OGH 1Ob2299/96m

OGH1Ob2299/96m16.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Werner M*****, vertreten durch Dr.Wolfgang R.Gassner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Veronika G*****, vertreten durch Dr.Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 111.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 28.Februar 1996, GZ 16 R 103/96a-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11.Mai 1995, GZ 21 Cg 122/93b-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Rückzahlung eines Darlehens im Betrage von S 111.000,-- samt 9 % Zinsen seit 5.5.1991.

Die Beklagte wendete ein, der Kläger habe ihr den ursprünglich als Darlehen zugezählten Betrag geschenkt. Überdies hätten die Streitteile schon bei der Darlehensgewährung vereinbart, daß dieses zurückzuzahlen sei, soweit es der Geschäftsgang des von der Beklagten betriebenen Unternehmens ermögliche. Da dieses Unternehmen bisher lediglich Verluste erwirtschaftet habe, sei das Darlehen zur Rückzahlung jedenfalls nicht fällig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

"Im Sommer 1992 führten die Parteien miteinander ein Gespräch über das Darlehen von S 444.000,--. Im Zuge dieses Gesprächs bildeten die Parteien den Willen, eine Vereinbarung dahin abzuschließen, daß die Beklagte nicht mehr verpflichtet sein sollte, dem Kläger dieses Darlehen zurückzuzahlen. Die Parteien erklärten einander damals diesen Willen. Die Beklagte sagte zum Kläger sinngemäß, das sei sehr lieb von ihm, sie bedanke sich bei ihm, für sie falle dadurch eine große psychische Belastung weg. Der Kläger sagte sinngemäß, wenn die Beklagte wirklich einmal sehr reich würde, könnte sie ihm seine Pension aufbessern".

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Gericht erster Instanz diesen Sachverhalt dahin, daß der Kläger auf die Rückzahlung des Darlehens schenkungsweise verzichtet habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Es stellte nach Beweiswiederholung fest, die Beklagte habe den am 1.5.1992 fälligen Darlehens-(teil-)Betrag von S 111.000,-- nicht zurückgezahlt. Die Beklagte habe dem Kläger erklärt, es gehe ihr finanziell schlecht und sie könne unmöglich zahlen. Der Kläger habe der Beklagten erwidert, er betrachte das Geld, das er ihr als Darlehen gewährt habe, als verloren; wenn es ihr wirklich einmal besser gehen sollte, könne sie ihm seine Pension entsprechend aufbessern. Die Beklagte habe geglaubt, der Kläger habe ihr den gesamten Darlehensbetrag von S 444.000,-- schenken wollen. Der Kläger habe aber nicht die Absicht gehabt, der Beklagten die Rückzahlung des genannten Betrags endgültig zu erlassen, er habe einen solchen Verzicht auch nicht geäußert. Er habe aber ihrem Vorschlag, daß sie das Geld erst dann zurückzahlen solle, wenn es der Geschäftsgang ihres Unternehmens zulasse und es ihr finanziell besser ginge, zugestimmt.

Rechtlich meinte das Berufungsgericht, aus dem Gesamtverhalten des Klägers sei eine Schenkungsabsicht auch nicht konkludent zu erschließen. Er habe sich aber mit einer Stundung seiner Darlehensforderungen einverstanden erklärt und zugestimmt, daß die Beklagte nach Möglichkeit des Geschäftsgangs ihres Unternehmens das Darlehen zurückzahlen solle. Damit habe er deutlich zum Ausdruck gebracht, er wolle die Beklagte auf längere Zeit von der finanziellen Belastung der Darlehensrückzahlung befreien. Der Kläger habe die Absicht gehabt, die Beklagte durch mehrere Jahre nicht in Anspruch zu nehmen. Nun habe er zwar behauptet, daß der Geschäftsgang des Reisebüros der Beklagten eine Rückzahlung zuließe, nicht aber, daß sich die finanzielle Situation der Beklagten seit der Stundungsvereinbarung so entscheidend verbessert habe, daß durch die Änderung der Umstände die Geltendmachung der Rückzahlungsverpflichtung bereits nach nicht einmal einem Jahr gerechtfertigt wäre. Die Darlehensforderung sei demnach nicht fällig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Die oben wiedergegebenen wesentlichen Feststellungen des Gerichts zweiter Instanz lassen die rechtliche Schlußfolgerung zu, daß eine "reine Stundung" vorliegt, also ein Aufschub der Geltendmachung der Forderung, ohne daß deren Fälligkeit berührt würde (4 Ob 2114/96; WBl 1994, 205; JBl 1993, 456; 2 Ob 682/86; 8 Ob 592/86; 5 Ob 306, 307/82; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 13 zu § 904), zumal eine solche wohl im Zweifel anzunehmen ist (ÖBA 1990, 639; Reischauer aaO) und der Verzug mit der Rückzahlung bereits eingetreten war (Koziol/Welser, Grundriß10 I 226 mwN in FN 9). Die Streitteile haben die Darlehensrückzahlung "nach Möglichkeit oder Tunlichkeit" im Sinne des § 904 ABGB vereinbart (Reischauer aaO Rz 10 zu § 904). An der Gewährung der Stundung kann die nachfolgende unverzügliche Einforderung der Darlehensschuld - veranlaßt durch Behauptungen der Beklagten, es sei ihr die Schuld erlassen worden - nichts ändern. Die rechtliche Schlußfolgerung des Berufungsgerichts, der Kläger habe die Beklagte auf längere Zeit von der finanziellen Belastung der Darlehensrückzahlung befreien wollen, er habe die Absicht gehabt, die Beklagte durch mehrere Jahre nicht in Anspruch zu nehmen (S 7 des Urteils der zweiten Instanz), läßt sich jeoch aus dessen Feststellungen nicht ableiten. Vielmehr war beabsichtigt, daß die Beklagte das Darlehen nach Möglichkeit und Tunlichkeit zurückzahlen sollte. Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts ist daher nicht vertretbar und demnach zu korrigieren (6 Ob 1677/95; 1 Ob 43/94 uva). Zu einer Behauptung, daß sich die finanzielle Situation der Beklagten seit Gewährung der Stundung entscheidend verbessert habe, war der Kläger nicht genötigt. Maßgeblich für die Möglichkeit und Tunlichkeit der Rückzahlung ist es allein, ob die Beklagte aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse in der Lage ist, die Klagsforderung zu bezahlen. Derartiges wurde behauptet, diesbezüglich wurden vom beweispflichtigen Kläger auch Beweise angeboten (S 2 des Schriftsatzes vom 21.2.1994 ON 13 = AS 46; vgl dazu auch Reischauer aaO Rz 10 zu § 904) und auch aufgenommen (Protokoll vom 13.2.1995, ON 20). Das Berufungsgericht wird Feststellungen zu treffen haben, ob die Beklagte aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse in der Lage ist, die Klagsforderung zu bezahlen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte