Spruch:
1.) Der Antrag, eine Überprüfung der Verfassungskonformität des § 70 GmbHG durch den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen, wird zurückgewiesen.
2.) Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 8.365,50 S (darin 1.394,25 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Gründungsgesellschafter einer Gesellschaft mbH waren zu je 25 % die beiden beklagten Ehegatten sowie die Eltern einer der Beklagten, die alle ihre Stammeinlage von je 125.000 S je zur Hälfte einzahlten. Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft und Einforderung der restlichen Stammeinlagen durch den Masseverwalter bei den vier Gesellschaftern zahlten die Beklagten ihre restlichen Stammeinlagen vollständig ein, wogegen die restlichen Stammeinlagen bei den beiden anderen Gesellschaftern ungeachtet der vom Masseverwalter vorgenommenen Klage- sowie Fahrnis- und Gehaltsexekutionsschritte nicht einbringlich gemacht werden konnten. Der Masseverwalter erklärte die beiden säumigen Gesellschafter mangels Zahlung der restlichen Stammeinlagen trotz Nachfristsetzung mit rekommandierten Schreiben vom 15.November 1994 als aus der Gesellschaft gemäß § 66 Abs 2 GmbHG ausgeschlossen.
Die Vorinstanzen gaben dem vom Masseverwalter gegen die Beklagten in zwei zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren erhobenen Begehren von je 62.500 S sA aufgrund deren Haftung gemäß § 70 GmbHG statt.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien ist angesichts fehlender Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des § 70 GmbHG im Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft zulässig, aber nicht gerechtfertigt.
§ 70 GmbHG regelt die Aufbringung von nicht oder nicht vollständig einbezahlten Stammeinlagen. Soweit eine Stammeinlage weder von den Zahlungspflichtigen eingebracht werden kann, noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt wird, haben die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag nach dem Verhältnis ihrer Stammeinlagen aufzubringen (Abs 1). Beiträge, die von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt (Abs 2). Falls der Geschäftsanteil nicht verkauft worden ist, erwerben die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beitragsleistung einen Anspruch auf den diesem Geschäftsanteil zufallenden Gewinn und Liquidationserlös. Wenn nachträglich der Verkauf stattfindet, sind aus dem Erlös den Gesellschaftern die von ihnen geleisteten Beiträge zurückzuerstatten, ein allfälliger Überschuß ist nach Vorschrift des § 68 Abs 5 zu verwenden (Abs 3). Der Normzweck der Bestimmung besteht darin, eine Art letzter Sicherheit für die Aufbringung des Stammkapitals (Koppensteiner, GmbHG, § 70 Rz 1) durch eine zwingende (§ 71 GmbHG) subsidiäre kollektive Ausfallhaftung (Gellis/Feil, GmbH-Recht3, § 70 Rz 1; zur vergleichbaren deutschen Bestimmung des § 24 dGmbHG - dem freilich eine § 70 Abs 3 GmbHG entsprechende Bestimmung fehlt - Emmerich in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz8 § 24 Rz 1 als wirksamen Ausgleich für die im Verhältnis zum Aktienrecht wesentlich vereinfachte Gründung einer Gesellschaft mbH (Emmerich aaO) zur Verfügung zu stellen. Die Bestimmung regelt keinen Bürgschaftsfall, der der Schriftlichkeit der Verpflichtungserklärung als Haftungsvoraussetzung bedürfte. Der Gesellschafter einer Gesellschaft mbH muß demnach nicht nur dann, wenn dies im Gesellschaftsvertrag bedungen ist (§ 72 GmbHG), sondern kraft Gesetzes auch dann, mit der Möglichkeit rechnen, zu Nachschüssen herangezogen zu werden, wenn die übrigen Gesellschafter ihre Einlagen nicht voll einbezahlt haben und die aushaftenden Stammeinlagen weder bei allfälligen Vormännern der säumigen Gesellschafter hereingebracht, noch aus einem Verkauf der Anteile der säumigen Gesellschafter erzielt werden können. Wer sich als Gesellschafter vor diesen Gefahren schützen will, muß sich bei Gründung der Gesellschaft oder beim Eintritt in diese vergewissern, daß die übrigen Gesellschafter ihre Anteile voll eingezahlt haben (HS 2236; vgl auch Stölzle, In welchen Fällen haften die Gesellschafter einer GmbH über ihre beschränkte Haftung hinaus ? in GesRZ 1979, 106).
Ob zu den Voraussetzungen dieser subsidiären Haftung ganz allgemein die Kaduzierung des Geschäftsanteils des säumigen Gesellschafters gehört (bejahend Gellis/Feil aaO § 70 Rz 3 mwN zur historischen Quellenlage; Reich-Rohrwig, Das österr. GmbH-Recht, 601; Kostner/Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung4 Rz 687; Wünsch, Die Haftung der Gründer einer GmbH in GesRZ 1984, 1, 10; bejahend auch, der RG-Judikatur folgend, die deutsche Lehre zu § 24 dGmbHG, so Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz14 § 24 Rz 2, Rowedder in Rowedder, GmbHG2, § 24 Rz 2 ua, zweifelnd Koppensteiner aaO § 70 Rz 2 mwN); oder ob im Konkursfall die Einhaltung der Formalvorschriften der §§ 66 ff GmbHG entbehrlich ist (vgl SZ 63/107 = GesRZ 1990, 224 = RdW 1991, 13 = WBl 1991, 35 = ecolex 1990, 755 für den Fall des Ausgleichs; Koppensteiner aaO § 70 Rz 2; Gellis/Feil aaO § 70 Rz 3 Reich-Rohrwig aaO), muß hier nicht weiter geprüft werden, hat doch der Masseverwalter das Kaduzierungsverfahren eingeleitet und beide säumigen Gesellschafter formgerecht aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
Zur weiteren Frage, ob Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der übrigen Gesellschafter im Kaduzierungsverfahren generell auch der Verkauf des Geschäftsanteils des säumigen Gesellschafters nach § 68 GmbHG ist, vertreten Gellis/Feil (aaO § 68 Rz 1, § 70 Rz 4) die Auffassung, die Veräußerung müsse nicht einmal versucht werden, die Gesellschaft müsse auch nicht die Untunlichkeit dartun, das alles sei mit der Textierung gewollt klargestellt „worden“. Auch Koppensteiner (aaO § 70 Rz 3), Reich-Rohrwig (aaO) und Kostner/Umfahrer (aaO) erachten einen (auch nur versuchten) Verkauf des Geschäftsanteils im Kaduzierungsverfahren nicht, Wünsch (aaO mwN in FN 67) und die deutsche Lehre - diese allerdings bei Fehlen einer § 70 Abs 3 GmbHG entsprechenden Bestimmung - (für viele Rowedder aaO Rz 2) hingegen als erforderlich. Im Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft ist jedoch ein Verkaufsversuch als wohl in aller Regel von vornherein aussichtslos und unzumutbar entbehrlich, weil ein Erlös nicht zu erwarten ist, sodaß er schon deshalb unterbleiben darf (vgl Emmerich aaO § 24 Rz 5), weil damit nur die Masse treffende Kosten zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger aufliefen.
Gläubiger des Anspruchs nach § 70 GmbHG ist die Gesellschaft, durchsetzungsbefugt daher der Geschäftsführer oder im Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft - dessen Eröffnung gemäß § 84 Abs 1 Z 4 GmbHG ihre Auflösung bewirkt - der Masseverwalter (SZ 63/107 mwN; Koppensteiner aaO § 70 Rz 4; vgl auch Baumbach-Hueck, GmbH-Gesetz16, § 24 Rz 9 ua). Die Ansprüche der Gesellschaft, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, gegen ihre Gesellschafter auf Leistung der ausstehenden (weiteren) Stammeinlagen (§ 63 Abs 1 GmbHG) gehören gemäß § 1 KO zum Gesellschaftsvermögen. Der Masseverwalter hat sie ohne Rücksicht auf vertraglich oder durch Gesellschafterbeschluß festgesetzte Zahlungstermine einzufordern; sie sind sofort fällig (zuletzt 6 Ob 563/94 = ecolex 1994, 545 = GesRZ 1994, 223 mwN; 7 Ob 614/93 = RdW 1995, 138 = ZIK 1995, 62 = ecolex 1995, 812; 4 Ob 540, 1517, 1518/89; NZ 1917, 284; Koppensteiner aaO § 63 Rz 5, 7; Reich-Rohrwig aaO 663; Kostner/Umfahrer aaO Rz 670). Es bedurfte hier auch keines Gesellschafterbeschlusses zur Einforderung iS des § 35 Abs 1 Z 2 GmbHG, unterliegt doch der Masseverwalter nicht der Aufsicht durch die Gesellschaftsorgane (Reich-Rohrwig aaO 663).
Die Tatsache, daß eine Stammeinlage vom zahlungspflichtigen Gesellschafter nicht eingebracht werden kann, ist hier durch die ergebnislose Fahrnis- und Gehaltsexekutionsführung des Masseverwalters gegen die beiden säumigen Gründungsgesellschafter - was ein Verfahren gegen allfällige Vormänner nach § 67 GmbHG ausschloß - evident. Der Masseverwalter hat nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens auch im Zuge eines gegen einen der beiden säumigen Gesellschafter geführten Zwangsversteigerungsverfahrens die Pfändung und Überweisung der Hyperocha beantragt, doch mußte er angesichts der sonst ergebnislosen Exekutionsführung mit seiner Klage gegen die nun beklagten Gesellschafter nicht bis zur Beendigung des Liegenschaftsversteigerungsverfahrens (Meistbotsverteilung) zuwarten, wird doch nicht einmal ein Beweis erfolgloser Zwangsvollstreckungsmaßnahmen als unbedingt erforderlich erachtet (Koppensteiner aaO § 70 Rz 3 mwN).
Den Einwand, die eingeforderten Beträge würden von der Gesellschaft nicht mehr zur Befriedigung der Gläubiger benötigt (vgl Emmerich aaO § 24 Rz 7), haben die Beklagten nicht erhoben; ob ein solcher Einwand bei Konkurs der Gesellschaft überhaupt beachtlich sein könnte, muß deshalb hier nicht geprüft werden.
Den von den Revisionswerbern vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 70 GmbHG vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizutreten. Der - im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochene - Grundsatz der Gleichbehandlung der Gesellschafter, auf den die Beklagten ihre Bedenken gründen, verlangt zwar, daß in gleicher Rechtsposition befindliche Gesellschafter gleich behandelt werden, doch kommt darin keineswegs das Gebot einer schematischen Gleichbehandlung aller Gesellschafter, sondern bloß das Verbot deren willkürlichen Ungleichbehandlung zum Ausdruck, die bei einer redlichen und vernünftigen Beurteilung nicht gerechtfertigt erscheint (SZ 52/158 = NZ 1980, 147 mwN). Die Haftung nach § 70 GmbHG kann indes jeden Gesellschafter treffen. Da im Gesellschaftsrecht, insbesondere bei beschränktem Haftungszugriff, stets die Gläubigerinteressen zu wahren sind, nach den Wertungen des GmbHG die reale Aufbringung des Stammkapitals bestmöglich gesichert werden soll und § 70 GmbHG auch der „Angelpunkt“ der Kreditsicherheit der Gesellschaft mbH sein soll (Gellis/Feil aaO § 70 Rz 1), bestehen keine Bedenken, auch jene Gesellschafter zur Zahlung zu verhalten, die ihrer eigenen Einzahlungsverpflichtung vollständig nachgekommen ist, zumal deren bloß subsidiäre Mithaftung mit deren Beteiligung am Stammkapital begrenzt ist, somit keine Gesamtschuld besteht (vgl dazu auch Baumbach-Hueck aaO § 24 Rz 7 ua) und der zahlende Gesellschafter im Innenverhältnis einen Ausgleichsanspruch gegen seinen säumigen Mitgesellschafter hat (vgl Baumbach-Hueck aaO § 24 Rz 10). Es erscheint nur billig, mit dem Ausfallrisiko des säumigen Gesellschafters die übrigen Gesellschafter und nicht die Gläubiger der Gesellschaft zu belasten. Eine - sachlich nicht gerechtfertigte - Ungleichbehandlung der Gesellschafter und damit verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 70 GmbHG sind demnach nicht zu erkennen. Da den Parteien kein subjektives Recht darauf, daß ein Gericht von der Anfechtungsbefugnis nach Art 89 Abs 2 B-VG Gebrauch macht, zukommt, ist der darauf gerichtete Antrag der beklagten Parteien, eine Überprüfung der Verfassungskonformität des § 70 GmbHG durch den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen, zurückzuweisen.
Im Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft mbH bedarf es demnach zum Wirksamwerden der Ausfallshaftung eines Gesellschafters zur Hereinbringung der Stammeinlage nach § 70 GmbHG keines Versuchs des Masseverwalters, den Geschäftsanteil des säumigen Gesellschafters im Kaduzierungsverfahren zu verwerten, wohl aber des vom Masseverwalter zu führenden Nachweises, daß die nicht eingezahlte Stammeinlage beim zahlungspflichtigen Gesellschafter nicht eingebracht werden kann.
Der Revision kann demnach kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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