Spruch:
Dem Revisionsrekurs der drittbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben und der angefochtene Beschluß (der in seinem Punkt II. als unangefochten unberührt bleibt) in seinem Punkt I. betreffend die drittbeklagte Partei bestätigt.
Der Rekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Gegen alle Beklagten wurden Versäumungsurteile erlassen, gegen den Drittbeklagten am 24.5.1995. Dieses Versäumungsurteil wurde am 30.5.1995 zugestellt. Das Titelgericht bestätigte am 30.6.1995 die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des gegen den Drittbeklagten gerichteten Versäumungsurteils. Die Klägerin führt zu 9 E 7420/95m des Bezirksgerichtes Floridsdorf Exekution. Am 16.2.1996 beantragten die Beklagten die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigungen hinsichtlich aller Versäumungsurteile. Das Erstgericht gab diesem Antrag im ersten Rechtsgang statt (ON 16). Die Versäumungsurteile seien nicht von Dienstnehmern der Beklagten übernommen worden und den Beklagten auch nicht zugekommen. Auf Rekurs der Klägerin hob das Rekursgericht diesen Beschluß zur Verfahrensergänzung auf.
Nach Vernehmung des Zustellorgans der Post und des Drittbeklagten hob das Erstgericht auch im zweiten Rechtsgang die Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit aller drei Versäumungsurteile auf. Es könne nicht als erwiesen angenommen werden, daß die Versäumungsurteile von Dienstnehmern der Beklagten übernommen worden seien.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und änderte den Beschluß hinsichtlich des Drittbeklagten dahin ab, daß sein Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils abgewiesen wurde. Hinsichtlich der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten hob das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes neuerlich zur Verfahrensergänzung auf. Das Rekursgericht ergänzte das Verfahren durch Vernehmung von acht Zeugen und des Drittbeklagten durch einen beauftragten Richter des Rekurssenates sowie durch Einsicht in einen Aktenvermerk des früheren Rechtsvertreters des Drittbeklagten und stellte danach fest, daß die Versäumungsurteile gegen die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte von unbekannt gebliebenen Dienstnehmern dieser Parteien, das Versäumungsurteil gegen den Drittbeklagten aber von einem namentlich bekannten Dienstnehmer am 30.5.1995 übernommen worden seien. Das Versäumungsurteil sei dem Drittbeklagten auch ausgefolgt worden (S 5 f in ON 57). Ein allfälliger Zustellmangel sei daher geheilt.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs hinsichtlich der Entscheidung über den Antrag des Drittbeklagten nicht zulässig sei.
Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Drittbeklagte die Abänderung dahin, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage der Ergänzung des Beweisverfahrens durch das Rekursgericht in einem nach den Bestimmungen der ZPO durchzuführenden Verfahren nach § 7 Abs 3 EO eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehlt. Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Der Rekurswerber führt für seine Ansicht, das Rekursgericht hätte nicht von den aufgrund unmittelbarer Beweisaufnahmen getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes abweichen dürfen, das Neuerungsverbot, vor allem aber die Entscheidung des verstärkten Senates vom 2.12.1993, 6 Ob 650/93 = SZ 66/164, ins Treffen. Diese Entscheidung scheint auf den ersten Blick tatsächlich für den Standpunkt des Drittbeklagten zu sprechen. Der in einem Sicherungsverfahren gefundene Leitsatz besagt, daß auch in einem Sicherungsverfahren die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht insoweit ausgeschlossen sei, als dieser den Sachverhalt aufgrund vor ihm abgelegter Zeugen- oder Parteiaussagen als bescheinigt angenommen habe. Nach den anzuwendenden Bestimmungen der ZPO habe das Rekursgericht über den Rekurs gemäß § 526 Abs 1 ZPO (§§ 78, 402 Abs 4 EO) ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden. Wenn die Beweise vom Erstrichter unmittelbar aufgenommen worden seien, könne die Beweiswürdigung und eine Umwürdigung der Beweise durch das Rekursgericht nur nach gleichartiger Beweisaufnahme erfolgen, was aber wegen des Ausschlusses einer Rekursverhandlung nicht möglich sei. Eine "gleichwertige Beweiswiederholung" sei in diesem Fall nicht möglich.
Das vorliegende Verfahren nach § 7 Abs 3 EO unterliegt den Vorschriften des Titelverfahrens, also der ZPO, es handelt sich nicht um eine Entscheidung des Exekutionsverfahrens (MGA EO13 § 7/214). Das Verfahren ist von Amts wegen oder auf Antrag zu führen. Im Regelfall ist die Rechtswirksamkeit von Zustellungen anläßlich der Titelschöpfung zu prüfen. Diese Prüfung ist inhaltlich dieselbe, wie sie im Vorprüfungsverfahren vom Berufungsgericht (§§ 471, 473 und 474 Abs 2 ZPO) oder aber auch vom Rekursgericht bei der Prüfung des Vorliegens einer allfälligen Nichtigkeit vorzunehmen ist. Nichtigkeiten sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und wahrzunehmen. In amtswegig durchzuführenden Verfahren hat das Gericht zweiter Instanz ohne formelles Beweisverfahren Erhebungen zu pflegen. Zur Tatsachenermittlung kann jede Erkenntnisquelle herangezogen werden (für das Vorprüfungsverfahren des Berufungsgerichtes: 10 ObS 369/90 mwN). Die Erhebungspflicht ergibt sich aus § 473 Abs 2 ZPO für das Berufungsverfahren und aus § 526 Abs 1 2.Satz ZPO für das Rekursverfahren. Um derartige Erhebungen geht es hier zwar nicht unmittelbar, weil nicht eine im vorliegenden Verfahren nach § 7 Abs 3 EO erfolgte Zustellung zu prüfen ist, sondern ein Zustellvorgang außerhalb dieses Verfahrens, nämlich des Titelverfahrens. Da aber das Beweisthema, nämlich der Prozeßtatbestand einer wirksamen Zustellung, inhaltlich völlig identisch mit demjenigen im Vorprüfungsverfahren vor dem Berufungsgericht ist und weil das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO nur als Annexverfahren des Titelverfahrens aufgefaßt werden kann (in welchem eben auch die Rechtswirksamkeit von Zustellungen zu prüfen ist), ist es gerechtfertigt, die zitierten Gesetzesbestimmungen über das Vorprüfungsverfahren sinngemäß auch hier anzuwenden, insbesondere weil das Gesetz auch für das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO die amtswegige Prüfung des Zustellvorganges anordnet. Diese Prüfung durfte das Rekursgericht auf der Basis der erforderlichen und erstmals von ihm selbst vollständig durchgeführten Beweisaufnahmen vornehmen. Eine unmittelbare Beweisaufnahme ist vom Gesetz weder für das Verfahren erster Instanz noch für das Rekursverfahren zwingend vorgeschrieben. Die Aufnahme der Zeugenbeweise durch einen beauftragten Richter (§ 35 Abs 1 JN; § 282 ZPO) ist zulässig und unbedenklich. Zu demselben Ergebnis gelangte man, wenn man in der Beweisaufnahme des Rekursgerichtes nur eine Verfahrensergänzung zur Sanierung der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens erblickte. Probleme unter dem Gesichtspunkt des Unmittelbarkeitsgrundsatzes stellten sich nicht, weil das Hauptargument der zitierten Entscheidung des verstärkten Senates über die besondere Richtigkeitsgewähr der Beweiswürdigung unmittelbar aufgenommener Beweise immer nur vollständige Beweisaufnahmen des Erstgerichtes betreffen kann. Darauf braucht jedoch nicht näher eingegangen werden, weil dem Revisionsrekurs schon aus den dargelegten Gründen nicht stattzugeben ist.
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