OGH 1Ob169/98d

OGH1Ob169/98d29.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mathilde R*****, vertreten durch Dr. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Helga P*****, vertreten durch Dr. Steidl & Dr. Burmann, Rechtsanwälte OEG in Innsbruck, wegen Abgabe einer Verzichtserklärung (Streitwert S 65.000,- -), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. März 1998, GZ 3 R 374/97i-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 9. Oktober 1997, GZ 14 C 626/97s-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 23.667,68 (darin S 2.841,28 Umsatzsteuer und S 6.620,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin brachte vor, mit dem verstorbenen Ehemann der Beklagten eng befreundet gewesen zu sein. Dieser habe unter seinem Namen mit einer Bausparkasse einen Bausparvertrag abgeschlossen, der zur Abdeckung eines von der Klägerin aufgenommenen Altbausanierungskredits habe dienen sollen. Zu diesem Zweck habe der Ehemann der Beklagten der Klägerin den Bausparvertrag "durch Übergabe der Polizze geschenkt". Er habe der Klägerin gegenüber erklärt, sie sei berechtigte Eigentümerin des Bausparvertrags. Aus letzterem resultiere ein Guthaben von S 62.517,64. Die Klägerin begehrte, die Beklagte - als Vermächtnisnehmerin - schuldig zu erkennen, in die Auszahlung der diesem Bausparvertrag "zugrundeliegenden Summe" an die Klägerin einzuwilligen.

Die Beklagte wendete ein, ihr Ehemann habe den gemeinsamen Sohn als Alleinerben eingesetzt; ihr habe er unter anderem den Bausparvertrag als Legat zugewendet. Zu Lebzeiten des Ehemanns der Beklagten sei das Guthaben aus dem Bausparvertrag nicht "auf die Klägerin umgeschrieben" worden, eine Schenkung sei nicht erfolgt, insbesondere mangle es einer allfälligen Schenkung an der dazu erforderlichen wirklichen Übergabe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Bausparvertrag des Ehemanns der Beklagten habe bei dessen Ableben ein Guthaben von S 62.517,64 aufgewiesen. Nach dem Vertragsinhalt seien die Erben nach dem Ehegatten der Beklagten bezugsberechtigt. Die Klägerin sei im Besitz der Originalurkunde des Bausparvertrags gewesen. Es sei nicht feststellbar, daß der Bausparvertrag, der auf den Namen des Verstorbenen gelautet habe, der Klägerin übertragen worden sei; weiters sei nicht feststellbar, daß die Bausparkasse eine Mitteilung dahin erhalten habe, daß eine Schenkung des Bausparvertrags an die Klägerin erfolgt sei. Bausparverträge dürften nur an nahe Verwandte zediert werden. Die Klägerin sei keine nahe Angehörige des Verstorbenen, sodaß eine allfällige Schenkung des Bausparguthabens an die Klägerin dem Zessionsverbot unterliege. Die Abtretung der Forderung sei daher unwirksam gewesen. Es mangle der behaupteten Zession des Bausparvertrags aber auch an der gemäß § 943 ABGB erforderlichen "wirklichen Übergabe". Es sei weder die Urkunde bzw der Bausparvertrag "übertragen" noch die Bausparkasse von einer solchen Übertragung verständigt worden. Dem Formerfordernis des § 943 ABGB entspreche die bloße Übergabe der Urkunde nicht.

Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, in die Auszahlung der dem Bausparvertrag zugrundeliegenden Summe an die Klägerin einzuwilligen. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands den Betrag von S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz stellte nach Beweiswiederholung folgenden Sachverhalt fest:

Der verstorbene Ehemann der Beklagten sei seit 1980 mit der Klägerin gut befreundet gewesen. Die Klägerin habe für die Sanierung eines Hauses einen Privatkredit aufgenommen. Im Dezember 1992 habe der Ehemann der Beklagten der Klägerin mitgeteilt, er habe "für die leichtere finanzielle Gebarung der Klägerin hinsichtlich des Hauses" einen Bausparvertrag abgeschlossen. Die Vertragsurkunde habe er der Klägerin gezeigt und übergeben. Dabei habe er erklärt, diese Polizze gehöre ihr, sollte ihm etwas zustoßen. Die Klägerin habe den Bausparvertrag in der Folge bei sich verwahrt. Der Vertrag habe auf den Namen des verstorbenen Ehemanns der Beklagten gelautet, die jährlichen Abrechnungen seien an diesen übersendet worden. Zwischen dem Verstorbenen und der Klägerin sei vereinbart gewesen, daß die Vertragssumme nach Abreifen des Bausparvertrags zur teilweisen Zurückzahlung des Privatkredits der Klägerin verwendet werden sollte. Die laufenden Einzahlungen auf den Bausparvertrag seien vom Ehemann der Beklagten vorgenommen worden. Dieser habe der Bausparkasse nicht mitgeteilt, daß er seine Forderung aus dem Bausparvertrag an die Klägerin zediert habe.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß Bausparbriefe bloße Beweisurkunden darstellten. Die durch den Bausparvertrag verbriefte Forderung sei als bewegliche Sache zu betrachten, sodaß die Übergabe des Bausparbriefs das Erfordernis der symbolischen Übergabe im Sinne des § 427 ABGB erfülle. Die Übergabe der Urkunde stelle den nach außen hin bemerkbaren Akt der Übergabe dar, aus dem der Wille des Geschenkgebers hervorgehe, das Objekt der Zuwendung in den Besitz des Empfängers zu übertragen. Die Übergabe der Beweisurkunde sei unmittelbar nach Abschluß des Bausparvertrags erfolgt; der Übergeber habe weiterhin alle Einzahlungen auf diesen Bausparvertrag geleistet, sodaß zur symbolischen Übergabe der Forderung auch noch die wirkliche Übergabe durch die laufenden Einzahlungen hinzugetreten sei. Die Schenkung erfülle demnach das von § 943 ABGB normierte Formerfordernis.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen eine Schenkung (Übergabe) auf den Todesfall vorliegt (arg.: "Sollte mir ewas passieren, gehört diese Polizze Dir"), die mangels Einhaltung der Notariatsaktsform (§ 1 Abs 1 lit d NotZwG) unwirksam wäre (Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 956 mwN), weil dem Klagebegehren selbst dann, wenn man eine "Schenkung unter Lebenden" annähme, kein Erfolg beschieden sein könnte:

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hat der verstorbene Ehemann der Beklagten der Klägerin den auf seinen Namen lautenden Bausparvertrag im Original übergeben, war dessen Wille darauf gerichtet, daß das Bausparguthaben der Klägerin zur Abdeckung eines Altbausanierungskredits dienen sollte, wurden die laufenden Einzahlungen auf den Bausparvertrag vom Verstorbenen geleistet und die Bausparkasse nicht davon verständigt, daß die Forderung aus dem Bausparvertrag vom Ehemann der Beklagten an die Klägerin zediert worden sei.

Nach § 943 ABGB erwächst dem Geschenknehmer aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrag kein Klagerecht; dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden. Gemäß § 1 Abs 1 lit d NotZwG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. Eine "wirkliche Übergabe" liegt dann vor, wenn der Wille des Geschenkgebers, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen, sinnfällig nach außen erkennbar wird. Der Ausdruck "wirkliche Übergabe" bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens.

Der Oberste Gerichtshof hat schon ausgesprochen, daß ein mit Losungswort versehenes Sparbuch durch die Übergabe und Mitteilung des Losungsworts "wirklich übergeben" wird, wogegen etwa die bloße Übergabe der Berechtigungskarte eines Postsparbuchs, die Übergabe des Sparbuchs ohne Bekanntgabe des Losungsworts oder die Aushändigung eines Postsparbuchs ohne Berechtigungskarte zu einer solchen Annahme nicht hinreichen, weil in diesen Fällen noch nicht die vollständige Verfügungsgewalt eingeräumt wurde (EvBl 1995/148 mwN). Auch im vorliegenden Fall wurde der Klägerin allein durch die Übergabe des "Originalbausparvertrags" nicht die vollständige Verfügungsgewalt über das Bausparguthaben eingeräumt. Bausparbriefe sind keine Sparurkunden wie Sparbücher, also keine Wertpapiere, sondern nur Beweisurkunden über das zwischen dem Sparer (hier der verstorbene Ehemann der Beklagten) und seinem Vertragspartner (Bausparkasse) bestehende Rechtsverhältnis (SZ 64/145; JBl 1977, 600; Avancini, Das Sparbuch im österreichischen Recht, 42). Allein durch die Übergabe des Bausparvertrags wurde die Klägerin - was gerade der Umstand, daß sie einen Rechtsstreit anstrengen mußte, nur zu deutlich belegt - nicht in die Lage versetzt, über das Bausparguthaben zu verfügen; die vollständige Verfügungsgewalt wurde ihr damit gerade nicht eingeräumt. Eine Verständigung des Schuldners (Bausparkasse) durch den Geschenkgeber (den Ehemann der Beklagten), die als Übergabe durch Zeichen im Sinne des § 427 ABGB zu werten wäre (SZ 54/51), ist festgestelltermaßen nicht erfolgt. Unterbleibt eine wirksame, vom Zedenten vorzunehmende Verständigung des Schuldners, so müssen die von jenem dem Zessionar übergebenen Urkunden diesen in die Lage versetzen, legitimiert die Forderung geltend zu machen. Ist das nicht der Fall und wird auch sonst kein nach außen unzweifelhaft erkennbarer Akt gesetzt, der auf andere Weise die materielle Berechtigung, über das Sparguthaben zu verfügen, nachweist, so liegt eine wirkliche Übergabe nicht vor, hat doch der Zessionar in einem solchen Fall die erforderliche vollständige Verfügungsgewalt über die zedierte Forderung noch nicht erlangt. Ihm ist es daher auch verwehrt, dem Schuldner gegenüber unmittelbare Verfügungsakte zu setzen (SZ 54/51 mwN; 7 Ob 695/81). Eine symbolische Übergabe im Sinne des § 427 ABGB hätte nur dann stattgefunden, wenn der Bausparvertrag eine Urkunde darstellte, durch die ein Recht dargetan würde, und nicht nur eine Beweisurkunde vorläge (SZ 42/72).

Die Einzahlungen (Überweisungen) durch den Ehemann der Beklagten auf dessen Bausparkonto bewirkten keine Heilung des Formmangels durch nachträgliche Erfüllung, weil der Bausparvertrag - anders als nach dem in SZ 64/145 zu beurteilenden Sachverhalt - auf den Namen des verstorbenen Ehemanns der Beklagten lautete und nicht auf den der Klägerin, sodaß die Bausparkasse annehmen mußte, mit den Zahlungen bediene er seinen eigenen Bausparvertrag.

Die nicht vom Obersten Gerichtshof, sondern von einem zweitinstanzlichen Gericht in EFSlg 54.174 vertretene Ansicht, man könne die Übergabe eines Bausparbriefs als symbolische Übergabe im Sinne des § 427 ABGB verstehen, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Es ist vielmehr - wie schon dargestellt - darauf abzustellen, daß eine wirkliche Übergabe im Sinne des § 427 ABGB nur dann vorliegt, wenn die volle Verfügungsgewalt über das übergebene Objekt dem Übernehmer gewahrt ist (siehe hiezu auch Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 5 zu § 943; Ertl in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 1392).

Die schenkungsweise Zession der Bausparforderung ist somit mangels wirklicher Übergabe nicht wirksam zustandegekommen, sodaß der Revision und nicht dem Klagebegehren ein Erfolg beschieden sein kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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