Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der Vater des minderjährigen Stefan K***** wurde mit Beschluß vom 12.2.1991 verpflichtet, ab 1.1.1991 einen monatlichen Unterhalt von S 920 für Stefan zu zahlen. Diese Entscheidung lag im wesentlichen zugrunde, daß der Vater ab 1.7.1990 einen monatlichen Pensionsvorschuß von S 6.783,40 und ab 1.1.1991 einen solchen von S 7.178,- bezog und für seine geschiedene Ehefrau einen monatlichen Unterhalt von S 1.300,- zu leisten hatte.
Am 28.4.1992 stellte der Vater den Antrag, seine monatliche Unterhaltsverpflichtung ab 1.5.1992 auf S 500,- herabzusetzen; er begründete dies damit, daß er von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter monatlich vorläufig S 4.850,- zuzüglich eines Kinderzuschlages von S 600,- erhalte. Mit Zustimmung des Unterhaltssachwalters wurde diesem Antrag stattgegeben.
Mit der Begründung, der Unterhaltsschuldner beziehe seit 1.11.1993 einen Pensionsvorschuß von täglich S 241,50 und ab 1.1.1994 einen solchen von S 247,50 täglich begehrt der Unterhaltssachwalter die Erhöhung des vom Unterhaltsschuldner zu leistenden Unterhaltsbeitrages auf S 1.300,- monatlich für die Zeit vom 1.11.1993 bis 31.3.1994 und auf S 1.450,- ab 1.4.1994.
Der Unterhaltsschuldner sprach sich dagegen aus und wendete auch ein, auf Grund seines schlechten Gesundheitszustandes auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.
Das Erstgericht wies den Unterhaltserhöhungsantrag ab, wobei es feststellte, daß der Unterhaltsschuldner in der Zeit vom 1.1.1993 bis 31.12.1993 Pensionsvorschüsse von monatlich S 7.324,70 erhielt, in der Zeit vom 1.1.1994 bis 12.1.1994 erhöhte sich dieser Betrag auf S 7.506,68. In der Zeit vom 13.1.1994 bis 1.4.1994 bezog der Unterhaltsschuldner Krankengeld in der Höhe des Pensionsvorschusses. Der Unterhaltsschuldner hat keine weiteren Sorgepflichten.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß bei Berechnung der Unterhaltspflicht nach der Prozentkomponente die begehrten Unterhaltsbeiträge gerechtfertigt seien. Im Hinblick auf das unterdurchschnittliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen könnten die Prozentsätze aber nicht angewendet werden. Es sei auch die Intention des Gesetzgebers der Exekutionsordnungsnovelle, daß ein bestimmter Mindeststandard gesichert werden müßte, wobei als Orientierungshilfe der Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulage heranzuziehen sei. Dieser Richtsatz hätte im Jahre 1993 S 8.166,- monatlich betragen und liege im Jahre 1994 bei S 8.750,- monatlich. Ziehe man den festgesetzen Unterhaltsbeitrag von S 500,- vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen ab, so verblieben diesem lediglich S 7.000,-. Bei dieser Situation sei insbesonders unter Berücksichtigung der krankheitsbedingten Mehraufwendungen des Unterhaltspflichtigen eine weitere Abschöpfung seines Einkommens nicht gerechtfertigt.
Das vom Unterhaltssachwalter angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Auch das Rekursgericht vertrat die Ansicht, dem Vater müsse jener Betrag verbleiben, der seinen Mindestlebensstandard sichere; zu Recht habe das Erstgericht diesbezüglich auf den Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulage hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei bei einfachen Lebensverhältnissen der Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage als Richtschnur für die Beurteilung, ob Selbsterhaltungsfähigkeit anzunehmen sei, heranzuziehen. Diese für die Mindestbedürfnisse eines Kindes entwickelten Grundsätze müßten gleicherweise auch für unterhaltspflichtige Personen gelten. Im vorliegenden Fall habe der Unterhaltsschuldner ein Einkommen, das erheblich unter diesen Richtsatzbeträgen liege. Es sei zwar richtig, daß die exekutionsrechtlichen Bestimmungen, insbesonders wenn es um die Hereinbringung von Unterhaltsbeiträgen gehe, als Existenzminimum niedrigere Beträge als die erwähnten Richtsatzbeträge vorsehe. Im Exekutionsverfahren gehe es aber darum, daß eine unter bestimmten Prämissen geschaffene titelmäßige Verpflichtung bestehe und der Verpflichtete mit seinen Zahlungen in Verzug gekommen sei; es sei gleichsam zwischen dem forderungsberechtigten betreibenden Gläubiger und dem Verpflichteten ein entsprechender Ausgleich nach Billigkeitsgrundsätzen zu schaffen.
Der ordentliche Revisionsrekurs wurde zugelassen, weil zur Frage des "Existenzminimums" unterhaltspflichtiger Personen keine gesicherte höchstgerichtliche Judikatur bestehe.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß die Unterhaltsbeiträge antragsgemäß erhöht werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne seines Eventualantrages auch berechtigt.
Gemäß § 140 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes anteilig beizutragen. Bei der Unterhaltsbemessung kommt es vor allem auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an; es ist aber auch die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Einen Anhaltspunkt dafür, nach welchen Kriterien der Beitrag der Eltern zu ermitteln ist, gibt das Gesetz durch Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern (JBl 1991, 40; 1 Ob 588/93 ua). Ein konkretes Berechnungssystem kann dem Gesetz, das die Bemessungskriterien nur durch unbestimmte Rechtsbegriffe umschreibt, nicht entnommen werden. Es kann daher auch der Oberste Gerichtshof nur jene Umstände aufzeigen, auf die es im Einzelfall ankommt (8 Ob 605/93). Die Bemessung des Unterhalts bloß in Höhe des Regelbedarfs ohne Bedachtnahme auf die konkreten Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners steht mit dem Gesetz nicht in Einklang, weil sie die Leisungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht berücksichtigt (RZ 1991/26 und 50; 1 Ob 512/94 uva). Hingegen stellt die Bemessung des Unterhalts nach bestimmten, nach Altersgrenzen abgestuften Hundertsätzen des Einkommens des Unterhaltsschuldners, durch die die Gleichbehandlung gleichartiger Fälle gewährleistet werden soll, an sich für durchschnittliche Fälle eine brauchbare Handhabe dar, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltsschuldners angemessen teilhaben zu lassen (RZ 1991/26; 1 Ob 512/94; 2 Ob 548/94 ua). Die Belastung des Unterhaltspflichtigen kann aber nicht unbeschränkt erfolgen, sondern ist eine Belastbarkeitsgrenze zu ziehen. Nach Ansicht des erkennenden Senates ist hiefür maßgeblich der Freibetrag im Sinne des § 292 b EO. Nach § 292 b Z 1 EO hat nämlich das Exekutionsgericht auf Antrag den für Unterhaltsforderungen geltenden Freibetrag angemessen herabzusetzen, wenn laufende gesetzliche Unterhaltsforderungen durch die Exekution nicht zur Gänze hereingebracht werden. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, daß Unterhaltsforderungen Priorität genießen und daß zugunsten von Unterhaltsforderungen dem Unterhaltsschuldner nur jener Betrag zu verbleiben hat, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist (vgl 3 Ob 46/93; 3 Ob 5/94). Auch im Normalfall würde ein ein sehr geringes Einkommen beziehender Vater nur soviel für seinen Unterhalt verbrauchen, als zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist.
Zieht man nun im vorliegenden Fall vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen die vom Unterhaltssachwalter begehrten Unterhaltsbeiträge ab, so verbleibt ihm ein Betrag von über S 6.000,-, der den zur Erhaltung der Körperkräfte und der geistigen Persönlichkeit notwendigen Betrag übersteigt (vgl 3 Ob 5/94). Allerdings hat der Unterhaltsschuldner geltend gemacht, er hätte krankheitsbedingte Mehraufwendungen, während hingegen der Unterhaltssachwalter geltend gemacht hat, der Unterhaltsschuldner hätte einen Pflegegeldanspruch. Mit diesen Fragen hat sich das Erstgericht - ausgehend von einer anderen Rechtsansicht - nicht im Detail auseinandergesetzt. Sollte der Unterhaltsschuldner krankheitsbedingte Mehraufwendungen haben, so sind diese bei der Ermittlung jenes Betrages, der ihm zu verbleiben hat, zu berücksichtigen, weil sie ja zur Erhaltung seiner Körperkräfte notwendig sind. In diesem Zusammenhang wird aber auch zu prüfen sein, ob und inwieweit ein derartiger Mehraufwand durch Pflegegeld abgedeckt werden kann.
Die Rechtssache erweist sich aus diesen Gründen noch nicht als spruchreif, sodaß mit einer Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen vorzugehen war.
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