OGH 8Ob2027/96p

OGH8Ob2027/96p18.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg G*****, Diplomkrankenschwester, ***** vertreten durch Dr.Herwig Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Karl-Hans F*****, Steinmetz, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Ebner und Dr.Joachim Tschütscher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15.November 1995, GZ 2 R 486/95-15, womit infolge Berufung des Beklagten das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 8.Mai 1995, GZ 17 C 515/94k-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die Klägerin ist zu 848/2814-Anteilen Miteigentümerin des Hauses I*****, S*****straße 2; weitere 1696/2814-Anteile gehören ihrem geschiedenen Ehegatten Ekkehard G***** und die restlichen 90/938-Anteile Dr.Ingrid K*****. Mit Mietvertrag vom 8.September 1987 vermietete die damalige Hausverwalterin B***** GmbH die im vierten Stock gelegene Wohnung (bestehend aus drei Zimmern, Küche, Speis, Vorraum, WC und Kellerabteil, Wohnnutzfläche 79,45 m2) ab 1.September 1988 an den Beklagten zu einem Hauptmietzins von 969,29 S netto, wertgesichert nach dem VPI 1976. Nach dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrages ist die gänzliche oder teilweise Untervermietung des Bestandobjektes ohne gesonderte Vereinbarung der Vertragspartner unzulässig und bedürfen Abänderungen oder Ergänzungen des Mietvertrages der Schriftform. Mit dieser Vermietung war die Klägerin, die der Hausverwaltung B***** GmbH keine Vollmacht ausgestellt hatte, nicht einverstanden. Die Klägerin hatte sich immer wieder bemüht, die Wohnung für ihren Sohn Christopher zu erlangen, der bereit gewesen wäre, einen wesentlich höheren Mietzins von 4.000 S monatlich zu entrichten. Der Beklagte ist der Schwager des Mehrheitseigentümers Ekkehard G*****. Er hatte bei Abschluß des Mietvertrages nicht vor, diese Wohnung selbst zu beziehen, da er mit seiner Lebensgefährtin in F***** lebte. Der Abschluß des Mietvertrages hatte den Zweck, Ekkehard G***** und dessen nunmehriger Gattin Marie-Luise G***** ein zusätzliches Einkommen im Wege der Untervermietung gegen übermäßiges Entgelt zu verschaffen. Tatsächlich wurde die Wohnung vom Beklagten an Peter P*****, einen Freund des Ekkehard G*****, gegen einen Untermietzins von 5.400 S brutto zuzüglich Betriebskosten ab 1.November 1988 auf fünf Jahre befristet weitervermietet. Die Klägerin wurde von dieser Untervermietung nicht verständigt. Peter P***** wohnte dort bis Mai 1992 und überwies den Untermietzins zunächst auf ein auf Marie-Luise G***** lautendes Sparbuch; ab Juli 1991 überwies er den Zins auf ein anderes Sparbuch, das auf F***** lautete. Dieses Sparbuch wurde von Marie-Luise G***** verwaltet. An die Hausverwaltung wurden nur die Einnahmen aus dem Hauptmietverhältnis mit dem Beklagten abgeliefert. Von den Einnahmen aus der Untervermietung erhielt die Klägerin nichts; sie flossen dem Mehrheitseigentümer Ekkehard G***** und dessen Gattin zu, weiters wurden daraus auch die Fahrten des Beklagten nach Österreich bezahlt. Nach dem Auszug des Peter P***** stand die Wohnung einige Zeit leer. Dann wurde sie ab 1.Oktober 1992 an die Tochter des Beklagten Daniela F***** und deren ehemaligen Freund Bruno P***** um 3.000 S monatlich untervermietet. Daniela F***** zog Anfang November 1993, Bruno P***** am 20.Februar 1994 aus. Seither wird diese Wohnung nicht mehr ständig bewohnt.

Die Klägerin begehrt die Räumung des Bestandobjektes durch den Beklagten und die Übergabe der geräumten Wohnung an sie. Der Mietvertrag sei zu ungewöhnlichen Bedingungen, nämlich zu einem zu geringen Bestandzins und auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Darüber hinaus sei der Mietvertrag nur in der Absicht abgeschlossen worden, durch die von vorneherein geplante Untervermietung dem Ehepaar G***** unter gänzlicher Übergehung der Klägerin ein Zusatzeinkommen zu verschaffen. Insgesamt sei die Vermietung daher nicht als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, sondern als wichtige Veränderung anzusehen, die der Zustimmung aller Liegenschaftseigntümer bedurft hätte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Mietvertrag sei von der Hausverwaltung auch namens der Klägerin abgeschlossen worden und weise keine ungewöhnlichen Bedingungen auf. Als das Bestandobjekt freigeworden sei, habe sich der Beklagte dafür interessiert. Er habe zwar damals noch in Deutschland gearbeitet, aber beabsichtigt, in absehbarer Zeit nach Österreich zu ziehen; bis zu diesem Zeitpunkt sei ihm vom Mehrheitseigentümer die Untervermietung gestattet worden. Es treffe nicht zu, daß die Untermietzinszahlungen auf ein Konto der Marie-Luise G***** geflossen seien; im übrigen seien sowohl die Ehegatten G***** als auch der Beklagte von der wider sie erhobenen Anklage des gewerbsmäßigen Betruges mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.Juli 1994 rechtskräftig freigesprochen worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da die gewählte Konstruktion dazu gedient habe, dem Beklagten die gänzliche Untervermietung zu einem erheblich höheren Zins als dem Hauptmietzins zu ermöglichen, um dadurch unter Umgehung der Klägerin dem Mehrheitseigentümer und dessen Gattin ein Zusatzeinkommen zu verschaffen, stelle sich der Abschluß des Mietvertrages nicht als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung dar und hätte daher der Zustimmung aller Miteigentümer bedurft; zum gleichen Ergebnis gelange man, wenn man den Hauptmietvertrag als bloßes Scheingeschäft qualifiziere.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Da der Beklagte gar nicht die Absicht gehabt habe, in die Wohnung einzuziehen, sondern von vornherein vereinbart gewesen sei, das Bestandobjekt zu einem weit höheren Untermietzins weiterzuvermieten, um dem Ehepaar G***** ein Zusatzeinkommen zu verschaffen, von dem die Klägerin nichts wissen sollte, sei der Bestandvertrag nicht als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, sondern als wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB zu qualifizieren. Gegenüber der übergangenen Minderheitseigentümerin habe diese Maßnahme keine Wirkung; sie sei berechtigt, gegen den Bestandnehmer mit Räumungsklage vorzugehen, da dieser ihr gegenüber das Bestandobjekt titellos benütze. Die Klägerin sei auch berechtigt, die Übergabe des Bestandobjektes an sie zu fordern. Dies bedeute aber nicht, daß die Klägerin künftig zur freien Verfügung über dieses Objekt berechtigt wäre; die weitere Verwendung sei vielmehr von der Miteigentumsgemeinschaft zu regeln.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da das Berufungsgericht mit der Rechtsansicht, der Beklagte sei zur Übergabe des geräumten Bestandobjektes an die Klägerin zu verpflichten, von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 5 Ob 561/93 (MietSlg 45.027) abwich, wonach Übergabe des geräumten Bestandobjektes an den Minderheitseigentümer nicht begehrt werden könne.

Die Revision ist auch berechtigt.

Soweit der Revisionswerber allerdings darzulegen sucht, zum Abschluß des gegenständlichen Mietvertrages sei der nur vom Mehrheitseigentümer bevollmächtigte Verwalter im Rahmen der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft auch ohne Zustimmung der Klägerin berechtigt gewesen, ist ihm zu erwidern, daß ein Mietvertrag, der nicht dazu dient, dem Mieter gegen angemessenes Entgelt eine Wohnmöglichkeit zu geben, sondern dazu, dem Mehrheitseigentümer im Wege der Untervermietung zu einem höheren, nicht in die Hausabrechnung fließenden Zins ein ausschließlich ihm zufließendes Zusatzeinkommen zu verschaffen, wohl nicht als gewöhnliche, im Interesse aller Miteigentümer (siehe Gamerith in Rummel2 I § 833 Rz 4) liegende Verwaltungsmaßnahme qualifiziert werden kann, zumal der Ausschluß der übrigen Mieteigentümer von den Erträgnissen einer Wohnung nur aufgrund einer mit Zustimmung aller Teilhaber getroffenen Benützungsvereinbarung oder aufgrund einer gerichtlichen Benützungsregelung zulässig ist. Da demnach der nur mit Zustimmung des Mehrheitseigentümers abgeschlossene Mietvertrag keinen tauglichen Titel für die Innehabung der Wohnung durch den Beklagten bildet, ist er zur Räumung verpflichtet, wobei, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, auch der übergangene Minderheitseigentümer zur Räumungsklage legitimiert ist (siehe Gamerith aaO § 833 Rz 5 sowie MietSlg 40.046 und 41.026/21).

Zu Recht wendet sich der Revisionswerber lediglich gegen die Verpflichtung des Beklagten, die geräumte Wohnung der Klägerin zu übergeben. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in MietSlg 45.027 ausgesprochen hat, ist zwar jeder Miteigentümer berechtigt, ungerechtfertigte Eingriffe in das (gemeinsame) Eigentum gegen jeden geltend zu machen, also auch gegen einen titellosen Benützer mit Räumungsklage vorzugehen; daraus folgt aber nicht, daß in allen Fällen auch die Übergabe des geräumten Objektes an ihn zu erfolgen hat. Hiezu bedarf es eines - auch hier nicht behaupteten - Rechtstitels seinerseits.

Soweit in der Vorentscheidung allerdings die Auffassung vertreten wird, bei Fehlen eines Rechtstitels auf ausschließliche Benutzung der zu räumenden Wohnung könne der klagende Minderheitseigentümer nur die Räumung schlechthin begehren, vermag ihr der erkennende Senat nicht zu folgen, da die Räumung im Sinne des § 349 EO von der Übergabe der geräumten Liegenschaft an den betreibenden Gläubiger nicht getrennt werden kann (siehe Heller/Berger/Stix Komm EO III 2485; JBl 1953, 574; MietSlg 31.812 und 33.745). Da zur Übernahme der geräumten Wohnung die Miteigentümer insgesamt berechtigt sind, wären im Übergabebegehren sämtliche Miteigentümer als daraus Berechtigte zu nennen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Räumungsexekution nur durch alle Liegenschaftseigentümer gemeinsam begehrt werden könnte; ebenso wie der Klägerin als übergangener Minderheitseigentümerin ein selbständiger Räumungsanspruch zugebilligt wird, ist ihr auch die selbständige exekutive Durchsetzung dieses Anspruches zu gestatten.

Da auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer bisher nicht erörterten Rechtsauffassung überraschen darf (SZ 42/28; JBl 1988, 370 ua) und der Beklagte den Einwand, das Begehren auf Übergabe der geräumten Wohnung an die Klägerin sei unzulässig, im Verfahren erster Instanz nicht erhoben hat, ist den Parteien Gelegenheit zur Erörterung dieser Frage in erster Instanz zu geben, wobei die Klägerin zu einer entsprechenden Änderung ihres Klagebegehrens anzuleiten wäre.

Der außerordentlichen Revision des Beklagten war daher im Sinne des Aufhebungsantrages Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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