OGH 1Ob10/78

OGH1Ob10/7828.6.1978

SZ 51/100

Normen

ABGB §287 Abs1
ABGB §288 Abs1
ABGB §354 Abs1
ABGB §364 Abs1
ABGB §523 Abs1
JN §1
ABGB §287 Abs1
ABGB §288 Abs1
ABGB §354 Abs1
ABGB §364 Abs1
ABGB §523 Abs1
JN §1

 

Spruch:

Der Rechtsgrund des Liegenschaftseigentums bietet keinen ausreichenden Privatrechtstitel zur Beanspruchung einer besonderen Nutzung des benachbarten öffentlichen Gutes und insbesondere auch nicht dafür, die Herstellung eines Überganges über einen neben der öffentlichen Straße angelegten Wassergraben als Zufahrt zur Liegenschaft zu verlangen

OGH 28. Juni 1978, 1 Ob 10/78 (LG Linz 14 R 91/77; BG Urfahr-Umgebung C 30/77 )

Text

Die beklagte Gemeinde hat im Jahre 1976 am Rand einer unbenannten Straße entlang eines Grundstücks der Klägerin einen Wassergraben so angelegt, daß die Zufahrt zu einem Tor in der Umzäunung dieses Grundstücks nicht möglich ist. Die Klägerin begehrt die Herstellung eines für Fahrzeuge benützbaren Überganges über den Wassergraben an dieser Stelle und macht einerseits die Verpflichtung der beklagten Partei als Bauherr und Erhalter der Straße zur Errichtung der notwendigen Nebenanlagen und andererseits die Beeinträchtigung ihres Eigentumsrechtes geltend.

Beide Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen, wobei der Erstrichter den ersten Rechtsgrund infolge einer bereits rechtskräftig getroffenen Entscheidung der zweiten Instanz über die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges bereits als erledigt ansah. Beide Unterinstanzen verneinten einen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß das Eigentum (hier der beklagten Gemeinde am öffentlichen Gut) nach § 354 ABGB grundsätzlich die Befugnis gibt, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen. Allerdings findet die Ausübung des Eigentumsrechtes nach § 364 Abs. 1 ABGB nur insofern statt, als dadurch in die Rechte eines Dritten kein Eingriff geschieht. Ein solcher Eingriff hat hier keinesfalls unmittelbar stattgefunden, weil der Wassergraben auf dem öffentlichen Gut außerhalb der Liegenschaft der Klägerin gezogen wurde. Das Eigentumsrecht endet aber an dieser Grenze. Allerdings können auch mittelbare Angriffe vom Nachbargrund her, wenn sie auf die Behauptung einer Servitut hinauslaufen, sowie die sonstige Anmaßung einer solchen mit der Servitutsfreitsheitsklage nach § 523 ABGB abgewehrt werden; das Begehren ist in einem solchen Fall auf Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes zu richten (SZ 29/ 47 u. a.). Aber auch ein nur mittelbarer Eingriff in das Eigentumsrecht der Revisionswerberin hat hier (anders als im Fall der zitierten Entscheidung) nicht stattgefunden. Das Eigentum der Klägerin wurde überhaupt nicht beeinträchtigt, weil die Veränderung vor den Grenzen des klägerischen Grundstücks Halt machte. Nur ein darüber hinausreichender Privatrechtstitel könnte verletzt worden sein. Ein solches fehlt aber nach dem Gesagten.

Die Nutzung des fremden (öffentlichen) Gutes durch die Revisionswerberin kann also nur im Rahmen des sogenannten Anliegerrechtes erfolgt sein. Darunter versteht man das Recht auf jene Nutzungen, welche die an die Straße angrenzenden Grundbesitzer von der Straße und dem darüber befindlichen Luftraum ziehen (Hawelka, Die Rechte an öffentlichen Wegen in Österreich, 97 f.), und wozu anerkanntermaßen (wenn nicht sogar ausschließlich; vgl. Krzizek, Das öffentliche Wegerecht, 80, derselbe in JBl. 1968, 138 f.) das Frontrecht gehört. Dieses umfaßt - nach der Rechtsprechung des VwGH als Ausfluß baurechtlicher Bestimmungen (Zl. 2112/55; vgl. Neisser, ÖJZ 1967, 599, 602 f.; Krzizek, Wegerecht, 77 f.) - die Befugnis, an der Baulinie Ausgänge und vor ihr Anschlüsse an die in den Verkehrsflächen liegenden Leitungen herzustellen (so auch die Entscheidung EvBl. 1967/ 216 = JBl. 1968, 150 mit der bereits zitierten Kritik von Krzizek in JBl.1968, 138; vgl. auch JBl. 1977, 485). Aber gerade die Anliegerrechte können als subjektivöffentliche Rechte nur den Behörden gegenüber geltend gemacht werden (Krzizek, Wegerecht, 74 f.; derselbe JBl. 1968, 139; vgl. auch Hawelka a. a. O., 104 f.). Im Ergebnis nichts anderes würde im Falle der (überwiegend abgelehnten: Krzizek, Wegerecht, 74; SZ 44/138 u. a.) Ableitung des Zufahrtsrechtes aus dem Gemeingebrauch folgern. Denn auch hier würde es sich zwar um ein subjektives Recht, aber öffentlich-rechtlicher Qualität handeln (Neisser, a. a. O., 599, 603), dessen Verletzung wiederum nicht vor den Gerichten, sondern nur vor den Verwaltungsbehörden geltend gemachtwerden kann (Krzizek in JBl. 1968, 139).

Bietet nach dem Gesagten der Rechtsgrund des Liegenschaftseigentums keinen ausreichenden Privatrechtstitel zur Beanspruchung einer besonderen Nutzung des anschließenden öffentlichen Gutes, so gilt dies nach der Zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen umsomehr für den hier geltend gemachten Anspruch, daß der Nachbar die Zufahrt von seinem öffentlichen Grund zur Liegenschaft der Klägerin herzustellen und für ihre Kosten aufzukommen habe. Das Eigentumsrecht der Revisionswerberin verschafft einen solchen Anspruch keineswegs. Über einen allfälligen öffentlich-rechtlichen Anspruch dieser Art kann hingegen das Gericht nicht entscheiden. Es kommt bestenfalls ein privatrechtlicher Kontrahierungszwang zum Abschluß eines Vertrages über die Duldung der Errichtung einer Zufahrt in Betracht (SZ 44/ 138). Schließlich gewährt auch das Wasserrecht keine Ansprüche privaten Rechtes, die auf Herstellung von Zufahrten über Wassergräben vor den Gerichten geltend gemacht werden könnten.

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