OGH 3Ob520/95

OGH3Ob520/9526.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M.***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Stefan Vargha und Dr.Herbert Waltl, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Helmut S*****, vertreten durch Dr.Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen S 64.726,80 infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 15. Dezember 1994, GZ 2 R 464/94-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 21. September 1994, GZ 9 C 190/94h-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin stützte in erster Instanz ihr Begehren auf Zahlung von S 64.726,80 darauf, daß sie der Firma E***** HandelsgmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte gewesen und über die am 3.11.1993 das Konkursverfahren eröffnet worden sei, unter Eigentumsvorbehalt Waren geliefert habe. Aus diesen Warenlieferungen schulde die Gemeinschuldnerin noch S 119.794,60 zuzüglich Nebengebühren. Der Beklagte habe widerrechtlich die Herausgabe der am 1.7.1993 noch vorhandenen Vorbehaltsware im Wert von S 64.726,80 verweigert. Nach Konkurseröffnung seien die Waren nicht mehr vorhanden gewesen.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Es stellte unter anderem folgenden Sachverhalt fest.

Die Klägerin stand mit der Firma E***** HandelsgmbH seit dem Jahr 1990 in ständiger Geschäftsverbindung, wobei sie hauptsächlich Videorecorder und Stereoanlagen zum Weiterverkauf lieferte. Seit Feber 1992 betreute Bruno St***** als Gebietsreisender für die Klägerin mit Zuständigkeit auch für Villach die E***** HandelsgmbH. Er besuchte sie zirka alle vier Wochen, wobei er auch einen Großteil der Bestellungen der Firma persönlich entgegennahm.

Die Lieferungen erfolgten zunächst offen, das heißt, es wurden die Waren von einer Spedition zusammen mit einem entsprechenden Lieferschein zugestellt, zirka eine Woche später wurde dann die entsprechende Rechnung zugesandt.

Wenn von der Klägerin Lieferungen per Nachnahme durchgeführt wurden, so war es ausnahmslos üblich, daß dies auf den Rechnungen mit dem Zusatz "Betrag durch Nachnahme erhalten" vermerkt wurde. Auch im Geschäftsverkehr mit der E***** HandelsgmbH hielt die Klägerin diese Vorgangsweise ein.

Am 1.7.1993 erschien im Betrieb der E***** HandelsgmbH in Villach Bruno St***** als Vertreter der klagenden Partei, um in deren Auftrag all jene Geräte aufzuzeichnen, die von der Klägerin geliefert und bei der Firma E***** HandelsgmbH noch auf Lager waren. Im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme wußte er nicht, ob die einzelnen Waren offen oder per Nachnahme geliefert waren.

Diese Aufstellung legte Bruno St***** in weiterer Folge der Klägerin vor, wo sie von Rupert V***** weiterbearbeitet wurde. Dieser fügte den handschriftlichen Aufzeichnungen von Bruno St***** anhand der offenen Rechnungen die Rechnungsbeträge und die Rechnungsnummern hinzu. In weiterer Folge erstellte Rupert V***** auf Grund dieser Aufzeichnungen und der von ihm dazugehefteten entsprechenden Rechnungen für den diesen Rechtsstreit eine Zusammenstellung der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren, die am 1.7.1993 noch vorhanden waren und die nicht unter Nachnahme geliefert worden waren. Die Summe dieser offenen Rechnungsbeträge ergibt die Klagsforderung.

Die klagsgegenständlichen Geräte wurden im Zeitraum von Feber 1993 bis Juni 1993 geliefert.

Die Waren wurden in der Folge von der Firma E***** HandelsgmbH an Endverbraucher verkauft; sie waren im Zeitpunkt der Konkurseröffnung vom 3.11.1993 nicht mehr vorhanden.

Über Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil die Entscheidung dahin ab, daß es die Klage zur Gänze abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch jedenfalls unzulässig, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), S 50.000,- nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO).

Ein Fall des § 502 Abs 3 ZPO liegt nicht vor. Das Revisionsgericht ist weder an den Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO (§ 508a ZPO) noch an die ihm zugrundeliegende unrichtige Ermittlung des Entscheidungsgegenstandes gebunden. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand (und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes), wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (Petrasch, ÖJZ 1983, 201; Kodek in Rechberger, Rz 1 zu § 502 ZPO). Da sich im vorliegenden Verfahren nur zwei Parteien gegenüberstehen, kommt nur die Ziffer 1 der genannten Bestimmung für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in Betracht (§ 55 Abs 5 JN: SZ 63/188 uva), wonach mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen sind, wenn sie in einem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang stehen.

Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie alle aus demselben Klagssachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne daß noch eine ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu § 55 JN mwN aus der Rechtsprechung).

Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (Mayr aaO; SZ 52/67; SZ 56/168; SZ 58/134; RZ 1993/31; zuletzt 4 Ob 521/95; 1 Ob 2056/96 uva). Ein solcher Zusammenhang besteht jedenfalls dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, es findet also keine Zusammenrechnung statt (SZ 56/86; SZ 63/188; JBl 1993, 399; 4 Ob 521/95; 1 Ob 2056/96a uva).

Zusammengerechnet werden beispielsweise mehrere Schadenersatzansprüche einer Person aus einem einzigen Unfall (Fasching I 344; EFSlg 36.774; SV-Slg 33.443). Nicht zusammenzurechnen sind Ansprüche aus gleichartigen Verträgen (JBl 1980, 430), wie etwa bei mehreren Reparaturen am selben Fahrzeug (SZ 43/185 = EvBl 1971/151) oder bei mehreren Wechselforderungen (RZ 1978/105) sowie Schadenersatzansprüche aus zwei Wassereintritten (5 Ob 1537/91).

Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin mehrere Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten als früheren Geschäftsführer einer GmbH geltend, der sie, wie sich aus dem Ersturteil ergibt, auf Grund mehrerer Bestellungen in mehreren Lieferungen Waren verkauft hat. Das Erstgericht hat seiner Entscheidung die von der Klägerin vorgelegte Aufstellung (Beilage L) zugrundegelegt, aus der sich dreizehn Einzelpositionen ergeben, von denen ohne Umsatzsteuer keine einzige S 8.000,- erreicht. Angegeben werden insgesamt fünf verschiedene Rechnungsdaten, wobei auch bei Zusammenrechnung sämtlicher offener Kaufpreise, die zu demselben Datum verrechnet wurden, in keinem Fall ein S 50.000,- auch nur annähernd nahekommender Wert erreicht wird.

Auf eine Vertragsbeziehung zum Beklagten hat die Klägerin ihre Ansprüche gar nicht gestützt. Zuletzt hat sie ihr Begehren ausdrücklich daraus abgeleitet, daß der Beklagte, obwohl bereits die Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Geräte begehrt worden sei, dies verweigert und die Geräte bis zur Konkurseröffnung verkauft habe. Festgestellt wurde vom Erstgericht, daß die Waren an Endverbraucher weiterverkauft wurden. Es ist somit weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus dem Ersturteil ableitbar, daß der Beklagte sämtliche unbezahlten Geräte gemeinsam an einen Letztverbraucher verkauft und dadurch den behaupteten Schaden bei der Klägerin verursacht habe. Demnach lassen sich die geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht alle aus demselben Klagssachverhalt ableiten, weil das erforderliche Sachvorbringen für die Geltendmachung des Anspruches auf Ersatz des Wertes eines veräußerten Elektrogerätes nicht ausreicht, um ohne ergänzendes Sachvorbringen auch über die aus dem Verkauf weiterer Geräte abgeleiteten Ansprüche zu entscheiden. Auch wenn die Ansprüche auf denselben Rechtsnormen beruhen sollten, kann nicht gesagt werden, daß sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen würden, welcher ja jedenfalls schon dann zu verneinen ist, wenn jeder der Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann. Genau dies trifft hier zu, weil es um verschiedene Schadensereignisse geht (vgl 8 Ob 1657/91 und 5 Ob 1537/91), für die die Klagsvoraussetzungen jeweils getrennt geprüft werden müssen und je nach Ergebnis dieser Prüfung auch verschieden beurteilt werden können. Wenn etwa, was nach den Feststellungen des Erstgerichtes möglich erscheint, ein Teil der Ware zwischen der Durchführung der Bestandsaufnahme und der Kontaktaufnahme der Klägerin mit dem Beklagten in der darauffolgenden Woche verkauft worden wäre, könnte nicht von einem unzulässigen Eingriff des Beklagten in die Eigentumsrechte der Klägerin gesprochen werden. Weiters wäre für jede einzelne der angeblich weiterverkauften Waren das Weiterbestehen des Eigentumsrechtes der Klägerin zu prüfen, was ebenfalls, im Hinblick auf die teilweise Lieferung per Nachnahme, zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich jedes einzelnen Gegenstandes führen könnte. Es liegt daher auch der erforderliche unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang nicht vor, sodaß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, den maßgeblichen Wert von S 50.000,- nicht übersteigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, war ihre Revisionsbeantwortung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig (RZ 1985/6, 4 Ob 521/95 uva).

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