Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Mit Notariatsakt vom 23. November 1956 setzten einander der Erblasser und seine Ehegattin kraft Erbvertrages und wechselseitigen Testaments gegenseitig zu Alleinerben ein und räumten einander überdies wechselseitig das Aufgriffsrecht für den gesamten Nachlaß des Vorversterbenden ein. Mit eigenhändig verfaßtem Testament vom 23. Juli 1987 setzte der Erblasser seine Ehegattin neuerlich zu seiner Alleinerbin ein.
Am 15. Oktober 1989 verfaßte er eigenhändig einen mit „Testament“ überschriebenen „Nachtrag zum Testament und Erbvertrag vom 23. November 1956“, mit dem er seine Schwester als Nacherbin seines Drittelanteils an einer näher bezeichneten Liegenschaft einsetzte und ferner anordnete, daß deren Sohn für den Fall ihres Ablebens deren Nacherbe sein, „das Testament“ aber erst nach dem Tod seiner Frau „gelten“ solle.
Die erbl. Witwe gab die bedingte Erbserklärung aufgrund des Erbvertrags vom 23. November 1956 zu drei Vierteln und aufgrund des Testamentes vom 23. Juli 1987 zu einem Viertel des Nachlasses ab und erklärte, das im Erbvertrag eingeräumte Aufgriffsrecht in Anspruch zu nehmen. Die erbl. Schwester entschlug sich ihrer Rechte aus dem Testament vom 15. Oktober 1989 zu Gunsten ihres Sohnes, der darauf aufgrund dieser letztwilligen Anordnung die bedingte Erbserklärung zu einem Viertel des Nachlasses abgab.
Mit Beschluß vom 28. Oktober 1991 nahm das Erstgericht die beiden Erbserklärungen zu Gericht an, teilte dem erbl. Neffen gemäß § 125 AußStrG die Klägerrolle zu und bestimmte ihm eine vierwöchige Klagefrist. Dieser Beschluß erwuchs in Rechtskraft. Der erbl. Neffe brachte keine Erbrechtsklage ein.
Im weiteren Verfahren beantragte die erbl. Witwe die Beendigung des Abhandlungsverfahrens und die Einantwortung des Nachlasses an sie. Der erbl. Neffe begehrte dagegen die bücherliche Sicherstellung der Nacherbfolge.
Mit Mantelbeschluß vom 7. Juli 1992 nahm das Erstgericht die Erklärung der erbl. Schwester, sich des Vermächtnisses zugunsten ihres Sohnes zu entschlagen, zur Kenntnis und ordnete die bücherliche Sicherstellung des „fideikommissarischen Substitutionslegates“ zugunsten des erbl. Neffen auf dem dem Erblasser zugeschriebenen Drittelanteil an der in der letztwilligen Verfügung bezeichneten Liegenschaft zu einem Viertel bzw in Ansehung der Gesamtliegenschaft zu einem Zwölftel an. Demgemäß verfügte es in der Verbücherungsklausel der gleichzeitig erlassenen Einantwortungsurkunde, daß auf dem Drittelanteil des Erblassers die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die erbl. Witwe mit der Beschränkung des fideikommissarischen Substitutionslegates zugunsten des erbl. Neffen zu einem Viertel und in Ansehung der Gesamtliegenschaft zu einem Zwölftel zu erfolgen habe. Zur Begründung dieser Anordnungen führte es aus, die letztwillige Verfügung vom 15. Oktober 1989 enthalte eine fideikommissarische Substitution. Der Erblasser habe dabei aber offensichtlich den einseitig nicht widerruflichen Erbvertrag nicht bedacht, nach dem er nur noch über ein Viertel seines Vermögens habe frei verfügen können.
Das Gericht zweiter Instanz ordnete in teilweise Stattgebung des Rekurses des erbl. Neffen die bücherliche Sicherstellung des Substitutionslegats zu dessen Gunsten auf dem Drittelanteil an der genannten Liegenschaft zu zwei Dritteln und in Ansehung der Gesamtliegenschaft zu zwei Neunteln an, änderte Punkt 8. des Mantelbeschlusses sowie die Verbücherungsklausel der Einantwortungsurkunde entsprechend ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, das von einer Gütergemeinschaft losgelöste, ausschließlich im Zusammenhang mit einem Erbvertrag vereinbarte Aufgriffsrecht erstrecke sich nur auf jene Nachlaßquote, auf die sich die erbvertragliche Bindung nicht beziehen könne. Beziehe sich die vertragliche Erbseinsetzung auf die nach § 1253 ABGB höchstzulässige Quote, könnte das Aufgriffsrecht nur Auswirkungen auf die restliche Viertelquote des Nachlasses haben. Einer vertraglichen Regelung des Aufgriffsrechtes komme, soweit sie sich auch auf diese Quote erstrecke, keine Bindungswirkung zu, sie sei vielmehr vom Erblasser jederzeit widerrufbar. Die Anordnung eines solchen Rechts sei nicht Gegenstand des Erbvertrages selbst und bedeute im Regelfall eine unzulässige vertragliche Bindung der freien letztwilligen Verfügungsmacht über das im § 1253 ABGB erwähnte Nachlaßviertel. Als Erbteilungsanordnung dürfte das Aufgriffrecht gegen § 1253 ABGB ebensowenig verstoßen wie eine vertragliche Erbseinsetzung oder eine Vermächtnisanordnung. Als Teil der letztwilligen Verfügung unterliege eine solche Anordnung daher der uneingeschränkten Widerrufbarkeit.
Die dem Nacherben zugebilligte verfahrensrechtliche Stellung müsse auch dem Vermächtnisnehmer im Falle eines uneigentlichen Nachlegats, bei dem er nach dem Tod des Erben eine bestimmte Sache aus dem Nachlaßvermögen erhalten solle, insbesondere dann zukommen, wenn Gegenstand einer solchen letztwilligen Anordnung eine Liegenschaft oder ein Liegenschaftsanteil sei. Denn auch in diesem Fall müsse schon aus der Einantwortungsurkunde ersichtlich sein, ob die Verlassenschaft dem Erben als freies Eigentum zufalle oder ob und inwieweit er durch ein bestehendes Substitutionsband beschränkt sei. Nach dem der Abhandlung zugrunde gelegten Inventar betrage der Wert des erbl. Anteils an der betroffenen Liegenschaft S 179.525, hingegen der eines Viertels des reinen Nachlasses S 123.772,71. Der Erblasser habe mit der letztwilligen Anordnung vom 15. Oktober 1989 über mehr als das vom Erbvertrag nicht umfaßte Viertel seines Vermögens verfügt. Nur soweit die letztwillige Anordnung über das freie Viertel hinaus in den dem Vertragserben zugedachten Teil eingreife, sei sie unwirksam. Die Anordnung des Nachlegats sei daher nur in Ansehung des nach § 1253 ABGB vom Erbvertrag nicht umfaßten Nachlaßviertels wirksam. Die Vorschrift des § 652 ABGB über die Zulässigkeit fideikommissarischer Substitution bei einem Vermächtnis gelte auch für den Fall, daß der Vorerbe mit einem uneigentlichen Nachlegat belastet werde. Der Erbe habe dann dem Nachlegatar gegenüber die sonst dem Vorerben zukommende Rechtsstellung. Der Nacherbe habe aber einen dinglichen Anspruch auf Herausgabe des Substitutionsguts, wogegen dem Nachvermächtnisnehmer und damit auch dem uneigentlichen Nachlegatar bloß ein an den Hauptvermächtnisnehmer bzw an den mit dem uneigentlichen Nachlegat belasteten Erben oder dessen Verlassenschaft zu richtender obligatorischer Anspruch auf Übereignung des Vermächtnisgegenstandes zustehe. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, daß der Nachlegatar mangels einvernehmlicher Lösung seinen Anspruch auf Übereignung des vermachten Liegenschaftsanteils nach dem Ableben der Erbin im Klagewege werde durchsetzen müssen. Die Auffassung des Erstgerichtes, die letztwillige Anordnung vom 15. Oktober 1989 erstrecke sich nur auf ein Viertel des Liegenschaftsanteils, treffe schon deshalb nicht zu, weil diese Anordnung keine Verfügung über eine Quote des Nachlaßvermögens, sondern über einen bestimmten Vermögensbestandteil darstelle, der das zur freien Verfügung des Erblassers verbleibende Nachlaßviertel allerdings wertmäßig übersteige. Da der Wert eines Viertels des reinen Nachlasses (S 123.772,71) etwa dem Wert von zwei Drittel des mit S 179.525 geschätzten Liegenschaftsanteils gleichkomme, könne sich das Nachlegat auch nur in diesem Umfang auf den dem Nachlegatar zugerechneten Liegenschaftsanteil erstrecken.
Rechtliche Beurteilung
Der von der erbl. Witwe gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Sie bekämpft damit die vom Gericht zweiter Instanz unter Berufung auf SZ 59/187 vertretene Auffassung, das in einem Erbvertrag dem Überlebenden eingeräumte Aufgriffsrecht könne sich nur auf die einer freien letztwilligen Anordnung vorbehaltene Nachlaßquote beziehen und sei deshalb frei widerruflich. An dieser Auffassung ist indessen festzuhalten:
Es liegt auf der Hand, daß sich das dem Vertragserben eingeräumte Aufgriffsrecht - also das Recht zum Erwerb des Nachlasses (oder gewisser Nachlaßgegenstände) um einen bestimmten oder doch bestimmbaren Übernahmspreis - nur auf die gemäß § 1253 ABGB der frei widerruflichen letztwilligen Anordnung vorbehaltene (bzw vom Erbvertrag ausgenommene größere) Quote erstreckt, weil der Vertragserbe den übrigen Nachlaßanteil ohnedies kraft erbvertraglicher Berufung erwirbt (SZ 59/187). Umstritten ist hingegen in Lehre und Rechtsprechung die Frage, ob dem Vertragserben das Aufgriffsrecht gegen den (oder die) Erben der freien Quote unwiderruflich eingeräumt werden kann:
Nach Klang (in seinem Komm2 III 1132), Welser (in Rummel, ABGB1 § 550 Anh Rz 8), Koziol-Welser (im Grundriß II9 403) und Gschnitzer-Faistenberger (Erbrecht3, 80) kann das Aufgriffsrecht auch durch Erbvertrag eingeräumt werden; sie unterstellen damit die Unwiderruflichkeit solcher im Erbvertrag getroffener Abmachungen, setzen sich aber in diesem Zusammenhang nicht weiter mit der Tragweite des in § 1253 ABGB verankerten Verfügungsvorbehalts auseinander. In der zweiten Auflage ergänzt Welser (aaO) seine sonst aus der ersten Auflage übernommenen Erwägungen noch dahin, daß die Unwiderruflichkeit einer solchen Verfügung bei Entgeltlichkeit des Geschäftes auch für das freie Viertel zu bejahen sein werde (ähnlich auch Brauneder in Schwimann ABGB §§ 1249, 1250, 1251, Rz 6). Auch Süssner vertritt (in NZ 1968, 177 f) die Auffassung, die Einräumung eines Aufgriffsrechtes in einem Erbvertrag binde die Partner in jedem Fall, weil eine solche Verfügung einem Vorvertrag gleichzuhalten sei.
Petrasch (in Rummel, ABGB2 § 1253 Rz 1) geht bei der Beurteilung dieser Frage hingegen von der Erwägung aus, jedes Aufgriffsrecht gewähre dem Berechtigten erhebliche Vorteile, sodaß die Belastung des Erben der Restquote nicht geleugnet werden könne. Es sei deshalb der - zumindest im Ergebnis auch von Lehnhoff (in Klang 1 III 867), Weiss (in Klang 2 III 912) Haunschmidt (in NZ 1968, 40) und Eccher (in Schwimann aaO § 653 Rz 7) - vertretenen Ansicht zu folgen, daß das Aufgriffsrecht neben einem vollen Vertragserbteil von drei Vierteln nur als letztwillige Erklärung und damit widerruflich eingeräumt werde könne. Dieser - von Petrasch schon in der ersten Auflage - verfochtenen Auffassung trat in der Folge auch Zemen (in NZ 1988, 33) bei.
Auch die Rechtsprechung bietet in dieser Frage kein einheitliches Bild: In SZ 15/212 wird die vertragliche Bindung bei Vereinbarung eines wechselseitigen Aufgriffsrechtes zwar auch ohne Abmachung einer Gütergemeinschaft (die in casu indessen gerade vereinbart war) bejaht, zum Verfügungsvorbehalt des § 1253 ABGB jedoch nicht weiter Stellung genommen.
Auch nach SZ 34/74 ist das im Rahmen eines ehegüterrechtlichen Vertrages vereinbarte Aufgriffsrecht einseitig nicht widerruflich; zur Begründung wird allerdings bloß auf Klang (aaO) sowie auf SZ 23/180 und SZ 26/64 verwiesen. Den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Feststellungen zufolge war das dort in anderer Richtung zu beurteilende Aufgriffsrecht jedoch nicht widerrufen worden.
Auch die in EFSlg 33.677 veröffentlichte Entscheidung erblickt in der ehegütervertraglichen Zusicherung von Aufgriffsrechten einen Vertrag unter Lebenden und keine jederzeit widerrufliche letztwillige Verfügung; auch diese Entscheidung begnügt sich zur Begründung dieser Ansicht mit einem Zitat, diesmal mit dem Hinweis auf SZ 15/212.
Nach SZ 58/132 kann dem Aufgriffsrecht die Bedeutung einer widerruflichen Erbteilungsvorschrift zukommen, die die Liquidierung des Nachlasses erspart, wenn dieses Recht im Rahmen eines ehegüterrechtlichen Vertrags wechselseitig verbindlich und somit einseitig unwiderruflich eingeräumt wurde. Da das Aufgriffsrecht keine Erbseinsetzung darstelle und es sich dabei auch um keine erbvertragliche Verabredung im technischen Sinn handle, könne sich der in § 1253 ABGB verankerte Vorbehalt nicht auch auf das Aufgriffsrecht erstrecken. Es liege in solchen Fällen vielmehr eine dem gleichfalls einseitig nicht widerruflichen Vermächtnisvertrag ähnliche Abmachung vor. Der (dort in einem Gütergemeinschafts- und Erbvertrag getroffenen) Vereinbarung eines Aufgriffsrechts könne daher der Charakter einer jederzeit widerruflichen letztwilligen Verfügung nicht zugemessen werden.
In SZ 20/92 führte der Oberste Gerichtshof dem entgegen aus, als Erbteilungsanordnung dürfte das Aufgriffsrecht seinem Inhalt nach ebensowenig gegen § 1253 ABGB verstoßen wie eine vertragliche Erbseinsetzung oder eine Vermächtnisanordnung. Die in der genannten Gesetzesstelle verankerte Testierfreiheit berühre nicht bloß Erbseinsetzungen. Das Argument, ein Aufgriffsrecht sei keine Erbseinsetzung, sondern gegebenenfalls eine Erbteilungsvorschrift oder ein Vermächtnis, rechtfertige deshalb keineswegs die erbvertragliche Einengung des durch § 1253 ABGB geschaffenen Freiraums.
Ähnlich argumentierte derselbe Senat des Obersten Gerichtshofs in SZ 59/187 (und in der unveröffentlicht gebliebenen Entscheidung 6 Ob 11/87): Eine nur auf die Freiquote bezogene Regelung könne ungeachtet deren Aufnahme in einen Erbvertrag keine vertragliche Bindungswirkung entfalten, sondern könne vom Erblasser jederzeit widerrufen werden. Bei einem vom Ehepakt über die Gütergemeinschaft losgelösten, ausschließlich im Zusammenhang mit einem Erbvertrag eingeräumten Aufgriffsrecht sei eine solche Anordnung als Teil einer letztwilligen Verfügung daher uneingeschränkt widerrufbar. Würden dagegen Ehepakte über die Gütergemeinschaft unter Lebenden und über einen Erbvertrag mit einem wechselseitigen Testament aus demselben Anlaß zu einem einheitlichen Gesamtzweck in einem Notariatsakt zusammengefaßt, müsse ein dem anderen Ehegatten eingeräumtes Aufgriffsrecht im Zweifel als Teilungsvorschrift für die Auseinandersetzung des Gemeinschaftsguts gedeutet werden; mangels gegenteiliger Anhaltspunkte sei dann zu unterstellen, daß das Aufgriffsrecht auch in dem in § 1266 vorletzter Satz ABGB behandelteten Fall zustehen sollte.
Angesichts der dargestellten Lehre und Rechtsprechung ist eine neuerliche Prüfung dieser Frage geboten, deren Lösung sich nicht zuletzt auch an Zweck und Tragweite des im § 1253 ABGB zugunsten des Erblassers angeordneten Verfügungsvorbehalts zu orientieren hat. Die genannte Bestimmung ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Erfordernissen einer durch die Rechtsüberlieferung getragenen Praxis und einer von gewichtigen Stimmen getragenen ablehnenden Haltung innerhalb der Redaktionskommission (vgl die Nachweise bei Zemen aaO 29 FN 3): Lassen etwa das deutsche oder das schweizerische Recht den Erbvertrag uneingeschränkt zu, ist er von den Rechtsordnungen des romanischen Rechtskreises verboten. Der gesetzliche Vorbehalt beruht auf der Überlegung, daß der Erblasser an die zugunsten des Ehepartners getroffene letztwillige Verfügung gebunden bleibt, obwohl zwischen dem Abschluß des Erbvertrags und seinem Tod zumeist Jahrzehnte verstreichen, in deren Verlauf sich seine Vorstellungen über die Erbwürdigkeit grundlegend wandeln können; Zweck des gesetzlichen Vorbehalts ist es daher, dem Erblasser wenigstens eine beschränkte Korrekturmöglichkeit offen zu halten. Die Redaktionsgeschichte läßt somit die Absicht der Redaktoren deutlich genug erkennen, daß die Testierfreiheit in diesem Umfang voll erhalten bleiben soll (vgl hiezu Zemen aaO 30 FN 5 und 33).
Wie Petrasch (aaO) zutreffend ausführt, gewährt das Aufgriffsrecht dem Berechtigten nahezu immer erhebliche Vorteile, sodaß die Belastung des Erben der Restquote nicht geleugnet werden kann; damit ist aber auch die Testierfreiheit beeinträchtigt, weil der Erblasser über den freien Viertelanteil nicht mehr uneingeschränkt verfügen kann. Wird das in einem - wie im vorliegenden Fall - mit einer Gütergemeinschaft nicht verknüpften Erbvertrag eingeräumte Aufgriffsrecht als Erbteilungsvorschrift verstanden, so dürfte sie ihrem Inhalt nach ebensowenig wie eine vertragliche Erbseinsetzung oder ein Vermächtnisvertrag gegen die zwingende Anordnung des § 1253 ABGB verstoßen. Das in dieser Bestimmung genannte Recht, „zu testieren“ (erster Satz), ist die vertragliche Ungebundenheit „zur freien letzten Anordnung“ (zweiter Satz) und ist demgemäß keineswegs nur auf die Erbseinsetzung beschränkt, sodaß das bloß erbvertraglich zugesicherte Aufgriffsrecht den durch § 1253 ABGB geschaffenen Freiraum des Erblassers nicht wiederum einengen kann (SZ 20/92; SZ 59/187; vgl auch Petrasch aaO). Die gegenteilige Auffassung Welsers (aaO) und Brauneders (aaO), die die (auch) erbvertragliche Bindung bei Entgeltlichkeit des Geschäfts bejahen, kann schon deshalb nicht überzeugen, weil sie mit dem in § 1253 ABGB angeordneten uneingeschränkten Vorbehalt und dessen Zweck nicht in Einklang gebracht werden könnte.
Die erbl. Witwe führt gegen die vom Rekursgericht aus SZ 59/187 übernommene Rechtsansicht ferner ins Treffen, das im Gütergemeinschaftsvertrag verankerte und das erbvertraglich zugesicherte Aufgriffsrecht dürften nicht unterschiedlich behandelt werden; in beiden Fällen sei vertragliche Bindung anzunehmen. Die Rechtsmittelwerberin übersieht dabei jedoch, daß der Tod - ebenso wie die Auflösung der Ehe - die Gütergemeinschaft beendet und - ähnlich wie bei der Auflösung einer Gesellschaft die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung nach Gesellschaftsrecht - die Teilung des Gemeinschaftsguts nach Ehegüterrecht zur Folge hat. So wie die im Gesellschaftsvertrag für den Fall des Todes eines persönlich haftenden Gesellschafters vorgesehenen Regelungen durch letztwillige Verfügungen nicht einseitig geändert werden können (RdW 1992, 111 mwN), erscheint es dann - wie in SZ 59/187 und 6 Ob 11/87 dargelegt - folgerichtig, daß die ehegüterrechtlichen Vereinbarungen der Eheleute, soweit sie überhaupt beachtlich sind, bestimmen, was aus dem Gemeinschaftsgut - gegebenenfalls auch, in welcher Form und unter welchen Voraussetzungen dieses - in den der Erbfolge unterworfene Nachlaß des verstorbenen Gemeinschafters fällt. Diesen Erwägungen zufolge müßte dann auch ein im Zusammenhang mit einer Gütergemeinschaft unter Lebenden dem überlebenden Ehegatten zugesichertes Aufgriffsrecht als Anordnung über die gütergemeinschaftliche Auseinandersetzung verstanden werden, sodaß bei Inanspruchnahme dieses Rechtes der vom Aufgriffsberechtigten zu zahlende Übernahmspreis anstelle des Anteils des Erblassers am Gemeinschaftsgut Nachlaßbestandteil wird. Diese Frage muß jedoch im vorliegenden Fall nicht allen Einzelheiten abschließend beurteilt werden, weil die Tragweite des zur Beurteilung anstehenden Aufgriffsrechtes nicht an einem Gütergemeinschaftsvertrag und dessen Abreden, sondern ausschließlich an einem Erbvertrag und damit an der zwingenden Vorschrift des § 1253 ABGB zu messen ist.
Daher haben die Vorinstanzen zu Recht die Einräumung des Aufgriffsrechts als freiwiderrufliche letztwillige Anordnung gedeutet und das vom Erblasser zugunsten seiner Schwester verfügte uneigentliche Nachlegat (vgl hiezu NZ 1988, 137 mwN) auch als wirksam angesehen, soweit es mit dem Aufgriffsrecht nicht vereinbar ist, aber auch nur in dem Umfang, als es im freien Viertel Deckung findet; die vom Gericht zweiter Instanz in diesem Zusammenhang angestellte Deckungsrechnung ist mangels deren Bekämpfung nicht weiter zu prüfen.
Dem Revisionsrekurs ist deshalb ein Erfolg zu versagen.
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