OGH 2Ob80/51

OGH2Ob80/517.3.1951

SZ 24/63

Normen

ABGB §523
ABGB §1409
ABGB §523
ABGB §1409

 

Spruch:

Der konfessorischen Klage ist ohne weitere Beweisaufnahmen Folge zu geben, wenn eine vorausgegangene Negatorienklage rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen wurde, daß die Servitut tatsächlich bestehe. Hiebei ist Parteienidentität in den beiden Rechtsstreitigkeiten schon dann anzunehmen, wenn die jeweiligen Eigentümer des herrschenden und des dienenden Grundstückes als Prozeßparteien auftreten, mögen auch die derzeitigen Eigentümer Singularsukzessoren der im Vorprozeß aufgetretenen Parteien sein.

Entscheidung vom 7. März 1951, 2 Ob 80/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Floridsdorf; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin ist Eigentümerin der in der Katastralgemeinde B. gelegenen Grundstücke Nr. 1003, Acker, und 1005/1, Weide (EZ. Y). An die Grundstücke schließen in nordwestlicher Richtung die Grundstücke Nr. 1004, Acker, und 1005/2, Weide, an, die bis zur H.gasse reichen. Die letzteren in der EZ. X eingetragenen Grundstücke standen seit 1936 im Eigentum der Franziska Z., waren aber seit 1938 den Beklagten verpachtet. Franziska Z. verkaufte diesen die Grundstücke am 19. März 1948, doch wurde der Kaufvertrag erst am 18. Feber 1949 verbüchert. Da die Klägerin behauptete, daß ihr das Recht zustehe, das Grundstück Nr. 1005/2 betreten zu dürfen, wenn sie zu ihren Grundstücken gehe, und schon im Jahr 1947 gegen den Erstbeklagten, als er sie am Betreten des Grundstückes Nr. 1005/2 zu hindern suchte, eine Besitzstörungsklage erhoben hatte, brachte Franziska Z. nach dem Abschluß des Kaufvertrages auf Auftrag und Kosten der Beklagten gegen die Klägerin eine Negatorienklage ein, in der sie in erster Linie die Feststellung begehrte daß die Klägerin nicht berechtigt sei, über das Grundstück Nr. 1005/2 zu gehen und daß eine Dienstbarkeit des Fußsteiges auf diesem Grundstück zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Nr. 1003 und 1005/1 nicht bestehe. Die Negatorienklage wurde nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens mit dem Urteile vom 23. September 1948 mit der Begründung abgewiesen, daß die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Nr. 1003 und 1005/1 das Recht des Fußweges auf dem Grundstücke Nr. 1005/2 seit mehr als 30 Jahren ausüben; eine Berufung der Franziska Z. blieb erfolglos. Als die Beklagten nach der Verbücherung ihres Eigentumsrechtes der Klägerin neuerlich den Zugang zu ihren Grundstücken über das Grundstück Nr. 1005/2 unmöglich machten, wurden sie von der Klägerin wegen Besitzstörung belangt und dieser auch schuldig erkannt. Da die Beklagten in der Folge weitere Behinderungen der Klägerin unternahmen und die Zustimmung zu der von der Klägerin angestrebten Verbücherung ihres Wegrechtes verweigerten, begehrte diese nunmehr ihnen gegenüber die Feststellung, daß ihr und den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke Nr. 1003 und 1005/1 die Dienstbarkeit des Fußsteiges für sich und ihre Hausleute und Arbeiter zustehe, ferner die Verurteilung der Beklagten, die zur Einverleibung der Dienstbarkeit erforderlichen Erklärungen abzugeben, die Ausübung des Servitutsrechtes durch die Klägerin zu dulden, die errichteten Hindernisse zu entfernen und schließlich einen Streifen des Grundstückes Nr. 1005/2 in der für einen Fußweg erforderlichen Breite unbebaut liegen zu lassen sowie in Zukunft jede weitere Behinderung der Klägerin in der Ausübung ihres Gehrechtes zu unterlassen.

Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Schwergewicht der Revision liegt in den Ausführungen zum Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. Mit dem Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27. März 1890, GlU. 13225, wird von den Revisionswerbern die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bekämpft, daß das abweisende Urteil über eine Negatorienklage in Ansehung der strittigen Servitut res iudicata schaffe, wenn in den Gründen festgestellt sei, daß der Servitutsansprecher diese ersessen habe. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch von der in der Entscheidung Sammlung 13225 vertretenen Ansicht längst abgewichen (GlUNF. 3921, SZ. IX/243 und XIII/54) und hat sich zu der Rechtsansicht bekannt, der die Vorgerichte gefolgt sind; auch im Schrifttum (Klang, Kommentar, 2. Aufl., II/605) wird die Auffassung vertreten, daß die meritorische Abweisung der Negatorienklage der obsiegenden Partei das Recht gewähre, die Einverleibung der Servitut im Klagewege zu begehren, und daß den Einwendungen des Eigentümers des belasteten Grundstückes gegen ihren Bestand die Rechtskraft des Urteiles entgegenstehe. Das Revisionsgericht hat keinen Anlaß, von der Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte abzugehen und die in der Entscheidung vom 27. März 1890 vertretene Ansicht wieder zu übernehmen, nach der der Servitutsansprecher genötigt wäre, nicht nur im Negatorienstreit, sondern auch in dem folgenden Streit über die konfessorische Klage, also zweimal, sein auf die Ersitzung gegrundetes Recht zu erweisen. Zweifellos erwächst nur der Urteilsspruch und nicht auch die Urteilsgrunde in Rechtskraft; die Urteilsgrunde stehen jedoch in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Urteilsspruch und müssen daher auch bei der Prüfung, inwieweit dem Urteilsspruch Rechtskraftwirkung zukommt, berücksichtigt werden. Da es sich sowohl im negatorischen wie im konfessorischen Streit um das gleiche Recht handelt, sei es, daß es bestritten, sei es, daß es bekämpft wird, und da auch die gleichen Parteien einander gegenüberstehen, wobei allerdings im Hinblick auf die dingliche Wirkung des Rechtes für die Annahme der Parteienidentität nur erforderlich ist, daß die jeweiligen Eigentümer der dienenden und herrschenden Grundstücke als Prozeßparteien auftreten, weshalb der Identitätsbegriff auch ihre Singularsukzessoren umfaßt (ZBl. 1937, Nr. 154), reicht die, wenn auch nur in den Urteilsgrunden über eine abgewiesene Negatorienklage enthaltene Feststellung, daß das Servitutsrecht vom Ansprecher ersessen worden sei, aus, den Bestand des Rechtes als bereits entschieden anzunehmen und einen neuerlichen Streit über das gleiche Recht, sofern nicht nachträglich Veränderungen behauptet worden sind, auszuschließen. Die gegenteilige Ansicht könnte unter Umständen zu abweichenden Entscheidungen über die gleichen Servitutsrechte führen und wäre daher schon aus diesem Gründe nicht vertretbar; in der Regel würde aber eine Wiederholung der Beweise im konfessorischen Streit die gleichen Feststellungen, die im negatorischen erfolgt sind, ergeben, so daß die Beklagten im konfessorischen Streit noch einen beträchtlichen Kostenmehraufwand zu tragen hätten.

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