OGH 10Ob31/97z

OGH10Ob31/97z11.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Alexander H*****, geboren am 16.8.1982, ***** vertreten durch die Unterhaltssachwalterin Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Abteilung Jugendwohlfahrt, 4600 Wels, Herrengasse 8, über den Revisionsrekurs der Unterhaltssachwalterin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 23.Oktober 1996, GZ 21 R 487/96h-147, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 18.Juli 1996, GZ 1 P 3173/95v-142, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird keine Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Kindeseltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 5.12.1989 gemäß § 55a EheG geschieden. Der Ehe entstammen der noch minderjährige Sohn Alexander, geboren am 16.8.1982, sowie die inzwischen volljährig gewordene und seit 1.7.1996 auch selbsterhaltungsfähige Tochter Isabella, geboren am 15.5.1977. Der Vater ist seit 4.10.1991 zum zweiten Mal verheiratet. Aus dieser Ehe entstammt ein weiterer Sohn, geboren am 18.6.1993. Der Vater bezieht von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit von (seit 1.7.1996) 12 x jährlich (unter Einschluß der Sonderzahlungen) S 15.291. Mit (rechtskräftigem) Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 14.2.1996, 21 R 147/96h-133, wurde er verpflichtet, zusätzlich zum laufenden monatlichen Unterhalt von S 2.290 (ON 129) für den mj.Alexander einen weiteren Betrag von S 8.567,20 als Sonderbedarf für eine kieferorthopädische Zahnbehandlung im Zeitraum 3.3.1994 bis 3.3.1995 in acht Raten zu je S 1.070,90 ab 1.2.1996 zu bezahlen. Die geschiedene Mutter, in deren Haushalt sich beide Kinder befinden, verdient als Teilzeitverkäuferin derzeit 12 x jährlich S 13.370,81 zuzüglich Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen sowie (bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Tochter) auch einer Wohnbeihilfe von monatlich S 2.805.

Unterhaltssachwalterin für den genannten Sohn ist die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Abteilung Jugendwohlfahrt (ON 118). Diese stellte am 29.4.1996 zunächst für die (damals noch minderjährige) Tochter und am 27.6.1996 auch für den Sohn die Anträge, den Vater zur Leistung weiterer Unterhaltssonderbedarfsbeträge von S 15.180 in 10 Raten für die Tochter bzw S 7.152 in sechs Raten für den Sohn zu verpflichten, und zwar jeweils aufgrund notwendiger kieferorthopädischer Behandlungen für beide Kinder, wobei es sich beim letztgenannten Betrag um die Kosten für das dritte Behandlungsjahr vom 3.3.1995 bis 3.3.1996 handelt.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater hinsichtlich des Sohnes zur Zahlung von S 3.500 in fünf Raten zu je S 700 ab 1.7.1996, hinsichtlich der Tochter zur Zahlung von S 8.500 in zehn Raten zu je S 850 ab 1.7.1996 und wies die darüber hinausgehenden Mehrbegehren ab.

Es beurteilte den eingangs (zusammengefaßt) wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß dem Vater - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 15.291 sowie unter Abzug der festgestellten weiteren Sorgepflichten - nur eine Gesamtbelastung für beide Kinder von zusammen S 12.000 für die beiden Sonderbedarfskosten zumutbar sei; hiedurch verbliebe dem Vater zur Deckung der Bedürfnisse seiner zweiten Frau samt Kind ein Betrag von S 11.287. Darüber hinaus hätten die inzwischen selbsterhaltungsfähig gewordene Tochter einerseits sowie die selbst auch erwerbstätige Mutter andererseits anteilig zum geltend gemachten Sonderbedarf beizutragen.

Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Kinder keine Folge, sondern bestätigte den erstinstanzlichen Beschluß. Es führte rechtlich aus, daß grundsätzlich nur der der Pfändung unterliegende Bezugsteil zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit zugrundezulegen sei. Demnach sei ein Betrag von S 10.884 beim Vater unpfändbar; bezüglich des pfändbaren Restes von S 4.407 sei zwar eine zusätzliche Belastung mit Sonderunterhaltskosten (für den Sohn) von (rechnerisch) monatlich S

2.117 möglich. Da er jedoch bis einschließlich September 1996 noch S 1.070,90 an Zahnbehandlungskosten (aus dem vorangegangenen Beschluß vom 14.2.1996) zu leisten habe, sei unter Bedachtnahme auf die zusätzlichen Sonderbeitragskosten (für beide Kinder) ab 1.7.1996 von zusammen S 1.550 eine Mehrbelastung nicht mehr zumutbar, auch wenn inzwischen die Unterhaltspflicht für die Tochter weggefallen sei.

Gemäß § 14 Abs 1 AußStrG ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zu, "weil der Belastbarkeitsgrenze von Unterhaltspflichtigen für Sonderbedarfskosten über den vorliegenden Einzelfall hinausgehend eine rechtserhebliche Bedeutung beizumessen ist und den Ausführungen des Höchstgerichtes zu SZ 68/38 - zufolge des dort anders gelagerten Sachverhaltes - nicht entnommen werden kann, inwieweit bei der nachträglichen Auferlegung von Sonderbedarfskosten (in Raten) eine Mehrbelastung in die Zukunft verschobenwerden darf und auf die während des Zeitraumes ihres Entstehens noch bestehenden Sorgepflichten Rücksicht genommen werden muß."

Während die Entscheidung bezüglich der Tochter unbekämpft blieb, richtet sich bezüglich des Sohnes gegen diese Entscheidung der Revisionsrekurs seiner Unterhaltssachwalterin mit dem Antrag, den Vater zum vollen beantragten Betrag von S 7.152 in zehn gleichen Raten zu je S 715,20 ab 1.9.1996 zu verpflichten (im Hinblick auf den bereits rechtskräftigen Zuspruch von S 3.500 ist somit nur noch über den Differenzbetrag von S 3.652 zu entscheiden).

Rechtliche Beurteilung

Auch wenn sich die Frage, ob ein Unterhaltspflichtiger nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in der Lage ist, einen bestimmten Unterhaltssonderbedarf eines Minderjährigen mitzufinanzieren, regelmäßig nur durch eine in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausreichende Ermessensentscheidung klären läßt (1 Ob 2015/96x [ebenfalls im Zusammenhang mit Zahnbehandlungskosten]), so ist doch der vorliegende Revisionsrekurs zulässig, weil die hier anstehende Frage des Ausmaßes der Belastbarkeit des Einkommens eines Unterhaltspflichtigen bei einem zwar zeitlich unterschiedlich, zufolge ratenweiser Entrichtung sich jedoch teilweise zeitlich überlappend geltend gemachten Sonderbedarf vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beantworten war und damit über den bloßen Einzelfall hinausgeht; er ist jedoch nicht berechtigt.

Daß der den minderjährigen Alexander betreffende Sonderbedarf grundsätzlich in die unterhaltsrechtliche Deckungspflicht seines Vaters fällt, steht dem Grunde wie der Höhe nach unstrittig fest (sodaß auf die etwa jüngst von Gitschthaler, Zur finanziellen Belastbarkeit eines Unterhaltspflichtigen, JBl 1995, 808, in den Raum gestellte Frage, da heutzutage praktisch jedes Kind eine Zahnregulierung benötigt, wäre die Idee diskutierbar, ob nicht auch diese Kosten Regelbedarf darstellen sollten, hier unerörtert bleiben kann). Die zu lösende Rechtsfrage liegt vielmehr nur darin, ob die Deckung des für den Minderjährigen gegebenen Sonderbedarfs gerade deshalb nicht im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Vaters liegt, weil er durch die Auferlegung einer solchen unter dem gleichen Titel nur kurze Zeit vorher (ratenmäßig) weiterhin - auch in der Periode des Neuanfalls - belastet gewesen ist. Diese Frage hat indes das Rekursgericht mit stichhaltiger und auch vom Obersten Gerichtshof gebilligter Begründung bejaht. Ergänzend ist hiezu nur noch folgendes auszuführen:

1. Bei Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zur Deckung eines Sonderbedarfs ist nach der Grundsatzentscheidung 9 Ob 507/95 = SZ 68/38 = JBl 1995, 784 vom Freibetrag nach § 292 b EO als absoluter Belastbarkeitsgrenze auszugehen. Jener Teil des durchschnittlichen Nettoeinkommens des Unterhaltsschuldners, der ihm auch im Falle der exekutiven Durchsetzung eines Unterhaltstitels verbleiben muß (§ 291 b Abs 2 EO), ist zunächst von der Bemessung des Unterhalts auszuscheiden und nur der der Pfändung unterliegende Bezugsteil der Ermittlung der Leistungsfähigkeit in bezug auf den Unterhalt und Sonderbedarf begehrenden Unterhaltsberechtigten zugrundezulegen. Insoweit wurde diese Entscheidung von Gitschthaler, aaO auch zustimmend besprochen. Daß unter dem Begriff der "Unterhaltsleistungen" (im Sinne der neuen, durch die EO-Novelle 1991 BGBl 628 neu gefaßten Bestimmungen) nicht bloß laufende, sondern auch - etwa bei einem Sonderbedarf - einmalige Zahlungen erfaßt sind, ist den Erläuternden Bemerkungen zur RV (181 BlgNR 18.GP, 27 [abgedruckt auch in Mohr, ecolex-spezial, Die neue Lohnpfändung, 49]) authentisch zu entnehmen. Da die verfahrensgegenständliche Sonderbedarfsforderung zwar den Zeitraum 3.3.1995 bis 3.3.1996 betrifft, allerdings vom unterhaltspflichtigen Vater erst ab dem Zeitraum 1.7.1996 bzw 1.9.1996 (Revisionsrekurs) ersetzt verlangt wird, ist der weiteren Berechnung die Existenzminimumverordnung [ExminV] 1996 BGBl 1995/860 zugrundezulegen. Nach der (infolge Umrechnung der Pensionseinkünfte des Unterhaltspflichtigen auf 12 Monate/Jahr durch die Vorinstanzen:

Gitschthaler, aaO) maßgeblichen (und damit zutreffend auch vom Rekursgericht zugrundegelegten) Tabelle 2 cm dieser Verordnung ergibt sich für den Zeitraum bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Tochter ein unpfändbarer Betrag von S 11.341,50, seither S 10.884 bzw umgekehrt (ausgehend vom Pensionsbezug von S 15.291) ein pfändbarer Bezug von S 3.949,50 bzw S 4.407. Da vom Unterhaltssachwalter (sowohl im erstinstanzlichen Antrag als auch im Revisionsrekurs) die Verpflichtung des Vaters erst für den Zeitraum nach Entfall der Sorgepflicht für die Tochter (nämlich ab 1.7. bzw 1.9.1996) begehrt wurde, ist damit - wiederum in Übereinstimmung mit dem Rekursgericht - von letzterem Betrag (S 4.407) auszugehen. Diese so ermittelten (und hier nur zur Kontrolle nochmals wiedergegebenen bzw aufgeschlüsselten) Ziffern werden von der Rechtsmittelwerberin ohnedies nicht in Abrede gestellt.

2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß sich der Unterhalt auch bei Berücksichtigung eines Sonderbedarfs im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu halten hat (SZ 63/121, 6 Ob 643/95, 4 Ob 517/96); für die Ermittlung der Belastbarkeitsgrenze des Unterhaltsschuldners hat diesem jedenfalls jener Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist (RZ 1994/57, EvBl 1995/129, 1 Ob 1645/95, 3 Ob 528/95, 4 Ob 2234/96z). Mit Rücksicht auf die erheblichen Sorgepflichten und das nur sehr geringe Pensionseinkommen des Unterhaltspflichtigen wäre es eine Negierung dieser Aspekte, einerseits Sonderbedarfszahlungen durch Ratengewährung auf einen längeren Zeitraum umzulegen, andererseits jedoch die Belastbarkeitsgrenze durch Ausklammerung der so gewährten Ratenbelastung von der effektiven Bemessungsgrundlage so zu gestalten, als ob er (so wie ein Vermögender, den früheren Sonderbedarf unter einem Mal leisten könnender Unterhaltspflichtiger) bei der Neubemessung des Folgejahrs bereits zur Gänze abgedeckt hätte und hiemit betraglich/finanziell nicht mehr belastet wäre. Dieses unbillige Ergebnis verkennt auch die Revisionsrekurswerberin nicht, zumal sie dem unstrittig in beengten finanziellen Verhältnissen lebenden Vater wegen dieser seiner Lage in erster Instanz erneut Raten zubilligt und sie im vorliegenden Rechtsmittel sogar weiter reduziert. Damit hat aber auch das Rekursgericht recht, wenn es - abschließend - in diesem besonderen Fall vermeint, daß die Mutter - obwohl sie als haushaltführender Elternteil, in welchem das Kind betreut wird, gemäß § 140 Abs 1 ABGB dadurch ihren Unterhaltsbeitrag (in natura) erfüllt - darüber hinaus nach § 140 Abs 2 zweiter Satz ABGB eben anteilig zum Sonderbedarf des minderjährigen Sohnes mit beitragen muß, weil der andere (grundsätzlich zum Geldunterhalt verpflichtete) Elternteil zur vollen Abdeckung dieses Sonderbedürfnisses seines Kindes nicht imstande ist oder (im Falle der Bejahung der von der Revisionsrekurswerberin vertretenen Rechtsauffassung) nach dem Vorgesagten mehr leisten müßte, als es seinen tatsächlichen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre (vgl RZ 1991/25).

3. Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben. Die zu diesem Ergebnis führende Ratengewährung ist demnach auch nicht (wie im Rechtsmittel vermeint) ein bloßes Entgegenkommen des unterhaltsberechtigten Kindes, sondern tatsächlich nur in der konkreten, eine weitergehende Leistungsfähigkeit ausschließenden Situation des Kindesvaters begründet.

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