OGH 2Ob13/96

OGH2Ob13/9614.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Gerstenecker und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika S*****, vertreten durch Dr.Josef Peissl und Mag.Klaus Rieger, Rechtsanwälte in Köflach, wider die beklagten Parteien 1.) Zürich Kosmos Versicherungs-AG, 1015 Wien, Schwarzenbergplatz 15, und 2. August Grambichler, Bäcker, 8570 Voitsberg, Am Lobmingbach 20, beide vertreten durch Dr.Christian Moser, Rechtsanwalt in Graz, wegen Zahlung von S 278.000 sA, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 21.November 1995, GZ 5 R 181/95-37, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23.Mai 1995, GZ 21 Cg 464/93i-32, zum Teil aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin wurde am 15.11.1988 bei einem vom Zweitbeklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Das vom Zweitbeklagten gelenkte und gehaltene Fahrzeug ist bei der erstbeklagten Partei haftpflichtversichert.

Mit Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 28.11.1991 wurde festgestellt, daß die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für alle nachteiligen Folgen aus diesem Verkehrsunfall haften; der Haftpflichtversicherer jedoch nur bis zur Höhe der Haftungssummen aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrages.

Mit der beim Erstgericht am 24.7.1992 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin den Ersatz nachstehender Beträge:

Abschleppkosten S 408

Wertersatz für das beim Unfall zerstörte Radio S 2.000

Honorar für eine Ordination bei

Prim. Dr.Kurt R***** vom 24.9.1990 S 600

Honorar für ein HNO-Gutachten vom 16.10.

1990 S 1.200

Honorar für ein HNO-Gutachten vom 26.2.1991 S 1.200

Kosten einer Septo-Rhinoplastik vom 13.3.

1991 S 40.000

Zahnarztkosten aufgrund einer Rechnung vom

17.2.1989 S 6.000

Zahnregulierungskosten S 54.000

Kosten für Kontaktlinsen und Augentropfen

laut Honorarnote vom 5.2.1991 S 6.210

Schmerzengeldrest (nach einer Akontozahlung

von S 100.000) S 150.000

Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen

und Begutachtungen S 6.000

S 267.618.

Die Beklagten erhoben die Einrede der Verjährung, weil durch eine Feststellungsklage nur die Verjährungsfrist solcher Ansprüche unterbrochen werde, die bei Klagseinbringung noch nicht fällig seien. Hinsichtlich der Zahnregulierungskosten über S 54.000 und der Zahnarztkosten über S 6.000 wurde auch die Kausalität des Unfallsereignisses bestritten und hinsichtlich der Kosten für die Nasenoperation die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung eingewendet, daß diese Kosten vom Sozialversicherungsträger zu übernehmen seien.

Die Klägerin vertrat dem gegenüber die Ansicht, daß aufgrund des Feststellungsurteils die 30-jährige Verjährungsfrist gelte. Darüber hinaus habe die Erstbeklagte die im Schreiben des Klagevertreters vom 2.4.1991 konkret geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht abgelehnt, so daß der Lauf der Verjährungsfrist nach § 23 KHVG gehemmt sei.

Mit Zwischenurteil vom 27.11.1992 erkannte das Erstgericht die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin dem Grunde nach als zu Recht bestehend.

Dieses Urteil wurde aufgrund der Berufung der Beklagten, soweit es den aus dem Titel der HNO-Gutachten vom 16.10.1990 und 26.2.1990 geltend gemachten Klagsanspruch betrifft (S 2.400 sA), einschließlich des darauf entfallenden vorangegangenen Verfahrens als nichtig aufgehoben und die Klage hinsichtlich dieses Teilbetrages zurückgewiesen. Im übrigen wurde das Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen (Beschluß vom 18.3.1993).

In der Folge dehnte die Klägerin ihr Klagebegehren um S 12.000 an Zahnregulierungskosten und um S 3.000 an Reisekosten aus. Insgesamt begehrte sie nunmehr (nach einer weiteren Einschränkung) die Zahlung von S 278.000 sA.

Nunmehr erklärte das Erstgericht die Beklagten für schuldig, der Klägerin den Betrag von S 207.008 samt Zinsen zu bezahlen, das Mehrbegehren von S 70.992 wurde rechtskräftig abgewiesen.

Der vom Erstgericht zugesprochene Betrag errechnet sich wie folgt:

Ordination Dr.R***** vom 24.9.1990 S 600

Septo-Rhinoplastik vom 13.3.1991 S 40.000

Abschleppkosten S 408

Ersatz für Radio S 2.000

Zahnkrone S 6.000

restliches Schmerzengeld S 150.000

Fahrtkosten S 5.000

S 1.000

Ersatz für Kontaktlinsen S 2.000

zusammen S 207.008.

Das Erstgericht verneinte die Berechtigung des Einwandes der Verjährung mit der Begründung, daß durch die Feststellungsklage die Verjährungsfrist unterbrochen worden sei. Den Anspruch auf Ersatz der Zahnregulierungskosten sowie den Ersatzanspruch für weiche Kontaktlinsen verneinte es. Die Klagslegitimation der Klägerin wurde bejaht.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht wies das Klagebegehren hinsichtlich eines weiteren Betrages von S 40.000,-- sA ab; im übrigen, also hinsichtlich eines Betrages von S 167.008 samt Zinsen wurde die Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen, wohl aber der Rekurs an den Obersten Gerichtshof.

Zum Aufhebungsbeschluß führte das Berufungsgericht aus, die Rechtssache sei noch nicht spruchreif, weil die Berechtigung des von den Beklagten erhobenen Verjährungseinwandes noch nicht geprüft werden könne. Bereits im Aufhebungsbeschluß vom 18.3.1993 (erster Rechtsgang) sei ausgesprochen worden, daß selbst dann, wenn das Feststellungsurteil eine Einschränkung auf künftige Schäden nicht enthalte, die Einbringung der Feststellungsklage nur die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbreche, hinsichtlich der bereits fälligen Ersatzansprüche aber die Verjährungsfrist weiter laufe; weiters sei in diesem Beschluß ausgesprochen worden, daß nach § 23 Abs 2 KHVG (nunmehr § 27 Abs 2 KHVG) eine Verjährung bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, daß er den Schadenersatzanspruch ablehne, gehemmt sei. Das Erstgericht habe diese ihm überbundene Rechtsansicht nicht beachtet. Es werde daher im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zu treffen haben, aufgrund derer die Fälligkeit der einzelnen Ansprüche beurteilt werden könne; weiters seien auch Feststellungen darüber notwendig, welche Ansprüche die Klägerin zu welchem Zeitpunkt gegenüber den Beklagten geltend gemacht habe und geltend machen konnte, welche Ansprüche also der Erstbeklagten gegenüber angemeldet und wie weit diese durch die Erstbeklagte schriftlich abgelehnt wurden. Es fehle auch eine Feststellung darüber, wann für die Klägerin eine Überblickbarkeit ihres Schmerzumfanges gegeben war.

Den Beklagten sei zuzugeben, daß der Oberste Gerichtshof auch ausgeführt habe, daß die Verjährung auch dann nicht eintrete, wenn nach Vergleichsverhandlungen in angemessener Frist die Klage eingebracht werde. Hätte das Erstgericht die im Aufhebungsbeschluß erteilten Aufträge erfüllt, wäre auch hervorgekommen, wie weit zwischen den Streitteilen Vergleichsgespräche stattgefunden haben oder nicht.

Schließlich fehle auch eine Feststellung über den Zeitpunkt der Einbringung der Klage, die zum Feststellungsurteil führte.

Wegen des Umfanges der nötigen Ergänzungen und Erörterungen und weil Weiterungen im Verfahren nicht ausgeschlossen werden könnten, scheide eine Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung durch das Berufungsgericht aus.

Zum abändernden Teil seiner Entscheidung führte das Berufungsgericht aus, daß die Klägerin hinsichtlich der Kosten für eine Rhinoplastik in der Höhe von 40.000 S zur Klage nicht legitimiert sei, weil der diesbezügliche Anspruch auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil in der Frage, welche Ansprüche ein Feststellungsurteil decke, das keine Einschränkung auf künftige Schadensfolge enthalte, wie auch in der Frage der Verjährung eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 519 Abs 2 ZPO liege.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird beantragt, den Untergerichten eine andere Rechtsauffassung aufzutragen.

Die klagende Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Parteien als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, den Rekurs als unbegründet abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Parteien ist zulässig, weil es keine eindeutige Rechtsprechung zum Zusammentreffen zwischen der Fortlaufshemmung nach § 27 Abs 2 KHVG und der Ablaufshemmung durch Vergleichsverhandlungen gibt, er ist aber nicht berechtigt.

Die beklagten Parteien vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, es wäre dem Berufungsgericht leicht möglich gewesen, die fehlenden Feststellungen durch Verlesung einzelner Protokolle und Gutachten zu treffen und die Rechtssache endgültig zu erledigen. Aus den vorliegenden Gutachten ergebe sich, daß sämtliche Schmerzengeldansprüche bereits am 6.6.1989 abschätzbar waren, spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre es der Klägerin möglich gewesen, ihre Forderungen geltend zu machen.

Weiters wenden sich die Beklagten gegen die Rechtsansicht, die

Verjährung sei gemäß § 23 Abs 2 KHVG bis zur Zustellung einer

schriftlichen Erklärung des Versicherers, daß er den

Schadenersatzanspruch ablehne, gehemmt. Diese Rechtsauffassung würde

bedeuten, daß es in der Hand des Geschädigten liege, durch Abbruch

von Vergleichsverhandlungen - in dem er zu einem unterbreiteten Anbot

einfach nicht mehr Stellung nimmt - den Ablauf der Verjährung ad

infinitum hinauszuschieben. § 23 KHVG solle lediglich vermeiden, daß

der Geschädigte zur Hintanhaltung der Verjährung zu gerichtlichen

Schritten genötigt werde, solange er davon ausgehen könne, daß die

Versicherung seinen Anspruch prüfe. Die Fortlaufshemmung ende jedoch

jedenfalls, sobald sich die Versicherung vergleichsbereit erkläre und

Vergleichsverhandlungen durchgeführt werden. Es obliege dem

Geschädigten, in diesem Fall bei Scheitern der

Vergleichsverhandlungen innerhalb angemessener Frist die Klage zu

überreichen.

Da im vorliegenden Fall Vergleichsverhandlungen geführt wurden und

die klagende Partei auf das Schreiben der erstbeklagten Partei vom

24.1.1991 innerhalb angemessener Frist nicht reagierte, sei Verjährung der Ansprüche des Klägers eingetreten.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Bei der Hemmungsbestimmung des § 27 Abs 2 KHVG 1994 (diese Bestimmung

entspricht dem § 23 KHVG 1987) handelt es sich um eine

Fortlaufshemmung dergestalt, daß nach dem Fortfall des

Hemmungsgrundes der bei Eintritt des Hemmungsgrundes noch nicht

abgelaufene Teil der Verjährungszeit abzulaufen hat, um die

Verjährung herbeizuführen (SZ 48/33 = ZVR 1976/51; ZVR 1976/291; ZVR

1985/50). Von dieser Fortlaufshemmung ist die Ablaufshemmung durch

Vergleichsgespräche zu unterscheiden. Bei Vergleichsverhandlungen

über die Abwicklung von Schadenersatzansprüchen handelt es sich weder

um eine Unterbrechung noch um eine Fortlaufshemmung der Verjährung,

sondern um einen von der Rechtsprechung herausgebildeten besonderen

Fall einer Ablaufshemmung. Die Verjährung tritt dann nicht ein, wenn

nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen in angemessener Frist die

Klage eingebracht wird (SZ 48/33; Schubert in Rummel2, Rz 2 zu § 1501

mwN). Die Fortlaufshemmung nach § 27 Abs 2 KHVG und die

Ablaufshemmung durch Vergleichsgespräche bilden zwei verschiedene Hemmungsgründe und ist nicht einzusehen, weshalb die in § 27 Abs 2 KHVG gesetzlich angeordnete Fortlaufshemmung bei Vergleichsgesprächen nicht gelten sollte. Dem Argument des Rekurses der beklagten Parteien, es liege in der Hand des Geschädigten, durch Abbruch von Vergleichsverhandlungen - indem er zu einem unterbreiteten Anbot der Versicherung einfach nicht mehr Stellung nimmt - den Ablauf der Verjährung ad infinitum hinauszuschieben, ist entgegenzuhalten, daß die Versicherung ihr Anbot befristen kann und wenn sie dies nicht tut, die Regelung des § 862 Satz 2 ABGB Platz greift.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch dargelegt, daß durch die Einbringung der Feststellungsklage, der später stattgegeben wurde, nur die Verjährung aller zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbrochen wurde (SZ 60/137; EFSlg 69.177 uva), und zwar auch dann, wenn das Feststellungsurteil keine Beschränkung auf künftige Leistungen enthält (2 Ob 108/88).

Der erkennende Senat billigt sohin die im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes vertretene Rechtsansicht.

Auch der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Rückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung kann nicht entgegengetreten werden, weil das Berufungsgericht auch eine ergänzende Erörterung für nötig erachtete (siehe Kodek in Rechberger, Rz 6 zu § 496 mwN).

Der in der Rekursbeantwortung vertretenen Ansicht, die Verjährungsfrist könne nicht zu laufen beginnen, bevor der Ersatzanspruch bereits eingetreten ist, kann in dieser allgemeinen Form nicht gefolgt werden. Wie der erkennende Senat erst jüngst in der Entscheidung 2 Ob 2019/96t ausgeführt hat, verbietet es der der Prozeßökonomie dienende Zweck des Verjährungsrechtes, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehung beginnen zu lassen. Ist ein, wenn auch der Höhe nach noch nicht bezifferbarer Schaden einmal eingetreten, sind alle Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben und ist dieser dem Grunde nach entstanden. Der drohenden Verjährung eines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (siehe auch 1 Ob 41,42/94).

Unrichtig ist auch die in der Rekursbeantwortung der klagenden Partei

vertretene Rechtsansicht, daß vor Abschluß der Heilbehandlung und der

Schmerzfreiheit keine endgültige Schadensbeurteilung möglich sei; in

die globale Bemessung des Schmerzengeldanspruches sind nämlich auch

die künftigen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden

Schmerzen einzubeziehen. Eine Teilbemessung kann der Verletzte nur

dann begehren, wenn bei Schluß der mündlichen Verhandlung erster

Instanz die Entwicklung des Leidenszustandes nicht mit erforderlicher

Sicherheit zu beurteilen ist, der Eintritt künftiger Schmerzen also

nicht vorhersehbar ist oder deren Ausmaß nicht abschätzbar ist

(Apathy, KommzEKHG, Rz 38 zu § 13 mwN; siehe auch EFSlg 69.177).

Dem unberechtigten Rekurs der beklagten Parteien war somit ein Erfolg

zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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