OGH 1Ob2056/96a

OGH1Ob2056/96a26.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1) T***** Aktiengesellschaft, ***** 2) S***** Baugesellschaft mbH, ***** und 3) Dipl.Ing. Herbert L***** Kommanditgesellschaft *****4, alle vertreten durch Dr.Horst Ebhardt, Dr.Egon Engin-Deniz, Dr.Bernhard Hainz, Dr.Georg Karasek, Dr.Johannes Reich-Rohrwig, Dr.Alfred Strommer, Dr.Stefan Weber und Dr.Nikolaus Weselik, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruchs auf Unterlassung des Abrufs von Bankgarantien bzw des Widerrufs des Abrufs von Bankgarantien (Gesamtstreitwert 383.625,92 S) infolge "außerordentlichen" Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4.März 1996, GZ 12 R 13/96-9, womit teils der Rekurs der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20.Dezember 1995, GZ 12 Cg 314/95-2, zurückgewiesen und teils diese einstweilige Verfügung bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, anstelle eines einheitlichen Ausspruchs über den Wert des Entscheidungsgegenstands und über die Zulässigkeit eines weiteren Rekurses die Unterlasssungsansprüche getrennt zu bewerten und gesondert auszusprechen, ob in Ansehung jedes einzelnen Begehrens der Rekurs zulässig ist.

Text

Begründung

Die drei zu einer ARGE vereinigten klagenden und gefährdeten Baugesellschaften (im folgenden klagende Parteien) waren von der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien (im folgenden beklagte Partei) mit der Ausführung von Straßenbauarbeiten in einem bestimmten Baulos beauftragt und hatten zur Sicherung von deren Gewährleistungsansprüchen Bankgarantien zu bestellen. Die nachstehenden Garanten (Banken) erklärten über Auftrag jeweils einer klagenden Partei (als Mitglied der ARGE) Garantien über folgende Summen:

a) die B***** Aktiengesellschaft am 14.Dezember 1994 zu Garantie-Nr 1313-4057 über 545.300 S im Auftrag der erstklagenden Partei,

b) die E***** Spar-Casse am 12.Dezember 1994 zu 612-CR-sn über 545.400 S im Auftrag der zweitklagenden Partei,

c) die Ö***** Aktiengesellschaft am 7.Dezember 1994 über 545.300 S im Auftrag der drittklagenden Partei,

d) die Ö***** Aktiengesellschaft, Zweigstelle Krems an der Donau, am 8. Juni 1993 zu Nr 313-3774 über 14.500 S im Auftrag der erstklagenden Partei,

e) die E***** Spar-Casse am 8.September 1993 zu 612-K-wi über 14.600

S im Auftrag der zweitklagenden Partei und

f) die Ö***** Aktiengesellschaft am 14.September 1993 zu Garantie Nr 5237/2396 über 14.900 S im Auftrag der drittklagenden Partei,

alle mit Widmung: "Zur Sicherung der Rechtsansprüche, welche der

Republik Österreich/... aus dem über diese Leistungen abgeschlossenen

Vertrag erwachsen, übernehmen wir hiemit die Haftung gegenüber der

Republik Österreich/... bis zum Hochstbetrag von ..." (es folgt

jeweils die Garantiesumme). Die Garantiebriefe a) bis c) verloren ihre Gültigkeit am 25.Dezember 1995, die Garantiebriefe d) bis e) verlieren ihre Wirksamkeit am 25.Dezember 1996. Ein Organ der beklagten Partei kündigte mit Schreiben vom 9.Oktober 1995 den Abruf von 383.625,92 S aus den Haftbriefen wegen Werklohn-Überzahlungen an.

Mit einstweiliger Verfügung vom 20.Dezember 1995 verbot das Erstgericht - ohne Anhörung der beklagten Partei - zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Parteien auf Unterlassung des Abrufs (gemeint: Inanspruchnahme) der sechs Bankgarantien, in eventu auf Widerruf des bereits erfolgten Abrufs, der beklagten Partei antragsgemäß ab sofort, diese Bankgarantien abzurufen sowie den Garanten, Auszahlungen aus den Bankgarantien an die beklagte Partei vorzunehmen. Die beklagte Partei behaupte tatsächlich nicht bestehende Rückforderungsansprüche aus Werklohnüberzahlungen und habe angekündigt, die Bankgarantien zu deren Befriedigung in Anspruch zu nehmen, obwohl diese ausschließlich für Gewährleistungsansprüche gewidmet gewesen seien. Dies sei evident rechtswidrig und daher rechtsmißbräuchlich.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der beklagten Partei, soweit er sich gegen die Verbote in Ansehung der Bankgarantien a) bis c) wendete, als unzulässig zurück, weil diese ihre Wirksamkeit mit 25. Dezember 1995 verloren hätten und ab diesem Zeitpunkt der beklagten Partei das Rechtsschutzinteresse fehle, und bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung in Ansehung der Bankgarantien d) bis f) aus im einzelnen genannten Gründen. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands (gemeint insgesamt) 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die beklagte Partei strebt mit ihrem "außerordentlichen" Rechtsmittel eine Abänderung, hilfsweise eine Aufhebung der rekursgerichtlichen Entscheidung an. Die klagenden Parteien beantragten in ihrer - noch vor einer Freistellung erstatteten - Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel der beklagten Partei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, wie weit das Rechtsmittel der beklagten Partei zulässig ist, kann auf Grund der Aussprüche des Rekursgerichts noch nicht beurteilt werden.

Die klagenden Parteien haben das Begehren auf Unterlassung des

"Abrufs" (gemeint: Inanspruchnahme) von sechs Bankgarantien

verschiedener Garanten zum Gegenstand ihres Hauptklage- und

-sicherungsbegehrens gemacht. Werden in einer Klage mehrere

Forderungen geltend gemacht, bilden sie nur dann einen einheitlichen

Streitgegenstand und Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts, wenn

die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie

getrennt zu behandeln (vgl 4 Ob 521/95; Kodek in Rechberger, § 502

ZPO Rz 1). Für die Beurteilung der Zulässigkeit des vorliegenden

"außerordentlichen" Revisionsrekurses sind demnach mehrere in einem

Sicherungsantrag geltend gemachte Ansprüche nur dann

zusammenzurechnen, wenn die klagenden Parteien materielle

Streitgenossen iSd § 11 Z 1 ZPO sind - was hier auszuschließen ist -

oder ihre Forderungen in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang

iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN stehen, weil diese Bestimmung gemäß § 55 Abs 5

JN auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln

maßgebend ist (SZ 63/188 uva; zuletzt 4 Ob 521/95). Das entspricht

auch der seit der WGN 1989 bestehenden Rechtslage, mit der bewußt zum

Jud 56 neu zurückgekehrt wurde (RZ 1995/31 mwN ua). Mehrere Ansprüche

stehen in tatsächlichem Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben

Klagesachverhalt abgeleitet werden können; wenn also das für einen

Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die

anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne daß

noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (Mayr in

Rechberger, § 55 JN Rz 2 mwN). Für den rechtlichen Zusammenhang gilt

dagegen als Kriterium, daß die Ansprüche aus derselben Rechtsnorm

oder demselben Vertrag abgeleitet werden und miteinander in

unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Eine

Zusammenrechnung findet jedoch nicht statt, wenn jeder der mehreren

Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann

oder wenn ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen

den mehreren Ansprüchen nicht besteht (RZ 1995/31; SZ 56/186 uva;

zuletzt 4 Ob 521/95). Bei Anlegung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall erweist sich, ausgehend vom maßgeblichen Vorbringen der klagenden Parteien (RZ 1995/31 ua), daß verschiedene Garanten auf Grund jeweils gesonderter Aufträge der drei klagenden Parteien zu verschiedenen Zeitpunkten insgesamt sechs Garantien erstellt haben, somit sechs in ihrer Wirksamkeit vom Werkauftrag unabhängige Garantiegeschäfte zu beurteilen sind und somit jeder der von einer der klagenden Parteien in Ansehung jeweils einer der Bankgarantien klageweise geltend gemachten Unterlassungsansprüche in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht als selbständig und in seinem rechtlichen Schicksal von den anderen eingeklagten Ansprüchen unabhängig anzusehen ist.

Hat aber eine Zusammenrechnung der Streitgegenstände nicht stattzufinden, dann ist, sofern wie hier mehrere nicht in Geld bestehende Ansprüche geltend gemacht werden, die Bewertung nach § 500 Abs 2 - hier iVm § 526 Abs 3 - ZPO gesondert vorzunehmen; weiters sind auch getrennte Aussprüche über die Zulässigkeit des Rekurses bzw Revisionsrekurses erforderliche (MietSlg 25.550, 24.575; 4 Ob 167/89 ua; Kodek aaO § 500 ZPO Rz 3).

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