OGH 9Ob363/97s

OGH9Ob363/97s11.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer, Dr.Spenling, Dr.Hradil und Dr.Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard L*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Karl G.Aschaber ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr.Walter H*****, Rechtsanwalt i. R., ***** vertreten durch Dr.Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 2,510.257,50 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12.September 1997, GZ 4 R 147/97t-19, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß durch die Einbringung einer Feststellungsklage neben einer Leistungsklage die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbrochen wird (SZ 43/222 = ZVR 1971/103; SZ 60/138; EFSlg 69.177; 2 Ob 13/96 ua). Allerdings unterliegen bei einer solchen in einem Feststellungsurteil inbegriffenen Verpflichtung zum Ersatz künftig fällig werdender Rentenbeträge künftig nach dem Feststellungsurteil anfallende Renten neuerlich der dreijährigen Verjährung (SZ 43/222; SZ 67/135; ZVR 1990/121 ua).

Eine wenn auch unrichtige aber vertretbare Rechtsansicht des Rechtsanwaltes, auch wenn sie in der Folge von der Rechtsprechung nicht geteilt wird, führt in der Regel nicht zur Haftung wegen Verschuldens (1 Ob 606/86; 8 Ob 555/91; 1 Ob 503/94; 7 Ob 541/94; 10 Ob 2360/96y ua). Den jährlichen Verdienstentgang eines Verkehrsunfallopfers mit dem Gewinnanteil des Gesellschafters zu vergleichen, der nach der Judikatur (SZ 30/58, HS 535) nicht zu den wiederkehrenden Leistungen gemäß § 1480 ABGB zählt, ist daher grundsätzlich nicht unvertretbar, zumal es bis zu der im Vorverfahren des Klägers ergangenen Entscheidung ZVR 1994/40 keine Entscheidung gab, die den Verdienstentgang ausdrücklich zu den jährlich wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 1480 ABGB gezählt hat. Da SZ 30/58 auf § 337 Abs 1 HGB (= § 182 Abs 1 HGB idF nach dem RLG) verweist, war der Gewinnanteil nur deshalb keine wiederkehrende Leistung, weil er jeweils, wie dies die folgende Rechtsprechung erläuterte, nur nach einem rechtsbegründenden Akt der Gesellschaft fällig wurde und daher nicht im Sinne des § 1480 ABGB von vornherein festgelegt war (SZ 61/221; ZVR 1994/40).

Die Sorgfaltsverletzung des Beklagten liegt aber darin, daß ihm der mögliche Eintritt der Verjährung bewußt war, er nicht nur die Frage der Verjährung geprüft, sondern auch die Möglichkeit der Ausdehnung des bisherigen Klagebegehrens um die nun verjährten Verdienstentgänge oder eine neue Klage bedacht hat und sogar im Verfahren bei Vergleichsgesprächen die Verjährung erwähnt wurde, ohne daß er naheliegende Maßnahmen zur Vermeidung eines Rechtsverlustes traf oder mit dem Kläger diese oder die Rechtsfolgen und deren Unterlassung ernstlich erörterte, sondern ausschließlich auf die Richtigkeit seiner (unrichtigen) Rechtsansicht vertraute. Die vertretbare aber unrichtige Ansicht führt nur dann nicht zur Haftung wegen Verschuldens, wenn bei fehlender Rechtsprechung nicht mit der Möglichkeit gerechnet werden kann, daß auch Verdienstentgänge jährlich wiederkehrende Leistungen sind und auch nur die Möglichkeit der Verjährung nicht besteht (2 Ob 582/83). Da § 1480 ABGB die verschiedenen Arten von Leistungen nur beispielsweise aufzählt (SZ 61/221), konnte die Möglichkeit, daß Verdienstentgänge darunter zu subsumieren seien, bei fehlender ausdrücklicher Rechtsprechung keineswegs ausgeschlossen werden.

Gerade dann, wenn sich dem Rechtsanwalt wie hier die Frage gestellt hat, zur Vermeidung der drohenden Verjährung bestimmte Maßnahmen zu treffen, die keinen Nachteil mit sich bringen, dann hat er sie zu ergreifen, auch wenn sie aufgrund seiner bei der nicht eindeutigen Rechtslage und Judikatur vertretbaren Ansicht möglicherweise nicht notwendig sind (6 Ob 784/82; 2 Ob 582/83; 2 Ob 586/88; 8 Ob 555/91). Daß eine neue Klage oder eine Ausdehnung des Klagebegehrens für den Kläger ein Kostenrisiko bedeutet hätte, mag zwar ein Nachteil sein, doch hätte in diesem Fall der Beklagte den Kläger zumindest ausdrücklich zu belehren gehabt, daß, wenn seine Rechtsansicht von den Gerichten nicht geteilt würde, die Verdienstentgänge bei späterer Geltendmachung unter Umständen verjährt sein könnten (2 Ob 582/83). Es steht aber nur fest, daß der Beklagte zwar die Verjährung und diese vermeidende Maßnahmen erwogen, aber sie im Hinblick auf seine Rechtsansicht, daß die Forderung aufgrund des Feststellungsurteils gesichert sei, unterlassen hat. Dieser Umstand konnte eine Erörterung der Gefahr des Rechtsverlustes durch Verjährung bei Unrichtigkeit seiner Rechtsansicht gegenüber dem rechtsunkundigen Kläger nicht ersetzen, so daß insoweit auch bei vertretbarer Rechtsansicht die Unterlassung naheliegender zumutbarer Maßnahmen die Haftung begründet.

Da sich die Entscheidung im Rahmen der gängigen Rechtsprechung hält, liegt keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung vor.

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