OGH 2Ob584/94

OGH2Ob584/9424.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei Dietmar R*****, vertreten durch Dr.Konrad Ferner und Dr.Walter Wienerroither, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Heinz-Karl F***** und 2.) Gerlinde F*****, vertreten durch Dr.Nikolaus Topic-Matutin, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufhebung eines Vertrages, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 6.Juli 1994, GZ 21 R 193/94-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 15.Februar 1994, GZ 13 C 2900/93-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 6.695,04 (darin enthalten S 1.115,84 an USt, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Alleinerbe nach Johann R***** der wiederum alleiniger Erbe seiner Ehefrau Rosa R***** war. Rosa und Johann R***** waren je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, bestehend aus dem Grundstück Nr ***** mit dem darauf errichteten Haus W*****weg *****. Mit Leibrentenvertrag vom 17.12.1990 verkauften Rosa und Johann R***** diese Liegenschaft an die Beklagten, wobei als Kaufpreis eine monatliche Leibrente in der Höhe von S 3.000,-- vereinbart war, welche sich jährlich jeweils am 1. Jänner um S 100,-- erhöhte. Die Übergabe und Übernahme des Kaufobjektes sollte nach dem Ableben der Verkäufer erfolgen, wobei diese berechtigt blieben, das Kaufobjekt lebenslänglich zu bewohnen, weshalb auch die Dienstbarkeit des lebenslänglichen Wohnrechtes grundbücherlich eingeräumt wurde.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Aufhebung dieses Leibrentenvertrages mit der Begründung, es habe eine Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes vorgelegen. Johann R***** sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 58 1/2 Jahre, Rosa R***** etwas mehr als 60 Jahre alt gewesen. Aufgrund schwerer Krankheiten hätte die Lebenserwartung der Rosa R***** noch ca 1 bis 2 Jahre betragen, jene von Johann R***** 5 bis höchstens 10 Jahre. Johann R***** habe von seiner schweren Krankheit möglicherweise noch nichts gewußt. Die Verkäufer der Liegenschaft hätten diese bestmöglich gegen Leibrente verkaufen wollen. Zwischen ihnen und den Käufern habe kein Naheverhältnis bestanden. Der gemeine Wert der Liegenschaft habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Leibrentenvertrages S 2,5 Mio betragen. Diesem Wert sei der Kapitalwert der Leibrente gegenüberzustellen. Gehe man von einer maximalen Lebenserwartung von 10 Jahren aus, ergebe der kapitalisierte Rentenbetrag insgesamt S 538.200,--. Tatsächlich hätten die Beklagten nicht einmal S 100.000,-- bezahlt.

Die Beklagten bestritten die vom Kläger behauptete Verkürzung und verwiesen in rechtlicher Hinsicht auf die Unzulässigkeit der Anfechtung des Leibrentenvertrages wegen Verkürzung über die Hälfte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß ein Leibrentenvertrag zu den sogenannten Glücksverträgen zähle, welche wegen Verkürzung über die Hälfte nicht angefochten werden könnten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, es bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstandes mit S 50.000,-- übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Auch das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes an, wonach gemäß § 1268 ABGB bei Glücksverträgen das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des Wertes nicht stattfindet und gemäß § 1269 ABGB zu den Glückverträgen auch Leibrenten gehören.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil von der Lehre (zum Teil) die Ansicht vertreten werde, auch Glücksverträge könnten wegen Verkürzung über die Hälfte angefochten werden. In diese Richtung füge sich auch noch die Fassung des § 935 ABGB gemäß § 33 Z 6 KSchG ein, wonach die Anwendung des § 934 ABGB vertraglich nicht mehr ausgeschlossen werden könne. Auch im vorliegenden Leibrentenvertrag sei auf die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte verzichtet worden, was aber aufgrund der Rechtslage seit dem 1.10.1979 nicht mehr möglich sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückverwiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.

Der Kläger vertritt die Ansicht, § 1268 ABGB schließe eine laesio enormis bei Leibrentenverträgen nicht in jedem Fall aus. Auch bei solchen Verträgen könne von den Parteien eine Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung gewollt sein. Auszugehen sei dabei von einer ex-ante-Beurteilung, also der wahrscheinlichen Lebenserwartung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Der sich daraus ergebende Wert der Leistung des eines Teils solle dem Wert der Gegenleistung entsprechen. Das aleatorische Element bestehe lediglich darin, ob der tatsächliche Verlauf der Dinge dem erwarteten entspreche. Gebe es hier Überraschungen, könne keine laesio enormis geltend gemacht werden. Wenn jedoch von vornherein ein die Voraussetzung des § 934 ABGB erfüllendes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe, so sei dies nicht anders zu beurteilen, als wenn ein sonstiger Kaufvertrag geschlossen worden wäre.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden; die Rechtsansicht der Vorinstanzen entspricht vielmehr einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, welcher erst jüngst (NZ 1994, 206) die gegenteilige Lehre abgelehnt hat.

§ 1269 ABGB zählt den Leibrentenvertrag zu den Glücksverträgen, bei welchen gemäß § 1268 ABGB das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte nicht stattfindet (SZ 24/306; SZ 54/173 ua). Derartige Verträge könne zwar als wucherisch oder sittenwidrig angefochten werden (SZ 24/306; EvBl 1957/198; EvBl 1958/94), doch unterscheidet sich der Wuchertatbestand insofern wesentlich von der laesio enormis, als die bloße Äquivalenzdifferenz einen Vertrag noch nicht sittenwidrig macht. Wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Leistungen ist bei einem zweiseitigen Vertrag keine Voraussetzung seiner Gültigkeit, es sei denn, es läge ein Ausbeutungstatbestand vor. Nur beim Hinzutreten dieser für das Vorliegen des Wuchers erforderlichen Prämisse, ist daher die Heranziehung von Wahrscheinlichkeitsregeln zur Bewertung von Leistung und Gegenleistung als Hilfsmittel vertretbar (NZ 1994, 208 in welcher Entscheidung die gegenteilige Meinung von Krejci in Rummel2 §§ 1267 bis 1274 Rz 88 ausdrücklich abgelehnt wurde). Wenngleich § 934 ABGB nach § 935 erster Halbsatz ABGB in der seit 1.Oktober 1979 geltenden Fassung des § 33 Z 6 KSchG - anders als nach der früheren Fassung dieser Bestimmung - vertraglich nicht mehr ausgeschlossen werden kann, wurde § 1268 ABGB, nach dem das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des Wertes bei Glücksverträgen nicht stattfindet, durch das KSchG nicht geändert (10 Ob 501/93 mwN).

Der Oberste Gerichtshof ist zwar in der Entscheidung NZ 1994, 206 von seiner früheren Ansicht, Leibrentenverträge seien wegen Verkürzung über die Hälfte niemals anfechtbar, abgegangen; er hat ausgeführt, daß im Falle eines Irrtums der Vertragspartner eines Leibrentenvertrages in der Bewertung der Übergabsliegenschaft unter Zugrundelegung des maximalen erreichbaren Lebensalter des Übergebenden laesio enormis geltend gemacht werden könne, wenn es sich um einen krassen Wertirrtum im Sinne des § 934 ABGB handle. Derartige Umstände wurden im vorliegenden Fall aber vom Kläger nicht geltend gemacht, auch nach der Aktenlage sind die Voraussetzungen den Vertrag im Sinne dieser Entscheidung wegen laesio enormis anzufechten, nicht gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen entsprechen sohin der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, sodaß die Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. An den Ausspruch des Berufungsgerichtes, die ordentliche Revision sei zulässig, ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden.

Das Rechtsmittel des Klägers war sohin zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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