OGH 5N501/91

OGH5N501/9126.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter über den ihm vom Oberlandesgericht Graz in der bei diesem Gericht zu 4 R 141/90 anhängigen Rechtssache der Rosemarie B***, kfm. Angestellte, Hohenfeld 23, 9201 Krumpendorf, vertreten durch Dr. Othmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Evelin R***, Magistratsangestellte, Hubertusstraße 52, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr. Gerald Herzog und Dr. Manfred Angerer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 59.212,50 S sA zur Entscheidung gemäß § 23 JN vorgelegten Antrag auf Ablehnung von Richtern des Oberlandesgerichtes Graz in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1.) Die Erklärung der Rosemarie B***, die nachgenannten Richter des Oberlandesgerichtes Graz, und zwar Präs. Dr. Josef K***, VPräs. Dr. Herbert K***, Sen.Pr.

Dr. Hans S***, SenPräs. Dr. Gustav B***, Sen.Präs. Dr. Johannes T***, SenPräs. Dr. Julius W***, Sen.Präs. Dr. Josef P***, SenPräs. Dr. Otto T***, Sen.Präs. Dr. Rudolf M***, SenPräs. HR Dr. Alois O***, SenPräs. Dr. Alfred H***, SenPräs. Dr. Ernst A***, RdOLG Dr. Ernst G***, RdOLG Dr. Anton F***, RdOLG Dr. Otto P***, RdOLG Dr. Karl G***, RdOLG Dr. Wolfgang E***, RdOLG Dr. Hans R***, RdOLG Dr. Friedrich K***, RdOLG Dr. Friedrich B***, RdOLG Dr. Gerhard W***, RdOLG Dr. Hubert S***, RdOLG Dr. Johannes T***, RdOLG Dr. Jürgen S***, RdOLG Dr. Eduard K***, RdOLG Dr. Günter W***, RdOLG Dr. Anton P***, RdOLG Dr. Egbert P***, RdOLG Dr. Albert K***, RdOLG Dr. Heinz W***, RdOLG Dr. Josef H***, RdOLG Dr. Manfred P***, RdOLG Dr. Konrad S***, SenPräs. Dr. Horst B*** sowie RdOLG Dr. Arnold D*** wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 19 Abs.2 JN abzulehnen, wird zurückgewiesen.

2.) Dem Antrag auf Delegierung aller die Einschreiterin betreffenden "Causen" an ein Bezirksgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Graz wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit ihrem am 20. 7. 1990 beim Oberlandesgericht Graz eingelangten, an dessen Präsidenten gerichteten Schriftsatz erklärte Rosemarie B***, das gesamte Oberlandesgericht Graz einschließlich seines Präsidenten wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 19 Abs.2 JN abzulehnen, wobei sie noch darauf hinwies, daß die von ihr abgelehnten Richter des Oberlandesgerichtes in einer dem Schriftsatz beigelegten Liste taxativ aufgezählt seien.

Eine ganze Reihe von Richtern des Oberlandesgerichtes - die sie nicht nachvollziehen könne - habe bereits gegen sie entschieden, der Gipfelpunkt von Befangenheit sei jedoch die Aussage des Präsidenten des Oberlandesgerichtes in seiner Stellungnahme zu ihrem "Amtshaftungsanforderungsschreiben" an das Bundesministerium für Justiz, in der es wörtlich heiße, "es erscheine nun aber endlich an der Zeit, dem geradezu verbohrten und unqualifizierten Vorgehen der Rosemarie B*** einen strafrechtlichen Einhalt zu bieten". Die Androhung von strafrechtlichen Konsequenzen einem schwer um sein Recht ringenden Menschen sei unfaßbar und "werfe ein deutliches Licht auf die Einstellung der österreichischen Richterschaft, seine Aufgabe nicht als Dienst an der Gesellschaft zu sehen, sondern als brutale Machtausübung zu erkennen". Da sie unter den gegebenen Umständen im Sprengel des Oberlandesgerichtes Graz wohl kaum mehr ihr Recht werde finden können, weil für sämtliche Richter die Besorgnis der Befangenheit gelte, stelle sie den Antrag, der Oberste Gerichtshof wolle gemäß § 23 JN ein Bezirksgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Graz benennen, dem Bezirksgericht Klagenfurt ihre Causen abnehmen und diese jedem Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung zuweisen.

Mehrere Versuche, den Schriftsatz durch die Einschreiterin (insbesondere in Ansehung der Richter und der sie betreffenden Ablehnungsgründe sowie des Delegierungsantrages) verbessern zu lassen, blieben erfolglos. Schließlich erklärte die Einschreiterin, ihren Ablehnungsantrag hinsichtlich der auf S 4 (ihres ersten Schriftsatzes) angeführten Richtern aufrecht zu erhalten. Das Oberlandesgericht Graz legte diesen Antrag dem Obersten Gerichtshof - und zwar im Hinblick darauf, daß der für Ablehnungssachen zuständige Senat infolge des vorliegenden Ablehnungsantrages nicht beschlußfähig ist und wegen der Ablehnung sämtlicher dem Personalsenat angehörigen Richter auch nicht beschlußfähig gemacht werden kann, zu Recht - zur Entscheidung mit dem Bericht vor, daß zur Zeit des Einlangens des Ablehnungsantrages beim Oberlandesgericht Graz weder in Zivilsachen noch in Strafsachen ein die Einschreiterin betreffendes Verfahren anhängig war und erst am 21. 11. 1990 vom Landesgericht Klagenfurt die Akten 27 Cg 273/90 dieses Gerichtshofes zur Entscheidung über einen von der Einschreiterin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25. 10. 1990, ON 6, erhobenen Rekurs vorgelegt wurden und sämtliche beim Oberlandesgericht Graz tätigen Richter sich zu dem Ablehnungsantrag dahin geäußert haben, daß sie sich nicht befangen fühlten.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 19 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen nur abgelehnt werden, weil er im gegebenen Fall nach dem Gesetz von der Ausübung der richterlichen Geschäfte ausgeschlossen ist oder weil ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Gemäß § 22 Abs.1 JN hat der Ablehnungswerber die die Ablehnung begründenden Umstände genau anzugeben. Zweck der Ablehnung ist es, die Gefahr einer unsachlichen Entscheidung zu beseitigen. Befangenheit liegt vor, wenn beim erkennenden Richter die Fähigkeit zu einer sachlichen Beurteilung fehlt oder irgendwie behindert ist oder eine solche Behinderung doch mit Grund befürchtet werden kann (JBl. 1968, 94 ua). Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive (RZ 1984/81 ua). Daraus ergibt sich aber, daß immer nur ganz bestimmte Richter wegen konkreter Umstände abgelehnt werden können, die Ablehnung der Richterschaft eines Gerichtes schlechthin als befangen aber nicht möglich ist. Die Ablehnung sämtlicher Richter eines Gerichtes wäre nur möglich, wenn bezüglich jedes einzelnen Richters konkrete Befangenheitsgründe dargetan würden. Demnach reicht die pauschale Ablehnung sämtlicher Richter eines Gerichtes oder einer Mehrzahl bestimmt genannter Richter zu einer positiven Entscheidung über den Ablehnungsantrag nicht aus (vgl Fasching, Lehrbuch2, Rz 165; RZ 1968, 213; SZ 33/122; 7 Ob 510/86; 2 Ob 663/86 ua).

Im vorliegenden Fall hat die Einschreiterin letztlich erklärt, eine Vielzahl bestimmt genannter Richter des Gerichtshofes zweiter Instanz wegen offensichtlicher Befangenheit abzulehnen, und - von einer Äußerung des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz anläßlich eines Berichtes an das Bundesministerium für Justiz abgesehen - bloß allgemein ohne Anführung konkreter Umstände die Befangenheit der Richter behauptet. Der Umstand, daß "eine ganze Reihe von (nicht einmal bestimmt genannten) Richtern des Oberlandesgerichtes Graz bereits gegen sie entschieden hätte", vermag allein eine Befangenheit solcher Richter nicht zu begründen (vgl Fasching, Lehrbuch2, Rz 164). Auch aus dem genannten Bericht des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz an das Bundesministerium für Justiz folgt keineswegs, daß die namentlich genannten Richter des Oberlandesgerichtes Graz der gleichen Ansicht seien und sich in der gegenständlichen Rechtssache von anderen als von sachlichen Gründen leiten ließen.

Was den einzigen konkret ausgeführten Ablehnungsgrund anlangt, so läßt sich auch damit die Ablehnung des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz nicht rechtfertigen. Es darf nicht übersehen werden, daß diese Äußerung von Dr. Josef K*** in seiner Eigenschaft als Organ der Justizverwaltung erstattet wurde und sich auf das Gesamtverhalten der nunmehrigen Ablehnungswerberin bezog, wie er es einer Vielzahl von Akten entnehmen konnte. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, daß die Einschreiterin eine Vielzahl von Ablehnungsanträgen nicht nur gegen einen bestimmten Richter, sondern gegen mehrere Richter erhoben hat, die alle erfolglos blieben. Es trifft auch zu, daß durch diese Ablehnungsanträge und die wiederholte Erhebung unzulässiger Rechtsmittel nicht unerhebliche - das im allgemeinen tragbare Ausmaß doch bedeutend überschreitende - Verfahrensverzögerungen verursacht wurden. Den Akten ist auch zu entnehmen, daß die Antragstellerin sich bei ihren Eingaben eines Stiles bediente, der im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unzulässig ist und gegen das Erfordernis einer sachlichen Ausdrucksweise derart gröblich verstieß, daß die Verhängung einer Ordnungsstrafe über die Einschreiterin erforderlich wurde (vgl 1 Ob 636/89). Ausgehend von dem Gesamteindruck, den Dr. K*** von der Antragstellerin aus der Aktenlage gewinnen konnte, erscheint das in der Äußerung Dris. K*** an das Bundesministerium für Justiz zum Ausdruck kommende, von der Einschreiterin nunmehr als Befangenheitsgrund geltend gemachte Anliegen, die in den Gerichtsverfahren, an welchen die Einschreiterin beteiligt ist, herrschende Atmosphäre und den der Antragstellerin dafür zurechenbaren Einfluß sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Verfahrensführung selbst darzustellen, ebenso verständlich wie die Beurteilung des Vorgehens der Antragstellerin als verbohrt und unqualifiziert.

Unter den gegebenen Umständen ist daher die Annahme nicht gerechtfertigt, Dr. K*** könnte sich bei allfälligen Entscheidungen, an denen er als Richter mitzuwirken hätte, von unsachlichen Gesichtspunkten leiten lassen.

Da somit eine begründete Besorgnis der Antragstellerin, die von ihr genannten Richter könnten sich in sie betreffenden Verfahren auch von unsachlichen Gesichtspunkten leiten lassen, nicht besteht, konnte ihrem Ablehnungsantrag kein Erfolg beschieden sein. Kommt dem Ablehnungsantrag keine Berechtigung zu, so kann auch keine Rede davon sein, daß das Oberlandesgericht Graz aus Gründen der Befangenheit seiner Richter an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert wäre und die Delegierung allfälliger beim Oberlandesgericht Graz anhängiger Rechtssachen der Einschreiterin an ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung erforderlich wäre (§ 30 JN). Zweckmäßigkeitsgründe im Sinne des § 31 JN, die eine Delegation auf Antrag einer Partei rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgebracht.

Den Anträgen der Ablehnungswerberin mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.

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