Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der am 27.9.1968 geschlossenen Ehe der Streitteile entstammen die am 18.6.1969 und 22.5.1971 geborenen Töchter Christine und Ingrid sowie die am 18.10.1973 und 18.4.1975 geborenen Söhne Klaus und Georg. Klaus ist noch HTL-Schüler, Georg ist Schlosserlehrling und bezieht eine Lehrlingsentschädigung von monatlich 6.500 S.
Die Klägerin leidet an multipler Sklerose. Zuletzt war sie in der Zeit vom 18.6.bis 16.7.1993 in stationärer Behandlung des Krankenhauses L*****. Seither wird sie von ihrer Schwester in deren Haushalt betreut. Sie braucht eine Betreuung rund um die Uhr, welche ihr der Beklagte nicht leisten könnte. Die Klägerin ist nach dem Krankenhausaufenthalt deshalb nicht mehr in den ehelichen Haushalt zurückgekehrt, weil sie dort von ihrer Schwester nicht so betreut werden könnte; weiters deshalb, weil sie der Beklagte des öfteren beschimpft und beleidigt und sogar tätlich angegriffen und verletzt hat. Der Beklagte hatte auch des öfteren zu ihr gesagt, sie solle verschwinden; er hatte sie angeschrien, sie solle "verrecken".
Schon seit dem Jahre 1990 hat der Beklagte der Klägerin nur mehr einen völlig unzureichenden Naturalunterhalt geleistet. Er kam wohl für Strom und Betriebskosten des ehelichen Haushalts auf, ansonsten stellte er der Klägerin aber nur das Fleisch in einer Tiefkühltruhe zur Verfügung. 1990 erhielt die Klägerin selbst nur einen Fürsorgebetrag von monatlich 1.700 S, welcher dann sukzessive auf 8.500 S monatlich angestiegen ist. Seit 1.7.1993 erhält die Klägerin ein monatliches Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz in Höhe von 11.000 S. Da der Beklagte der Klägerin außer dem Fleisch keine Lebensmittel zur Verfügung gestellt hat, mußte sie praktisch mit dem Pflegegeld ihren übrigen Unterhalt bestreiten und für ihre persönlichen Bedürfnisse aufkommen. Soweit dies überhaupt möglich war, mußte sie daraus sogar die Bedürfnisse der Kinder abdecken.
Der Beklagte hat als Metallarbeiter und Bürgermeister einen monatlichen Nettoverdienst von 23.633 S.
Im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung der Ehe und auf Leistung des Unterhalts begehrt die Klägerin die Bestimmung eines vom Beklagten ab 5.8.1993 einstweilen zu leistenden Unterhalts von monatlich 7.000 S.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die Klägerin leide infolge ihrer Krankheit an Wahrnehmungsstörungen und Verfolgungswahn. Sie habe die Pflege und Fürsorge des Beklagten verweigert und nur noch von ihrer Schwester betreut sein wollen. Der Beklagte habe der Klägerin stets den Naturalunterhalt geleistet und sei hiezu auch weiterhin bereit. Die Klägerin sei grundlos zu ihrer Schwester gezogen. Sie beziehe nicht nur eine monatliche Behindertenbeihilfe des Landes T***** von 11.000 S, sondern seit 1.7.1993 auch noch ein monatliches Pflegegeld nach dem BPGG von
8.500 S. Demgegenüber habe der Beklagte nur einen Nettoverdienst von jährlich 14mal 20.000 S; aus seiner Landwirtschaft erziele er keine Erträgnisse. Er sei auch noch für die beiden Söhne sorgepflichtig.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Der Beklagte habe seine Unterhaltspflicht verletzt, weshalb der Klägerin ein Anspruch auf Geldunterhalt in Höhe von 29 % des Einkommens des Beklagten zustehe.
Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das der Klägerin gewährte Pflegegeld sei auch nicht teilweise ein ihren Unterhaltsanspruch minderndes Einkommen, solle es doch nach dem im § 1 BPGG normierten Zweck und der unmißverständlichen Absicht des Gesetzgebers ausschließlcih die pflegebedingten Mehraufwendungen einer pflegebedürftigen Person abgelten und nicht deren Einkommen erhöhen. Es spiele daher - ebenso wie bisher der Hilflosenzuschuß nach § 105 a Abs 1 ASVG - bei der Unterhaltsbemessung keine Rolle.
Gegen den Zuspruch eines einstweiligen Unterhalts in der Höhe von monatlich mehr als 3.500 S wendet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Abweisung des noch strittigen Mehrbegehrens auf Leistung eines einstweiligen Unterhalts in Höhe von monatlich 3.500 S; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag in diesem Umfang gestellt. Überdies beantragt der Beklagte (richtig: er regt an), der Oberste Gerichtshof möge die Bestimmung des § 4 Abs 4 BPGG beim Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig anfechten.
Die Klägerin stellt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Der Beklagte macht geltend, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Anrechnung von Einkünften des Unterhaltsberechtigten nur dann entfalle, wenn dies auf Grund gesetzlicher Bestimmungen ausgeschlossen sei. Das treffe aber auf das Pflegegeld nach dem BPGG nicht zu, weshalb dieses nicht "jedenfalls grundsätzlich" der Abdeckung von Mehraufwendungen diene. Da die Klägerin von ihrer Schwester unentgeltlich betreut werde, sei im vorliegenden Fall die Anrechnung des 5.000 S übersteigenden Teiles des Pflegegeldes als Eigeneinkommen der Klägerin angemessen. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 94 Abs 2 Satz 1und 2 ABGB sind die eigenen Einkünfte des unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht schlechthin anzurechnen, sondern bloß "angemessen zu berücksichtigen" (vgl. Pichler in Rummel, ABGB**2 Rz 6 zu § 94; Gamerith in ÖA 1988, 63 ff; Schwimann in Schwimann, ABGB, Rz 17 und 43 f zu § 94). Unter "Einkommen" ist dabei grundsätzlich alles zu verstehen, was dem Unterhaltsberechtigten, sei es an Naturalleistung oder in Geldleistungen welcher Art immer, auf Grund eines Anspruches zukommt, soferne gesetzliche Bestimmungen (zB § 12 a FamLAG für die Familienbeihilfe: RZ 1992/69) die Anrechenbarkeit bestimmter Einkünfte auf den Unterhalt nicht ausschließen. Allerdings bleiben dabei jene Teile der Einkünfte, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes dienen, jedenfalls außer Betracht (EFSlg 64.917; 7 Ob 531/93). Wird demnach unter "Einkommen" die Summe aller verfügbaren Mittel verstanden, so sind zwar auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen und es führt die der Leistung zugrundeliegende Zweckbestimmung für sich allein im allgemeinen noch nicht zwingend zum Ausscheiden aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage (ÖA 1993, 108; 7 Ob 531/93), doch kann dies dann der Fall sein, wenn die Leistung ausschließlich einen bestimmten Sonderbedarf des Unterhaltsberechtigten abdecken soll, der dann allerdings von ihm in diesem Umfang gegen den Unterhaltspflichtigen nicht mehr als erhöhter Unterhaltsanspruch geltend gemacht werden kann. Letzteres traf nach der gefestigten zweitinstanzlichen Rechtsprechung auf den Hilflosenzuschuß gemäß § 105 a Abs 1 ASVG zu, welcher zwar mangels einer gegenteiligen gesetzlichen Bestimmung ein Einkommen des hilflosen Pensionsbeziehers war, aber dennoch bei der Unterhaltsbemessung keine Rolle spielte, weil er den an Wartung und Hilfe notwendigen Sonderbedarf abdecken sollte (RZ 1992/25 = EvBl 1992/27 = EFSlg 66.471 mwN). Entgegen der Meinung des Beklagten hat das Rekursgericht zutreffend erkannt, daß auch das Pflegegeld in diesem Sinne zwar mangels einer gegenteiligen Bestimmung des BPGG, wenn auch entgegen der erklärten Absicht des Gesetzgebers (RV 776 BlgNR 18. GP, 25) im unterhaltsrechtlichen Sinn ein Einkommen der pflegebedürftigen Person ist, aber dennoch gemäß seinem § 1 ausschließlich den Zweck verfolgt, in Form eines Beitrages pflegebedürftige Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, damit sich Personen, die infolge ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung einen ständigen Hilfsbedarf (Pflegebedarf) haben, die erforderlichen Pflegemaßnahmen selbst organisieren können. Die im § 1 BPGG noch erwähnte Verbesserung der Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen, ist daher nur dahin zu verstehen, daß das Pflegegeld auch die für eine optimale Betreuung entscheidende Möglichkeit der Eigeninitiative des Betroffenen fördern soll (RV aaO). Das Pflegegeld dient daher ausschließlich der pauschalierten Abgeltung des Sonderbedarfs pflegebedürftiger Personen, weshalb es insoweit bei der Unterhaltsbemessung zur Gänze außer Betracht zu bleiben hat. Da die Klägerin im Hinblick auf ihre Pflegebedürftigkeit keinen erhöhten Unterhaltsanspruch geltend machte, begegnet auch die von den Vorinstanzen angewendete Prozentsatzmethode zur Bemessung des Unterhalts keinen Bedenken, weil sie hier nur als Orientierungshilfe im Sinne einer Gleichbehandlung gleichartiger Fälle (ohne Berücksichtigung eines Sonderbedarfs des Unterhaltsberechtigten) diente (SZ 64/135; ÖA 1992, 86; 10 ObS 64/92; 6 Ob 587/93).
Aus dem bisher Gesagten folgt bereits, daß es zur Bemessung des Unterhaltsanspruches der Klägerin auch nicht darauf ankommt, daß sie auf das ihr gewährte Pflegegeld der Stufe 5 gemäß § 4 Abs 4 BPGG im Umfang des die Stufe 2 übersteigenden Differenzbetrages (7.500 S) bis zum 31.12.1996 gar keinen Rechtsanspruch hat. Diese Bestimmung des BPGG wird vom Obersten Gerichtshof daher im Rahmen der Unterhaltsbemessung nicht angewendet. Schon aus diesem Grund kommt deren Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht, sodaß sich auch ein Eingehen auf die vom Beklagten geltend gemachte Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung erübrigt.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung des Beklagten auf §§ 402 Abs 4, 78 EO und §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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