OGH 5Ob123/69

OGH5Ob123/697.5.1969

SZ 42/72

Normen

VersVG §166
VersVG §166

 

Spruch:

Zur Frage der Abtretung und der Verpfändung des Anspruchs aus einer Lebensversicherung.

Entscheidung vom 7. Mai 1969, 5 Ob 123/69.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Versicherungsanstalt der Österreichischen Bundesländer schloß mit Dr. W. eine auf den Betrag von 100.000 S lautende Lebensversicherung ab und stellte Dr. W. darüber die Lebensversicherungspolizze Nr. 144.511 aus. Als Versicherungsnehmer scheint darin Dr. W., als Bezugsberechtigter im Todes- und Erlebensfall die minderjährige Beklagte auf. Die Laufzeit der Versicherung ist vom 1. Juli 1956 bis 30. Juni 1984 angegeben.

Die Versicherungspolizze trägt auf der Rückseite den Vermerk: "Alle Willenserklärungen und Anzeigen sind der Gesellschaft gegenüber nur dann wirksam, wenn sie unmittelbar dem Vorstand des Versicherers schriftlich abgegeben und ihm zugegangen sind (§ 14 (3) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen)."

Dr. W. änderte mit verschiedenen Schreiben an den Versicherer wiederholt die Person des Begünstigten. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1960 bestätigte er schließlich der Versicherungsanstalt den Erhalt der Abschrift der Versicherungspolizze Nr. 144.511, in der als Bezugsberechtigte seine minderjährige Tochter, die Beklagte, aufscheint.

Dr. W., der mit der Klägerin persönlich befreundet war, vertrat sie als Anwalt in verschiedenen Angelegenheiten. Die Klägerin händigte ihm im Laufe der Jahre zur Befriedigung ihrer zahlreichen Gläubiger fallweise treuhändig Geldbeträge aus und übernahm auch für ihn bei der AVA ein Darlehen zur Rückzahlung, das noch mit einem größeren Betrag aushaftet.

Anfangs 1967 begab sich Dr. W. zur Vornahme einer Operation ins Krankenhaus, wo ihn die Klägerin öfter besuchte.

Da Dr. W. die ihm von der Klägerin zur Befriedigung ihrer Gläubiger übergebenen Geldbeträge nur zum Teil an diese weitergeleitet hatte, weil er sich damals bereits in finanziellen Schwierigkeiten befand, bedrängten verschiedene Gläubiger die Klägerin mit Exekutionen.

Anläßlich eines solchen Spitalbesuches brachte die Klägerin unter Hinweis auf ihre laufenden Zahlungen an Dr. W. mit Verwunderung die Sprache auf die gegen sie laufenden Exekutionen. Dr. W. gestand nun der Klägerin, daß er einen Großteil der ihm von ihr zur Bezahlung ihrer Gläubiger treuhändig übergebenen Beträge für sich verwendete und beruhigte diesbezüglich die Klägerin damit, daß er ihr die auf die Beklagte als Bezugsberechtigte lautende Lebensversicherungspolizze mit dem Bemerken übergab, sie solle sich die Polizze behalten. Die Klägerin übernahm die Polizze von Dr. W., ohne deren Inhalt zu lesen.

Dr. W. starb am 12. Februar 1967 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung.

Mit Schreiben vom 14. Juni 1967 teilte die Versicherungsanstalt der Österreichischen Bundesländer dem Kurator der Verlassenschaft nach Dr. W., Notarsubstitut Dr. D. mit, daß Dr. W. unter der Polizze Nr. 144.511 auf 100.000 S lebensversichert sei und die Polizze im Todesfall ausschließlich zugunsten seiner noch minderjährigen Tochter laute. Aus der Versicherungspolizze sei ein Betrag von 83.868 S liquid.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien am 16. Juni 1967, wurde der Vertreter der Witwe des Erblassers, Rechtsanwalt Dr. R., abhandlungsbehördlich und bezüglich der Beklagten auch vormundschaftsbehördlich ermächtigt, die Versicherungssumme aus der Lebensversicherung Nr. 144.511 zu realisieren und das Realisat bei der niederösterreichischen Landeshypothekenanstalt in Wien auf ein Sperrsparbuch zu erlegen. Am 3. Juli 1967 berichtete Dr. R. dem Abhandlungsgericht den Vollzug dieser Anordnung.

Mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24. August 1967 wurde auf Antrag des Verlassenschaftskurators Dr. D. wegen Überschuldung des Nachlasses über das Vermögen der Verlassenschaft nach Dr. W. das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. Mai 1968, wurde der Antrag der Klägerin auf Ermächtigung zur Behebung eines Betrages von 44.000 S aus dem Versicherungsrealisat abgewiesen und die Klägerin auf den Rechtsweg verwiesen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von 44.245.69 S samt Anhang zu bezahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß auf Grund einer zwischen Dr. W. und der Klägerin gepflogenen Abrechnung sich zugunsten der Klägerin ein Saldo von 21.245.69 S ergebe. Außerdem habe die Klägerin für Dr. W. bei der AVA ein Darlehen zur Rückzahlung übernommen, das noch mit 23.000 S aushafte. Auf Grund der Übergabe der Versicherungspolizze Nr. 144.511 an sie hätte sie ein Pfandrecht an der Polizze und dem auszuzahlenden Betrag der Versicherungssumme erworben. Es sei ihr auch der Versicherungsbetrag bis zur Höhe ihrer beiden Forderungen von insgesamt 44.245.69 S zediert worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß die Lebensversicherungspolizze Nr. 144.511 bei ihrer Übergabe an die Klägerin auf die Beklagte als alleinige Bezugsberechtigte gelautet habe. Eine solche Polizze sei überhaupt kein Wertpapier und könne daher auch nicht Gegenstand einer Verpfändung durch symbolische Übergabe sein. Die Klägerin sei daher nicht in der Lage, ihre behauptete Forderung gegen Dr. W. aus der übergebenen Polizze zu befriedigen. Aber auch die Abtretung der Ansprüche des Vaters der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag hätte nur durch einen Abtretungsvertrag rechtswirksam erfolgen können. Ein Abtretungsvertrag sei nicht geschlossen worden. In der Erklärung Dr. W.s bei der Übergabe der Lebensversicherungspolizze an die Beklagte:

"Behalte sie Dir, wie wir besprochen haben" liege kein Abtretungsvertrag. Für die Form des Abtretungsvertrages seien überdies die Bestimmungen des Deckungsverhältnisses maßgebend, somit die Vereinbarungen des zwischen Dr. W. als Versicherten und der Österreichischen Bundesländerversicherung als Versicherer abgeschlossenen Vertrages zugunsten Dritter. Nach § 166 VersVG. und § 14 (3) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen seien alle Willenserklärungen und Anzeigen im Verhältnis zwischen Versicherten und Versicherer nur wirksam, wenn sie schriftlich abgegeben werden. Zur Abtretung eines Versicherungsanspruches aus einer auf einen bestimmten Begünstigten lautenden Lebensversicherungspolizze bedürfe es nicht nur des Abschlusses eines Abtretungsvertrages, sondern auch der schriftlichen Anzeige dieser Abtretung an den Versicherer. Eine solche Anzeige habe der bezugsberechtigte Vater der Beklagten als Zessionar an den Versicherer wiederholt erstattet und einen anderen Bezugsberechtigten namhaft gemacht. Wenn Dr. W. eine solche Absicht besessen hätte, hätte er auch bezüglich der Ansprüche der Klägerin eine Anzeige an die Versicherungsanstalt erstattet. Mangels der Möglichkeit einer rechtswirksamen Verpfändung der Polizze und mangels eines Abtretungsvertrages sei der Anspruch der Klägerin nicht gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die von der Beklagten bestrittene passive Sachlegitimation ist gegeben. Die Beklagte wird nicht als Erbin nach ihrem verstorbenen Vater belangt, sondern auf Grund der Verpfändung der Lebensversicherungspolizze Nr. 144.511, somit auf Grund eines zwischen der Klägerin und dem Vater der Beklagten geschlossenen Pfandvertrages sowie auf Grund eines zwischen der Klägerin und dem Erblasser geschlossenen Zessionsvertrages.

Nach § 189 VersVG. 1958 (BGBl. Nr. 2/1959) treten, soweit in den Gesetzen und Verordnungen auf das Gesetz über den Versicherungsvertrag verwiesen ist, an dessen Stelle die entsprechenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes 1958. Der von Dr. W. geschlossene Versicherungsvertrag, dessen Laufzeit mit 1. 7. 1956 begann, ist daher bezüglich seiner Wirkungen nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes 1958 zu beurteilen.

Lebensversicherungspolizzen, die nicht auf den Inhaber, sondern zugunsten bestimmter Personen lauten, sind, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (Rkv 197/49 in VersSlg. Nr. 11 = VersR. 1949 S. 217), keine Wertpapiere. Die Versicherungsurkunde stellt lediglich eine Beweisurkunde und nicht einmal ein Legitimationspapier dar. (Prölß, Versicherungsvertragsgesetz[17] Anm. 6 zu § 3 VersVG.). Das hat aber zur Folge, daß durch die Übergabe des Papiers, da mit dem Recht am Papier nicht auch ein Recht aus dem Papier verbunden ist, ein Pfandrecht nicht begrundet wurde. Eine symbolische Übergabe im Sinne des § 427 ABGB. (§ 451 ABGB.) käme nur dann in Betracht, wenn eine Urkunde, durch die ein Recht dargetan wird, und nicht nur eine Beweisurkunde vorliegt (vgl. hiezu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. 12. 1951 Zl. 2027/9 in VersSlg. 33 = VerwGH. Slg. Nr. 512 F).

Dem steht auch nicht entgegen, daß die Klägerin dem Vater der Beklagten im Hinblick auf die Übergabe der Polizze Geldbeträge zur Verfügung gestellt hat. Durch die Übergabe der Versicherungspolizze konnte, wie bereits ausgeführt wurde, ein Pfandrecht nicht begrundet werden.

Es trifft auch zu, daß Dr. W. seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag der Klägerin nicht zediert hat. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen übergab Dr. W. die Lebensversicherungspolizze der Klägerin als Pfand. Er erklärte dabei, die Klägerin möge sich die Polizze behalten, wie sie besprochen hätten. Eine Abtretung der Forderung wurde gar nicht vereinbart.

Da Dr. W. vom Wesen eines Abtretungsvertrages nach seinem vorausgegangenen Verhalten (Anzeige eines anderen Begünstigten an die Versicherungsanstalt) Kenntnis hatte und ferner der Anspruch der Klägerin etwa 45.000 S betrug, die Versicherungssumme aber auf 100.000 S lautete, kann darin auch nicht der Abschluß eines Zessionsvertrages durch schlüssige Handlungen im Sinne des § 863 ABGB. erblickt werden.

Wohl stellt die Abtretung einen Konsensualvertrag dar. Sie bildet aber ebenso wie die Übergabe keinen abstrakten Vertrag. Wenn das Grundgeschäft einer Formvorschrift unterliegt, so muß diese Form auch erfAbtretung gültig sei (Wolff in Klang[2] VI S. 289, Ehrenzweig, System[2] II/1 S. 261). Eine solche Formvorschrift für die Wirksamkeit der Abtretung in der Rechtssphäre zwischen Zedenten und Zessionar besteht aber nicht (Prölß, Versicherungsvertragsgesetz[17] S. 843, 852, 853). Nur gegenüber der Versicherungsanstalt enthalten die Bestimmungen des § 166 VersVG. und des § 14 (3) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen Vorschriften, deren Nichteinhaltung aber das Zurechtbestehen des Anspruches der Klägerin nicht vereiteln würde. Da aber mangels eines Zessionsvertrages eine Abtretung der Forderung nicht erfolgte, kann das Zurechtbestehen der Ansprüche der Klägerin auch aus dem Rechtsgrund der Zession nicht abgeleitet werden.

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