OGH 4Ob341/98w

OGH4Ob341/98w26.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf und Dr. Tittel, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei Andrea K*****, vertreten durch Dr. Peter Urbanek und Dr. Christian Lind, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 87.646,24 S s. A. (Revisionsinteresse 83.823,12 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgericht vom 17. Juli 1998, GZ 36 R 47/98z-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 29. April 1998, GZ 7 C 2293/96i-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte übertrug mit Notariatsakt ihren Geschäftsanteil an der "F *****-Ges.m.b.H." (in der Folge: Gesellschaft), auf den eine (zur Hälfte eingezahlte) Stammeinlage von 375.000 S entfiel, an den Mitgesellschafter Stefan K*****, der dadurch zum Alleingesellschafter wurde; dieser Gesellschafterwechsel wurde am 29. 8. 1995 im Firmenbuch eingetragen. Am 27. 9. 1996 wurde im Firmenbuch eingetragen, daß ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über die Gesellschaft mangels Vermögens abgewiesen worden ist; die Gesellschaft befindet sich im Liquidationsstadium.

Die Klägerin führt gegen die Gesellschaft auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches vom 25. 3. 1996 über 80.000 S Exekution. Ihr wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 19. 8. 1996, 9 E 3796/96i-1, die Pfändung und Überweisung der der Gesellschaft gegen die Beklagte infolge "Haftung als Vormann für die nicht einbezahlte Einlage auf das Stammkapital" zustehenden Forderung auf Zahlung restlicher Stammeinlage in Höhe von 187.500 S bewilligt; als Kosten der Klägerin in diesem Exekutionsverfahren wurden 3.823,12 S bestimmt. Schon zuvor hatte die Klägerin die Forderung der Gesellschaft gegen den Alleingesellschafter auf Zahlung restlicher Stammeinlage gepfändet und überwiesen erhalten; die Kosten hiefür betrugen ebenfalls 3.823,12 S. Aus dem vom Alleingesellschafter unterfertigten Vermögensverzeichnis ergab sich jedoch kein verwertbares Vermögen. Weder die Beklagte noch der Alleingesellschafter gaben Drittschuldnererklärungen ab.

Mit Klage vom 25. 10. 1996 nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 87.646,24 S (80.000 S Kapital und 7.646,24 S Kosten) mit dem Vorbringen in Anspruch, die Beklagte treffe trotz Veräußerung ihres Geschäftsanteiles eine Vormännerhaftung, zumal sie keine Drittschuldnererklärung abgegeben habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Als Vormann des Alleingesellschafters hafte sie für offene Stammeinlagenverbindlichkeiten nicht. Weder sei eine Kaduzierung des Alleingesellschafters erfolgt, was Voraussetzung einer Haftung der Beklagten nach § 67 Abs 1 GmbHG wäre, noch habe (mangels Einforderung der ausständigen Stammeinlage durch die Gesellschaft) im Zeitpunkt der Übertragung ihres Geschäftsanteiles eine fällige Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft bestanden, für die sie gem § 78 Abs 2 GmbHG gemeinsam mit dem Übernehmer des Geschäftsanteiles zu haften hätte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 83.823,12 S Folge und wies das Mehrbegehren ab. Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt vertrat es die Ansicht, die Beklagte hafte - auch ohne Durchführung eines Kaduzierungsverfahrens gegen ihren Vormann - für alle im Zeitpunkt der Übertragung ihres Geschäftsanteiles bestehenden Rückstände auf die Stammeinlage unabhängig davon, ob die Gesellschaft jemals deren Zahlung gefordert habe. Dies folge daraus, daß der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Stammeinlage zwingendes Recht sei und darüber weder ein Vergleich noch ein Verzicht zulässig sei. Die Beklagte habe aber nur in dem sie betreffenden Exekutionsverfahren gegen ihre Pflicht zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung verstoßen, weshalb sie nur für die halben Exekutionskosten nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen ersatzpflichtig sei.

Das Berufungsgericht änderte das (nur in seinem stattgebenden Teil angefochtene) Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren auch in diesem Umfang abwies; es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Primärer Schuldner der Gesellschaft zur Zahlung der Stammeinlage sei der jeweils im Firmenbuch als Gesellschafter Eingetragene. Dessen Vormann hafte gem § 78 Abs 2 GmbHG nur für solche rückständige Leistungen, die im Zeitpunkt der Anmeldung des Überganges des Geschäftsanteiles beim Firmenbuch bereits fällig gestellt worden seien. Eine solche Fälligstellung vor Übertragung sei hier nicht erfolgt. Eine Haftung als Vormann gem § 67 GmbHG setze hingegen voraus, daß gegen den Gesellschafter ein Kaduzierungsverfahren eingeleitet worden sei; auf dieses Erfordernis könne auch dann nicht verzichtet werden, wenn sich die Gesellschaft - wie hier - nach Abweisung eines Konkursantrages mangels Masse im Liquidationsstadium befinde. Die Beklagte hafte zwar für jenen Schaden, der dem betreibenden Gläubiger durch die Nichtabgabe einer Drittschuldnererklärung entstanden sei; dies seien aber nur die Kosten des Drittschuldnerprozesses, nicht auch jene des Exekutionsverfahrens, weil die unterlassene Äußerung für deren Entstehung nicht kausal sei. Der Kostenersatzanspruch im Exekutionsverfahren richte sich gem § 74 Abs 1 EO vielmehr gegen den Verpflichteten, hier also gegen die Gesellschaft.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen der Meinung der Beklagten zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revision meint im Anschluß an die Ausführungen des Berufungsgerichtes iS der Entscheidung SZ 69/96, daß im Fall der Eröffnung eines Konkursverfahrens über die Gesellschaft die Durchführung eines Kaduzierungsverfahrens entbehrlich sei; gleiches habe aber auch dann zu gelten, wenn - wie hier - ein Antrag auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei. Auch stelle sich die Frage, wer in diesen Fällen den Geschäftsanteil des kaduzierten Alleingesellschafters übernehmen hätte sollen. Hierauf ist folgendes zu erwidern:

Der Oberste Gerichtshof hat sich erst jüngst (Beschluß vom 7. 10. 1998, 3 Ob 196/98i) mit dem Problem beschäftigt, ob die Kaduzierung des einzigen Gesellschafters einer GmbH zulässig sei, und diese Frage im Anschluß an die überwiegende deutsche Lehre zur sogenannten "Keinmann-Gesellschaft" bejaht (Scholz/Emmerich GmbHG8 Rz 9 zu § 21; Schulze/Osterloh in Baumbach/Hueck GmbHG16Rz 37 zu § 60). Den Bedenken der Revisionswerberin, ein Verkauf des kaduzierten (einzigen) Geschäftsanteiles werde bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft nicht möglich sein, ist entgegenzuhalten, daß auf die Kaduzierung eines Gesellschafters nach § 66 GmbHG noch nicht zwingend der Verkauf des Geschäftsanteiles des ausgeschlossenen Gesellschafters nach § 68 GmbHG folgen muß. Der wirksame Ausschluß eines Gesellschafters bewirkt nämlich zunächst nur, daß die Gesellschaft ein Verfügungsrecht über dessen Geschäftsanteil nach Maßgabe des § 68 GmbHG erwirbt (Koppensteiner aaO Rz 11 zu § 66). Erlangt aber die Gesellschaft in der Folge vom Vormann des Kaduzierten die geschuldete Zahlung, erwirbt dieser auch den Geschäftsanteil des ausgeschlossenen Gesellschafters (§ 67 Abs 3 GmbHG); die Frage eines Anteilsverkaufes stellt sich in diesem Fall gar nicht.

Im übrigen entspricht es der einhelligen Lehre und Rechtsprechung in Österreich zu § 67 Abs 1 GmbHG (Koppensteiner, GmbHG Rz 2 zu § 67; Feil/Gellis, GmbHG3 Rz 1 zu § 67; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 596; Reich-Rohrwig/Thiery, Exekution auf

Stammeinlagenforderungen, ecolex 1992, 91ff; SZ 52/37 = JBl 1980, 206

[zustimmend König]; EvBl 1998/123 = RdW 1998, 404 = ecolex 1998, 487)

sowie (bei vergleichbarer Rechtslage) auch der deutschen Lehre zu § 22 dGmbHG (Zutt in Hachenburg, GmbHG8 Rz 7 zu § 22;

Lutter/Hommelhoff, GmbHG14 Rz 1 zu § 22; Rowedder in Rowedder, GmbHG3 Rz 2 zu § 22 mwN; Emmerich in Scholz, GmbHG8 Rz 2 zu § 22;

Altmeppen/Roth, GmbHG3 Rz 2 zu § 22), daß eine Haftung des Vormannes für eine nicht gezahlte Stammeinlage die wirksame Kaduzierung des Anteiles, auf den die rückständige Leistung entfällt, voraussetzt. Daß diese Voraussetzung im Fall des Konkurses der Gesellschaft oder im Liquidationsstadium der Gesellschaft zu entfallen hätte, kann weder aus dem Gesetz abgeleitet, noch mit Gläubigerschutzgedanken begründet werden, macht es doch für die Einbringlichkeit der Forderung eines Überweisungsgläubigers einer GmbH keinen Unterschied, ob er seine exekutiven Schritte gegen den Vormann eines Gesellschafters einer noch werbend tätigen oder aber einer sich bereits im Abwicklungsstadium befindlichen Gesellschaft zu setzen hat; auch eine Veränderung in der Rechtsposition des Überweisungsgläubigers infolge Eintritts der Gesellschaft in das Liquidationsstadium ist nicht erkennbar. Die von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung SZ 69/96 = WBl 1996, 370 ist nicht einschlägig, befaßt sie sich doch mit dem Problem der Ausfallshaftung der übrigen Gesellschafter gem § 70 GmbHG für die Einbringung rückständiger Stammeinlagen eines Mitgesellschafters, nicht aber mit den Voraussetzungen einer Vormännerhaftung. Sie ist auch deshalb irreführend, weil sie - wie insbesonders das Zitat von SZ 63/107 zeigt - die Fälle des Konkurses der Gesellschaft und des Konkurses des Gesellschafters nicht auseinanderhält; nur in letzterem Fall kann von der Vermögenslosigkeit des Gesellschafters ausgegangen werden, die ein Kaduzierungsverfahren als Voraussetzung der Haftung nach § 70 GmbHG entbehrlich macht.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Meinung kann sich ein Gesellschafter auch nicht einfach durch Abtretung seines Geschäftsanteiles bei nicht voll eingezahlter Stammeinlage seiner Zahlungsverpflichtung ein für allemal entledigen und so das Ausfallsrisiko auf die Gesellschaftsgläubiger überwälzen. König hat dazu in JBl 1980, 209 die Auffassung vertreten, es bleibe dem Gesellschaftsgläubiger unbenommen, im exekutiven Weg zunächst die Pfändung und Überweisung der der Gesellschaft gegen den aktuellen Gesellschafter zustehenden Forderung auf Einzahlung nicht geleisteter Stammeinlagen zu bewirken, sodann die Pfändung des Vermögensrechts der Gesellschaft auf Nachzahlung durch den Vormann (§ 67 GmbHG) im Wege des § 331 EO und die Ermächtigung nach § 333 Abs 1 EO, die Kaduzierung des säumigen Gesellschafters (§ 66 Abs 2 GmbHG) namens der Gesellschaft vorzunehmen, zu beantragen, und sodann die Pfändung und Überweisung der der Gesellschaft hiedurch verschafften Vermögensmasse, nämlich die erst durch Kaduzierung entstandene konkret bestimmte Nachzahlungsforderung gegen den Vormann, zu begehren. Der Oberste Gerichtshof hat zu dieser Meinung in der bereits zitierten Entscheidung 3 Ob 196/98i ausführlich Stellung genommen und ist (wenn auch mit teilweise anderer Begründung) gleichfalls zum Ergebnis gelangt, daß der Gläubiger einer GmbH mit einem Alleingesellschafter auf die Forderung der Gesellschaft gegen die (noch nicht existenten) "Mitgesellschafter" auf Grund des § 70 GmbHG greifen kann; diese aus §§ 67 und 68 GmbHG ableitbare Forderung bildet ein Vermögensrecht der Gesellschaft auf Kaduzierung und Verwertung des Geschäftsanteiles eines säumigen Gesellschafters, auf das gem §§ 331ff EO Exekution geführt werden kann und das unter Beachtung der §§ 67ff GmbHG zu verwerten ist.

Auch § 78 Abs 2 GmbHG bietet der Klägerin unter den vorliegenden Umständen keine taugliche Anspruchsgrundlage. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, sind rückständige Leistungen iS dieser Bestimmung nur solche, die im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung des Überganges eines Geschäftsanteiles bereits fällig, aber noch nicht bewirkt sind (so auch die einhellige österreichische Lehre: Koppensteiner aaO Rz 9 zu § 78; Reich-Rohrwig aaO 631; Gellis/Feil aaO Rz 7 zu § 78; Reich-Rohrwig/Thiery aaO 92). Auch die deutsche Lehre vertritt zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 16 Abs 3 dGmbhG die Auffassung, daß die Vormänner-Haftung für rückständige Stammeinlagen dadurch bedingt ist, daß die rückständige Leistung fällig ist; Fälligkeit tritt aber erst ein, wenn durch Gesellschafterbeschluß oder durch das in der Satzung benannte Organ der säumige Gesellschafter zur Leistung aufgefordert wird (Lutter/Hommelhoff aaO Rz 17, 19 zu § 16; Zutt aaO Rz 36 zu § 16; Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG Rz 16 zu § 17; idS auch Rowedder aaO Rz 13 zu § 16); dies war hier unstrittig nicht der Fall. Anderes gilt nur, wenn eine Leistungszeit für die Einlage etwa schon in der Satzung, im Kapitalerhöhungsbeschluß oder in der Übernahmeerklärung mit festem Datum oder als "sofort" festgelegt worden wäre, in welchen Fällen es einer Aufforderung oder Einforderung durch den Geschäftsführer nicht bedürfte (Lutter/Hommelhoff aaO Rz 18); dies wurde hier aber nicht behauptet.

Wenn die Klägerin aus der Bestimmung des § 78 Abs 3 GmbHG abzuleiten versucht, daß der Vormann auch für noch nicht eingeforderte Stammeinlagen zu haften habe, übersieht sie, daß es sich bei dieser Bestimmung in Wahrheit um eine Verjährungsvorschrift handelt (Koppensteiner aaO Rz 11 zu § 8), die demnach keine Aussagen über den Haftungsumfang enthält. Daß die Beklagte - entgegen dem von der Revisionswerberin vertretenen Standpunkt - auch durch Abtretung ihres Geschäftsanteiles zu einem Zeitpunkt, als die ausständige Stammeinlage nicht eingefordert war, das Ausfallsrisiko nicht endgültig auf die Gesellschaftsgläubiger überwälzen konnte, wurde schon im Zusammenhang des § 67 GmbHG (unter Hinweis auf König) ausgeführt.

Aus welchem Rechtsgrund die Beklagte zum Ersatz jener Kosten verpflichtet sein soll, die der Klägerin im Exekutionsverfahren gegen die Gesellschaft auf Pfändung der der Gesellschaft gegen die Beklagte angeblich zustehenden Forderungen erwachsen sind, vermag die Revisionswerberin nicht näher zu begründen; daß diese Kosten in der gepfändeten Forderung Deckung gefunden hätten, bildet jedenfalls keine taugliche Anspruchsgrundlage. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Beklagte einerseits im Exekutionsverfahren nicht Partei war und damit nicht kostenersatzpflichtig werden konnte, und daß ihre unterlassene Drittschuldneräußerung andererseits nicht kausal für das Entstehen der Kosten des Exekutionsverfahrens ist; es hat daher auch diesen Anspruchsteil zu Recht abgewiesen. Der Revision war somit auch in diesem Punkt nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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