OGH 3Ob203/93

OGH3Ob203/9315.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei H***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Wiesauer und Dr.Helmuth Hackl, Rechtsanwälte in Linz, wider die verpflichtete Partei Franz F*****, wegen S 200.000 s.A., infolge Rekurses der E*****, vertreten durch Dr.Johann Kahrer und Dr.Christian Haslinger, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 22.April 1993, GZ R 341/93-20, womit der Rekurs der Rekurswerberin gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Gmunden vom 12.Februar 1993, GZ E 5558/91-16, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den von der Rekurswerberin gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 12.2.1993 erhobenen Rekurs unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Die Kosten des an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rekurses sind Kosten des Verfahrens über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß.

Text

Begründung

Der betreibenden Partei wurde gegen den Verpflichteten zur Hereinbringung der Forderung von S 200.000,- s.A. die Exekution durch Pfändung der "Gesamtrechte" des Verpflichteten aus seinem Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bewilligt. Die Entscheidung über den Antrag der betreibenden Partei, den gepfändeten Geschäftsanteil nach Schätzung durch Verkauf zu verwerten, wurde vorbehalten. Nach dem Gesellschaftsvertrag kann der gepfändete Geschäftsanteil nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden. Da eine Einigung über den Übernahmspreis nicht zustandekam, ordnete das Erstgericht die Schätzung des Geschäftsanteils an. Der Wert beträgt nach dem vom Erstgericht eingeholten Sachverständigengutachten S 3.567,37.

Die betreibende Partei erklärte sich bereit, den gepfändeten Geschäftsanteil um S 100.000,- zu übernehmen. Das Erstgericht beraumte hierauf zur mündlichen Verhandlung über den von der betreibenden Partei gestellten Übernahmsantrag eine Tagsatzung an, zu der es die betreibende Partei, den Verpflichteten und die Mehrheitsgesellschafterin der von der Exekution betroffenen Gesellschaft lud. Diese erklärte bei der Tagsatzung, bereit zu sein, den gepfändeten Geschäftsanteil um den Schätzwert von S 3.765,37 zu erwerben. Die Gesellschaft stimmte - nur - diesem Erwerb zu. Der Verpflichtete, der damals zugleich Geschäftsführer der von der Exekution betroffenen Gesellschaft war, erklärte in dieser Eigenschaft, daß die Gesellschaft mit der Übertragung seines Geschäftsanteils an die betreibende Partei nicht einverstanden sei. Das Erstgericht erließ hierauf folgende mit "Beschluß" überschriebene Erledigung:

"Bei der Tagsatzung am 20.1.1993 über den Verwertungsantrag der betreibenden Gläubigerin durch Übernahme der Geschäftsanteile der verpflichteten Partei zu einem Übernahmspreis von S 100.000,- wurde keine Einigung erzielt. Die Gesellschafter stimmten der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht zu.

Die betreibende Gläubigerin ist an ihr Anbot gebunden.

Der Verkauf wird nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung vorgenommen, falls der Geschäftsanteil nicht innerhalb 14 Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses von der Gesellschaft oder durch einen von ihr zugelassenen Käufer gegen Bezahlung eines das Anbot der betreibenden Gläubigerin erreichenden Kaufschillings übernommen wird. Eine Zustimmung der Gesellschaft ist sodann beim Verkauf nicht mehr erforderlich."

Das Rekursgericht wies den von der Mehrheitsgesellschafterin gegen diesen Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs zurück und sprach aus, daß der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Rekurswerberin fehle die Rechtsmittellegitimation. Sie sei durch den angefochtenen erstgerichtlichen Beschluß nicht beschwert. Nach § 76 Abs 4 GmbHG sei bloß die Gesellschaft dem Verfahren beizuziehen. Eine Gesellschafterin sei aber eine von der Gesellschaft verschiedene Person, welche die Übertragung des Geschäftsanteils an den Meistbietenden nicht verhindern könne. Ein allfälliges Interesse daran, das jemand nicht als Gesellschafter aufgenommen wird, begründe keine Beschwer.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Mehrheitsgesellschafterin gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Widerspruch steht, und er ist deshalb auch berechtigt.

Das Rekursgericht hat zunächst die Frage der Rekursberechtigung mit jener der Beschwer vermengt. Im Exekutionsverfahren sind zum Rekurs neben den Parteien diejenigen Personen berechtigt, die auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften als Beteiligte des Exekutionsverfahrens oder eines Abschnitts dieses Verfahrens anzusehen sind (EvBl 1972/267; RZ 1962, 85; 3 Ob 49/93; 3 Ob 549/87 ua; Heller-Berger-Stix I 644). Jemand anderen steht ein Rekursrecht im allgemeinen nicht zu. Eine Ausnahme besteht nur, wenn der Beschluß auf seine Rechtstellung einen unmittelbaren Einfluß hat (3 Ob 49/93; 3 Ob 549/87; vgl auch EvBl 1973/282 und Heller-Berger-Stix aaO). Nur in diesem Fall führt das Fehlen einer Beschwer auch zur Verneinung der Rekursberechtigung.

Dem Rekursgericht ist zwar darin beizupflichten, daß der Mehrheitsgesellschafter einer Handelsgesellschaft eine von dieser verschiedenen Person und aufgrund dieser Eigenschaft allein zur Vertretung der Gesellschaft nicht berechtigt ist. Das Rekursgericht hat jedoch verkannt, daß hier die Mehrheitsgesellschafterin in der Tagsatzung vom 20.1.1993 erkennbar erklärt hat, den gepfändeten Geschäftsanteil gemäß § 76 Abs 4 GmbHG als von der Gesellschaft zugelassene Käuferin zu übernehmen. Es kommt ihr daher auf Grund der angeführten Gesetzesstelle die Stellung als Beteiligter zu; dies allerdings nur für jene Abschnitte des Exekutionsverfahrens, für die ihre Erklärung eine rechtliche Bedeutung hat. Da der angefochtene Beschluß in einem solchen Verfahrensabschnitt erging, ist die Rekursberechtigung der Rekurswerberin somit zu bejahen. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 24/245 die Rekurslegitimation derjenigen, der sich zur Übernahme des gefährdeten Geschäftsanteils bereit erklärte, bezüglich des diese Übernahme "bestätigenden" Beschlusses bejaht, während er sie in der Entscheidung EvBl 1993/53 bezüglich des die Ermittlung der Exekution anordnenden Beschlusses verneinte.

Zu prüfen ist aber noch, ob es sich bei der angefochtenen Erledigung des Erstgerichtes überhaupt um eine Entscheidung handelt, weil Rechtsmittel nur gegen gerichtliche Entscheidungen, nicht aber gegen bloße Mitteilungen und ähnliches zulässig sind (Fasching, ZPR2 Rz 1683 und 1962). Da es bei der Beurteilung dieser Frage nicht allein auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt der Erledigung ankommt, ist nicht ausreichend, daß das Erstgericht seine Erledigung mit "Beschluß" überschrieben hat. Gerichtliche Entscheidungen sind Willenserklärungen des Gerichtes, mit denen es eine Rechtsfolge anordnet oder ausspricht (Fasching, ZPR2 Rz 1373). Ein solcher Fall liegt hier aber vor, weil das Erstgericht festgelegt hat, daß die betreibende Partei an ihr Anbot gebunden ist und daß bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen der gepfändete Geschäftsanteil nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung ohne Rücksicht auf dieZuestimmung der Gesellschaft verkauft werden wird. Das Erstgericht hat damit Rechtsfolgen angeordnet. Daß es an diese Anordnung möglicherweise nicht gebunden ist, weil es sich bloß um eine verfahrensleitende Verfügung handelt (vgl § 78 EO iVm § 425 Abs 2 ZPO), änderte nichts, weil auch eine solche Verfügung mit Rekurs angefochten werden kann, wenn das Gesetz die Anfechtung nicht ausdrücklich ausschließt (§ 65 Abs 1 EO; vgl auch § 514 Abs 1 ZPO und Fasching, ZPR2 Rz 1972).

Selbst wenn eine anfechtbare Entscheidung vorliegt, setzt die Zulässigkeit eines Rechtsmittels allerdings ein Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelwerbers voraus (ÖBl 1992, 267; ÖBl 1991, 38; SZ 61/6 uva). Auch dieses ist hier aber gegeben. Das Erstgericht hat im Ergebnis das Begehren der Rekurswerberin, die Geschäftsanteile zu den von den ihr genannten Bedingungen auf sie zu übertragen, abgelehnt. Es hat einen bestimmten Verfahrensgang festgelegt, der mit dem Begehren der Rekurswerberin im Widerspruch steht. In einem solchen Fall ist das Rechtsschutzinteresse aber auch dann zu bejahen, wenn die Entscheidung für den Verlauf des weiteren Verfahrens nicht bindend ist. Dem Betroffenen kann nämlich nicht zugemutet werden, daß er zuwartet, ob das Gericht von seiner Entscheidung wieder abgeht und andernfalls ein Rechtsmittel erst gegen die spätere Entscheidung einbringt. Damit ist nämlich die Gefahr verbunden, daß dem Rechtsmittel gegen die spätere Entscheidung mit der Begründung nicht Folge gegeben wird, daß die frühere Entscheidung nicht angefochten wurde und daher von dieser auszugehen sei. All dies begründet aber das Rechtsschutzinteresse der Rekurswerberin.

Die Rekurswerberin ist daher zur Anfechtung des erstgerichtlichen Beschlusses legitimiert und es steht der Zulässigkeit ihres Rekurses auch nicht der Mangel des Rechtsschutzinteresses entgegen, weshalb das Rekursgericht das Rechtsmittel zu Unrecht zurückgewiesen hat. Die Frage, ob der Beschluß des Erstgerichtes dem Gesetz entspricht, ist für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entscheidend und hier daher nicht zu beantworten.

Der Ausspruch über die Kosten des an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rekurses beruht auf § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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