OGH 9ObA17/92

OGH9ObA17/9218.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Raimund Kabelka und Margarete Heidinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** B*****, Maschinenschlosser, ***** vertreten durch ***** Sekretär *****, dieser vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei ***** E***** KG (nunmehr T***** GmbH & Co KG), *****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen S 129.127,64 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Oktober 1991, GZ 13 Ra 65/91-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4.April 1991, GZ 14 Cga 176/89-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 9.Mai 1983 bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Er hatte in der Schlosserabteilung 2 Bauschlossertätigkeiten auszuführen, bei denen er im wesentlichen Sterne aus Aluminium für Wicklungen fertigte.

Mit der vorliegenden Klage begehrt er S 129.127,64 brutto sA an Abfertigung, Urlaubsentschädigung, Kündigungsentschädigung und Sonderzahlungen. Zufolge zunehmender gesundheitlicher Beschwerden habe er seine Arbeit ohne weitere Beeinträchtigung seines Zustandes nicht mehr fortsetzen können. Obwohl er mehrmals um Zuweisung einer anderen Arbeit ersucht habe, sei ihm nur eine Arbeit in der Wicklerei angeboten worden; dabei habe es sich aber um keine Schlosser-, sondern um eine Elektromechanikertätigkeit gehandelt. Daraufhin habe er am 21.August 1989 mündlich seinen berechtigten vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis erklärt (auch: angekündigt, vgl S 2 und 14) und sei am nächsten Tag nicht mehr zur Arbeit erschienen. Mit Schreiben vom 22.August 1988 habe er den Austritt "bekräftigt".

Die Beklagte treffe an seinem vorzeitigen Austritt ein Verschulden, da sie ihn in Verletzung der Fürsorgepflicht nicht seiner Ausbildung entsprechend eingesetzt, gegen die Vorschrift des § 8 AschG und die auf dieser Grundlage ergangenen Verordnungen verstoßen und am ursprünglichen Arbeitsplatz keine Absaugvorrichtung angebracht habe.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Als der Kläger bekanntgegeben habe, daß er seine bisherige Arbeit wegen einer Halsentzündung nicht mehr verrichten könne, sei ihm ein Wechsel des Arbeitsplatzes, zB in die Wicklerei, angeboten worden. Der Kläger habe erwidert, daß er das eigentlich nicht wolle, da er von anderen Firmen bereits gute Angebote habe. In der Folge habe der Kläger am 21.August 1989 zum 25.August 1989 gekündigt. Erst mit Schreiben vom 22.August 1989, das bei der Beklagten am 23.August 1989 eingelangt sei, habe der Kläger seinen vorzeitigen Austritt aus gesundheitlichen Gründen erklärt. Dieser Austritt sei unberechtigt erfolgt, da der Kläger bereits gekündigt habe und ihm überdies die Fortsetzung der Arbeit während der Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

An seinem Arbeitsplatz in der Schlosserei hatte der Kläger Aluminium zu biegen, zu schleifen, zu schneiden und zu bohren. Es waren auch Schweißarbeiten zu verrichten, die etwa zwischen 25 % und 30 % der Arbeitszeit in Anspruch nahmen. Unter Berücksichtigung des Schleifens machten die belastenden Tätigkeiten insgesamt mehr als die Hälfte der Arbeitszeit aus. Obwohl eine Absaugeeinrichtung vorhanden war und der Kläger eine Staubfiltermaske sowie fallweise einen Gehörschutz trug, kam es durch diese Einwirkungen zu einer Verschlimmerung seiner chronischen Rachenentzündung, sodaß ihm der behandelnde Hausarzt am 17.August 1989 riet, den Arbeitsplatz zu wechseln.

Noch am selben Tag teilte der Kläger seinem Vorgesetzten unter Vorlage eines ärztlichen Attestes mit, daß ihm aus Gesundheitsgründen ein Wechsel des Arbeitsplatzes empfohlen worden sei. Er ersuchte seinen Vorgesetzten, ihm in der anderen Schlosserei einen Arbeitsplatz zuzuweisen. Daraufhin nannte ihm dieser einen Platz in der Wicklerei, ebenfalls eine Schlossertätigkeit, bei der nur etwa zu 5 % der Wochenarbeitszeit Schweißarbeiten angefallen wären und die dem Kläger mangels anderer Belastungen ohne Gefahr einer Gesundheitsschädigung zumutbar gewesen wäre.

Der Kläger lehnte jedoch den Wechsel auf diesen Arbeitsplatz ab. Er begründete seine Ablehnung damit, daß er schon ein wesentlich besseres Angebot habe. Am 21.August 1989 verhandelte der Kläger mit seinem Vorgesetzten über eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Als eine solche jedoch nicht zustandekam, erklärte der Kläger schließlich, daß er kündige.

Am 22.August 1989 teilte der Kläger dem Assistenten seines Vorgesetzten telefonisch mit, daß er vorzeitig austrete und ihm die Papiere bis 23. hergerichtet werden sollen. Mit Schreiben vom 22. August 1989 erklärte der Kläger unter Hinweis auf die Bestimmung des § 82 a lit a GewO 1859 neuerlich seinen Austritt, da er die Arbeit ohne gesundheitlichen Schaden nicht fortsetzen könne; trotz seines Ersuchens sei ihm keine andere Arbeit zugewiesen worden.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger ungerechtfertigt vorzeitig ausgetreten sei, da ihm die Beklagte einen anderen nicht gesundheitsschädigenden Arbeitsplatz angeboten habe, der sich auch im Rahmen seines arbeitsvertraglich abgesteckten Tätigkeitsbereiches als Schlosser befunden habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es stellte nach teilweiser Beweiswiederholung fest, daß Wickeln und Isolieren zur Tätigkeit eines Elektromechanikers und Elektromaschinenbauers, nicht aber zur Arbeit eines Schlossers gehören. Bei dem angebotenen Ersatzarbeitsplatz in der Wicklerei hätte der Kläger nur für die anfallenden Schweißarbeiten von etwa 3 % der gesamten Wochenarbeitszeit Schlosserkennntnisse gebraucht. Dennoch sei für den Standpunkt des Klägers nichts gewonnen. Der Kläger hätte sich zwar auf einen Austrittsgrund nach § 82 a lit a GewO 1859 stützen können, da die Fortsetzung seiner Tätigkeit mit einer weiteren Gefährdung seiner Gesundheit verbunden gewesen wäre; er habe aber auf diesen Austrittsgrund schlüssig verzichtet. Es sei zwar offenkundig, daß gesundheitliche Gründe der ursprüngliche Anlaß gewesen seien, einen Arbeitsplatzwechsel in Betracht zu ziehen. Die Ablehnung des angebotenen Arbeitsplatzes mit dem alleinigen Argument, er habe schon ein wesentlich besseres Angebot, zeige aber, daß der Kläger das Arbeitsverhältnis unabhängig von der allfälligen Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung im Betrieb habe beenden wollen. Zufolge des erklärten Austrittsverzichts habe der Kläger am 22.August 1989 nicht mehr im Sinne des § 82 a lit a GewO 1859 austreten können. Da sein vorzeitiger Austritt sohin ungerechtfertigt erfolgt sei, habe er gegen die Beklagte keine weiteren Ansprüche.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Im übrigen kann es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der Kläger durch seine "KÜndigung" auf die Geltendmachung des Austrittsgrundes nach § 82 a lit a GewO 1859 auch im Hinblick auf die Abfertigungsansprüche verzichtet hat (vgl dazu etwa Mosler, Austritt wegen Gesundheitsgefährdung - eine Analyse der neueren Rechtsprechung, DRdA 1990, 195 ff;

Martinek - M.Schwarz - W.Schwarz, AngG7 541 ff;

Schwarz - Löschnigg, Arbeitsrecht4 444 und 483 f; Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte Rz 331; Infas 1989 A 9;

ZAS 1981/19 ua). Der Kläger hätte sich nämlich nur dann wirksam auf den Austrittsgrund der Gefährdung seiner Gesundheit berufen können, wenn ihm die Beklagte keine andere vertragskonforme und der Gesundheit nicht abträgliche Arbeit angeboten hätte. Dazu wäre es aber erforderlich gewesen, der Beklagten auch ernstlich Gelegenheit zu einem solchen Angebot zu geben (vgl Arb 10.671, 10.144; WBl 1990, 24; WBl 1989, 93; RdW 1988, 359 uva).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen machte der Kläger gegenüber seinem Vorgesetzten erstmals am 17.August 1989 geltend, daß er durch seine Arbeit in seiner Gesundheit gefährdet sei. Er ersuchte um Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes. Auch wenn ihm der Vorgesetzte vorerst nur eine Tätigkeit in der Wicklerei angeboten hatte, die er nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes als außerhalb der vertraglichen Vereinbarung liegend ablehnen durfte (vgl Mosler aaO 197 f mwH), hätte er sich nicht damit begnügen dürfen, einen Arbeitsplatzwechsel schon von vorneherein schlechthin deswegen abzulehnen, weil er bereits ein wesentlich besseres Angebot (eines anderen Arbeitgebers) habe. Nach seiner eigenen Aussage hätte es nämlich im Betrieb der Beklagten durchaus noch zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten für ihn gegeben, bei denen er ohne Gesundheitsgefährdung als Schlosser hätte weiterarbeiten können (S 50 und 52). Er lehnte diesbezüglich aber sogar eine angebotene Intervention zur Erlangung eines anderen Arbeitsplatzes ab (S 53). Damit verweigerte er im Ergebnis den angebotenen Arbeitsplatzwechsel in Wahrheit nicht deshalb, weil er dort außer dem Arbeitsvertrag liegende Arbeiten zu verrichten gehabt hätte - davon war keine Rede -, sondern weil er bei der Beklagten überhaupt nicht mehr beschäftigt sein wollte. Diese Haltung kommt im übrigen auch darin zum Ausdruck, daß er vorerst eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses anstrebte und erst nach Ablehnung seines Vorschlags die Kündigung aussprach. Selbst wenn man daher schon diese "Kündigung" als verfehlt bezeichneten vorzeitigen Austritt werten wollte, wäre ein solcher nur dann berechtigt, wenn eine Verweisung auf einen anderen Arbeitsplatz im Rahmen des Arbeitsvertrages nach den gegebenen Umständen nicht in Betracht gekommen wäre oder die Beklagte ein entsprechendes Angebot unterlassen hätte. Ob die Beklagte dem Kläger noch weitere Arbeitsplätze angeboten hätte, ist zufolge der jede weitere diesbezügliche Erörterung abschneidenden Ablehnung der Weiterbeschäftigung offen geblieben. Daß eine allfällige Verletzung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen (vgl § 3 Abs 1 Z 21 der VO des BM für Soziale Verwaltung vom 14.12.1973, BGBl 1974/39 idF BGBl 1988/358) oder etwa eine mangelnde Fürsorge des Arbeitgebers für den Austritt ursächlich gewesen wäre, ist weder den Feststellungen noch den Verfahrensergebnissen zu entnehmen. Die Beklagte trifft daher kein Verschulden am letztlich erklärten vorzeitigen Austritt des Klägers, sondern dieser hat die Folgen seines ungerechtfertigten Austritts selbst zu tragen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 41 ZPO begründet.

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