OGH 5Ob561/93

OGH5Ob561/939.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Teja H.Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Hans K*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Schmidt und Dr.HansWerner Schmidt, Rechtsanwälte in Graz, und die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei, P***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Walter Prüfling, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 22.Juni 1993, GZ 3 R 24/93-14, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 14.September 1992, GZ 6 C 267/91z-9, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1.) Die von der K*****-AG erstattete Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

2.) Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

3.) Die geschäftsordnungsgemäße Behandlung der Erklärung der K***** AG, auf Seite der beklagten Partei als Nebenintervenientin beizutreten, bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt als Miteigentümerin (19/72-Anteile) der Liegenschaft G*****, vom der Beklagten (Miteigentümer zu 3/72-Anteilen) die Räumung zweier näher (ua durch Bezeichnung in einem Plan) beschriebener Räume wegen unentgeltlicher und titelloser Benützung. Die nur zwischen dem Beklagten und der Mehrheitseigentümerin (= Nebenintervenientin laut ON 5; 50/72-Anteile) getroffene Benützungsregelung sei ohne Zustimmung der klagenden Partei unwirksam (ON 1).

Der Beklagte wendete ein, die Mehrheitseigentümerin habe ihm im Jahre 1980 die klagsgegenständlichen Räume im (konkludenten) Einverständnis mit den anderen Miteigentümern unentgeltlich zur Benützung überlassen; überdies handle es sich um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, zu der die Mehrheitseigentümerin berechtigt sei (ON 6).

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab; es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Parteien und die Nebenintervenientin sind zu den eingangs angeführten Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft G*****.

Bis 1.4.1991 waren KR Josef S***** zu 97 %, Josefine W*****, Gertraud R***** und Edith G***** (bis 26.2.1992) zu je 1 % Gesellschafter der klagenden Partei. Mit 1.4.1991 bzw. 26.2.1992 veräußerten sie ihre Geschäftsanteile. Bis zum Zeitpunkt der Veräußerung waren Edith G*****, Josefine W***** und Gertraud R***** Geschäftsführerinnen der klagenden Partei. Um die Mietverhältnisse sowie um die Verwaltung hatte sich jedoch ausschließlich KR Josef S***** gekümmert. Nachdem zunächst Ludwig Sch***** mit der Verwaltung des Hauses G***** betraut gewesen war, übernahm mit 1.1.1986 die Sch***** Immobilien GesmbH die Verwaltung. Die Vollmacht war ihr von der Nebenintervenientin als Mehrheitseigentümerin erteilt worden. Der klagenden Partei war dies bekannt. Im Verfahren nach § 18 MRG im Jahre 1986 wurden sämtliche Miteigentümer von diesem Verwalter vertreten.

Neben Feststellungen über die Vermietung von im 2.und 3.Stock gelegenen Obejekten durch den Verwalter und das Wissen der klagenden Partei davon stellte das Erstgericht weiters fest:

Der Beklagte nutzt im ersten Stock ein Zimmer mit WC, wobei die Miete für diese Räumlichkeiten von der Nebenintervenientin bezahlt wird. Die Nebenintervenientin benützt in diesem Haus 571,36 m2, das sind 64,6 %, und bezahlt den im Verfahren nach § 18 MRG festgesetzten Mietzins. Die klagende Partei nutzt etwa 35 % der Räumlichkeiten.

Der klagenden Partei war das Ausmaß der von der Nebenintervenientin benützten Räumlichkeiten ebenso bekannt wie sämtliche in diesem Haus bestehenden Mietverhältnisse.

Auf Grund der Abrechnung des Verwalters standen den Miteigentümern spätestens im März des jeweiligen Folgejahres alle Rechnungsunterlagen und Mietzinslisten zur Verfügung. KR S***** war demnach über sämtliche Mietverhältnisse bzw. über die Benutzung der gesamten Räumlichkeiten durch die jeweiligen Eigentümer informiert. Er hat nie Einwände gegenüber dem Verwalter erhoben, auch nicht betreffend die Benützungsregelung zwischen der Nebenintervenientin und dem Beklagten.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß es sich beim Abschluß von Mietverträgen zu nicht ortsüblichen Bedingungen, bei der Festsetzung eines Benützungsentgeltes für die von einem Miteigentümer benützten Teile einer gemeinsamen Sache und beim Abschluß von Bestandverträgen mit Miteigentümern um Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung handle, bei welcher es im Sinne des § 834 ABGB der Zustimmung aller Miteigentümer oder der Genehmigung des Gerichtes bedürfe. Diese Zustimmung sei auch dann anzunehmen, wenn sich die Miteigentümer in einer nach der Verkehrsübung und nach redlicher Rechtsausübung angemessenen Zeit nicht gewehrt und Räumung verlangt hätten. Im vorliegenden Fall sei nicht daran zu zweifeln, daß die klagende Partei durch konkludente Handlungen keinen Widerspruch erhoben habe, woraus ein stillschweigendes Zustandekommen der "gegenständlichen Mietverträge und Benützungsvereinbarungen" abzuleiten sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-

übersteigt und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Beweisrüge betreffend Feststellungen über die konkludente Zustimmung der Klägerin zu "Vermietungen und Benützungsregelungen" wurde vom Berufungsgericht nicht erledigt, weil das Urteil des Erstgerichtes schon aus folgenden Gründen zu bestätigen sei:

Jedem Miteigentümer, also auch dem Minderheitseigentümer, stehe das Recht zu, Eingriffe und Störungen der anderen Gemeinschafter abzuwehren. Einen derartigen Eingriff stelle es dar, wenn ein Miteigentümer, ohne daß eine Benützungsregelung vorliege, eine Veränderung des Gebrauches der gemeinsamen Sache vornehme, weil Verfügungen über die gesamte Sache gemäß § 828 ABGB den Teilhabern nur einverständlich zustünden. Daraus folge, daß jeder Miteigentümer vor allem auch die Beseitigung der eigenmächtigen ausschließlichen Benützung einer Wohnung durch einen anderen Miteigentümer im Rechtsweg verlangen könne.

Die klagende Partei stütze ihre Räumungsklage darauf, daß der Beklagte die verfahrensgegenständliche Wohnung ohne Entgelt benütze und sie dieser Benützungsregelung nicht zugestimmt habe. Demgegenüber stehe jedoch unbekämpft fest, daß der Beklagte im ersten Stock ein Zimmer mit WC benütze, wobei die Miete dafür von der Nebenintervenientin bezahlt werde. Bedeute dies, daß die Nebenintervenientin für den (auf Rechnung des) Beklagten leiste, so liege eine eigenmächtige Benützung durch diesen schon deshalb nicht vor, weil die klagende Partei nur die unentgeltliche Benützung als Grund für ihr Räumungsbegehren heranziehe. Sei die genannte Feststellung aber dahin zu verstehen, daß die Nebenintervenientin Mieterin dieser Räumlichkeiten sei, dann könne die klagende Partei gegen den Beklagten, der sein Benützungsrecht von der Mieterin ableite, nicht unmittelbar gegen den Beklagten vorgehen. Auf eine konkludente Zustimmung zur Überlassung bestimmter Räumlichkeiten an den Beklagten komme es daher nicht an.

Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Art nicht zu lösen wären.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Während des Revisionsverfahrens erklärte die K***** AG, als Nebenintervenientin auf seiten der beklagten Partei beizutreten und erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Die von der K***** AG erstattete Revisionsbeantwortung ist verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

a) Zur Revisionsbeantwortung der K***** AG:

Gemäß § 18 Abs 1 ZPO erfolgt die Nebenintervention durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien. Erst ab der Zustellung ist die Nebenintervention wirksam und erst ab diesem Zeitpunkt kann der Nebenintervenient im Prozeß rechtsgültig handeln (RZ 1958, 59). Da der Nebenintervenient gemäß § 19 Abs 1 ZPO den Rechtsstreit in der Lage annehmen muß, in der sich derselbe zur Zeit des Beitrittes (d.h. im Zeitpunkt der Zustellung des entsprechenden Schriftsatzes an die Hauptparteien) befindet, gelten die der Hauptpartei offenstehenden Fristen auch für ihn (vgl MGA JN-ZPO14 § 19 ZPO/E 10). Die von der K***** AG erst am letzten Tag der Frist für die Revisionsbeantwortung zur Post gegebene Beitrittserklärung (samt Revisionsbeantwortung) konnte daher nicht mehr vor Ablauf der Frist für die Revisionsbeantwortung zugestellt werden. Wegen des sohin nicht vor Ablauf der Frist für die Revisionsbeantwortung wirksam werdenden Beitrittes der K***** AG als Nebenintervenient steht dieser kein Recht zur Erstattung einer Revisionsbeantwortung zu. Diese war daher zurückzuweisen (Fasching, Kommentar IV 354 mwN).

b) Zur Revision der klagenden Partei:

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes wurde das Klagebegehren nicht nur auf unentgeltliche, sondern vor allem auch auf titellose Benützung gestützt. Darüber hinaus bezieht sich die erstgerichtliche Feststellung über die Zahlung des Mietzinses durch die Nebenintervenientin nur auf ein Zimmer mit WC und nicht auch auf einen weiteren, von der Räumungsklage betroffenen Raum. Die Feststellung über die Zahlung des Mietzinses läßt nicht erkennen, ob es sich dabei um Zahlungen wegen Bestehens eines Mietverhältnisses oder um die Übernahme nicht von Mietern zu zahlender Mietzinse durch die Miteigentümer gemäß § 18 Abs 1 Z 6 lit c MRG und § 18 Abs 2 und 3 MRG handelt. Besteht kein Mietrecht der Nebenintervenientin an den von der Räumungsklage betroffenen Räumen, so kommt es erst recht wieder auf die - gegebenenfalls durch konkludentes Verhalten erfolgte (Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 834 mwN, insbesondere Hinweis auf MietSlg 27.084/9, 29.666 ua; s. auch MietSlg 41.032, EvBl 1970/37) - Schaffung einer Benützungsregelung an, weil die Nebenintervenientin das ihr auf Grund einer solchen Regelung zwischen den Miteigentümern zustehende Recht auf Benützung bestimmter Räume auch durch andere Personen, hier durch den Beklagten, ausüben lassen könnte: Wer mit Zustimmung des auf Grund einer Benützungsregelung zum Gebrauch bestimmter Räume Berechtigten diese benützt, handelt gegenüber den anderen Miteigentümern nicht titellos.

Geräumte Übergabe an den Minderheitseigentümer kann allerdings nicht begehrt werden. Der Miteigentümer ist zwar berechtigt, ungerechtfertigte Eingriffe in das (gemeinsame) Eigentum gegen jeden - daher auch gegen einen anderen Miteigentümer - geltend zu machen (Gamerith in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 829 mit Judikaturhinweisen), also auch gegen einen titellosen Benützer mit Räumungsklage vorzugehen. Daraus folgt aber nicht, daß in allen Fällen auch die Übergabe des geräumten Objektes an ihn zu erfolgen hat. Dazu bedürfte es eines (hier gar nicht behaupteten) Rechtstitels seinerseits. Anderenfalls kann er nur die Räumung schlechthin begehren. Dies stellt aber gegenüber dem gestellten Begehren auf geräumte Übergabe an die klagende Partei ein "Minus" dar. Darauf wird bei Fassung des Urteilsspruches - sollte es nicht ohnedies wieder zu einer Abweisung des Räumungsbegehrens kommen - Bedacht zu nehmen sein.

Mangels erstgerichtlicher Feststellungen, auf Grund deren die Berechtigung des Klagebegehrens beurteilt werden könnte, war daher wie im Spruch zu entscheiden. Die Aufhebung in die erste Instanz erwies sich als notwendig, weil nicht nur die fehlende Behandlung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht nachzutragen wäre, sondern weil sich die Feststellungen der ersten Instanz einerseits nur auf einen Teil der von der Räumungsklage betroffenen Räume beziehen und andererseits aus den getroffenen Feststellungen nicht mit Sicherheit entnommen werden kann, ob der Nebenintervenientin an den vom Beklagten benützten Räumlichkeiten ein Mietrecht oder doch zumindest ein Benützungsrecht auf Grund konkludent getroffener Benützungsregelung zukommt und daher aus diesen Gründen eine titellose Benützung der klagsgegenständlichen Räume durch den Beklagten nicht gegeben ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

c) Zur Beitrittserklärung der K***** AG als Nebenintervenientin:

Aus den unter a) angeführten Gründen konnte die K***** AG die in diesem Revisionsverfahren einer Nebenintervenientin auf Seite des Revisionsgegners zustehende Prozeßhandlung, nämlich die Erstattung einer Revisionsbeantwortung nicht wirksam vornehmen. Infolge des nun vom Obersten Gerichtshof gefaßten Aufhebungsbeschlusses ist das Revisionsverfahren beendet. Eine funktionelle Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes zur Behandlung der Beitrittserklärung der K***** AG als Nebeintervenientin ist daher nicht mehr gegeben.

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