OGH 2Ob663/86

OGH2Ob663/8614.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bruno B***, Gemeindeangestellter, 9344 Weitensfeld 77, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Albin L***, Landwirt, Tschriet 1, 9345 Glödnitz, vertreten durch Dr. Edwin Kois, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 45.000,--, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 26. August 1986, GZ. Nc 40/86-1, womit der Ablehnungsantrag der klagenden Partei betreffend sämtliche Richter des Landesgerichtes Klagenfurt, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt Schadenersatz mit der Begründung, der Beklagte habe zwei Schäferhunde des Klägers widerrechtlich erschossen.

Der Erstrichter Dr. Johann B*** wies mit Urteil vom 3.3.1986, GZ. 26 Cg 290/84-26 des Landesgerichtes Klagenfurt, das Klagebegehren ab. Er führte aus, der Beklagte sei gemäß § 49 des Kärntner Jagdgesetzes zum Abschuß wildernder Hunde berechtigt gewesen. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil zur Klärung der Frage, ob der Beklagte einen Jagderlaubnisschein gehabt habe, auf. Mit Antrag vom 4.7.1986 lehnte der Kläger den Erstrichter Dr. B*** und alle anderen Richter des Landesgerichtes Klagenfurt ab. Der Klagevertreter habe nach Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichtes mit dem Erstrichter gesprochen. Dieser habe zum Ausdruck gebracht, seiner Meinung nach sei diese Entscheidung falsch, er habe mit dem Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt, Dr. Gerhard A***, gesprochen, der die Meinung vertreten habe, die Entscheidung sei unrichtig. Aufgrund dieser Erklärung sei ein zureichender Grund gegeben, die Unbefangenheit des Richters Dr. B*** in Zweifel zu ziehen. Im Hinblick darauf, daß der Präsident des Landesgerichtes auch Landesjägermeister von Kärnten und zudem "Kommentator und Herausgeber" des Kärntner Jagdgesetzes sei, müsse der Kläger die Unbefangenheit sämtlicher Richter des Landesgerichtes Klagenfurt anzweifeln. Es werde daher beantragt, dem Ablehnungsantrag Folge zu geben und die Rechtssache dem Kreisgericht Leoben oder dem Landesgericht für ZRS Graz zuzuweisen.

Das Oberlandesgericht Graz wies diesen Antrag zurück. Ein Antrag auf Pauschalablehnung sämtlicher namentlich nicht genannter Richter eines ganzen Gerichtshofes, über den gemäß § 23 JN das übergeordnete Oberlandesgericht zu entscheiden habe, sei von vornherein unzulässig. Der Inhalt des Ablehnungsantrags müsse stets die Ablehnung eines oder - mehrerer namentlich genannter - bestimmter Richter und die Behauptung konkreter Umstände enthalten, die geeignet seien, die Unbefangenheit des namentlich genannten Richters derart in Zweifel zu ziehen, daß er sich bei seiner Entscheidung von andern als sachlichen Gesichtspunkten werde leiten lassen. Bei der pauschalen Ablehnung aller Richter eines Gerichtshofes könne dies von vornherein nicht zutreffen, weshalb ein solcher Antrag von Lehre und Rechtsprechung als unzulässig angesehen werde. Der Antrag ziele im Ergebnis auf eine Delegierung ab. Über den Antrag auf Ablehnung des Verhandlungsrichters Dr. B*** werde das zur Entscheidung darüber zuständige Organ des Erstgerichtes zu entscheiden haben. Der Kläger bekämpft diesen Beschluß mit Rekurs. Er führt aus, es müsse damit gerechnet werden, daß der Präsident des Landesgerichtes Klagenfurt seine dem Richter Dr. B*** bekanntgegebene Ansicht auch gegenüber allen anderen Richtern des Landesgerichtes Klagenfurt äußern werde. Wenn der Präsident den Richtern auch keine Weisungen erteilen könne, so werde ein so hervorragender Spezialist auf dem Gebiet des Jagdrechtes wie Dr. A*** doch einen solchen Einfluß auf die Richter haben, daß die Parteien den Anschein einer Befangenheit bei allen Richtern dieses Gerichtshofes für gegeben ansehen müßten. Zweck der Ablehnungsbestimmungen sei, nicht nur eine wirkliche Befangenheit, sondern auch den Anschein einer solchen zu vermeiden. Wenn das Oberlandesgericht Graz schon der Meinung sei, der Antrag sei zu wenig konkretisiert, weil die Richter nicht namentlich angeführt seien, und der Antrag sei in Wahrheit ein Delegierungsantrag, dann hätte über den Delegierungsantrag entschieden werden müssen. Der Kläger stehe seiner Meinung nach einer "Jägerfront" gegenüber und glaube, man tue der Rechtspflege nichts Gutes, wenn man von einer Verlegung des Prozesses an einen anderen Gerichtshof erster Instanz Abstand nehme.

Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 19 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen nur abgelehnt werden, weil er im gegebenen Fall nach dem Gesetz von der Ausübung der richterlichen Geschäfte ausgeschlossen ist oder weil ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Gemäß § 22 Abs.1 JN hat der Ablehnungswerber die die Ablehnung begründenden Umstände genau anzugeben. Zweck der Ablehnung ist es, die Gefahr einer unsachlichen Entscheidung zu beseitigen. Befangenheit liegt vor, wenn beim erkennenden Richter die Fähigkeit zu einer sachlichen Beurteilung fehlt oder irgendwie behindert ist oder eine solche Behinderung doch mit Grund befürchtet werden kann (JBl. 1968, 94 ua). Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive (RZ 1984/81 ua). Daraus ergibt sich aber, daß immer nur ganz bestimmte Richter, nicht aber die Richterschaft eines Gerichtes schlechthin als befangen abgelehnt werden kann. Eine Ablehnung sämtlicher Richter eines Gerichtes wäre nur möglich, wenn bezüglich jedes einzelnen Richters konkrete Befangenheitsgründe dargetan würden. Demnach reicht die pauschale Ablehnung sämtlicher Richter eines Gerichtes zu einer positiven Entscheidung über den Ablehnungsantrag nicht aus (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 165; RZ 1968, 213; SZ 33/122; 7 Ob 510/86 uva).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger sämtliche Richter des Landesgerichtes Klagenfurt unter Hinweis auf eine Äußerung des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt über den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes abgelehnt. Aus dem Umstand, daß der Präsident eines Gerichtshofes - mag er auch, wie hier, Spezialist auf dem betreffenden Rechtsgebiet sein - seine Rechtsansicht über ein bestimmtes Verfahren äußert, folgt keineswegs zwingend, daß sämtliche Richter dieses Gerichtshofes der gleichen Ansicht seien und sich in dieser Rechtssache von anderen als von sachlichen Gründen leiten ließen.

Aus diesen Gründen hat das Oberlandesgericht Graz den Ablehnungsantrag mit Recht zurückgewiesen.

Verfehlt ist die Meinung, das Oberlandesgericht Graz hätte über den Delegierungsantrag entscheiden müssen. Ein Delegierungsantrag im Sinne des § 31 JN wurde nämlich nicht gestellt, der Antrag, die Sache dem Kreisgericht Leoben oder dem Landesgericht für ZRS Graz zuzuweisen, kann nur dahin verstanden werden, daß bei der im Fall der Stattgebung des Ablehnungsantrages notwendigen amtswegigen Delegierung im Sinne des § 30 JN einer der beiden angeführten Gerichtshöfe zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden solle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte