Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 4.348,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 724,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 18.9.1979 als Arbeiterin beschäftigt. Mit Schreiben vom 30.4.1990 erklärte sie ihren vorzeitigen Austritt gemäß § 82a lit a GewO 1859.
Mit der vorliegenden Klage begehrt sie S 68.892,- netto sA an Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Sie habe aus gesundheitlichen Gründen die mit Kälte und Nässe verbundene Arbeit nicht ausüben können. Die Beklagte habe ihr trotz Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung keinen Ersatzarbeitsplatz angeboten.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe erstmals während des Krankenstandes der Klägerin durch das übermittelte Attest erfahren, daß die Klägerin gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit ihrer Arbeit habe. Noch während des Krankenstandes habe die Beklagte versucht, die Klägerin telefonisch zu erreichen, um ihr einen anderen, ihren Wünschen entsprechenden Arbeitsplatz, etwa das Falten von Kartonagen, anzubieten. Eine Kontaktaufnahme sei aber nicht zustandegekommen. Nach ihrem Krankenstand sei die Klägerin am 30.4.1990 erschienen und habe sofort und ohne ein Angebot abzuwarten, eine vorbereitete und mit diesem Tag datierte Austrittserklärung überreicht. Obwohl die Beklagte nach wie vor bereit gewesen sei, der Klägerin einen ihrem Gesundheitszustand und ihren Vorstellungen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen, habe diese jegliche Gespräche darüber abgelehnt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Die Klägerin war seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der Beklagten als angelernte Arbeiterin mit dem Schlachten und Zerlegen von Puten beschäftigt. In der Schlächterei herrscht eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit und eine Temperatur von 17 bis 18 Grad. Bei der Klägerin, die bereits wegen einer Hautpilzerkrankung in ärztlicher Behandlung stand, trat wegen des feuchten Arbeitsplatzes im Laufe des Jahre 1988 eine Fingergelenksarthrose auf. Da sich dieser Zustand verschlechterte, ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, Arbeiten bei Kälte und Nässe zu verrichten.
Seit Beginn ihrer Tätigkeit verrichtete die Klägerin aushilfsweise auch Nebentätigkeiten wie zB das Falten von Kartonagen. Diese Arbeit ist leicht und wird in normal temperierten und nicht feuchten Räumen durchgeführt.
Ab 10.4.1990 befand sich die Klägerin zufolge einer akuten Verschlechterung ihres Leidens im Krankenstand. Ihre Arbeitsunfähigkeit war mit 29.4.1990 befristet. Während des Krankenstandes teilte sie der Beklagten mit Schreiben vom 17.4.1990 mit, daß ihr, wie aus der beigelegten ärztlichen Bestätigung hervorgehe, eine Fortsetzung ihrer bisherigen Tätigkeit ohne Schaden für ihre Gesundheit nicht mehr möglich sei. Sie ersuchte um die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, auf dem sie weder Kälte noch Nässe ausgesetzt sei. Die Beklagte möge ihr mitteilen, wo sie in Zukunft eingeteilt werde. Da der Klägerin in der Folge keine Information über ihre weitere Verwendung zukam, wandte sie sich wiederum an einen Rechtsschutzsekretär der Gewerkschaft, der ein mit 30.4.1990 datiertes Schreiben verfaßte, wonach die Klägerin mangels Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes mit "heutigem Tag" ihren vorzeitigen Austritt erkläre.
Mit diesem Schreiben erschien die Klägerin nach Ablauf des Krankenstandes am 30.4.1990 wieder an ihrem bisherigen Arbeitsplatz und erklärte dort unter Übergabe des Schreibens unmittelbar ihren vorzeitigen Austritt.
Es kann nicht festgestellt werden, welchen Inhalt das nachfolgende Gespräch mit den Angestellten der Beklagten hatte. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob diese versucht hatten, die Klägerin während ihres Krankenstandes telefonisch zu erreichen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin die Beklagte über ihren Gesundheitszustand informiert habe. Es wäre an der Beklagten gelegen gewesen, mit der Klägerin während des Krankenstandes Kontakt aufzunehmen und ihr einen anderen Arbeitsplatz anzubieten. Dazu hätte ein schriftliches Angebot genügt. Die Klägerin sei daher nicht überraschend, sondern berechtigt vorzeitig ausgetreten. Die am 30.4.1990 und noch später angestellten Versuche der Beklagten, mit der Klägerin die Möglichkeit eines Ersatzarbeitsplatzes zu besprechen, seien verspätet und für die Klägerin demnach unbeachtlich gewesen.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten gewesen, der Klägerin während des Krankenstandes Verweisungstätigkeiten anzubieten. Bei ihrem Erscheinen im Betrieb habe die Klägerin eine Erklärung der Beklagten gar nicht abgewartet, sondern das Gespräch mit der Vorlage des Schreibens begonnen, in dem sie ihren sofortigen Austritt erklärt habe. In Analogie zu § 26 AngG sei dem Arbeitgeber, der von der Ankündigung des Arbeitgebers überrascht werde, die Möglichkeit einzuräumen, diesem nach erfolgten Austritt ein Offert zu stellen, daß er den Austritt zurücknehme und das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen weiterführe. Diese Möglichkeit habe die Klägerin der Beklagten nicht eingeräumt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung verliert der Arbeitnehmer seinen Austrittsgrund gemäß § 82a lit a GewO 1859 oder gemäß § 26 Z 1 AngG, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine andere, seiner Gesundheit nicht abträgliche Verwendung anbietet, die im Rahmen der ihm durch den Arbeitsvertrag übertragenen Tätigkeit, liegt und der Arbeitnehmer dieses Angebot zurückweist (vgl Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 § 26 Erl 7 mwH; Arb 10.144; Arb 10.671; DRdA 1990/20 mwH; 9 Ob A 7/92; 9 Ob A 17/92; 9 Ob A 163/93 uva). Den Arbeitnehmer trifft zwar die Obliegenheit, den Arbeitgeber über seine gesundheitlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit seiner bisherigen Tätigkeit aufzuklären, damit der Arbeitgeber überhaupt in die Lage versetzt wird, Abhilfe zu schaffen; er ist aber selbst nicht verpflichtet, vom Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Tätigkeit zu verlangen. Da die Klägerin im vorliegenden Fall ausdrücklich um die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes ersuchte, an dem sie weder der Kälte noch Nässe ausgesetzt sei, kann sie nicht mit Erfolg einwenden, für sie wäre ohnehin kein anderer Arbeitsplatz in Betracht gekommen als der in der gesundheitsgefährdenden Schlächterei. Da Arbeitnehmer überdies zumeist von vornherein nur mit Teilbereichen ihres Arbeitsgebietes beschäftigt werden, kann aus der bloßen Tatsache einer längeren Verwendung an einen bestimmten Arbeitsplatz noch nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, daß sich der Aufgabenkreis der Klägerin auf diese Arbeiten beschränkte (vgl Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, ArbR3 I 128).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verrichtete die Klägerin seit Beginn ihrer Tätigkeit für die Beklagte aushilfsweise auch Nebentätigkeiten, wie etwa das Falten von Kartonagen, die ihrer Gesundheit nicht abträglich gewesen wären. Die Beklagte hätte sohin die Möglichkeit gehabt, der Klägerin einen von ihr ausdrücklich gewünschten, nicht gesundheitsschädlichen und arbeitsvertragskonformen Arbeitsplatz anzubieten. Die Beklagte hat es zwar versäumt, auf das Schreiben der Klägerin vom 17.4.1990 sofort - ebenfalls schriftlich - zu antworten (ob sie die Klägerin vergeblich telefonisch zu erreichen versucht hat, ist nicht erwiesen). Dennoch war die Klägerin aber nicht berechtigt, aus dem bloßen Schweigen der Beklagten ohne weiteres den Schluß zu ziehen, daß diese keine Abhilfe schaffen wolle. Solange sich nämlich die Klägerin im Krankenstand befand, durfte sie ohnehin keine ihrer Gesundheit abträglichen Tätigkeiten verrichten. Die Frage eines Ersatzarbeitsplatzes stellte sich letztlich erst, als sie ihre Arbeit am 30.4.1990 wieder antrat. Da sie in der Putenschlächterei nicht mehr weiter arbeiten konnte, hätte ihr die Beklagte sofort einen anderen, der Gesundheit nicht abträglichen Arbeitsplatz zuweisen müssen. In diesem Zusammenhang ist der Beklagten zuzubilligen, daß sie den Wünschen der Klägerin Rechnung tragen und ihr Personalleiter vor der Zuweisung einer anderen Tätigkeit zumindest ein Gespräch mit ihr darüber führen wollte. Durch ihren sofortigen Austritt schon bei Arbeitsantritt kam die Klägerin aber jeglicher Abhilfe durch die Beklagte zuvor; sie vereitelte damit auch die Möglichkeit, ihr einen Ersatzarbeitsplatz anzubieten. Da sie somit noch keinen aktuellen Anlaß hatte, vorzeitig auszutreten, erfolgte die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses ungerechtfertigt (9 Ob A 164/93). Die von ihr erhobenen austrittsabhängigen Ansprüche stehen ihr nicht zu.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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