European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E40438
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Aus Anlaß des Revisionsrekurses werden die von den Vorinstanzen gefällten Entscheidungen und das durchgeführte Verfahren als nichtig aufgehoben und der Antrag auf Exekutionsbewilligung zurückgewiesen.
Der betreibenden Partei fallen die Kosten des nichtigen Verfahrens selbst zur Last.
Begründung:
Die betreibende Partei erwarb mit Kaufvertrag den Hälfteanteil an einer Wiener Liegenschaft. Da der Kaufvertrag jedoch nicht in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen worden war und sich die Verkäuferin weigerte, an der Errichtung einer entsprechenden Vertragsurkunde mitzuwirken, wurde sie von der betreibenden Partei geklagt und schließlich zur Unterfertigung eines Kaufvertrags mit der Wendung "abgeschlossen am 9.4.1989 und 1.8.1989" rechtskräftig vom Gericht zweiter Instanz verurteilt; eine außerordentliche Revision der Verkäuferin war vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen worden. Zur Sicherung des Anspruchs der betreibenden Partei auf Übertragung des Eigentumsrechts verbot das Bezirksgericht Klagenfurt der Verkäuferin mit einstweiliger Verfügung vom 31.August 1989 die Veräußerung, Belastung und Verpfändung ihrer Liegenschaftshälfte. Dieses Verbot wurde vom Bezirksgericht Döbling als Grundbuchsgericht im Rang TZ 4863/1989 (4.September 1989) angemerkt. Am 28.August 1989 verkaufte die Vertragspartnerin der betreibenden Partei ihre Liegenschaftshälfte nochmals, und zwar an die verpflichtete Partei; deren Eigentumsrecht an dieser Liegenschaftshälfte wurde aufgrund des am 28.August 1989 abgeschlossenen und am 12.April 1990 durch Beifügung eines weiteren Vornamens der verpflichteten Partei ergänzten Kaufvertrags im Rang TZ 2376/1990 durch das Bezirksgericht Döbling als Grundbuchsgericht einverleibt. Gleichzeitig erfolgte die Löschung der Anmerkung des von der betreibenden Partei erwirkten Veräußerungs‑ und Belastungsverbots.
Der fünfte Senat des Obersten Obersten Gerichtshofs wies mit Beschluß vom 26.November 1991 (5 Ob 46/91 = EvBl 1992/86 = NZ 1992, 255 [Hofmeister NZ 1992, 258]) ‑ in Abänderung der von den Vorinstanzen gefällten Entscheidung ‑ den im Grundbuchsverfahren wider die (jetzt) verpflichtete Partei (Zweitkäufer) gestellten Antrag der betreibenden Partei ab, ihr aufgrund der gegen die Verkäuferin erwirkten Urteile der Gerichte erster und zweiter Instanz die Vormerkung des Eigentumsrechts am erworbenen Liegenschaftsanteil zu bewilligen.
Im vorliegenden Verfahren beantragte die betreibende Partei ‑ jetzt gestützt auf § 350 EO, jedoch ohne Änderung gegenüber jenem Sachverhalt, der bereits ihrem Vormerkungsgesuch im Grundbuchsverfahren zugrunde lag ‑, ihr aufgrund der gegen die Verkäuferin erwirkten Urteile der Gerichte erster und zweiter Instanz wider die verpflichtete Partei die Exekution durch Einverleibung ihres Eigentumsrechts am Hälfteanteil der bezeichneten Liegenschaft zu bewilligen.
Das Erstgericht erließ die beantragte Exekutionsbewilligung.
Das Rekursgericht wies das Vollstreckungsbegehren dagegen ab, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 50.000,‑- übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Es erwog im wesentlichen:
Sei der Exekutionstitel ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ eine einverleibungsfähige Urkunde, habe der durch den Titel Berechtigte die Wahl, die Bewilligung der Eintragung beim Grundbuchsgericht zu begehren oder einen Exekutionsantrag gemäß § 350 EO zu stellen. Habe er aber seine Wahl einmal getroffen und sei dessen Antrag in Ansehung des Grundbuchsstandes rechtskräftig abgewiesen worden, so sei "der neuerliche Antrag (Anmerkung: nunmehr im anderen Verfahren) bei unveränderter Sach‑ und Rechtslage unzulässig". Es sei daher "weiterhin" von den Erwägungen der Entscheidung 5 Ob 46/91 auszugehen.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß des Revisionsrekurses ist zur Rechtslage wie folgt Stellung zu nehmen:
Die betreibende Partei wendet sich in Punkt 2. ihrer Zulassungsbeschwerde gegen die dargestellte Ansicht des Rekursgerichts und meint, "ein Gläubiger, der im Besitze eines Wahlrechts" sei, könne "beide Möglichkeiten ausschöpfen, wenn er mit einer Möglichkeit nicht zum Ziel gelange".
Die Begründung des Rekursgerichts scheint zum Ausdruck zu bringen, die sich aus der materiellen Rechtskraft der im Grundbuchsverfahren gefällten Vorentscheidung ergebende Bindungswirkung erlaube es nicht, im nunmehrigen Exekutionsverfahren zu einem anderen meritorischen Ergebnis zu kommen. Dem ist nicht zu folgen.
Der Oberste Gerichtshof vertrat zunächst die Ansicht, die "bereits einmal erfolgte Abweisung eines ähnlichen" Grundbuchsgesuchs könne dann keinen "gesetzlichen Grund zur sofortigen Zurückweisung" eines von derselben Person "neuerlich eingebrachten Gesuches" bilden, wenn "aus der früheren Abweisung eines ähnlichen Tabulargesuchs noch für Niemanden Rechte erwachsen" seien, da das Grundbuchsgesetz ‑ abgesehen von "darin vorgesehenen Fällen" ‑ die Erneuerung eines bereits abgewiesenen Tabulargesuchs nicht untersage (GlU 14.314).
Diese Rechtsprechung hielt der Oberste Gerichtshof in der Folge nicht aufrecht. Bereits in der Entscheidung SZ 9/113 wurde ausgesprochen, einem Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechts stehe entgegen, "daß er rechtskräftig bereits abgewiesen" worden sei. Das Grundbuchsgesetz enthalte zwar keine ausdrückliche Anordnung des Inhalts, daß ein rechtskräftig abgewiesener Antrag nicht neuerlich eingebracht werden dürfe, Voraussetzung seiner Wiedereinbringung sei jedoch "offenbar eine geänderte Sachlage". Fehle es an dieser Voraussetzung, liege res judicata vor.
In 5 Ob 220/72 (RPflSlgG 1418) wurde sodann betont, es bestehe kein Anlaß, von der in der Entscheidung SZ 9/113 dargelegten Rechtsansicht abzugehen. Auch den Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit komme grundsätzlich materielle Rechtskraft zu. Diese sei in jeder Lage des Verfahrens von amtswegen zu beachten. Sie halte nur "nachträglichen Tatbestandsänderungen" nicht stand. Bei Veränderung der Individualisierungsmerkmale des Rechtsschutzanspruchs, aufgrund deren die Entscheidung ergangen sei, entstehe ein neuer Rechtsschutzanspruch, der "dann folgerichtig von der Rechtskraft der Entscheidung über den ersten nicht berührt" werde.
An dieser Rechtsprechungslinie hielt der Oberste Gerichtshof auch in seinen späteren Entscheidungen fest (JUS 1990/425 = RPflSlgG 2265; SZ 52/106). Danach erlaubt die materielle Rechtskraft eines im Grundbuchsverfahren ergangenen Abweisungsbeschlusses bei unveränderter Sachlage kein neuerliches Anbringen des Grundbuchsgesuchs. Wurde also ein auf bestimmte Urkunden gegründetes Eintragungsbegehren in Ansehung eines gegebenen Grundbuchsstands abgewiesen, dann ist damit abschließend und unwiederholbar darüber abgesprochen, daß bei unverändertem Grundbuchsstand die Voraussetzungen für die beantragte Eintragung aufgrund der vorgelegten Urkunden allein nicht gegeben sind (SZ 52/106). Das ist eine Folge der sich aus der materiellen Rechtskraft eines Grundbuchsbeschlusses ergebenden Einmaligkeitswirkung (so zB jüngst auch: Rechberger/Oberhammer, § 234 ZPO ‑ Einfach kompliziert?, ecolex 1994, 456 [459]).
Allein der Umstand, daß die einverleibungsfähige Urkunde ein Exekutionstitel ist und daher dem daraus Berechtigten ein Wahlrecht offensteht, ein Eintragungsbegehren entweder im Grundbuchs‑ oder gemäß § 350 EO im Exekutionsbegehren zu stellen, vermag die Einmaligkeitswirkung eines bereits im Grundbuchsverfahren erlassenen und materiell rechtskräftig gewordenen Abweisungsbeschlusses ohne Eintreten einer Sachverhaltsänderung nicht zu durchbrechen. Die Identität der Begehren und der diesen zugrunde liegenden Sachverhalte erfährt nämlich durch die Verschiedenheit der Verfahren keine Änderung, weil das Verfahren ‑ unbeschadet seiner Art ‑ nur als Mittel zur Rechtsdurchsetzung dient und den verfolgten Anspruch inhaltlich nicht beeinflussen kann.
Gemäß § 8 Z 2 GBG gehört die Vormerkung des Eigentumsrechts zu jenen grundbücherlichen Eintragungen, die durch deren spätere Rechtfertigung aufschiebend bedingt sind (5 Ob 64/95), und die gemäß § 38 lit a GBG aufgrund gerichtlicher Erkenntnisse erster oder höherer Instanz, durch die das dingliche Recht zwar unbedingt zugesprochen oder abgesprochen wird, die aber noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind, stattfindet. Als Folge der Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft können aber bei gleichem Grundbuchsstand nicht dieselben ‑ wenn auch jetzt einem Exekutionsbewilligungsantrag gemäß § 350 EO zugrunde gelegten ‑ Urkunden zur Einverleibung des unbedingten Eigentumsrechts der betreibenden Partei führen, die im Grundbuchsverfahren nicht einmal für einen bedingten Rechtserwerb ausreichten.
Dem Exekutionsbegehren der betreibenden Partei steht daher das sich aus der Vorentscheidung 5 Ob 46/91 ergebende Prozeßhindernis der entschiedenen Rechtssache entgegen, was aus Anlaß des nach der Verfahrensordnung zulässig erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurses von amtswegen wahrzunehmen ist (SZ 38/27; SZ 33/12; SZ 20/47). Da die Nichtbeachtung der Rechtskraft Nichtigkeit bewirkt (SZ 30/48; SZ 22/173; SZ 20/266), ist spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 78 EO und § 51 Abs 1 ZPO fallen die Kosten des nichtigen Verfahrens der betreibenden Partei selbst zur Last, weil sie das Verfahren schuldhaft ‑ trotz des vorhandenen Nichtigkeitsgrundes ‑ einleitete und fortführte.
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