Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Ing.Arnold N***** ist am 17.8.1990 unter Hinterlassung seiner Ehegattin, der Rechtsmittelwerberin, und einer ihm erst am 4.9.1990 nachgeborenen Tochter verstorben. Die von der Witwe und der Tochter A***** auf Grund des Gesetzes zu einem Drittel und zu zwei Drittel des Nachlasses bedingt abgegebenen Erbserklärungen hat das Erstgericht mit Beschluß vom 1.10.1990 zu Gericht angenommen (ON 10).
Der Erblasser war (ua) grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaften EZ 21, 22, 107, 124 und 579 je KG St.S***** in Kärnten sowie der Liegenschaften EZ 1 KG St.M***** und EZ 124 KG D***** in der Steiermark. Die in Kärnten gelegenen Liegenschaften stellen einen 126 ha großen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dar; die Hofstelle befindet sich nördlich von F***** in der Ortschaft St.St*****. Der Betrieb ist schlecht arrondiert und weist einen unwirtschaftlichen Gebäudeüberhang auf. 72,5 ha werden als Wald, 36 ha als Acker und 16,7 ha als Grünland genutzt. Die in der Steiermark gelegenen Liegenschaften stellen einen um 128 ha großen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dar; die EZ 1 KG St.M***** (126,9 ha) liegt als geschlossener Komplex südlich der Ortschaft P*****; die Hofstelle besteht aus einem guterhaltenen Wohngebäude sowie einem desolaten, nicht erhaltungswürdigen Wohnhaus und Rinderstall. Die Liegenschaft stellt überwiegend einen Forst- und Eigenjagdbetrieb mit einer verpachteten Landwirtschaft dar: 108 ha werden als Wald und 19 ha als Grünland/Hutweide und Wiese genutzt (Seehöhe 1.000 m bis 1.400 m). Der in der KG D***** gelegene Teil der EZ 124 besteht aus einem 1,3 ha großen Waldgrundstück neben der Bundesstraße in W*****.
Nachdem die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Dipl.Ing.Paul R***** und Dipl.Ing.Gert F***** vom 22.2.1991 (ON 27) und vom 5.3.1991 (ON 41) sowie die Stellungnahme der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft M***** vom 26.6.1991 (ON 40) und der Stadtgemeinde F***** vom 18.6.1991 (ON 42) vorlagen, die allesamt eine gesonderte Beurteilung der jeweils in Kärnten und in der Steiermark gelegenen Betriebe zum Inhalt hatten, warf der Gerichtskommissär in der Verlassenschaftsabhandlung vom 23.1.1992 erstmals die Frage auf, ob der steirische Betrieb nicht im Sinne des § 3 Kärntner Erbhöfegesetz 1990 ein Bestandteil der Kärntner Hofstelle sei. Die erblasserische Witwe sprach sich gegen eine weitere Prüfung in dieser Richtung aus, behielt sich aber eine ergänzende Äußerung zu dieser Frage vor. Der Vertreter der Kammer für Land- und Forstwirtschaft erklärte, daß seiner Meinung und seinem Wissen nach der Besitz in der Steiermark vom Betrieb in Kärnten aus bewirtschaftet worden sei; jedenfalls sei dies die Situation im Jahre 1982 gewesen; seiner Meinung nach sei der Betrieb in der Steiermark "eine Zuhube und ein Teilbetrieb, der selbständig bewirtschaftet werden könnte". Er erklärt jedoch auch, daß er vor einer endgültigen Stellungnahme mit seinem Referat Rücksprache halten wolle, weil es sich "offensichtlich um einen Grenzfall" handle, weshalb er auch die Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Landwirtschaftskammer anregte (ON 55).
Das Erstgericht stellte - ohne weitere Stellungnahmen der erblasserischen Witwe und der Kammer für Land- und Forstwirtschaft in Kärnten abzuwarten - die Erbhofeigenschaft der in Kärnten und der in der Steiermark gelegenen Liegenschaften fest. Die Feststellung der Erbhofeigenschaft der in Kärnten gelegenen Liegeschaften ist in Rechtskraft erwachsen. Zu dem in der Steiermark gelegenen "Betriebsteil" stellte das Erstgericht ergänzend fest, daß sich mit ihm allein nicht einmal ein zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichender Durchschnittsertrag erzielen lasse und daß dessen Bewirtschaftung von der 22 Straßenkilometer entfernten Hofstelle des Kärntner land- und forstwirtschaftlichen Stammbetriebes aus erfolge.
Das Rekursgericht faßte in Ansehung der festgestellten Zugehörigkeit der in der Steiermark gelegenen Liegenschaften zu dem in Kärnten gelegenen Erbhof einen Aufhebungsbeschluß; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Wenn auch ein Erbhof im Sinne des KrntErbhöfeG 1990 in Kärnten gelegen sein müsse, so könnten doch einzelne Hofbestandteile im Sinne des § 3 Abs 1 bis 3 dieses Gesetzes in einem benachbarten Bundesland liegen. Ob dies hier auf die in der Steiermark gelegenen Liegenschaften zutreffe, könne noch nicht abschließend beurteilt werden, wenngleich deren Eigenschaft als Hofbestandteil gemäß § 3 Abs 2 KrntErbhöfeG 1990 schon deshalb ausscheide, weil sie kein Hof mittlerer Größe gemäß § 2 Abs 1 dieses Gesetzes seien. Zwar sei das Rekursvorbringen, wonach die steirischen Liegenschaften nicht von der Kärntner Hofstelle aus bewirtschaftet worden seien, eine Neuerung, doch ließen die bisherigen Verfahrensergebnisse noch nicht erkennen, ob sie mit dem Kärntner Hof eine "wirtschaftliche Einheit" bilden. Diese Frage werde daher vom Erstgericht mit den Beteiligten zu erörtern und erst nach Einholung von ergänzenden Stellungnahmen der beiden Sachverständigen und der Kammer für Land- und Forstwirtschaft in Kärnten zu entscheiden sein.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe ist nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin vertritt unter Hinweis auf § 21 AnerbenG 1958 idF BGBl 1989/659 die Auffassung, daß die in der Steiermark gelegenen Liegenschaften keinesfalls Hofbestandteile eines in Kärnten gelegenen Erbhofs sein könnten. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 1 Abs 1 KrntErbhöfeG 1990 ist grundlegende Voraussetzung für die Anwendung dieses Bundesgesetzes das Vorhandensein eines "in Kärnten gelegenen Erbhofs (§§ 2 und 3)". Demgegenüber stellt § 21 AnerbenG lediglich klar, daß dieses Bundesgesetz ab 1.1.1990 mit Ausnahme der Länder Kärnten und Tirol im gesamten
Bundesgebiet - also auch im bisher im Wege einer Verfassungsbestimmung ausgenommenen Land Vorarlberg - anzuwenden ist. Mit der Ausdehnung des örtlichen Geltungsbereiches auf Vorarlberg wurde aber nur der Absicht des Verfassungsgesetzgebers der B-VG-Novelle 1974 BGBl 444 (vgl deren Art XIII) entsprochen (ErlBem zur RV des AnerbenG 518 BlgNR 17.GP, 6 f). Aus den im § 21 AnerbenG festgelegten Ausnahmen vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes folgt somit entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin keineswegs zwingend, daß einzelne außerhalb Kärntens gelegene Liegenschaften oder Liegenschaftsteile unter keinen Umständen Hofbestandteile eines Kärntner Erbhofes sein könnten. So wie bisher ist vielmehr für die Erbhofeigenschaft sowohl nach dem AnerbenG als auch nach dem KrntErbhöfeG 1990 nur erforderlich, daß ein "mit einer Hofstelle versehener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb" (§ 1 Abs 1 AnerbenG) bzw ein "landwirtschaftlicher, mit einer Hofstelle versehener Betrieb" (§ 2 Abs 1 KrntErbhöfeG 1990) vorliegt. Als "Hofstelle" werden dabei die zum Betrieb der Landwirtschaft auf dem Erbhof notwendigen Baulichkeiten verstanden (ErlBem zur RV des AnerbenG 518 BlgNR 17. GP, 7). Die Lage der Hofstelle als wirtschaftlicher Mittelpunkt des Betriebes gibt daher den Ausschlag, ob ein "in Kärnten gelegener Erbhof" im Sinne des § 1 Abs 1 KrntErbhöfeG 1990 vorliegt (Kathrein, Anerbenrecht, 56 Anm 1). Alle von dieser Hofstelle aus nach ihrer objektiven Eignung für einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftbaren Liegenschaften (Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3 372; Kathrein aaO 19 Anm 2 und 56 f Anm 3; ErlBem zur RV des AnerbenG aaO; SZ 34/174; EvBl 1978/86) des Erblassers gehören zum Erbhof, wenn sie "eine wirtschaftliche Einheit bilden" (§ 2 Abs 1 AnerbenG) bzw "mit dem Hof eine wirtschaftliche Einheit bilden" (§ 3 Abs 1 KrntErbhöfeG 1990). Die durch den Justizausschuß erfolgte Einfügung der Worte "mit dem Hof" in § 3 Abs 1 KrntErbhöfeG 1990 sollte gerade verdeutlichen, daß es auf die wirtschaftliche Einheit des Hofes ankommt, nicht aber darauf, ob die Hofbestandteile (für sich allein) zusammengehören (AB 1156 BlgNR 17.GP, 2). Der Umfang des Erbhofes ist daher in jedem Falle weiterhin nach objektiven Kriterien zu ermitteln; auf den räumlichen Zusammenhang der Liegenschaften kommt es dabei ebensowenig an wie auf ihre Darstellung im Grundbuch (Roth, Bäuerliche Erbfolge in Kärnten, NZ 1949, 154 ff (156); Kathrein aaO 57 f Anm 1). Da das Anerbenrecht der Sicherung eines wirtschaftlich gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes dient und die Zerstückelung des "Erbhofes" und die Entstehung von Zwergwirtschaften verhindern sowie durch Ausschluß der Zivilteilung das Bauerngut der Stammfamilie erhalten soll (Koziol-Welser9 II, 310), diese Zwecke aber unverändert auch auf grenzüberschreitende Erbhöfe zutreffen, können unter den Voraussetzungen des § 3 KrntErbhöfeG 1990 auch in einem benachbarten Bundesland gelegene Liegenschaften oder Liegenschaftsteile ebenso zu einem in Kärnten gelegenen Erbhof gehören wie umgekehrt unter den Voraussetzungen des § 2 AnerbenG in Kärnten gelegene Liegenschaften oder Liegenschaftsteile zu einem in der Steiermark gelegenen Erbhof gehören können.
Da im vorliegenden Fall die steirische Liegenschaft EZ 1 KG St.M***** mit einem Flächenausmaß von mehr als 5 ha eine eigene Hofstelle aufweist, ihr Durchschnittsertrag aber keinesfalls das Sechsfache des zur Erhaltung einer fünfköpfigen Familie Erforderlichen übersteigt, könnte sie entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nur unter den Voraussetzungen des § 3 Abs 2 KrntErbhöfeG 1990 Hofbestandteil des Kärntner Erbhofes sein. Danach müßte sie vom Kärntner Erbhof aus bewirtschaftet worden sein und zu dessen Wirtschaftsbetrieb gehören. Die in der Steiermark gelegene Teilfläche der EZ 124 (in Kärnten: KG St.S*****; in der Steiermark:
KG D*****) kommt hingegen auch als Hofbestandteil gemäß § 3 Abs 1 KrntErbhöfeG 1990 in Betracht, wenn sie regelmäßig von der Kärntner Hofstelle aus bewirtschaftet wurde und mit dem Hof eine wirtschaftliche Einheit bildet. Letzteres liegt hier schon deshalb nahe, weil es sich offensichtlich um den in der Steiermark gelegenen (kleineren) Teil der jedenfalls zum Erbhof gehörigen Kärntner Liegenschaft EZ 124 handelt. Die von der Revisionsrekurswerberin als mangelhaft bekämpfte Feststellung, wonach die steirischen Liegenschaften von der 22 Straßenkilometer entfernten Hofstelle des Kärntner land- und forstwirtschaftlichen Stammbesitzes aus bewirtschaftet wurden, ist von vornherein zu wenig aussagekräftig und ergänzungsbedürfig, läßt sie doch völlig offen, worin eine solche Bewirtschaftung bestanden haben soll, wenn die Landwirtschaft in der Steiermark verpachtet ist, im übrigen aber die EZ 1 KG St.M***** einen Forst- und Eigenjagdbetrieb darstellt und der in der Steiermark gelegene Teil der Liegenschaft EZ 124 (KG D*****) ein 1,3 ha großes Waldgrundstück ist. Das Erstgericht wird daher nicht nur zur Frage der Bewirtschaftung der steirischen Liegenschaften präzisere Feststellungen zu treffen haben, sondern im Sinne der Ausführungen des Rekursgerichtes auch jene Entscheidungsgrundlagen schaffen müssen, die erst eine Beurteilung darüber zulassen, ob die eine oder die andere steirische Liegenschaft oder auch beide zusammen zufolge ihrer nach objektiven Gesichtspunkten ermittelten wirtschaftlichen Einheit mit dem Kärntner Erbhof bzw wegen ihrer Zugehörigkeit zu dessen Wirtschaftsbetrieb dessen Hofbestandteile sind.
Dem Revisionsrekurs mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)