OGH 10Ob2215/96z

OGH10Ob2215/96z12.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Steinbauer, Dr.Pimmer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude M*****, vertreten durch Dr.Heinz Leitinger und Dr.Gerolf Haßlinger, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wider die beklagten Parteien 1.) Markus D*****, und 2.) Christine D*****, ebendort, vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung und Einverleibung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 2.Mai 1996, GZ 5 R 383/95-19, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der außerordentlichen Revision der beklagten Parteien werden das Urteil des Berufungsgerichtes und das diesem vorangegangene Verfahren zweiter Instanz als nichtig aufgehoben und die Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil der ersten Instanz zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Die gegenständliche Rechtssache wurde mit in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10.7.1995 in Anwesenheit beider Parteien(vertreter) verkündetem Beschluß zur Ferialsache erklärt (Seite 10 in ON 6 = AS 26).

Das dem Klagebegehren stattgebende Ersturteil vom 2.8.1995 wurde dem Vertreter der beklagten Parteien laut Rückschein am Donnerstag, den 17.8.1995, zugestellt (AS 58). Die von den beklagten Parteien erhobene Berufung wurde am Donnerstag, den 21.9.1995, zur Post gegeben (AS 79) und war damit verspätet. Letzter Tag der vierwöchigen Notfrist des § 464 Abs 1 ZPO war bereits Donnerstag, der 14.9.1995.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 224 Abs 2 ZPO kann der Einzelrichter jede andere als im Abs 1 dieser Gesetzesstelle aufgezählte Rechtssache auf Antrag einer Partei wegen Dringlichkeit zur Ferialsache erklären. Nach § 224 Abs 2 zweiter Satz ZPO bezieht sich der Ausspruch, durch den eine Sache zur Ferialsache erklärt wird, auf die schon laufenden, wenn er jedoch - wie hier - außerhalb der Gerichtsferien gefaßt wird, auf die nächstfolgenden Gerichtsferien, im konkreten Fall also auf die vom 15.7. bis 25.8.1995 dauernden Gerichtsferien. Gemäß § 225 Abs 2 ZPO haben die Gerichtsferien ua auf den Anfang und den Ablauf von Fristen in Ferialsachen keinen Einfluß; darunter fallen auch die Notfristen der diversen Rechtsmittel (GlUNF 7.648; MGA ZPO14 E 7 zu § 225; Gitschthaler in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 225; siehe auch JME 2.6.1914, JMVBl 1914/43, 342).

Sowohl das Erstgericht (§ 468 Abs 1 zweiter Satz ZPO) als auch das Berufungsgericht (§ 471 Z 2 zweiter Fall, § 473 Abs 1, § 474 Abs 2 ZPO) haben den Umstand übersehen, daß es sich hier um eine Ferialsache kraft richterlichen Beschlusses handelte. Sie haben damit den Einfluß der Gerichtsferien auf die laufende Berufungsfrist unrichtig beurteilt, sodaß das Berufungsgericht statt eines in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Zurückweisungs- beschlusses über das somit verspätete Rechtsmittel eine Sacherledigung traf. Dessen Urteil war daher vom Obersten Gerichtshof als nichtig aufzuheben (JBl 1985, 630, SZ 41/113, 10 ObS 268/95; Gitschthaler aaO Rz 2). Mit Ablauf des letzten Tages der gesetzlichen Notfrist (14.9.1995) erwuchs das Ersturteil mangels (rechtzeitiger) Anfechtung in Rechtskraft. Die durch die Sachentscheidung des Berufungsgerichtes unterlaufene Nichtigkeit (Verstoß gegen die Rechtskraft des Ersturteils durch sachliche Entscheidung über die verspätete Berufung) war gemäß § 411 Abs 2 ZPO vom Revisionsgericht amtswegig aus Anlaß des nach der Verfahrensordnung zulässig erhobenen Rechtsmittels, wahrzunehmen, weil dem Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes stets erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (vgl 4 Ob 546/90, 3 Ob 101/95).

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf § 51 Abs 2 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Verspätung des Rechtsmittels in ihrer Berufungsbeantwortung nicht hingewiesen.

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