OGH 7Ob541/94

OGH7Ob541/9415.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Friedrich Lorenz und Dr.Peter Bönsch, Rechtsanwälte, Makartplatz 7/1, 5020 Salzburg, wider die beklagte Partei Helga V*****, vertreten durch Dr.Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 55.906,10 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 22.Dezember 1993, GZ 21 R 409/93-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 18.Mai 1993, GZ 17 C 2978/91p-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger haben die Beklagte rechtsfreundlich vertreten und begehren ihr der Höhe nach unstrittiges Vertretungshonorar.

Die Beklagte wendet im wesentlichen ein, die Vertretungstätigkeit der Kläger im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Unternehmensveräußerung sei erfolglos gewesen, weshalb ein Honoraranspruch nicht bestehe. Kompensando wurde eine Schadenersatzforderung in der Höhe von S 350.000,-- gegen die Klagsforderung eingewendet. Der Zweitkläger habe die Beklagte im Zusammenhang mit einem beim Bezirksgericht Salzburg anhängigen Verfahren und bei der Anmietung eines Geschäftslokales falsch beraten. Insbesondere habe er es unterlassen, die Beklagte über die Möglichkeit einer Nebenintervention aufzuklären und eine für die Beweislage wichtige Urkunde vorzulegen; er habe sich auch in offensichtlicher Verkennung der Sach- und Rechtslage gegen eine ergänzende Einvernahme der Beklagten und gegen die Vorlage von Bankbelegen ausgesprochen. Aus diesen Gründen sei jenes Verfahren verloren worden. Die von der Beklagten entrichtete Ablöse in der Höhe von S 350.000,-- sei deshalb frustriert gewesen. Der Zweitkläger hätte bei Prüfung des von der Beklagten abgeschlossenen Untermietvertrages erkennen können, daß der Mieter eine unverhältnismäßige Gegenleistung erhalte und Gefahr laufe, aus diesem Grunde vom Bestandgeber gekündigt zu werden, wodurch auch die Beklagte ihre Untermietrechte verliere. Der Zweitbeklagte habe auf sein Honorar verzichtet.

Das Erstgericht ist von nachstehenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen:

Die Beklagte hatte im Februar 1989 Interesse, ein Geschäftslokal im Haus *****, zu übernehmen. Der Zweitkläger korrespondierte mit den Parteien und weiteren Interessenten. Der Rechtsvertreter eines in den Vertrag einzubindenden Interessenten meinte, daß eine Unternehmensveräußerung auf Grund des zwischen der Mieterin und dem Hauseigentümer geschlossenen Bestandvertrages unzulässig sei. Auf Grund dieses Vorbehaltes dürfte die beabsichtigte Unternehmensveräußerung gescheitert sein.

Daneben beriet der Zweitkläger die Beklagte unentgeltlich im Zusammenhang mit der Anmietung eines weiteren Geschäftslokales im genannten Hause. Der Mieter dieses Lokals hatte es seit dem Jahre 1972 vom Hauseigentümer zu einem wertgesicherten monatlichen Mietzins von S 5.506,71 in Bestand genommen und beabsichtigte, sein Geschäft aufzugeben. Er verhandelte unter anderem mit Franz G*****, der Untermieter des Mieters werden sollte. Der Mieter verlangte von vorneherein eine Ablöse in der Höhe von S 350.000,--. Der Untermietzins sollte zunächst das Eineinhalbfache, nach Ablauf von drei Monaten nur mehr das Einfache des Hauptmietzinses betragen. Im Sinne dieser Vereinbarungen verfaßten die Rechtsvertreter des Mieters und des Interessenten entsprechende Verträge. In diesem Stadium trat die Beklagte in die Verhandlungen ein, weil sie mit dem Interessenten Franz G***** vereinbarte, das Geschäft selbst sieben Jahre als Untermieterin zu führen und anschließend an den Interessenten weiter zu geben. Sie wandte sich mit den vorbereiteten Vertragsentwürfen an den Zweitkläger und beauftragte ihn, zu überprüfen, inwieweit die Verträge rechtens seien. Bei verschiedenen Gesprächen wurde auch erörtert, inwieweit die Ablöse eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 MRG darstellen könne. Der Zweitkläger erwähnte der Beklagten gegenüber die von der Rechtsprechung als tolerierbar angesehene 60 % Marke und stellte diverse Berechnungen an. Bei einer Gegenüberstellung des einfachen Untermietzinses und Aufteilung der Ablöse auf mindestens neun Jahre ergab sich keine Überschreitung dieses Prozentsatzes. Der Kläger riet der Beklagten daher nicht ab, die vorbereiteten Verträge zu unterfertigen. Der schließlich in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Mieters vom Mieter, dem Interessenten G***** und der Beklagten unterfertigte Untermietvertrag lautete auf unbestimmte Zeit und sah als Untermietzins das Eineinhalbfache des vom Mieter bezahlten Hauptmietzinses vor. Gleichzeitig unterfertigten dieselben Personen eine Vereinbarung, wonach der im Untermietvertrag enthaltene eineinhalbfache Zins nach drei Monaten auf den einfachen Hauptmietzins ermäßigt werden sollte. Die Untermieter verpflichteten sich zur Zahlung einer Ablöse von S 350.000,--, wobei diese Zahlung als Schadenersatzbetrag bezeichnet wurde. Mit einer gesonderten Vereinbarung zwischen dem Interessenten und der Beklagten verpflichtete sich diese, die Ablöse aus eigenem aufzubringen, während sie das Geschäftslokal zunächst sieben Jahre benützen und dann zugunsten des Interessenten G***** räumen sollte. Dieser verpflichtete sich, anläßlich der Räumung nach sieben Jahren der Beklagten eine Ablöse in der Höhe von S 400.000,-- zu bezahlen. Dem Zweitkläger waren die unterschriebenen Entwürfe bekannt.

Die Beklagte bezog das Geschäftslokal im Jahre 1987, bezahlte die geforderte Ablöse und entrichtete zunächst durch drei Monate den eineinhalbfachen, danach den einfachen Untermietzins.

Am 18.1.1988 brachte der Hauseigentümer eine auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 gestützte Aufkündigung ein, weil der Mieter eine Ablöse in der Höhe von S 350.000,--, erhalten habe. Der Zweitkläger, der den Mieter im Kündigungsprozeß vertrat, brachte zu diesem Thema vor, die Zahlung von S 350.000,-- stelle Schadenersatz für den Verdienstentgang dar, den der Mieter durch die Aufgabe des Geschäftes erleide. Darüberhinaus sei zu beachten, daß der Untermietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen worden sei, sodaß eine allfällige Ablösezahlung auf diesen Zeitraum umgelegt werden müsse, eine unverhältnismäßige Zahlung liege daher nicht vor. In diesem Kündigungsverfahren sprach der Oberste Gerichtshof schließlich aus, daß die Ablöse auf einen Zeitraum von sieben Jahren umzulegen sei. Die Gegenüberstellung der so aufgeteilten Ablöse mit dem eineinhalbfachen Untermietzins auf der einen Seite und dem einfachen Hauptmietzins auf der anderen Seite ergebe eine unverhältnismäßige Gegenleistung. Die Aufkündigung sei daher wirksam (***** Ob *****).

Das Erstgericht hielt noch fest, daß sich auf der Grundlage der in jenem Verfahren festgestellten Zahlungen (einhalbfacher Hauptmietzins für die Dauer von drei Monaten und anschließend einfacher Hauptmietzins) und des vom Obersten Gerichtshof vorgegebenen Siebenjahreszeitraumes, eine Überschreitung des Hauptmietzinses durch den vom Untermieter bezahlten Zins um 77 % ergebe. Nicht festgestellt werden konnte, daß der Zweitkläger auf das Honorar verzichtet hätte.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß den Klägern der unterbliebene Vertragsabschluß anläßlich der beabsichtigten Unternehmensveräußerung nicht vorgeworfen werden könne. Eine Schlechtvertretung der Beklagten im Aufkündigungsprozeß liege nicht vor, weil die Weichen schon vor dem Verfahren gestellt worden seien. Das Erstgericht sprach daher aus, daß die Klagsforderung zu Recht, die Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es könne dahin gestellt bleiben, ob die Beratungstätigkeit des Zweitklägers lediglich aus Gefälligkeit oder im Rahmen einer anwaltlichen Dauerbeziehung erfolgt sei, weil der Beklagten aus der Frage, ob die Ablösezahlung auf sieben oder auf zehn Jahre aufzuteilen sei, kein Schade erwachsen sei. Dem Zweitkläger könne nicht vorgeworfen werden, bei Beratung der Beklagten über die Höhe der von ihr zu bezahlenden Ablöse den Aufteilungszeitraum nicht auch auf sieben bzw auf zehn Jahre umgelegt zu haben. Der Kern des Prozeßverlustes sei darin gelegen, daß neben der Ablösezahlung auch ein höherer Untermietzins vereinbart worden sei, als der Mietzins betragen habe. Der Zweitkläger habe bei seinen Beratungen nicht von einem solchen erhöhten Mietzins ausgehen müssen, weil dies den Informationen widersprochen habe. Die Beratungstätigkeit sei daher nicht unrichtig gewesen. Schließlich liege eine mangelhafte Vertretung im Aufkündigungsverfahren auch dann nicht vor, wenn man vom Bestehen eines Mandatsverhältnisses ausgehe. Der Vorwurf, eine entscheidende Urkunde nicht vorgelegt zu haben, treffe nicht zu, weil beweispflichtig für das Vorliegen der Kündigungsgründe der Aufkündigende sei und der Prozeßgegner nicht verhalten sei, Urkunden zu einem Thema vorzulegen, zu welchem jegliches Vorbringen fehle.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil den Grenzen der Haftung bei rechtsfreundlicher Tätigkeit erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft. Ein Verfahrensmangel liegt alllerdings nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Sache selbst wird den Ausführungen des Berufungsgerichtes beigetreten.

Nach den Feststellungen wurde der Zweitkläger als Rechtsanwalt mit der Prüfung der in Aussicht genommenen Untermietverträge beauftragt. Da der Zweitkläger die Beklagte bereits in mehreren Fällen vertreten hatte und ausdrücklich mit der Überprüfung der Verträge beauftragt wurde, ist eine Beauftragung im Rahmen einer rechtsanwaltlichen Dauerberatung anzunehmen. Für eine allfällige Fehlleistung hätte daher der Zweitkläger einzustehen, auch wenn für die Beratung Honorar nicht verlangt wurde.

Eine haftungsbegründende Fehlleistung liegt allerdings nicht vor.

Ein Rechtsanwalt haftet seiner Partei gegenüber für Unkenntnis der Gesetze sowie einhelliger Lehre und Rechtsprechung. Er muß daher seine Partei aufklären, wenn nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes oder nach der einhellig herrschenden Rechtsausübung eine Prozeßführung aussichtslos ist (stRsp AnwBl 1990, 457 uva). Er haftet jedoch nicht für eine unrichtige, aber vertretbare Gesetzesauslegung, auch wenn diese in der Folge vom Gericht nicht geteilt wird (AnwBl 1973, 74; NZ 1992, 107).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann dem Zweitkläger eine unterlassene Aufklärung der Beklagten vor Abschluß des Untermietvertrages nicht zum Vorwurf gemacht werden. Der Zweitkläger hat die Beklagte jedenfalls darauf hingewiesen, daß bei Leistung einer Ablösezahlung die Gefahr der Verwirklichung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG besteht und verschiedene Berechnungen über den Zeitraum, auf welchen die Ablösezahlung umgelegt werden kann angestellt. Er hat der Beklagten gegenüber auch erwähnt, daß eine Überschreitung des Hauptmietzinses bis zu 60 % von der Rechtsprechung toleriert wird und dargetan, daß bei einer Aufteilung der Ablöse auf neun Jahre dieser Prozentsatz nicht überschritten würde. Damit ist der Zweitkläger seiner Aufklärungspflicht nachgekommen. Eine Entscheidung, auf welchen Zeitraum die von der Beklagten geleistete Ablösezahlung umzulegen sei, erfolgte durch den Obersten Gerichtshof erst in jenem Verfahren nach den Umständen des dort zu beurteilenden Einzelfalles; eine diesbezügliche gesetzliche Bestimmung liegt nicht vor. Von einer gesicherten bestehenden Judikatur, von der der Zweitbeklagte abgewichen sein könnte, konnte zum Zeitpunkt der Beratung der Beklagten durch den Zweitkläger ebenfalls nicht gesprochen werden. Daß die Rechtsansicht, die Ablösezahlung sei bei derartigen Verträgen (auf unbestimmte Zeit) nicht jedenfalls auf bestimmte Zeiträume umzulegen, vertretbar ist, läßt sich auch aus der im genannten Verfahren ergangenen Entscheidung des Berufungsgerichtes, in der Ansicht des Zweitklägers (Aufteilung des Ablösebetrages auf neun Jahre würde "reichen", also keine Unverhältnismäßigkeit bedeuten) gebilligt wurde, ableiten. Jedenfalls lag eine gesicherte Rechtsprechung des Höchstgerichtes zu diesem Thema zum Zeitpunkt der Beratung der Beklagten durch den Zweitkläger nicht vor.

Die geltend gemachte Gegenforderung besteht daher nicht zu Recht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 51 ZPO. Kosten für die Revisionsbeantwortung wurden nicht erstattet.

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