OGH 6Ob191/97z

OGH6Ob191/97z11.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud F*****, Angestellte, ***** vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Johann F*****, Lokführer, ***** vertreten durch Dr.Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhaltes, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom 25.Februar 1997, GZ 10 R 16/97y-31, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Tulln vom 2.Oktober 1996, GZ 1 C 6/96y-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von 34.500,-- S an rückständigem Unterhalt und von monatlich 400,-- S vom 1.2.1996 bis 30.4.1996 und von monatlich 1.900,-- S ab 1.5.1996 in Rechtskraft erwachsen sind, werden im übrigen, also hinsichtlich eines Rückstandes von 20.000,-- S samt stufenweisen Zinsen sowie hinsichtlich der weiteren laufenden Unterhaltsbeträge ab 1.2.1996 aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom März 1994 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden. Während des Scheidungsverfahrens verpflichtete sich der Beklagte mit Vergleich vom 31.1.1994, der Klägerin monatlich 5.000,-- S Unterhalt zu zahlen. Bis April 1994 kam er dieser Verpflichtung nach, von Mai 1994 bis Oktober 1995 zahlte er monatlich 2.500,-- S, im November und Dezember 1995 nichts, von Jänner bis April 1996 3.000,-- S, von Mai bis September 1996 500,-- S.

Der Beklagte leistete für seinen 1980 geborenen Sohn Michael F***** nach der Scheidung 5.190,-- S monatlich an Unterhalt und seit November 1995 wegen Eintrittes teilweiser Selbsterhaltungsfähigkeit nurmehr 2.500,-- S monatlich. Er hat am 20.4.1996 wieder geheiratet, seine Ehefrau ist nicht berufstätig. Der Beklagte ist Lokführer (Dienstort Südbahnhof) und erhält neben seinem Grundgehalt nach gefahrenen Stunden mit dem Triebfahrzeug berechnetes Triebfahrzeugkilometergeld, Tagespauschale, Nachtdienstzulagen sowie Samstag- und Sonntagszuschläge. Der Beklagte hat einen beruflichen Mehraufwand nur durch die Einnahme von Mahlzeiten außer Haus. Die Klägerin bezieht als angestellte Halbtagskraft bei einer Bank ein wesentlich geringeres Einkommen als der Beklagte.

Die Klägerin begehrte zuletzt an rückständigem Unterhalt 54.500,-- S und ab 1.2.1996 laufenden Unterhalt von 5.000,-- S monatlich. Der Beklagte verdiene als Lokführer bei den Österreichischen Bundesbahnen durchschnittlich 35.000,-- S, während sie selbst unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen und Überstunden monatlich nur rund 12.000,-- S ins Verdienen bringe.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte ein, sein Einkommen sei wesentlich niedriger, weil Aufwandsentschädigungen gar nicht, Zulagen aber nur zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Er habe einen Mehraufwand an Fahrtkosten vom Wohnort Sieghartkirchen zum Dienstort Wien Südbahnhof mit dem privaten PKW in Höhe des amtlichen Kilometergeldes. Im übrigen habe er durch Wiederverheiratung weitere Sorgepflichten.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung ein monatliches Nettoeinkommen des Beklagten von 30.839,80 S und der Klägerin von 12.022,50 S im Jahr 1994 zugrunde. 1995 habe der Beklagte monatlich netto 30.349,60 S und die Klägerin 12.502,30 S verdient. Im Jahr 1996 habe das Einkommen des Beklagten im ersten Halbjahr durchschnittlich 32.507,10 S und jenes der Klägerin 14.219,70 S betragen. Da der Beklagte an Mehraufwendungen lediglich Mahlzeiten außer Haus habe, sei nur die Hälfte der Tagespauschale von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, die übrigen Zulagen seien zur Gänze in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Vom Anspruch der Klägerin auf 40 % des Familieneinkommens seien 4 % für die Unterhaltsansprüche des Sohnes der Streitteile und ab der Wiederverheiratung des Beklagten weitere 4 % in Abzug zu bringen. So berechnet ergebe sich ein Unterhaltsrückstand von 17.000,-- S und an laufendem Unterhalt vom 1.2.1996 bis 30.4.1996 von 2.600,-- S monatlich, ab 1.5.1996 750,-- S monatlich. Das Mehrbegehren sei abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge, wohl aber jener der Klägerin und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, einen Unterhaltsrückstand von 20.000,-- S samt stufenweisen Zinsen sowie vom 1.2.1996 bis 30.4.1996 monatlich 4.600,-- S und ab 1.5.1996 monatlich 3.100,-- S zu zahlen.

Zutreffend habe das Erstgericht darauf verwiesen, daß sowohl das Triebfahrzeugkilometergeld als auch die Tagespauschalen teilweise Mehraufwendungen des Beklagten decken sollten. Da dieser konkret lediglich einen Mehraufwand durch die Einnahme von Mahlzeiten außer Haus nachgewiesen habe, sei dieser Mehraufwand durch Abzug der Hälfte der Tagespauschale von der Bemessungsgrundlage mehr als ausgeglichen. Alle übrigen Zulagen stellten Einkommen dar, über das der Beklagte frei verfügen könne. Fahrtkosten zum und vom Arbeitsplatz bildeten keine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage, weil sie als Ausgaben des täglichen Lebens nahezu jeden Dienstnehmer träfen, der nicht unmittelbar im Bereich seiner Arbeitsstelle wohne. Die Berufung des Beklagten sei daher nicht berechtigt.

Das Erstgericht habe das Nettodurchschnittseinkommen des Beklagten im Jahre 1996 unrichtig berechnet; tatsächlich habe dieses 34.155,21 S betragen; auch die zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung bekannten Einkünfte des Beklagten im August und September 1996 hätten mitberücksichtigt werden müssen, weil sich durch die besonders gute Einkommenssituation in diesen beiden Monaten - durch Auszahlung von schon 1995 erbrachten Überstunden - das Durchschnittsnettoeinkommen wesentlich erhöht habe. Andererseits habe das Erstgericht zu Lasten der Klägerin eine einmalige Sonderzahlung nicht auf das gesamte Jahr 1996 sondern nur auf 7 Monate aufgeteilt. Durch die aliquote Berücksichtigung dieser Sonderzahlung mindere sich das monatliche Durchschnittseinkommen der Klägerin im Jahr 1996 auf 13.577,80 S netto.

Die unterhaltsberechtigte Klägerin müsse sich von ihrem Anspruch auf 40 % des Familieneinkommens für die Sorgepflicht des Beklagten für den gemeinsamen Sohn einen Abzug von 4 % gefallen lassen, dieser Abzug vermindere sich allerdings, wenn sich auch die Zahlungspflicht des Unterhaltsschuldners wegen der teilweisen Selbsterhaltungsfähigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes verringere. Es seien daher ab diesem Zeitpunkt (November 1995) nur mehr 2 % hiefür abzuziehen. Bei einem Familieneinkommen von monatlich 43.114,50 S netto und einem Eigeneinkommen der Klägerin von monatlich 12.502,30 S netto errechne sich von Jänner bis Oktober 1995 ein Unterhalt von gerundet 3.000,-- S, für November und Dezember 1995 von 3.900,-- S. Die Sorgepflicht für die nicht berufstätige Ehegattin des Unterhaltsschuldners könne nur mit maximal 3 % berücksichtigt werden. Ab der Eheschließung des Beklagten im Mai 1996 vermindere sich daher der Unterhaltsanspruch der Klägerin auf 35 % des Familieneinkommens abzüglich des Eigeneinkommens. 1996 sei das durchschnittliche Nettofamilieneinkommen mit 47.733,01 S und das Eigeneinkommen der Klägerin mit 13.577,80 S anzusetzen. Vom Jänner bis April 1996 betrage der Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten daher 4.600,-- S, ab Mai 1996 3.100,-- S. Der gesamte Unterhaltsrückstand errechne sich somit mit 20.000,-- S.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine in der Rechtsprechung bislang uneinheitlich oder nicht gelöste Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu entscheiden gewesen seien.

Die Revision des Beklagten ist zur Wahrung der Rechtseinheit zulässig und im Sinne der in erster Linie beantragten Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu den vom Beklagten bezogenen Zulagen und zur Abgeltung seines Mehraufwandes sind zutreffend. Grundsätzlich bilden sämtliche tatsächlich erzielten Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Einkünfte, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes dienen, haben außer Betracht zu bleiben. Aufwandsentschädigungen, die nicht nachweislich und ausschließlich für einen entsprechenden berufsbedingten Mehraufwand verwendet werden, sind nur im Zweifel in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Was von solchem Einkommen für den widmungsgemäßen Zweck nicht benötigt wird, kann nicht anders beurteilt werden als Einkommen, weil es dem Unterhaltspflichtigen auch als Einkommen zur Verfügung steht. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen nach Beweisaufnahmen festgestellt, daß der nur in der notwendigen Einnahme von Mahlzeiten außer Haus bestehende Mehraufwand durch einen Teil des Tagespauschales (50 %) ausreichend berücksichtigt ist, während das dem selben Zweck dienende Triebfahrzeugkilometergeld, umsomehr Sonn- und Feiertagszuschläge, dem Beklagten als Einkommen zur Verfügung stehen. Diese Feststellungen sind vom Obersten Gerichtshof der rechtlichen Beurteilung ohne weitere Überprüfung zugrunde zu legen.

Es steht fest, daß die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für seinen Sohn wegen dessen teilweise eingetretener Selbsterhaltungsfähigkeit um mehr als 50 % herabgesetzt wurde. Die Berücksichtigung eines Abzuges von nur 2 % ab dem Eintritt dieser teilweisen Selbsterhaltungsfähigkeit ist daher ebenso gerechtfertigt, wie es der Rechtsprechung entspricht, für die nicht berufstätige zweite Ehefrau einen Abzug von 3 % zuzuerkennen.

Während bei der Klägerin feststeht, daß die nur aliquot berücksichtigte Sonderzahlung (Bilanzgeld) nur einmal jährlich ausgezahlt wird und daher zu Recht bei der Ermittlung des monatlichen Nettoeinkommens nur aliquot auf die herangezogenen Monate angerechnet wurde, resultieren die mehrfachen Sonderzahlungen an den Beklagten während eines Jahres aus rückständigen geleisteten Überstunden aus den Vorjahren. Nach den Angaben des vom Dienstgeber entsandten Zeugen Werner R***** hatte der Beklagte im Juli 1996 noch immer ein Überstundenguthaben von 106 Stunden (!), für dessen Geltendmachung durch Zahlungsbegehren anstelle von Freizeitausgleich der Beklagte drei Jahr Zeit hat. Es ist daher davon auszugehen, daß er auch in der zweiten Hälfte des Jahres 1996 weitere Überstunden "abrufen" konnte, sodaß eine Aliquotierung nur der tatsächlich schon ausgezahlten Überstundennachzahlungen im Sinne einer Aufteilung auf das gesamte Jahr 1996 als nicht der tatsächlichen Zukunftsprognose entsprechend vom Berufungsgericht zu Recht nicht angenommen wurde.

Zutreffend aber verweist der Revisionswerber darauf, daß die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu den Fahrtkosten des Beklagten nicht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entsprechen. Der Beklagte hat ausdrücklich vorgebracht, er habe mit dem privaten PKW monatlich rund 1000 km vom Wohnort (Sieghartkirchen) zum Dienstort (Wien Südbahnhof) zurückzulegen und damit einen Mehraufwand in Höhe des amtlichen Kilometergeldes gehabt. Er hat dazu - unter Vorweis eines allerdings nicht zum Akt genommenen Dienstplanes - ausgesagt, häufig so früh seinen Dienst antreten zu müssen oder so spät zu beenden, daß ihm kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung stehe und er daher auf die Nutzung seines Autos angewiesen sei. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, daß Fahrtkosten dann als abzugsfähige Aufwendungen zu beurteilen sind, wenn sie die durchschnittlichen Aufwendungen anderer Unterhaltspflichtiger aus diesem Titel übersteigen (8 Ob 639/91 ua). Kosten bei der Benützung eines PKW für Fahrten zum und vom Arbeitsplatz sind als Abzugsposten dann anzuerkennen, wenn der Unterhaltspflichtige seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichen kann (1 Ob 507/91 = RZ 1991/70; 3 Ob 2200/96b u.a.); gerade das aber hat der Beklagte vorgebracht. Eine Prüfung und Feststellung, ob und durchschnittlich wie oft im Monat die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich ist (zu berücksichtigen wird sein, daß der Beklagte als ÖBB-Bediensteter Fahrten mit der Bahn oder ÖBB-Autobussen jedenfalls ohne jede Zahlung in Anspruch nehmen kann und daher nur der Mehraufwand gegenüber anderen pendelnden Dienstnehmern für Fahrten von und zur Arbeit abzugsfähig wäre), ist unterblieben. In diesem Umfang ist daher vor der neuerlichen Entscheidung noch eine Verfahrensergänzung erforderlich.

Der Ausspruch über den Vorbehalt der Rechtsmittelkosten beruht auf § 52 ZPO.

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