Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagenden und widerbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit insgesamt S 23.306,95 (darin enthalten S 2.781,15 USt und S 6.620,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte und Widerkläger (im folgenden: Beklagter) ist Alleineigentümer des Grundstückes Nr.***** Grundbuch ***** S***** samt dem darauf errichteten Haus S***** Nr.33. Voreigentümer dieser Liegenschaft war der Vater des Beklagten. Die Kläger und Widerbeklagten (im folgenden: Kläger) sind zu je einem Drittel Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** S*****, zu deren Gutsbestand unter anderem das Grundstück Nr.***** Weg im Ausmaß von 162 m2 gehört. Zwischen dem Haus des Beklagten und der Liegenschaft der Kläger verläuft die Bundesstraße B 200 (Bregenzerwälderstraße). Der zum Gutsbestand der Liegenschaft der Kläger gehörende Weg zweigt von der B 200 etwa vis a vis des Hauses des Beklagten ab und führt in etwa nördliche Richtung am Wohnhaus der Kläger vorbei bis zur Viehgasse, die etwa parallel zur Bundesstraße verläuft. Der Weg war ursprünglich zumindest bis zum Haus der Kläger leicht beschottert. Der nördliche Teil war je nach Belastung und Witterung vollständig mit Gras bedeckt oder wies zum Teil erdige, ausgetretene Stellen auf. Derzeit ist der Weg etwa zur Hälfte (bis zum Haus der Kläger) asphaltiert und anschließend bis zur Einmündung in die Viehgasse zur Gänze mit Gras bewachsen. Auf der Viehgasse kann man weiter in Richtung Westen ins Ortszentrum von S***** gelangen. Von der Viehgasse weg führt auch das sogenannte "Kirchwegle" direkt zur Kirche und zum Friedhof. Dieser Weg wurde seit Menschengedenken vor allem von den Bewohnern des Ortsteiles M*****, aber auch von den Bewohnern des Ortsteiles Oberdorf dazu benützt, um zur Ortsmitte von S***** zu gelangen. Er wurde von Schulkindern, die zu der bei der Kirche befindlichen Schule gingen, von Kirchenbesuchern sowie auch zum Einkaufen in den an der Viehgasse bzw im Ortszentrum gelegenen Geschäften benützt. Von den Kindern wurde der Weg weiters dazu benützt, um zu den auf der Viehweide hinter der Viehgasse gelegenen Spielplätzen "Ribastua" und "Tulemändle" zu gelangen. In umgekehrter Richtung wurde der Weg von den Bewohnern S***** vor allem deshalb begangen, um zum Postamt, welches ca. 100 Jahre hindurch bis 1970 im Haus des Beklagten untergebracht war, sowie zu der dort gelegenen Postbushaltestelle zu gelangen. Ebenso wurde der Weg von Besuchern der in M***** gelegenen Raiffeisenbank und Sparkasse benützt. Während der Kriegsjahre war der Vater des Beklagten Bürgermeister. Damals war das Gemeindeamt im Haus des Beklagten untergebracht, weshalb auch die Besucher des Gemeindeamtes über diesen Weg gingen.
Die geschilderte Benützung des Weges erfolgte regelmäßig, aber nur zur schneefreien Zeit. Daneben wurde zu denselben Zwecken auch die Bundesstraße B 200 benützt. Der Weg stellt für die Bewohner der Ortsteile M***** und O***** im wesentlichen keine Abkürzung dar, um zur Ortsmitte zu gelangen. Er verkürzt jedoch, wenn anschließend das "Kirchwegle" benützt wird, den Weg zur Kirche. Der Weg wurde vor allem deswegen benützt, weil es angenehmer und bequemer war, auf der ruhigen und unbefahrenen Viehgasse anstatt auf der B 200 ins Ortszentrum und zurück zu gelangen. Außerdem waren die Mitglieder der Familie der Kläger sehr leutselig und freundlich, weshalb man gern über diesen Weg ging. Der Weg wurde teilweise auch von Touristen frequentiert.
Auch der Beklagte und dessen Rechtsvorgänger sowie seine Familienangehörigen benützten den Weg, um zur Schule, zur Kirche und zu den Geschäften zum Einkaufen oder auch nur zur Viehgasse (zum Spazierengehen) zu gelangen. Die Benützung erfolgte mehrmals wöchentlich zumindest durch einen Zeitraum von 30 Jahren, ohne daß dies von den Klägern bzw deren Rechtsvorgängern, die den Beklagten und dessen Rechtsvorgänger beim Benützen des Weges wahrnahmen, beanstandet worden wäre.
Von ca. 1952 bis 1976 betrieb der Vater des Beklagten eine Landwirtschaft. Er trieb während dieser Zeit das Vieh im Frühjahr und im Herbst einige Tage über den Weg auf die dahinterliegende Viehweide. Es kann nicht festgestellt werden, ob er in diesem Zusammenhang die Rechtsvorgänger der Kläger um Erlaubnis fragte und ob diese ihm das Durchtreiben des Viehs bis auf Widerruf gestatteten.
Die Benützung des Weges durch die Gemeindebewohner und Gäste von S***** wurde bis etwa Anfang oder Mitte der 80er-Jahre von den Klägern bzw deren Rechtsvorgängern ebenfalls nicht beanstandet. Die Benützer des Weges, so auch der Beklagte und dessen Rechtsvorgänger bzw Familienangehörigen, gingen in der Meinung über den Weg, dazu berechtigt zu sein, weil eben jedermann den Weg benützte.
1983 oder 1984 stellten die Kläger eine rechteckige, graufarbene Tafel mit der Aufschrift "Privatweg" am Beginn des Weges auf. Diese Tafel wurde in der Folge noch in den 80er-Jahren durch eine runde Tafel mit rotem Rand und der Aufschrift "Privatweg" ersetzt, die sich nach wie vor im Einmündungsbereich des Weges in die B 200 befindet. Nicht festgestellt werden kann, daß sich im Bereich des Weges bereits vor 1983 eine Tafel befunden hat, die den Weg als Privatweg gekennzeichnet oder die Benützung des Weges verboten hätte.
Etwa zur gleichen Zeit, wie die Tafel aufgestellt wurde, wurden der Beklagte und dessen Familienmitglieder von den Klägern und Antonia S***** mündlich und durch deren Rechtsvertreter auch schriftlich aufgefordert, die Benützung des Weges zu unterlassen. Zuletzt wurde der Beklagte mit Schreiben vom 28.6.1989, 9.4.1991 und 14.6.1993 jeweils darauf aufmerksam gemacht, daß er auf dem Privatweg kein Durchgangsrecht habe und die Tafel (gemeint: mit der Aufschrift "Privatweg") auch für ihn gelte und er deshalb den Weg nicht benützen dürfe. Der Beklagte und seine Familienangehörigen ignorierten die von den Klägern aufgestellte Tafel sowie die mündlichen und schriftlichen Aufforderungen und benützten den Weg weiterhin. Der Beklagte forderte die Kläger auf, die Tafel mit der Aufschrift "Privatweg" zu entfernen. Als die Kläger dieser Aufforderung nicht nachkamen, teilte der Beklagte der Erstklägerin und der Antonia S***** mit Schreiben vom 24.9.1984 mit, daß er annehme, daß die Tafel nicht für ihn und seine Familie bestimmt sei; er werde den Weg weiterhin benützen und diese Tafel auf keinen Fall akzeptieren.
Im nördlichen Bereich des Weges zur Viehgasse hin war seit jeher ein Holzgatter angebracht. Dieses konnte wie eine Tür geöffnet werden und war mit einem Spagat versehen, mit welchem das Gatter an einem Nagel am Zaun eingehängt wurde. Etwa ab Mitte der 80er-Jahre sperrten die Kläger und Antonia S***** in unregelmäßigen Abständen das Gatter ab, und zwar derart, daß sie das Gatter mit einem Spagat oder einem Draht fest mit einem Zaunpfosten verbanden, sodaß das Gatter nicht mehr geöffnet werden konnte. Diese Absperrung erfolgte insbesondere dann, wenn die Kläger und Antonia S***** wußten, daß der Beklagte und seine Familie den Weg benützen werden, also insbesondere am Wochenende beim Kirchgang. Der Beklagte und seine Familienmitglieder ließen sich durch diese Absperrungen jedoch nicht davon abhalten, über den Weg zu gehen. Sie banden jeweils den Spagat auf oder schnitten ihn ab oder zwickten den Draht mit einer Zange ab. Als die Kläger einmal ein Schloß mit Kette montierten, wurde das Schloß vom Beklagten mit Klebstoff zugeklebt, und der Beklagte brachte seinerseits ein Schloß an, über dessen Schlüssel nur er selbst verfügte. Der Beklagte und seine Familienangehörigen waren beim Öffnen der Absperrungen auch nicht besonders vorsichtig, sodaß das Gatter im Lauf der Zeit beschädigt und unbrauchbar wurde. Ab dem Frühjahr 1994 waren anstelle des Gatters nur noch Latten vorhanden, die in den links und rechts vorhandenen Zaun hineingeschoben oder auf diesen gelegt und provisorisch mit Stricken und Drähten verknüpft wurden. Der Beklagte ließ sich aber weiterhin nicht vom Benützen des Weges abhalten und entfernte auch des öfteren diese Latten. Die beschriebenen Absperrungen, insbesondere jene mit Spagat und Draht, erfolgten in unregelmäßigen Abständen. Das Gatter war insbesondere während der Woche, aber auch sonst immer wieder über längere Zeiträume unversperrt.
Am 20.8.1994 stellten die Kläger im nördlichen Bereich des Weges einen Anhänger ab, der den Weg in seiner gesamten Breite versperrte. Der Beklagte und seine Familienangehörigen gingen noch zwei- oder dreimal an diesem Anhänger vorbei, wobei sie jedoch den Grenzzaun zwischen dem Grundstück der Kläger und deren Nachbargrundstück entfernen mußten. Seither benützen sie den Weg nicht mehr. Der Anhänger wurde am 1.1.1996 gegen einen "Unimog" ausgetauscht und dieser wiederum Ende April/Anfang Mai 1996 gegen einen einachsigen Traktoranhänger, der sich nach wie vor dort befindet und den Weg versperrt.
Der Beklagte stellte mit Schriftsatz vom 13.3.1995 an den Bürgermeister der Gemeinde S***** den Antrag auf Feststellung, daß der Gehweg über das Grundstück Nr.***** Grundbuch S***** dem Gemeingebrauch gewidmet und daher Privatstraße sei. Nachdem sich der Bürgermeister der Gemeinde S***** für befangen erklärte und der Vizebürgermeister innerhalb von sechs Monaten nicht entschied, wurde von den Klägern ein Devolutionsantrag auf Entscheidung durch die Gemeindevertretung gestellt. Diese erließ nach Abstimmung in der Sitzung am 20.11.1995 den Bescheid vom 29.12.1995, wonach "gemäß § 3 Abs 3 iVm § 20 Abs 1 und 2 Vorarlberger Straßengesetz der Devolutionsantrag auf Feststellung des Gemeingebrauchs über Grundstücknummer ***** Grundbuch ***** S***** Weg, beim Haus Nr.32, abgewiesen bzw die Frage nach dem Gemeingebrauch verneint" wurde.
Mit am 16.9.1994 eingebrachter Klage begehrten die klagenden Parteien, den Beklagten schuldig zu erkennen, jede Nutzung des Weges als Geh- und Fahrweg zu unterlassen. Aufgrund des Anerkenntnisses des Beklagten hinsichtlich des Begehrens auf Unterlassung des Fahrens erging insoweit ein rechtskräftiges Teilanerkenntnisurteil.
Der Beklagte begehrte in seiner Widerklage - letztlich - die Entfernung des an der Nordgrenze des Weges aufgestellten Einachstraktoranhängers und die Unterlassung jeder wie immer gearteten Behinderung der Ausübung der Dienstbarkeit des Gehens zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstückes ***** Grundbuch S*****.
Die Streitteile beantragten wechselweise die Abweisung des gegenseitigen Klagebegehrens. Die Kläger behaupteten, der Beklagte maße sich seit 1984 Durchgangsrechte auf dem Weg an. Er habe schon immer versucht, dieses Recht zu erzwingen, weshalb der Durchgang durch das Anbringen von Gattern und das Aufstellen von Fahrzeugen versperrt worden sei. Es werde im übrigen Freiheitsersitzung eingewendet. Der Weg sei schon immer als Privatweg gekennzeichnet gewesen.
Der Beklagte behauptete, daß er und seine Rechtsvorgänger die Dienstbarkeit des Gehens über den Weg ersessen hätten. Im übrigen sei der Weg bis etwa 1985 länger als 20 Jahre hindurch für jedermann benützbar gewesen und habe insbesondere dazu gedient, über die Viehgasse ins Ortszentrum und zurück zu gelangen. Außerdem sei im Haus des Beklagten die Post untergebracht gewesen. Es handle sich beim Weg um eine öffentliche Privatstraße. Die Rechtsausübung durch den Beklagten und dessen Rechtsvorgänger sei für die Kläger immer erkennbar gewesen. Erst Mitte der 80er-Jahre hätten die Kläger erklärt, die Benützung des Weges zu verbieten. Der Beklagte habe sich dem Verbot nie gefügt.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren der Kläger statt und wies das Begehren des Beklagten in der Widerklage ab. Ein Gemeingebrauch am Weg sei deshalb zu verneinen, weil es am Erfordernis der Notwendigkeit des Weges fehle. Als Verbindung zwischen den taleinwärts gelegenen Ortsteilen und dem Ortszentrum von S***** könne genausogut die B 200 benützt werden. Dennoch hätten der Beklagte bzw dessen Rechtsvorgänger die Dienstbarkeit des Fußweges nicht ersitzen können, weil sie den Weg genauso wie alle anderen Bewohner von S***** benützt hätten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Kläger eine Rechtsausübung gerade des Beklagten bzw dessen Rechtsvorgänger gestattet hätten. Von der Ausübung eines über die allgemeine Übung hinausgehenden Individualrechtes durch den Beklagten könne erst ab etwa 1983/1984 gesprochen werden, sodaß die Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen sei.
Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinn einer Abweisung der Klage und Stattgebung der Widerklage ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Erstgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, daß der Weg ca. 100 Jahre lang zur besseren und leichteren Erreichbarkeit des Postamtes, das sich auf dem Grundstück des Beklagten befunden habe, gedient habe, und daß der Vater des Beklagten Jahre hindurch das Vieh über den Weg auf die hinter der Viehgasse liegenden Weiden getrieben habe. Gerade diese Benützung des Weges verdeutliche, daß der strittige Weg nicht nur wie von den übrigen Gemeindebürgern begangen worden sei. Schließlich dürfe auch das Verhalten des Beklagten und seiner Familie nach den Absperrmaßnahmen seitens der Kläger ab den 80er-Jahren nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Obwohl sich die anderen Gemeindebürger im wesentlichen wegen der Absperrung davon hätten abhalten lassen, den Weg weiterhin zu benützen, habe gerade der Beklagte und seine Familie auf einem ungehinderten Durchgang bestanden. Damit habe er für die Kläger erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß er die bessere und sinnvollere Verbindung zwischen seinem Grundstück und der Ortsmitte von S***** aufrecht erhalten wolle. Daß der Beklagte und seine Rechtsvorgänger vor den Absperrmaßnahmen den Weg ausschließlich im Rahmen des Gemeingebrauches genützt hätten, lasse sich den Feststellungen deshalb nicht entnehmen. Es erübrige sich daher, auf die Frage einzugehen, ob dem Beklagten ein Gehrecht auch infolge des Gemeingebrauches zustehe, ob das Erstgericht die für die Ersitzung des Gemeingebrauches erforderliche Notwendigkeit des Weges zu Recht verneint habe, ob sich ein einzelner gegen Störungen des Gemeingebrauches durch den Servitutsbelasteten wehren könne, ob allenfalls Freiheitsersitzung von der Servitut des Gemeingebrauches eingetreten sei und ob und auf welche Weise eine Gemeinde ihren Besitzwillen dokumentieren müsse. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Rechtsprechung insofern uneinheitlich sei, wie die Rechtsausübung beschaffen sein müsse, wenn neben einem Gemeingebrauch ein individuelles Recht in Anspruch genommen werde. Ebenso werde die Frage der Notwendigkeit der Servitut bei der Ersitzung eines Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde von Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.
Die Revision der Kläger ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Rechtsrüge ist jedoch berechtigt.
Nach ständiger und einheitlicher Rechtsprechung setzt der Erwerb eines Privatrechtes durch Ersitzung an einem öffentlichen Weg voraus, daß der Erwerber die Benützung in anderer Weise ausgeübt hat, als sie durch jedermann im Rahmen des Gemeingebrauches ausgeübt wurde. Es muß für den Liegenschaftseigentümer erkennbar sein, daß ein vom Gemeingebrauch verschiedenes Privatrecht in Anspruch genommen wird (SZ 31/71; SZ 56/184 uva, in letzter Zeit etwa 3 Ob 584, 585/89, 10 Ob 507/94, 9 Ob 505/95 je mwN). Die Entscheidung 7 Ob 574/91 = JBl 1992, 180 steht hiezu nicht im Widerspruch. Ihr lag insofern ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde, als die Ersitzungsbesitzer bei Ausübung ihres vermeintlichen Wegerechtes der Ansicht waren, daß der Weg im Eigentum der Gemeinde stehe und ein öffentlicher Weg sei, während die Wegparzelle aber tatsächlich im Privateigentum stand und das Vorliegen eines Gemeingebrauches verneint wurde. Der Oberste Gerichtshof führte aufgrund des dort vorliegenden besonderen Sachverhaltes aus, daß ein derart enger Zusammenhang zwischen dem klägerischen Grundstück und dem strittigen Zufahrtsweg bestehe, sodaß der Schluß zulässig sei, daß die Klägerin bei früherer Aufklärung des Irrtums den Weg weiterhin in der bisherigen Art, jedoch nunmehr im eigenen Namen, benützt hätte.
Im hier vorliegenden Fall stand und steht der Weg zwar auch im Privateigentum. Darüber bestand beim Beklagten und dessen Rechtsvorgängern offensichtlich kein Zweifel. Gemeingebrauch ist jedoch auch an Grundstücken möglich, die Privatpersonen gehören (10 Ob 507/94). Im Gegensatz zu den (im übrigen insoweit teilweise widersprüchlichen) Rechtsausführungen des Erstgerichtes ist hier vom Bestehen eines Gemeingebrauches am Weg bis zu jenem Zeitpunkt, als die Kläger ihre Hinweistafeln aufstellten und Abschrankungen vornahmen und diese Maßnahmen von den übrigen Gemeindebürgern respektiert wurden, auszugehen.
Unter Gemeingebrauch ist die Benützung eines Weges durch jedermann unter den gleichen Bedingungen ohne behördliche Bewilligung und unabhängig vom Willen des über den Wegegrund Verfügungsberechtigten zu verstehen. Hier steht fest, daß der Weg "seit Menschengedenken" als Verbindungsweg zwischen der Bundesstraße und der Viehgasse von den Bewohnern der jenseits der Bundesstraße liegenden Ortsteile benützt wurde, um ins Ortszentrum und zurück zu gelangen, sowie von den Bewohnern des Ortszentrums, um ihrerseits in die anderen Ortsteile zu gelangen, vor allem zur Post und zur Bushaltestelle und auch zur Raiffeisenbank und Sparkasse.
Zur sogenannten utilitas praedii genügt gemäß § 473 ABGB die Erhöhung der Bequemlichkeit der Benützung des herrschenden Grundstückes. Sie steht der Erzielung einer vorteilhafteren Benützung gleich. Die Notwendigkeit eines solchen Rechtes ist nicht Voraussetzung. Nur die völlige Zwecklosigkeit verhindert das Entstehen einer privaten Dienstbarkeit. Für die Ersitzung eines als unregelmäßige Servitut zu qualifizierenden Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde stellen allerdings mehrere Entscheidungen das Erfordernis der Notwendigkeit einer solchen Wegeverbindung auf (SZ 54/154 mwN; 2 Ob 521/94). Nach neuerer Rechtsprechung sind jedenfalls an das Erfordernis der Notwendigkeit, soferne diese überhaupt für die Wegebenützer Tatbestandsmerkmal ist, keine strengen Anforderungen zu stellen (SZ 59/50). Es ist daher auch im vorliegenden Fall die Notwendigkeit zu bejahen, weil ein abseits vom Verkehr führender Fußweg gegenüber der Benützung einer Bundesstraße - abgesehen von den auf der Hand liegenden Vorteilen der geringeren Lärm- und Geruchsbelästigung - weit weniger Gefahren (insbesondere auch für die Kinder, die über den strittigen Weg Spielplätze sowie die Schule aufsuchten) mit sich bringt. Auch muß der Gemeinde einerseits im Interesse ihrer eigenen Einwohner als auch im Interesse des Fremdenverkehrs daran gelegen sein, Spazierwege abseits von Hauptverkehrsrouten zu führen (vgl SZ 54/154, wo die Notwendigkeit eines Wanderweges trotz einer Wegeverbindung durch eine Straße bejaht wurde, sowie weiters 2 Ob 521/94 - Freizeitgestaltung, Erholungswirkung, Schul- und Kirchweg).
Der Annahme des Gemeingebrauches steht auch der Umstand nicht entgegen, daß die Gemeinde über den Antrag des Beklagten auf Feststellung des Gemeingebrauches abweisend entschied. Es wurde zwar wiederholt ausgesprochen, daß für die Ersitzung eines Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde neben anderen Voraussetzungen auch der Besitzwille der Gemeinde erforderlich ist (1 Ob 8/70; JBl 1966, 525), bzw daß der Weg auch von der Gebietskörperschaft als öffentlicher Weg angesehen wird (7 Ob 593/56; 10 Ob 507/94; 9 Ob 505/95). Ein nachträglicher Gemeinderatsbeschluß ist zur Ersitzung eines Wegerechtes für die Allgemeinheit jedoch nicht erforderlich. Es genügt, daß alle nach der räumlichen Nähe in Betracht kommenden Personen einen Weg offenkundig zum allgemeinen Vorteil benützen. Ab dem Zeitpunkt, in dem dieses Signal für den Belasteten unübersehbar wird, beginnt die Ersitzung des Wegerechtes; der Besitzwille der Gemeinde ist dann zu vermuten (SZ 59/50; 2 Ob 550/89; 2 Ob 521/94).
Diese Vermutung wird hier durch den zitierten Bescheid schon deshalb nicht entkräftet, weil er zu einem Zeitpunkt erging, als der Weg bereits mehr als 10 Jahre hindurch nicht mehr von den Gemeindebewohnern (mit Ausnahme der Beklagten) und Touristen benützt wurde, nachdem die Kläger den Durchgang verweigerten und wiederholt durch Absperrmaßnahmen verhinderten. Die Wegedienstbarkeit zugunsten der Gemeinde war daher im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Beklagten und der Bescheiderlassung verjährt (§ 1488 ABGB; vgl auch § 20 Vorarlberger Straßengesetz). Der Umstand, daß die Gemeindevertretung im Jahr 1995 die Voraussetzungen für das Vorliegen der Öffentlichkeit einer Privatstraße im Sinn der § 20 Vorarlberger Straßengesetz verneinte, hindert daher nicht die Annahme, daß durch viele Jahre hindurch bis Mitte der 80er-Jahre ein Gemeingebrauch am Weg bestand.
Dies hat aber nicht die offenbar vom Beklagten - der selbst immer wieder und auch noch in seiner Berufung behauptete, daß ein Gemeingebrauch am Weg gegeben gewesen sei - gewünschte Konsequenz, daß eine von ihm einklagbare private Wegedienstbarkeit zu bejahen sei. Wie bereits einleitend ausgeführt wurde, kommt der Erwerb eines Privatrechtes an einem im Gemeingebrauch stehenden Weg nur dann in Betracht, wenn eine Benützung außerhalb des Gemeingebrauches erfolgt. Einer Person kann zwar unter bestimmten Umständen ein Sonderrecht in Form eines sogenannten Anliegerrechtes an einem öffentlichen Weg zustehen, das sie aber als subjektiv-öffentliches Recht nur den Behörden gegenüber geltend machen kann (SZ 51/100; 10 Ob 507/94). Daß Personen eine bestimmte Verkehrsfläche häufiger benützen und an deren Erhaltung ein größeres Interesse haben, führt, sofern sich die Benützungsform im Rahmen des Gemeingebrauches hält, nicht zur Ersitzung einer Dienstbarkeit (SZ 55/30; 9 Ob 505/95).
Die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, der Beklagte und dessen Rechtsvorgänger hätten den Weg zu anderen oder über den Gemeingebrauch hinausgehenden Zwecken benützt und dadurch die Dienstbarkeit des Gehens zugunsten ihres Grundstückes ersessen, läßt sich nach den getroffenen Feststellungen nicht rechtfertigen. Daß der Weg der einzige Zugang zum Haus des Beklagten sei oder eine Verbindung zwischen dem Haus des Beklagten und anderen diesem bzw dessen Rechtsvorgängern gehörenden Grundstücken hergestellt und damit etwa der leichteren Bewirtschaftung der Landwirtschaft gedient hätte, wurde nicht einmal behauptet und läßt sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen. Es wurde weder behauptet noch festgestellt, daß der fallweise Viehtrieb etwa deshalb über den Weg erfolgt sei, weil der Weg die einzige oder die kürzeste Verbindung zu den Weiden hergestellt habe und daß die Weiden zum Liegenschaftsbesitz des Rechtsvorgängers des Beklagten gehört hätten. Es konnte nicht geklärt werden, ob für den Viehtrieb jeweils die Genehmigung der Kläger bzw deren Rechtsvorgänger eingeholt wurde. Insbesondere aber wird hier nicht das vom Recht des "Fußsteiges" zu unterscheidende Recht des Viehtriebes (vgl die Aufzählung im § 477 ABGB) geltend gemacht. Die Ersitzung einer Wegeservitut erfordert grundsätzlich die Ausübung des Rechtes im wesentlichen gleichbleibend zu bestimmten Zwecken im bestimmten Umfang (Petrasch in Rummel2 I, Rz 3 zu § 480 ABGB mwN; 7 Ob 637/94 ua), sodaß der durch etwa 25 Jahre hindurch praktizierte Viehtrieb nicht zur Ersitzung der hier begehrten Wegedienstbarkeit beitragen konnte.
Der Umstand, daß im Haus des Beklagten Jahrzehnte hindurch das Postamt untergebracht war und der Weg den Bewohnern von S***** insbesondere auch dazu diente, das Postamt aufzusuchen, läßt die Annahme einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden oder von diesem verschiedenen Benützung zugunsten des Beklagten bzw dessen Rechtsvorgänger ebenfalls nicht zu. Es ist zwar richtig, daß ein privatrechtliches Wegerecht auch an einem von einem größeren Personenkreis benützten Weg ersessen werden kann (SZ 41/86 ua). Im vorliegenden Fall wurde aber der Weg weder vom Beklagten bzw dessen Rechtsvorgängern noch von jenen Personen, die das Postamt aufsuchten, zu anderen Zwecken als von jenen Personen, die sonst noch über den Weg gingen, nämlich als Verbindungsweg zwischen den durch die Bundesstraße getrennten Ortsteilen von S***** benützt. Auch die Besucher des Postamtes gingen nur im Rahmen des Gemeingebrauches zu der sich in einem Ortsteil jenseits der Bundesstraße befindlichen Liegenschaft des Beklagten. Eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützungsform kam darin nicht zum Ausdruck (vgl die im wesentlichen gleichgelagerten Fälle 10 Ob 507/94: unter anderem Zufahrt zum Gasthaus; 9 Ob 505/95: unter anderem Weg zum Lebensmittelgeschäft).
Daß der Beklagte und seine Familie den Weg seit der Zeit, als der Weg nicht mehr von der Allgemeinheit benützt wurde, weiterhin und ungeachtet der Verbote und Absperrmaßnahmen der Kläger benützte, vermag an diesen Erwägungen im Gegensatz zur Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz nichts zu ändern. Eine Ersitzung seit der Aufgabe des Gemeingebrauches kommt schon wegen der seither verstrichenen zu kurzen Zeitspanne nicht in Betracht.
Es war daher das der Klage stattgebende und die Widerklage abweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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