Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 104.616,51 (darin S 9.436,09 Umsatzsteuer und S 48.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der frühere Ehemann der Klägerin, von dem sie im Dezember 1985 geschieden wurde, ist auf Grund des anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleiches vom 3.12.1985 verpflichtet, der Klägerin und ihren Kindern einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 23.000 zu bezahlen.
Der Rechtsfreund der Klägerin übergab im Zug eines gegen ihren früheren Ehemann geführten Strafverfahrens dem zuständigen Strafgericht vier Sparbücher mit einem Einlagestand von insgesamt S 1,286.644,48. Diese Sparbücher wurden vom Strafgericht mit Beschluß vom 23.6.1987 beschlagnahmt und auf Grund von weiteren Beschlüssen dieses Gerichtes vom 5. und 25.8.1987 realisiert. Das Realisat von S 1,299.451,71 wurde von der zuständigen Verwahrungsabteilung in Verwahrung genommen.
Das Finanzamt Linz pfändete mit einem dem Strafgericht am 10.7.1987 zugestellten Bescheid vom 6.7.1987 zu Gunsten einer Abgabenforderung von S 1,873.037 den Anspruch des früheren Ehemanns der Klägerin auf Herausgabe der beschlagnahmten Sparbücher. Mit Bescheid desselben Finanzamtes vom 23.5.1992 wurde der Republik Österreich der gepfändete Anspruch auf Herausgabe (Ausfolgung des von der Verwahrungsabteilung verwahrten Realisates bis zur Höhe der vollstreckbaren Abgabenschuld) zur Einziehung überwiesen.
Der frühere Ehemann der Klägerin wurde vom Verdacht der falschen Zeugenaussage vor der Verwaltungsbehörde und vor Gericht rechtskräftig freigesprochen. Der Antrag, die beschlagnahmten Sparbücher für verfallen zu erklären, wurde abgewiesen.
Mit Beschluß vom 29.5.1992 verfügte das Strafgericht, daß das verwahrte Realisat gemäß § 1425 ABGB beim Bezirksgericht Linz wegen "ungeklärter Rechtslage" hinterlegt wird, weil auch die Klägerin hierauf Anspruch erhebt.
Die Klägerin begehrte, die beklagte Republik Österreich schuldig zu erkennen, die Zustimmung zur Ausfolgung des hinterlegten Betrages (gemeint offensichtlich: an sie) zu erteilen. Ihr früherer Ehemann habe ihr im Frühjahr 1986 zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht zwei Sparbücher mit einem Einlagestand von S 695.000 und S 1,300.000 übereignet. Sie habe diese Sparbücher realisiert und das Realisat zum Teil auf die in der Folge beschlagnahmten Sparbücher eingezahlt. Die ersten beiden Sparbücher seien in ihrem Eigentum gestanden, weil sie ihr übergeben worden seien. Außerdem habe sie an dem Realisat infolge Vermengung mit ihrem übrigen Vermögen gemäß § 371 ABGB Eigentum erworben.
Die beklagte Partei wendete ein, daß die Klägerin mangels eines Titels nicht das Eigentum an den ihr übergebenen Sparbüchern erworben habe. Sie sei nur berechtigt worden, aus den Sparbüchern den ihr und ihren Kindern zustehenden Unterhalt zu entnehmen. Die Klägerin habe das Eigentum auch nicht gemäß § 371 ABGB erworben, weil das Realisat der beiden Sparbücher unmittelbar auf die später beschlagnahmten Sparbücher eingezahlt worden sei und diese Sparbücher einen wirtschaftlich selbständigen, vom übrigen Vermögen der Klägerin vollkommen unterscheidbaren Vermögenswert gebildet hätten. Ein allfälliger, jedoch bestrittener Eigentumserwerb an den der Klägerin übergebenen Sparbüchern werde gemäß § 2 Z 1 AnfO angefochten. Der frühere Ehemann der Klägerin habe es zumindest für möglich gehalten, daß durch die Übergabe der Sparbücher die Abgabenbehörde bei der Einbringung der Abgabenforderung benachteiligt werde, und der Klägerin sei dies bekannt gewesen. Eine Exekution in das Vermögen des Abgabenschuldners werde voraussichtlich nicht zur Tilgung der Abgabenschuld führen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen noch folgendes fest:
Nachdem der frühere Ehemann der Klägerin in mehreren im Februar 1986 geführten Gesprächen verlangt hatte, daß nach seiner Entlassung für den Unterhalt seiner Familie gesorgt werden müsse, sicherte ihm der Geschäftsführer der N***** zu, daß seine Angelegenheit erledigt würde. Der frühere Ehemann der Klägerin teilte dieser hierauf mit, daß sie etwa S 2,000.000 zur Abgeltung seiner Unterhaltsverpflichtung bekommen werde. Der genaue Wortlaut dieses Gespräches kann allerdings nicht festgestellt werden. Der frühere Ehemann der Klägerin teilte ihr sinngemäß mit, daß sie das Geld, das ihr übergeben werde, für ihren Unterhalt und den der Kinder verwenden könne. Die Klägerin war nach diesem Gespräch der Meinung, daß das Geld ihr Eigentum werde. Ihr früherer Ehemann hat dieses Geld nie als sein Eigentum betrachtet und auch nie in seinen Händen gehabt. In der Folge wurden der Klägerin bzw ihrem Lebensgefährten vom Geschäftsführer der N***** bzw von dessen Chauffeur zwei Sparbücher mit einem Einlagestand von S 695.000 und S 1,300.000 übergeben. Zweck der Übergabe war die Abgeltung der Unterhaltsverpflichtung des früheren Ehemanns der Klägerin, der außer in der Zeit von Anfang 1990 bis 1.7.1992 keine Unterhaltsleistungen erbrachte.
Das Guthaben auf den Sparbüchern, die der Klägerin übergeben wurden, veränderte sich nur durch Abhebungen und Zinsengutschriften. Die Klägerin löste diese Sparbücher in der Folge auf. Aus dem Guthaben von S 1,388.075,48 bezahlte sie teilweise Schulden und verteilte den Rest auf die vier später beschlagnahmten Sparbücher. Auf drei dieser Sparbücher besteht das Guthaben nur auf Grund der Einzahlung aus dem Realisat der Sparbücher, die der Klägerin übergeben wurden, und den Zinsengutschriften, auf dem vierten wurde außerdem ein Betrag von S 50.000 eingezahlt, nach etwas mehr als zwei Monaten aber wieder abgehoben.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Gesprächspartner des früheren Ehemanns der Klägerin diesem namens ihres Unternehmens versprochen hätten, die geschuldete Leistung an den Gläubiger zu erbringen. Es sei deshalb zu einer Erfüllungsübernahme gekommen, die einen geeigneten Titel für den Erwerb des Eigentums an den der Klägerin übergebenen Sparbüchern gebildet habe. Die Klägerin habe daher durch die Übergabe der Sparbücher unter Nennung der Losungsworte an den Sparbüchern Eigentum erworben. Die Voraussetzungen für die Anfechtung nach § 2 Z 1 AnfO seien nicht erfüllt.
Das Berufungsgericht wies infolge Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da der frühere Ehemann der Klägerin nie Eigentümer der Sparbücher gewesen sei, habe er ihr nicht das Eigentum daran übertragen können. Es sei auch nicht hervorgekommen, daß jene Personen, mit denen er Gespräche über die Sicherstellung des Unterhalts seiner Familie geführt habe, im eigenen Namen oder im Namen ihrer Unternehmen berechtigt und verpflichtet gewesen wären, der Klägerin die Sparbücher zu überbringen. Die Klägerin habe die Rechte aus den Sparbüchern auch nicht durch Zession erwerben können, weil selbst bei Gutgläubigkeit der Erwerb einer dem Zedenten nicht zustehenden Forderung nicht möglich sei. Die Klägerin könne den geltend gemachten Anspruch auf Zustimmung ferner nicht auf § 372 ABGB stützen, weil sie keinen Titel für den Besitz der Sparbücher gehabt habe und ihr Besitz daher nicht rechtmäßig gewesen sei. Da die Klägerin den rechtmäßigen Besitz der Sparbücher vom Vormann weder behauptet noch bewiesen habe, stehe ihr nicht nur nicht das bessere Recht auf die erlegte Sache, sondern überhaupt kein Recht daran oder hierauf zu.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist zulässig, weil zu den im folgenden behandelten Fragen der Bedeutung des Besitzes für die Ausfolgung des erlegten Gegenstands und der Rechtmäßigkeit des Besitzes eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt; sie ist auch berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt allerdings nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit unter diesem Revisionsgrund gerügt wird, daß das Berufungsgericht bei der rechtlichen Beurteilung der Sache von Tatsachenfeststellungen ausgegangen sei, die im erstgerichtlichen Urteil nicht enthalten sind, wird in Wahrheit der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache ausgeführt.
In der Sache hat schon das Berufungsgericht richtig erkannt, daß zwischen den Erlagsgegnern das bessere Recht an der oder auf die erlegte Sache entscheidend ist (JBl 1992, 592; JBl 1992, 189 je mwN). Alle schuldrechtlichen Verpflichtungsgründe zur Sachüberlassung können erheblich sein (JBl 1992, 189; RdW 1988, 14). Dabei kommt es hier auf das Recht an den beiden Sparbüchern an, die der Klägerin übergeben wurden, weil der hinterlegte Betrag nur ein Teil des Erlöses aus der Realisierung dieser Sparbücher und der als Früchte dessen Schicksal teilenden Zinsen ist.
Da die beklagte Partei ihr allfälliges Recht durch die Pfändung des angeführten Herausgabeanspruchs erlangte und sie hiedurch nicht mehr Rechte erwerben kann, als dem Abgabenschuldner zustanden (vgl JUS 1994/1520), richtet sich die Frage, ob sie der Klägerin gegenüber das schlechtere Recht hat, nach der Rechtsstellung des Abgabenschuldners und somit des früheren Ehemanns der Klägerin. Hiezu ergibt sich aber aus den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, daß der Abgabenschuldner sich niemals im Besitz der beiden der Klägerin übergebenen Sparbücher befand. Feststellungen, aus denen sich ein Anspruch des Dr.Gernot P***** auf Ausfolgung der Sparbücher an ihn ableiten ließe, wurden nicht getroffen, sollte doch der gesamte Betrag der Klägerin in Abgeltung seiner Unterhaltsverpflichtung zugute kommen. Die Klägerin befand sich somit im Besitz aller dieser Sparbücher und dieser Besitz ist durch die Beschlagnahme nicht erloschen, weil keine der hiefür im § 349 ABGB festgelegten Voraussetzungen erfüllt ist. Insbesondere kamen durch die Beschlagnahme die Sparbücher nicht in den Besitz der Behörde, weil dieser der Besitzwille (vgl § 309 ABGB; Koziol/Welser9 II 30; Spielbüchler in Rummel2 Rz 3 zu § 309) fehlt.
Der Oberste Gerichtshof vermag sich der Ansicht des Berufungsgerichtes, der Besitz der Klägerin sei unrechtmäßig gewesen, nicht anzuschließen. Die Rechtmäßigkeit des Besitzes erfordert zwar gemäß § 316 ABGB einen Titel, der zum Erwerb des Rechtes tauglich ist, das der Besitzer ausüben will (Schey in Klang1 I/1, 1227; vgl auch Spielbüchler in Rummel2 Rz 2 zu § 316). Nicht entscheidend ist hingegen, wie sich aus § 1461 ABGB ergibt, ob dem Vormann dieses Recht zustand (Schey und Rummel jeweils aaO). Nach den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes wurden der Klägerin die Sparbücher zur Abgeltung ihres Unterhaltsanspruches und jenes ihrer Kinder übergeben. Es lag somit eine Leistung an Zahlungs Statt oder zumindest zahlungshalber (vgl § 1414 ABGB) vor, die einen tauglichen Grund für den Erwerb des Eigentums bildet. Darum ist es aber entgegen der offensichtlich vom Berufungsgericht vertretenen Meinung für die Rechtmäßigkeit des Besitzes ohne Bedeutung, ob die Klägerin behauptet und bewiesen hat, daß die Personen, die ihr die Sparbücher übergaben, hiezu berechtigt waren. Die Klägerin hat durch die Übergabe jedenfalls rechtmäßigen Besitz erworben. Es bedarf unter diesen Umständen auch nicht der von der beklagten Partei in der Berufung zur Frage der Berechtigung der Übergeber geforderten ergänzenden Tatsachenfeststellungen. War aber die Klägerin rechtmäßige Besitzerin der ihr übergebenen Sparbücher, so hat sie auch auf Grund des § 372 ABGB Anspruch auf Herausgabe des an deren Stelle getretenen Realisates samt der in der Zwischenzeit angewachsenen Zinsen, zumal die Redlichkeit ihres Besitzes gemäß § 328 ABGB vermutet wird (vgl EvBl 1993/50).
Die dargelegten Rechtsgründe für das Klagebegehren ergeben sich aus den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, die zum Teil allerdings über das Vorbringen der Klägerin hinausgehen, weil diese nur die Übereignung der Sparbücher durch ihren früheren Ehemann behauptet hat. Solche "überschießende" Feststellungen sind jedoch bei der Entscheidung zu berücksichtigen, soweit sie in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einrede fallen (RZ 1992/59; ÖBl 1989, 118; Miet 38.765, 37.760 ua). Aus dem Vorbringen der Klägerin läßt sich aber als Klagsgrund das Eigentum und der Besitz an den ihr übergebenen Sparbüchern ableiten. Über diese Klagsgründe gehen die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes nicht hinaus.
Auf die von der beklagten Partei eingewendete Anfechtbarkeit der Rechtshandlungen, durch welche die Klägerin in den Besitz der Sparbücher gelangte, muß nicht eingegangen werden, weil sie schon in der Berufung nicht mehr geltend gemacht wurde (EvBl 1985/154 ua).
Da die beklagte Partei somit verpflichtet ist, der Ausfolgung des hinterlegten Betrages an die Klägerin zuzustimmen, war das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)