OGH 2Ob513/88

OGH2Ob513/8816.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 30. Mai 1987 verstorbenen Dr. Nikolaus R***, infolge Revisionsrekurses der erbl. Witwe Waltraude R***-F***, Angestellte, 1170 Wien,

Promenadengasse 57/A1/29, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 26. November 1987, GZ 47 R 936/87-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 21. Oktober 1987, GZ 3 A 290/87-11, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der Rekurs der Dr. Elisabeth M*** gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 21. Oktober 1987, 3 A 290/87-11, zurückgewiesen wird.

Text

Begründung

Dr. Nikolaus R*** setzte mit letztwilliger Verfügung vom 23. September 1986 seine Ehegattin Waltraude R***-F*** zur Alleinerbin ein und verwies seine Tochter Dr. Elisabeth M*** auf den Pflichtteil. Die Witwe gab aufgrund des Testamentes die unbedingte Erbserklärung ab, beantragte die Überlassung der Verwaltung und Besorgung des Nachlasses und ersuchte um eine Frist zur Erstattung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses bis 30. Oktober 1987. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 3. August 1987, ON 7, wurde diesen Anträgen stattgegeben.

Mit Schreiben vom 23. September 1987, ON 8, erklärte die pflichtteilsberechtigte Tochter, Dr. Elisabeth M***, mit der schriftlichen Abhandlungspflege nicht einverstanden zu sein, und beantragte, es möge von der schriftlichen Abhandlungspflege abgesehen und die bisher versäumten gerichtlichen Verfahrensakte, soweit sie ihre Person betreffen, umgehend nachgeholt werden. Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 21. Oktober 1987, ON 11, den Antrag der Noterbin auf Abstandnahme von der schriftlichen Abhandlungspflege ab und begründete dies damit, daß ein äußerlich unbedenkliches Testament vorliege, die Antragstellerin lediglich Pflichtteilsberechtigte sei und daher nach herrschender Rechtsprechung als vermutliche Erbin im Sinn des § 75 AußStrG ausscheide. Es stehe ihr als Pflichtteilsberechtigte kein Recht zu, die schriftliche Abhandlung seitens der Erbin zu verhindern. Infolge Rekurses der Dr. Elisabeth M*** änderte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die schriftliche Abhandlungspflege durch die Testamentserbin zu unterbleiben hat. Das Rekursgericht führte aus, der Noterbe müsse nach ständiger Rechtsprechung dem Verlassenschaftsverfahren beigezogen werden, da ihm verschiedene Rechte zustehen: Er könne gemäß § 804 ABGB die Errichtung eines Inventares verlangen; nach § 784 ABGB stehe ihm das Recht zu, der Nachlaßschätzung beizuwohnen, und gemäß § 812 ABGB könne er auch die Nachlaßseparation fordern. Die Nichtbeiziehung des Noterben hätte die Nichtigkeit des Abhandlungsverfahrens zur Folge. Nach § 2 Gerichtskommissäregesetz sei die Abhandlung in den dort genannten Fällen (von denen eine Ausnahme im vorliegenden Fall dem Akt nicht entnommen werden könne), von einem Notar zu führen. § 3 Abs 1 Gerichtskommissäregesetz (GKoärG) räume den Parteien das Recht ein, die für den Fortgang des Verfahrens erforderlichen Erklärungen, Anträge oder Ausweise schriftlich zu verfassen und unmittelbar dem Gericht vorzulegen. Hieraus könne abgeleitet werden, daß die Abhandlung in bestimmten Fällen auf schriftlichem Weg unter Ausschaltung eines Notars als Gerichtskommissärs geführt werden könne. Da jedoch das Abhandlungsverfahren nur ein einheitliches sein könne, setze seine Führung auf diese Weise voraus, daß sich sämtliche Parteien darüber einig sind. Die Abhandlung könne nur entweder durch einen Gerichtskommissär oder durch die Erbengemeinschaft (meist durch einen gemeinsamen Vertreter) geführt werden. Eine Mischform sei undenkbar, weil sie dem Prinzip der Einheitlichkeit des Abhandlungsverfahrens widersprechen würde. Die Führung dieses Verfahrens unter Ausschaltung eines Gerichtskommissärs in jenen Fällen, die in den §§ 1 und 2 GKoärG aufgezählt sind, komme demnach nur in Frage, wenn dies alle Parteien des Verfahrens begehrten. Davon, daß sich die erbserklärte Erbin Waltraude R***-F*** und Dr. Elisabeth M***, die als Noterbin dem Verlassenschaftverfahren beizuziehen sei, über die Führung der Abhandlung auf schriftlichem Wege im Sinne des § 3 Abs 1 GKoärG einig seien, könne im vorliegenden Fall keine Rede sein. Daraus folge aber, daß die Einheitlichkeit des Abhandlungsverfahrens bei schriftlicher Abhandlungspflege durch den Vertreter der erbserklärten Erbin nicht gewährleistet wäre. Die Voraussetzungen für eine Bewilligung der schriftlichen Abhandlungspflege im Sinne des § 3 Abs 1 GKoärG seien somit nicht gegeben. Dem Noterben könne in diesem Zusammenhang die Parteistellung nicht strittig gemacht werden. Auch als solcher sei er nämlich Beteiligter im Verlassenschaftsverfahren. Aus der Bezeichnung "Beteiligter" abzuleiten, daß der Noterbe nicht Partei sei, sei verfehlt, weil das Außerstreitgesetz die Verfahrenssubjekte teils Parteien (§§ 1, 2, 4, 5, 9, 10, 19) teils Beteiligte (§§ 2 Abs 2 Z 7, 51, 62, 103, 180), in manchen Fällen aber auch nur Teilnehmende (§§ 2 Abs 2 Z 10, § 12 Abs 2) oder Teilnehmer (§§ 27, 45) nenne. Ausgehend von diesen Erwägungen ergebe sich, daß der Rekurs insoweit, als er sich dagegen richte, daß den Noterben kein Recht zustehe, die schriftliche Abhandlungspflege durch die Erbin zu verhindern, berechtigt sei. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Bestätigung des Beschlusses des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin führt aus, eine Rechtsmittellegitimation und Beschwer im Sinne des § 9 AußStrG komme für den Noterben nur insoweit in Betracht, als durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichtes eine Verkürzung in seinen materiellen Rechten oder eine Beeinträchtigung in seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt werde. Durch den Beschluß, mit dem die Erbserklärung des Erben angenommen und ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde, sei in die Rechtssphäre des Noterben nicht eingegriffen worden, weshalb ihm gegen diesen Beschluß kein Rekursrecht zustehe. Auch durch die schriftliche Abhandlung werde in seine Interessensphäre nicht eingegriffen. Das Recht, eine Inventarisierung zu begehren, sei dem Noterben durch eine schriftliche Abhandlung nicht genommen. Es fehle die Beschwer.

Zunächst war die in jedem Verfahrensstadium zu prüfende (EvBl 1958/12 u.v.a.) Rekurslegitimation der Noterbin bezüglich der Anfechtung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 11 zu erörtern. Dem Noterben kommt zwar die Stellung eines Beteiligten im Abhandlungsverfahren zu, doch wird ihm nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsmittellegitimation nur insoweit eingeräumt, als er durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichtes in seinen materiellen Rechten verkürzt oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt wird (SZ 46/117; EFSlg 37.209, 25.803 u.a.). Im übrigen ist der Noterbe im Abhandlungsverfahren auf die durch die §§ 784, 804 und 812 eingeräumten Rechte beschränkt (SZ 51/179). Diese den Noterben zustehenden Rechte werden aber durch die Entscheidung darüber, ob der Erbin die Durchführung des Abhandlungsverfahrens im schriftlichen Wege gestattet oder aber die Abhandlung durch den Gerichtskommissär zu führen ist, nicht berührt (EFSlg 47.000 und 47.001). Der Noterbin m!dgnlte daher die Beschwer zur Anfechtung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 11. Soweit in der den Widerruf der Bewilligung der schriftlichen Abhandlungspflege betreffenden E. 3 Ob 524/83, auf welche die E. NZ 1986, 132 verweist, auch das Einverständnis des Noterben als "Partei" i.S. des § 3 Abs 1 GKoärG mit der schriftlichen Abhandlungspflege für erforderlich erachtet wird, vermag der erkennende Senat aus den dargelegten Gründen dieser Auffassung nicht beizupflichten.

Mangels Beschwer mußte daher der Rekurs der Noterbin Dr. Elisabeth M*** gegen den Beschluß des Erstgerichtes ON 11 zurückgewiesen werden.

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