinschaften ist, Waren jedoch nur dann anerkannt, wenn für sie außer der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr

a./ entweder ein dem Ausführer von den Zollbehörden ausgehändigtes Exemplar der Ausfuhranmeldung oder eine von ihnen beglaubigte Durchschrift oder

b./ das im Art 850 vorgesehene Auskunftsblatt (INF 3 - Art 850 ff ZK-DVO) vorgelegt wird oder wenn die Waren mit einem in der Gemeinschaft ausgestellten Carnet ATA (vgl Art 290 ZK-DVO) eingeführt werden.

Gleichermaßen bestimm § 5 ZollR-DG das Erfordernis einer Geltendmachung und den Nachweis des Vorliegens der maßgebenden Voraussetzungen bereits im zollbehördlichen Verfahren durch jenen, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nehmen will.

Nach den Urteilsfeststellungen (US 9) hat aber der Beschwerdeführer weder bei seiner Ausreise aus Österreich noch bei seiner Wiedereinreise, demnach nicht die vom Gesetz geforderten Erklärungen abgegeben, sodaß die behauptete Eingangsabgabenbefreiung nicht gegeben ist.

Auch der in einer nach § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung erhobene Einwand, es könne nicht strafbar sein, sich um eine mögliche Abgabenbefreiung zu bringen, geht ins Leere: Dem Angeklagten wird nämlich nicht die Hinterziehung von Eingangsabgaben (§ 35 Abs 2 FinStrG), sondern Schmuggel nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG vorgeworfen, weil er eine grundsätzlich eingangsabgabepflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat.

Auch den weiteren, mangelnde Strafwürdigkeit der Tat reklamierenden (Z 9b) Ausführungen kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 25 Abs 3 FinStrG gilt für vom Gericht zu ahnende Finanzvergehen § 42 StGB. Geringe Schuld erfordert, daß das Gewicht der zu beurteilenden Einzeltat hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt erheblich zurückbleibt (Leukauf/Steininger Komm3 § 42 RN 14). Davon kann aber im vorliegenden Fall, weil der Angeklagte festgestelltermaßen - in für derartige Delikte geradezu typischer Weise - die eingangsabgabenpflichtigen Waren durch vorsätzliche Nichtdeklaration bei der Einreise ins Zollgebiet und bei Verlassen des Amtsplatzes der zollamtlichen Überwachung entzogen hat, nicht gesprochen werden. Darüber hinaus sind auch die Tatfolgen, nach dem dafür maßgeblichen strafbestimmenden Wertbetrag keineswegs unbedeutend (Leukauf/Steininger aaO § 42 RN 27), zumal auch im Finanzstrafrecht insoweit nicht wesentlich von den für Vermögensdelikte entwickelten Kriterien abzuweichen ist (NRsp 1988/51 = Jus-Extra 1988/36).

Nicht gesetzmäßig ausgeführt wird die Rechtsrüge, soweit sie die Anwendung des § 25 FinStrG aufgrund urteilskonträrer Annahme ordnungsgemäßer Deklaration fordert.

Eine unrichtige Ausmessung des strafbestimmenden Wertbetrages (Z 11) erblickt die Beschwerde darin, daß das Erstgericht ein Schätzungsgutachten als Berechnungsgrundlage herangezogen, nicht aber unter Einhaltung der gesetzlich determinierten Reihenfolge den Zollwert nach der günstigeren Bestimmung des Art 30 Abs 2 ZK lit c bzw lit d ZK berechnet hat.

Auch diese Rüge versagt.

Nach der Vorschrift des Art 29 ZK ist die Zollwertbemessung bei der Einfuhr von Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft im "Normalfall" auf der Basis des Verkaufsgeschäftes, dh nach dem Transaktionswert zu bestimmen. Transaktionswert ist demnach der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis. Erst wenn - was die Beschwerde vorliegend als gegeben einräumt - ein solcher nicht ermittelt werden kann, sind subsidiär die in Art 30, 31 ZK aufgelisteten und in der dort normierten Reihenfolge anzuwendenden Berechnungs- methoden zur Zollwertberechnung heranzuziehen. Schließlich verbleibt - der Ansicht der Beschwerde zuwider - als letzte Möglichkeit die Schätzung als zweckmäßige Methode iS des Art 31 Abs 1 ZK.

In Ermangelung eines aktuellen Verkaufsgeschäftes scheidet im vorliegenden Fall eine Zollwertbemessung nach Art 29 ZK aus. Nach der nächstfolgenden Ermittlungsmethode (Art 30 Abs 2 lit a ZK) errechnet sich der Zollwert nach dem Transaktionswert gleicher Waren, die zur Ausfuhr in die Gemeinschaft verkauft und zu demselben oder annährend demselben Zeitpunkt wie die zu bewertenden Waren ausgeführt wurden. Zu dessen Ermittlung ist nach Art 150 Abs 1 ZK-DVO unter anderem der Transaktionswert gleicher Waren, die (auch) auf einer anderen Handelsstufe verkauft wurden, heranzuziehen, jedoch in diesem Fall der Unterschied in bezug auf die Handelsstufen zu berichtigen.

Indem der Sachverständige in seinem Gutachten zutreffend von den im Zeitpunkt der Wareneinfuhr für gleiche Waren geltenden Großhandelspreisen ausging und unter Aufschlag der im europäischen Raum geltenden Handelsspanne den inländischen Detailhandelspreis ermittelte (S 47, 49/V), bediente er sich ohnehin der vorangeführten gesetzlichen Berechnungsmethode. Folglich sind auch die darauf gestützen Feststellungen zum strafbestimmenden Wertbetrag nicht mit dem behaupteten Fehler behaftet.

Die nur zum Teil gesetzmäßig ausgeführte, insoweit sachlich jedoch nicht begründete Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen.

Obwohl der Angeklagte zum Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über seine Berufung und über jene des Hauptzollamtes Wien geladen worden und für die befristete Aufhebung des Wiedereinreiseverbotes vorgesorgt worden war, ist er nicht erschienen. Da jedoch im Hinblick darauf, daß die Berufung der Finanzstrafbehörde zu seinem Nachteil erhoben wurde, seine Anwesenheit im Interesse der Rechtspflege geboten erschien, war der Gerichtstag auf die Verhandlung und Entscheidung über seine Nichtigkeitsbeschwerde einzuschränken (§ 294 Abs 5 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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