OGH 1Ob507/91

OGH1Ob507/9113.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Kellner, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der mj. Michaela M*****, geboren am 1. Juli 1973, und der mj. Petra M*****, geboren am 30. Jänner 1976, infolge Revisionsrekurses der beiden Minderjährigen, vertreten durch ihre Mutter Christine R*****, Gastgewerbebedienstete, ***** diese vertreten durch Dr. Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 24. Oktober 1990, GZ R 1049/90-58, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 24. September 1990, GZ P 26/90-53, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der in seinem stattgebenden Teil als nicht bekämpft unberührt bleibt, wird insoweit bestätigt, als das Unterhaltsbegehren der beiden Minderjährigen für die Zeit vom 1. 4. 1990 bis 15. 8. 1990 abgewiesen wurde.

Im übrigen Umfang wird der zweitinstanzliche Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern ist seit 6. 2. 1985 aus dem Verschulden des Vaters Johann M***** geschieden. Schon vorher war er zu monatlichen Unterhaltsleistungen für die beiden Minderjährigen (S 2.200,- bzw. S 2.000,-) verhalten worden. Die Elternrechte waren der Mutter übertragen worden. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 13. 10. 1986 wurde die Annahme an Kindesstatt der beiden Minderjährigen durch Raimund R***** bewilligt, mit dem die Mutter Christine R***** am 28. 5. 1986 die Ehe geschlossen hatte. Mit Beschluß vom 25. 6. 1990 hob das Erstgericht die Wahlkindschaft gemäß § 184 a Abs.1 Z 2 ABGB auf, weil der Wahlvater die beiden Minderjährigen wiederholt geschlechtlich mißbraucht habe. Mittlerweile ist auch die zweite Ehe der Mutter geschieden.

Schon am 21. 3. 1990 hatte die Mutter namens der beiden Minderjährigen beantragt, den leiblichen Vater ab 1. 4. 1990 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 3.470,- für Michaela und S 2.900,- für Petra zu verpflichten; in der Folge dehnte sie das Begehren auf monatlich S 2.930,- für Petra und ab 1. 1. 1990 auf S 3.795,- für Michaela aus.

Das Erstgericht verhielt den Vater ab 16. 8. 1990 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.600,- für Michaela und S 2.200,- für Petra und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte fest, die Minderjährigen lebten im Haushalt ihrer Mutter. Im Schuljahr 1989/90 hätten sie das Realgymnasium in Bad Ischl besucht. Ab Herbst 1990 besuche Michaela die Höhere Lehranstalt für Wirtschaftliche Frauenberufe in Bad Ischl, wofür ein monatliches Schulgeld von S 300,- (zehnmal jährlich) und einmal im Jahr ein Heizbetrag von S 400,- und eine Sonderzahlung von S 500,- zu entrichten sei. Petra absolviere die erste Klasse der Fremdenverkehrsschule in Bad Ischl. Die Mutter habe bis April 1990 als Reinigungskraft monatlich S 5.500,- netto verdient, seit 28. 4. 1990 arbeite sie als Küchengehilfin mit einem monatlichen Nettogehalt von S 9.000,-. Sie bewohne mit den Kindern eine Mietwohnung in *****. Sie und der frühere Wahlvater seien je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft in ***** mit einem Einheitswert von S 538.000,-; das von beiden Miteigentümern auf dieser Liegenschaft betriebene Gasthaus sei wegen finanzieller Schwierigkeiten geschlossen worden. Die Mutter habe insgesamt Schulden von etwa 3 Mio S. Der Vater habe als technischer Angestellter 1989 monatlich S 20.132,- und in der Zeit bis Mai 1990 monatlich S 21.568,- - jeweils netto einschließlich der Sonderzahlungen - verdient. Er sei Eigentümer einer Liegenschaft in *****, deren Einheitswert S 54.000,-

betrage. Den Erwerb dieser 677 m2 großen Grundfläche und die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück habe der Vater mit mehreren Darlehen in einer Gesamthöhe von S 1,534.000,-

finanziert, die in monatlichen Raten von S 4.004,- bzw. S 5.000,-

bzw in halbjährlichen Raten von S 6.246,- zurückzuzahlen seien. Diese Darlehen seien auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellt. Der Vater halte einen PKW VW Golf. Seine Dienstzeit sei geregelt.

Rechtlich meinte das Erstgericht, in diesem besonders gelagerten Fall müßten die Kreditrückzahlungsverpflichtungen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen werden, weil der Vater die Verpflichtungen zu einer Zeit eingegangen sei, in der er mit Unterhaltsleistungen nicht habe rechnen müssen. Die Fahrtkosten seien dagegen nicht zu berücksichtigen.

Das Gericht zweiter Instanz setzte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters für Michaela auf S 2.300,- und für Petra auf S 1.900,- herab, wies das Mehrbegehren ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Für die Zeit bis zur Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Erstgericht die Wahlkindschaft aufgehoben habe, sei der leibliche Vater gemäß § 182 a Abs.3 ABGB bloß subsidiär unterhaltspflichtig gewesen. Die Mutter habe keinen Versuch unternommen, gegen den Wahlvater, dessen Leistungsfähigkeit nicht von vornherein habe verneint werden können, einen Unterhaltstitel zu erwirken. An sich seien Aufwendungen für Baugrundstücke und Einfamilienhäuser keine Abzugsposten, doch dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß der Vater die Rückzahlungsverpflichtungen zu einer Zeit eingegangen sei, in der er eine Unterhaltsverpflichtung praktisch für ausgeschlossen habe halten dürfen. Daß die Wahlkindschaft mangels charakterlicher Eignung des Wahlvaters aufgehoben werden mußte, habe der leibliche Vater nicht vorhersehen können. Bei "realitätsbezogener Betrachtungsweise" dürfe über diese Umstände nicht hinweggegangen werden. Nach allgemeiner Erfahrung würden Wahlkindschaften gerade bei minderjährigen Wahlkindern äußerst selten aufgehoben. Die Lage des Vaters sei daher nicht damit zu vergleichen, daß sich jemand aus freien Stücken eine Unterhaltsverpflichtung durch Zeugung aufhalse. Den mit der Außerachtlassung der Kreditverbindlichkeiten verbundenen Ruin des leiblichen Vaters könne das Rekursgericht nicht verantworten. Eine Umschuldung auf niedrigere Kreditraten scheide ebenso wie eine Veräußerung der Liegenschaft aus, weil der Vater die damit verbundene Zinsenbelastung nicht verkraften könne und ein "Notverkauf" keinen Erlös erwarten lasse, der die Aufwendungen decke. Zu Recht führe der Vater aber auch seine mit den Fahrten zum und vom Arbeitsplatz verbundenen Kosten ins Treffen. Da die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ein zweimaliges Umsteigen erfordere, könne die Benützung eines PKW auch bei intakter Familie nicht beanstandet werden. Gemäß § 273 ZPO schienen monatliche Mehrkosten von S 1.000,- bis S 1.500,- abzugsfähig, sodaß dem Vater ein monatlicher Betrag von S 10.000,- verbleibe, aus dem die Bedürfnisse der Kinder und des Vaters zu bestreiten seien. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz könnten die Kinder keinen höheren Unterhalt beanspruchen, als er zur ähnlichen Bedürfnisbefriedigung des Unterhaltspflichtigen, der einen eigenen Haushalt führe, erforderlich sei. Angemessen sei eine Kürzung der vom Erstgericht festgestellten Beträge um S 600,-, wodurch den beiden Minderjährigen eine annähernd gleiche Quote des Regelbedarfes zufließe.

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Kein Erfolg kann dem Rechtsmittel allerdings beschieden sein, soweit die Minderjährigen Unterhalt auch für die Zeit bis zur rechtskräftigen Aufhebung der Wahlkindschaft begehren. Da die familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen Eltern und dem Wahlkind gemäß § 185 Abs.1 und 2 ABGB erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses wieder aufleben, ging die trotz der Adoption der Kinder durch den Ehemann der Mutter aufrecht gebliebene Unterhaltspflicht des leiblichen Vaters den beiden Minderjährigen gegenüber bis zu diesem Zeitpunkt der Unterhaltspflicht des Wahlvaters im Range nach (§ 182 a Abs.1 und 3 ABGB). Der leibliche Vater könnte deshalb für diesen Zeitraum nur dann zu Unterhaltsleistungen verhalten werden, wenn der frühere Wahlvater außerstande wäre, den Unterhalt zu leisten (EvBl. 1963/456; DREvBl. 1938/233); das träfe aber nicht schon dann zu, wenn der an sich erwerbsfähige Wahlvater seiner Unterhaltspflicht bloß tatsächlich nicht nachkomme, weil er etwa unbekannten Aufenthaltes ist, oder wenn nur die zwangsweise Hereinbringung des geschuldeten Unterhalts unmöglich gemacht oder verzögert worden wäre oder sonst auf Schwierigkeiten stieße (vgl. SZ 51/110 für den insoweit vergleichbaren Fall der subsidiären Unterhaltspflicht der Großeltern).

Die Mutter hat den namens der Kinder gestellten Antrag auf Verpflichtung des leiblichen Vaters zu Unterhaltsleistungen in erster Instanz allein damit begründet, daß sich der Wahlvater derzeit in Deutschland aufhalte und keinen Unterhalt zahle. Erst im Rechtsmittelverfahren hat sie behauptet, sie habe mit Unterhaltsleistungen des Wahlvaters nicht rechnen können, ohne daß sie dieses Vorbringen näher begründet oder belegt hätte. Dazu kommt, daß der Wahlvater wenige Tage nach der Antragstellung bei einer Vernehmung durch das Erstgericht nicht bloß seine Anschrift, sondern auch seine Beschäftigung (als "Buffethilfe") bekanntgegeben hat (ON 29), sodaß er wohl auch imstande war, seinen (noch immer bestehenden) Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen und diese auch durchgesetzt hätten werden können. In diesem Umfang haben die Vorinstanzen das Unterhaltsbegehren der Minderjährigen daher zu Recht abgewiesen.

Im übrigen wendet sich der Revisionsrekurs gegen den Abzug der Kreditverbindlichkeiten des Vaters von der Unterhaltsbemessungsgrundlage und die Bedachtnahme auf dessen Fahrtkosten.

In der (bisher nicht veröffentlichten) Entscheidung vom 27. 9. 1990, 7 Ob 662/90, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß für die Abwägung, ob und inwieweit Schulden des Unterhaltspflichtigen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen seien, der Zeitpunkt und die Art der Entstehung der Schulden, der Zweck ihrer Eingehung, die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen und des Berechtigten sowie das Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeiten nicht noch weiter anwachsen zu lassen und damit die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen noch weiter zu schmälern, maßgeblich seien. Nach der vom Obersten Gerichtshof gebilligten Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz sind Ausgaben des täglichen Lebens, und damit auch die Raten zur Rückzahlung von Krediten zur Bestreitung solcher Aufwendungen, grundsätzlich nicht abzugsfähig (vgl die Nachweise bei Schlemmer/Schwimann, ABGB § 140 Rz 65). Deshalb können weder Rückzahlungsraten und Betriebskosten für Eigentumswohnungen noch Rückzahlungen von Wohnungskrediten noch der Mietzins die Unterhaltsbemessungsgrundlage schmälern (so OGH vom 26. 4. 1990, 6 Ob 566/90; vgl EFSlg 21797 f uva). Nur Kredite zur Bestreitung unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen sind grundsätzlich als abzugsfähige Aufwendungen anzuerkennen. Solche hat der leibliche Vater jedoch gar nicht ins Treffen geführt. Diese an sich billigenswerte Praxis will das Rekursgericht auch gar nicht in Frage stellen; es hebt bloß die Besonderheit des Falles hervor: Der leibliche Vater habe die Kredite zu einer Zeit aufgenommen, da er mit der Inanspruchnahme seiner Unterhaltspflicht nicht habe rechnen müssen.

In ähnlicher Lage wie die leiblichen Eltern bei der Adoption befindet sich auch der Unterhaltspflichtige, wenn der Unterhaltsberechtigte die schon erlangte Selbsterhaltungsfähigkeit wieder verliert; auch die Großeltern sind mit einer vergleichbaren Sachlage konfrontiert, wenn ihre - sonst gleichfalls bloß subsidiäre - Unterhaltspflicht wirksam wird (§ 141 ABGB). Dabei können die Großeltern wenigstens das beneficium competentiae in Anspruch nehmen; dem leiblichen Vater bliebe diese Rechtswohltat - also die Einwendung, daß die begehrten Unterhaltsleistungen seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährdeten - dem Wahlkind gegenüber hingegen verwehrt. Der leibliche Vater durfte deshalb auch seine Kreditdispositionen keineswegs - wie die Vorinstanzen meinten - allein an der Erwartung ausrichten, daß die Wahlkindschaft namentlich dann, wenn das Wahlkind noch minderjährig ist, erfahrungsgemäß nicht aufgehoben werde, weil seine subsidiäre Unterhaltspflicht auch aus anderen Gründen - wie bei Tod, Insolvenz oder sonst bei Verlust der Erwerbsfähigkeit des Wahlvaters - wirksam werden konnte.

Die Vorinstanzen haben jedoch vor allem außer acht gelassen, daß der Unterhaltspflichtige im Rahmen des ihm Zumutbaren zwecks Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen auch sein Vermögen angreifen muß, soweit er die notwendigen Unterhaltsleistungen aus dem laufenden Einkommen nicht bestreiten kann (SZ 54/52 ua). Der leibliche Vater, der das Ruhen seiner Unterhaltspflicht zur Vermögensbildung nützte, darf nicht besser gestellt werden als der Unterhaltspflichtige, der sein Vermögen schon vor Entstehen seiner Unterhaltsverpflichtung erworben hatte. Er hat auch keine besonderen Gründe dafür, daß ihm die Heranziehung dieser Vermögenswerte zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht ausnahmsweise nicht aufgebürdet werden dürfe, ins Treffen geführt. Zu Recht merken die Rechtsmittelwerber an, daß ihm insbesondere eine Umschuldung zur Verringerung der monatlichen Rückzahlungsverpflichtung bis zum Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit der beiden Mädchen zugemutet werden kann. In diesem Fall wäre er auch zu keiner unmittelbaren Verwertung seiner Liegenschaft genötigt. Er selbst hat auch nicht behauptet, daß ihm eine solche Vorkehrung nicht möglich wäre. Das Rekursgericht, das diese Lösung ausschließt, hat seine Ansicht nicht näher begründet.

Die Kreditrückzahlungsverpflichtungen sind daher entgegen der Ansicht der Vorinstanzen bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht in Anschlag zu bringen.

Gleiches gilt auch für die Kosten des Vaters bei Benützung seines PKW für Fahrten zum und vom Arbeitsplatz. Solche Aufwendungen sind als Abzugsposten im allgemeinen nur dann anzuerkennen, wenn der Unterhaltspflichtige seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichen kann. Im vorliegenden Fall stehen dem Vater aber solche öffentliche Verkehrsmittel zu Gebote. Erwägt man, daß auch der geschiedene eheliche Vater Änderungen in seinen Lebensverhältnissen, die mit Einschränkungen seiner Unterhaltspflicht verbunden wären, nur insoweit vornehmen darf, als dies bei gleicher Sachlage auch ein pflichtbewußter Familienvater in aufrechter Ehe getan hätte (EvBl. 1990/128), so muß ihm umsomehr dann die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel mit den damit verbundenen Fahrtkostenbegünstigungen zugemutet werden, als er selbst behauptet, daß er mit dem ihm verbleibenden Einkommensrest nicht das Auslangen finden könne.

Das Rekursgericht wird die Unterhaltsverpflichtungen des Vaters, soweit die Bemessung nicht bereits in Teilrechtskraft erwachsen ist, unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze neu zu bemessen haben.

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