OGH 3Ob560/92

OGH3Ob560/9227.8.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 9. Oktober 1991 verstorbenen Nothburg (auch: Notburga) H*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des erbl. Sohnes Herbert H*****, vertreten durch Dr.Hans Georg Brunner, öffentlicher Notar in 5020 Salzburg, Leonhard von Keutschach-Straße 6, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 13.Dezember 1991, GZ 3 b R 178/91-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 11.November 1991 , GZ A 272/91-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Erklärung des bedingt erbserklärten Testamentserben Herbert H*****, die Verlassenschaftsabhandlung im schriftlichen Wege durchzuführen, zur Kenntnis genommen wird.

Text

Begründung

Die Erblasserin hinterließ die beiden Söhne Herbert H***** und Peter S***** sowie die Enkelkinder (Kinder ihrer vorverstorbenen Tochter Jutta S*****) Dr.Veronika S*****, Mag.Konrad S***** und Christian S*****. In einem Testament vom 21.5.1987 setzte sie ihren Sohn Herbert H*****zum Universalerben ein und ordnete verschiedene Sachlegate an.

Herbert H***** erteilte dem öffentlichen Notar Dr.Hans Georg Brunner Spezialvollmacht. In der Eingabe vom 28.10.1991 nannte dieser dem Erstgericht die (bereits in der Todfallsaufnahme vom Erben vorgelegten und mittlerweile gehörig kundgemachten) letztwilligen Verfügungen der Erblasserin; er führte aus, daß die oben erwähnten Personen aufgrund des Testmentes auf den Pflichtteil gesetzt seien, gab für den erblasserischen Sohn Herbert H***** aufgrund des Testamentes vom 21.5.1987 die unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab und erklärte weiters, er werde die Verlassenschaftsabhandlung im schriftlichen Wege durchführen. Dazu legte er einen Beschlußentwurf vor, der unter anderem an die genannten pflichtteilsberechtigten Personen zugestellt werden sollte.

Am 4.11.1991 langte beim Erstgericht ein Schreiben der Rechtsanwältin Dr.Veronika S***** ein, in welchem diese für sich und als Bevollmächtigte ihrer Geschwister Mag.Konrad S***** und Christian S***** erklärte, mit der Verlassenschaftsabhandlung durch Dr.Hans Georg Brunner im schriftlichen Wege nicht einverstanden zu sein, und beantragte, ein ordentliches Verfahren durch einen Gerichtskommissär durchführen zu lassen. Weitere Anträge stellte sie (oder auch der weitere erblasserische Sohn Peter S*****) nicht.

Das Erstgericht wies den Antrag des Erbenmachthabers, die Verlassenschaftsabhandlung im schriftlichen Wege durchzuführen, ab und übertrug die Durchführung des Abhandlungsverfahrens dem zuständigen Gerichtskommissär, ohne über die weiteren Sachanträge des Erben zu entscheiden. Zur Begründung führte es aus, die schriftliche Abhandlungspflege gemäß § 3 GKoärG komme wegen der Einheitlichkeit des Abhandlungsverfahrens nur beim Einverständnis aller Parteien in Frage, welches hier nicht vorliege, zumal auch den Noterben im Abhandlungsverfahren Parteistellung zukomme.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und vertrat weiters die Auffassung, das Recht (auch) eigenberechtigter Noterben zur Beteiligung am Abhandlungsverfahren ergebe sich aus den §§ 784 und 804 ABGB, sodaß ihnen für das ganze Abhandlungsverfahren Beteiligtenstellung zukomme. Nach den zu § 3 Abs 1 GKoärG bekannten Rechtsprechungsgrundsätzen müsse daher auch ein Noterbe der schriftlichen Abhandlungspflege durch den (die) erbserklärten Erben zustimmen, damit diese zulässig wäre. Dadurch werde die das Verfahren außer Streitsachen beherrschende allgemeine Anordnung des § 4 Abs 1 AußStrG nicht verdrängt, wonach die Parteien ihre Anträge schriftlich oder mündlich anbringen können. Daher könne die Erbserklärung grundsätzlich auch dann schriftlich abgegeben werden, wenn die Amtshandlungen nach § 2 Abs 1 Z 2 GKoärG einem Notar als Gerichtskommissär aufzutragen seien; der ganze § 3 GKoärG gelte nur bei der sogenannten schriftlichen Abhandlungspflege.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete ao. Revisionsrekurs des (durch seinen Machthaber vertretenen) erblasserischen Sohnes Herbert H***** ist schon deshalb, weil zur Frage des Zustimmungserfordernisses von Noterben zur schriftlichen Abhandlungspflege divergierende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vorliegen, zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zulässig; er ist auch berechtigt.Gemäß § 117 Abs 1 AußStrG steht es dem Erben frei, seine Erbserklärung schriftlich zu überreichen. Diese Bestimmung verankert die sogenannte schriftliche Abhandlungspflege, die durch § 3 Abs 1 GKoärG vedeutlicht wird (NZ 1986, 132; 5 Ob 548/91 ua). Nach dessen erstem Satz können in Verlassenschaftsabhandlungen die Parteien jederzeit die für den Fortgang des Verfahrens erforderlichen Erklärungen, Anträge und Ausweise schriftlich verfassen und unmittelbar dem Gericht vorlegen.

Bereits in der Entscheidung 1 Ob 321/54 vom 6.5.1954 bezeichnete der Oberste Gerichtshof (noch unter der Geltung der mit § 15 Z 2 GKoärG BGBl 1970/343 außer Kraft gesetzten Verodnung des Justizministeriums vom 7.5.1860, RGBl Nr.120 betreffend die Verwendung der Notare als Gerichtskommissäre ...) die Ansicht der Unterinstanzen, die Abhandlungspflege sei infolge eines Antrags des Noterben auf Inventierung und Schätzung des Nachlasses nicht (vom Erben) schriftlich, sondern insgesamt vom Gerichtskommissär zu führen, als offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 AußStrG.

In jüngerer Zeit hat der Oberste Gerichtshof in Fällen, in denen mehrere Erben (aufgrund einander widersprechender Erbserklärungen) oder ein erbserklärter Erbe und ein oder mehrere Noterben über die schriftliche Abhandlungspflege nicht einig waren, folgende Entscheidungen gefällt:

In der Entscheidung 7 Ob 665/76 (teilweise veröffentlicht in EvBl 1977/44) wurde die schriftliche Abhandlungspflege durch einen (von mehreren) gesetzlichen Erben nicht gestattet, weil eine andere Erbin ebenfalls eine Erbserklärung abgab und Rekurs gegen den Beschluß auf schriftliche Abhandlungspflege erhob (dieser also nicht zustimmte). In dieser Entscheidung wurde aus dem Prinzip der Einheitlichkeit des Abhandlungsverfahrens abgeleitet, daß die Abhandlung nur entweder durch einen Gerichtskommissär oder durch die Erbengemeinschaft (meist durch einen gemeinsamen Vertreter) geführt werden könne.

In der Entscheidung 3 Ob 524/83 (teilweise veröffentlicht in EFSlg 44.416) wurde (ohne Erwähnung der Entscheidung 1 Ob 321/54) die schriftliche Abhandlungspflege durch die erbserklärte Testamentsalleinerbin mangels Zustimmung einer Noterbin unter Hinweis auf die Entscheidung EvBl 1977/44 nicht genehmigt, weil die Noterbin zur Wahrung der ihr gemäß §§ 804, 784 und 812 ABGB zustehenden Rechte dem Verlassenschaftsverfahren beigezogen werden müsse; die Einheitlichkeit des Abhandlungsverfahrens wäre bei schriftlicher Abhandlungspflege durch den Vertreter der Erbin nicht gewährleistet, sodaß die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 GKoärG nicht gegeben seien.

In den Entscheidungen 2 Ob 642/85 (= NZ 1986, 132) und 7 Ob 678/85, denen jeweils ein dem der Entscheidung 3 Ob 524/83 vergleichbarer Sachverhalt zugrundelag, wurden auf § 16 AußStrG in der seinerzeitigen Fassung gestützte außerordentliche Revisionsrekurse mangels offenbarer Gesetzwidrigkeit der zugunsten des Noterben ergangenen Entscheidung zurückgewiesen.

In der Entscheidung 2 Ob 513/88 (= NZ 1989, 14 = EFSlg 58.197 und

58.198) wurde dagegen (bei ebenfalls vergleichbarem Sachverhalt) über einen - zufolge difformer Entscheidungen der Vorinstanzen - ordentlichen Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin die Antrags- und Rechtsmittellegitimation der Noterbin in bezug auf die schriftliche Abhandlungspflege durch die Erbin verneint (und diese Legitimation auf die nach einheitlicher Rechtsprechung aus den §§ 784, 804 und 812 ABGB ableitbaren Rechte) beschränkt; durch die schriftliche Abhandlungspflege durch den Erben(machthaber) seien dem Noterben diese Rechte nicht genommen. Der Auffassung der Entscheidung 3 Ob 524/83 wurde mit Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 585/84 (= EFSlg 47.000, 47.001) nicht gefolgt.

Der erkennende Senat hat erwogen:

Der allen dargestellten Entscheidungen zugrunde liegenden Auffassung, daß der (auch volljährige) Noterbe zur Wahrung seiner rechtlich geschützten Interessen (in Form der ihm in § 804 - Antrag auf Inventarisierung, § 784 - Anwesenheit bei den Schätzungen, und § 812 ABGB - Antrag auf Nachlaßseparation, eingeräumten Rechte) dem Abhandlungsverfahren beizuziehen ist und ihm in Befolgung dieser Interessen im Verlassenschaftsverfahren Beteiligtenstellung und insoweit Antrags- und Rechtsmittellegitimation zukommt, ist weiterhin zu folgen. Die Verfahrensbeteiligung volljähriger Noterben geschieht in ausreichender Weise durch Verständigung von der Einleitung des Verfahrens und den für dessen Fortführung wesentlichen Vorkommnissen (wie es im vorliegenden Verfahren auch vom Erbenmachthaber gepflogen und in seinem Beschlußentwurf angeregt wurde). Die aktive Beteiligung des volljährigen Noterben am Abhandlungsverfahren muß aber dann von ihm selbst ausgehen, er hat dort seine Anträge zu stellen und seine Rechte selbst zu wahren. Gerade dies haben im vorliegenden Fall aber die drei, der schriftlichen Abhandlungspflege durch den Erben widersprechenden und ein sogenanntes ordentliches Verfahren fordernden Noterben bisher nicht getan, sodaß ihre Rechte derzeit im Verlassenschaftsverfahren nicht weiter zu beachten sind. Ein Pflichtteilsausweis durch den Erben wäre nur bei Beteiligung minderjähriger oder pflegebefohlener Noterben vorgesehen (§ 162 AußStrG). Ein vom Abhandlungsverfahren verständigter volljähriger Noterbe, der bei Gericht keine Anträge stellt, hat aber, wie übrigens nach ständiger Rechtsprechung selbst ein gesetzlicher oder testamentarischer Erbe, der keine Erbserklärung abgibt, im Verlassenschaftsverfahren weder Antrags- noch Rechtsmittellegitimation. Der Auffassung der Entscheidungen 1 Ob 321/54 und NZ 1989, 14 ist daher zumindest bei der vorliegenden Sachlage zu folgen.

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